Der Spiegel, 1844. január-december (17. évfolyam, 1-104. szám)

1844-02-21 / 15. szám

mir folgen könnenentgegnete er ablehnend, »ich stehe im Begriff, mein Pferd auStraben zu lassen, und wenig Pferde haben bis daher es mit demselben aufzunehmen vermocht." — Jener lachte. »Lassen wir es darauf ankommen! mein Rappe überholt die Krähe im Fluge." Nach dieser tröstlichen Versicherung flog er gleich dem Blize über die Ebene dahin, wandte sodann sein Pferd und kehrte in gleicher Weise zu dem erstaunten Walter zurük, welcher bis dahin feine volle Aufmerksamkeit nur dem Reiter zugewandt hatte, der ihm jezt ohne weitere Be­merkung wieder zur Seite ritt. Gezwungen brachte Walter eine lobende Bemerkung hervor, Jener klopfte schmeichelnd seinem Pferde den Hals: »Aber Sie wollten ja traben," entgeg­nete er ruhig, wie ausfordernd. Auszuweichen schien unmöglich, Walter hegte jedoch im Stil­len die Hoffnung, sein schönes Roß werde dasjenige des Gegners durch Ausdauer besiegen, eine Annahme, die sich um so mächtiger in ihm regte, als er erst wahrnahm, daß der Fremde in den Satteltaschen Pistolen bei sich führe. Diese Erwartung sollte sich jedoch in keiner Weise bewähren, und immer einsamer ward der Weg, den sie verfolgten, in immer tieferen Schat­ten senkte die Dunkelheit sich herab. Endlich hielt der Fremde sein Pferd an: »Ich liebe," sagte er, »schöne Pferde zu sehr, um nicht Mitleid mit dem Ihrigen zu haben; unbepakt wie daS meinige ist, würde eS noch Stunden so forttraben; Ihr Brauner dagegen hat schwer an dem Gelds zu tragen. Sie sollten daher in Wahrheit langsamer reiten." Bei Erwähnung des Geldes empfand Walter innerliche Schauer, noch mehr aber fühlte er sich befremdet, als jener hinzufügte: »Um so mehr sollten Sie langsamer retten, als Ihr Pferd morgen eine starke Tagereise zurükzulegen hat." Durchaus unheimliche Gefühle bemächtigten sich des jungen ManneS, der als Hüter der ihm anvertrauten Summe,.und völlig unbewaffnet, sich einen höchst verdächtigen Gefährten zur Seite wußte. Erkennen konnte er das Antliz desselben nicht mehr, aber die Stimme klang wie überlegener Spott. Um so viel mehr fühlte Walter sich beunruhigt, als er sich rüksichtlich der Kenntniß, die Jener von seinen Geschäften zu haben schien, nicht völlig schuldlos wußte, wohl erinnernd, daß er sich darüber im Gasthof zu L. mit jugendlicher Unbesonnenheit ausgelassen. Schweigend faßte er den Vorsaz, das ihm An­vertraute bis zum legten Lebenshauche vertheivigen zu wollen, und ritt dann mit größerer Ruhe, das Unvermeidliche tragend, im starken Schritt vorwärts. — Beide Reiter schwiegen von da an fast gänzlich, nur der Fremde redete zuweilen schmeichelnd seinem muthigen Pferde zu, welches er abwechselnd Reh, Gazelle und Windsbraut nannte. Leichter Herbstwind jagte die Abendwolken am Himmel vorüber, da erschien ein Freund, auf den Walter lange gehofft, der Mond trat so plözlich, als man der Verwandlung in Zaubermährchen gedenkt, durch Wol­ken und Nebel glänzend hervor. Die Boden des Himmels bedrüken oder erheben die Seele, je nach deren innerer Gestaltung; Walter begrüßte die liebliche Helle mit dankbarem Ver­trauen, während der Fremde, weniger dadurch erfreut schien, unerwartet einen Seitenweg ein­schlug, nachdem er mit fester, tiefer Stimme seinem Gefährten eine gute Nacht gewünscht; Walter erwiderte den Gruß, da drehte Jener, sich im Sattel wendend, noch einmal den Kopf zu ihm hin: »Auf Wiedersehen!" rief er, »auf Wiedersehen, ich zähle fest darauf."— Kaum wissend, ob er über diesen Nachsaz sich mehr ärgern oder beunruhigen solle, empfand Walter gleichwohl, daß durch die Entfernung des Fremden ihm eine Last vom Herzen gefallen, jezt erst vermochte er ungestörtem Nachdenken über eine so auffallende Erscheinung Raum zu geben. Wer war Jener? Auf welchen Anlaß hatte er sich,an ihn gedrängt, und wenn er die Abficht gehabt, ihn zu berauben, weshalb dann die günstige Gelegenheit außer Acht lassen, welche auf einsamer Haide, einem völlig Unbewaffneten gegenüber, so verleitend sich darbot ? Dachte dieser räthselhafte Mensch vielleicht daran, ihn während der Nacht im Schlafe zu überfallen, oder hatte er seine Pläne auf den folgenden Tag verschoben, da der Weg, den Walter alsdann zurükzulegen hatte, gleichfalls einsam und verödet war? Hundegebell störte den jungen Mann aus seinem Sinnen auf; er befand sich in der Nähe des Dorfes, welches kaum eine Viertelstunde von Schloß Wals entfernt lag, und jezt, nur der nächsten angenehmen Zukunft, des ihn erwartenden Abendessens und der bevorstehenden Ruhe gedenkend, schüttelte er mit frischem Jugendmuth alle Sorgen ab. Als Walter in den Thorweg einritt, sah er einige Fenster erleuchtet in dem schönen allerthümlichen Gebäude, wel­ches durch eine Mauer von behauenen Steinen, großes Eisengitter und weitem Vorhof von den WirthschaftSgebäuden völlig abgesondert, in vornehmer Einsamkeit da lag. Voraussezend, daß man im Schlosse seiner harre, ritt er an der breiten Steintreppe vor, wo der Inspektor deS Grafen ihn empfing und ein Knecht ihm sein Pferd abnahm. Nachdem Walter sich des MantelsakS bemächtigt, folgte er dem Inspektor, die Schwelle des Schlosses nicht ohne neu­gierige Erwartung überschreitend, da er bei einem früheren kurzen Verweilen auf Wals das Innere deS prächtigen Gebäudes nicht gesehen. Die große, weite Vordiele war durch eine ein­zige Lampe erleuchtet, und dies unzulängliche Licht warf einen fchwermüthigen Schatten über

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