Der Spiegel, 1842. július-december (15. évfolyam, 55-105. szám)

1842-10-19 / 84. szám

«66 DER SPIEGEL 1842. des Arztes Cabauis, welche bei ihr wohnten, und Morellet's, eines ebenfalls vertrauten FrcundeS, aber feltnern Gastes, bei Franklin; dieser dagegen speiste viel öfter bei Ma­dame Helvetius, bei welcher er ganze Abende zubrachte, ohne ihr jedoch jemals einen Morgenbesuch zu machen. Der Umgang mit Franklin war ein ganz herrlicher, und Mo­­rellet kann dessen ausgezeichnete Gutmüthigkeit, die Einfachheit seiner Sitten und sein Gefühl für Recht und Pflicht, die sich selbst bei den unbedeutendsten Kleinigkeiten ausspra­­chen, seine Leutseligkeit, die Reinheit seiner Seele nicht genug rühmen, die oft bis zur Fröhlichkeit sich steigerte. Das war damals die Gesellschaft des Mannes, der sein Vater­land zum Freistaat erhob und dem die Welt eine der wichtigsten Erfindungen seiner Zeit verdankt. Er sprach viel und anhaltend und trug namentlich gern Erzählungen vor, in denen er vorzüglich stark war. Seine Erzählungen hatten immer einen philosophischen Zwek. Gewöhnlich sprach cr in Gleichnissen, die er größtentheils selbst erfand; doch ver­stand er mit außerordentlicher Gewandtheit auch solche einzuweben, die nicht von ihm herrührten. Eines Morgens verließ Franklin gegen seine Gewohnheit sehr frühzeitig sein Zimmer und Passt), und rief den jungen Amerikaner, welcher ihm diente, zu: „Dyk! Dyk! wir gehen nach Auteuil, folge mir." — Dyk, von Geburt ein Amerikaner, hatte sich in dem Unabhängigkeits-Kriege ausgezeichnet, er hatte unter Washington gefochten, und als er genöthigt wurde, die Waffen niederzulegen und seinen General zu verlassen, schloß er sich an Benjamin Franklin, von dem er sich nie wieder trennen wollte. Richard, oder wie er von Franklin genannt wurde, Dyk, war kein Diener der gewöhnlichen Art; treu, er­geben , und ein eben so guter Patriot als Christ, folgte er seinem Herrn überall, und las fleißig in der Bibel, oder machte die nöthigen Vorbereitungen zu Franklins physika­lischen Experimenten. Begeistert, wie die Jugenv zu fein pflegt, oder vielmehr wie ein Mensch, der von Der Richtigkeit seiner Ansichten innig überzeugt ist, ließ er keine Gele­genheit unbenuzt vorübergehen, die sich ihm darbot, sein Vaterland und Franklin auf's Höchste zu rühmen. In seinen Mußestunden verbreitete er sich, den übrigen Dienstboten gegenüber, gern über die Theorie der Elektrizität, oder er erklärte den Bauern in Auteuil die Vorzüge des Blizableiters. — Nur bei der hohen Unschuld und Einfalt in allen Ge­fühlssachen, welche Franklin eigen waren, konnte dem Philosophen die ganz außeror­dentliche Freude entgehen, wovon Dyk ergriffen wurde, handelte es sich um einen Besuch bei Madame Helvetius. Stets war er fertig und bereit, wenn von Passt.) nach Auteuil gegangen werden sollte, und ungemein erfinderisch in Aufsuchung von Gründen, die Noth­­wendigkeit eines solchen Ganges, der zuweilen mit Beschwerden verknüpft sein mochte, wenigstens anscheinend außer Zweifel zu sczen. Sobald Franklin rief, war Richard bei der Hand, als wäre er herbeigezaubert; Stok, Hut und Handschuhe des Philosophen wa­ren schneller, als der Befehl dazu ertheilt werden konnte, zur Stelle, unv ohne den ge­ringsten Aufenthalt konnten die Wanderer ihren Weg antreten. — Die Juni-Sonne ver­sengte fast die Fluren, und Beide suchten deshalb kleine, durch Bäume beschattete Fuß­steige aus; der Philosoph schritt langsam vorwärts, und verrieth durch nichts, daß ihm etwas daran liege, rascher sein Reiseziel zu erreichen, währenv hinter ihm sein Diener vor unbezwinglicher Ungeduld zitterte. Madame Helvetius befand sich in ihrem Besuch­zimmer, welches die Aussicht nach dem baumreichen Garten hatte, von denen eine Linde ihre dikbelaubten Zweige bis unter den Sims des Fensters ausoehnte. „Sie erscheinen so früh, mein werther Herr Franklin?" rief sie ihm entgegen, so wie sie ihn erblikte; „ich will doch nicht fürchten, daß eine unangenehme Nachricht, die Sie Ihrer guten Frau von Auteuil mittheilen wollen , Sie zu so ungewohnter Stunde in Bewegung gefegt hat?" — „Keinesweges," antwortete Franklin; „ich komme nur des­halb zu erzählen, was mir die vergangene Nacht begegnet ist." — „Sie wollen mir also ein Geschichtchen erzählen, lieber Freund?" — „Urtheilen Sie selbst über das, was ich Ihnen mitzutheilen habe. Sie erinnern sich doch unserer gestrigen Abend - Unterhaltung und wie ich die stärksten Gründe hervorgesucht habe, um Sie dahin zu bestimmen, nicht länger allein zu leben, sondern sich wieder zu verheirathen?" — „Mein Gott, Freund, wie kommen Sie darauf? lassen Sie uns doch von etwas Anderm sprechen!" — „Un­möglich kann Ihnen der Kummer entgangen sein, welchen ich über die seltsame Beharr­lichkeit empfinde, mit der Sie entschlossen find, Ihrem verstorbenen Gatten eine Treue zu bewahren, die ganz zwekloS ist und vielleicht jedes vernünftigen Grundes entbehrt." —

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