Der Spiegel, 1844. január-december (17. évfolyam, 1-104. szám)

1844-04-27 / 34. szám

DER SPIEGEL für Kunst, Eleganz und Mode. Siebzehnter Jahrgang. Redakteur: Sam. Rosenthal Verleger: Fr. Wiesen § Wittwe mtb S. Rosenthal ÉS44. Pesth und Ofen, Sonnabend, 27. April. 34 Per falsche Bräutigam. Nach dem Französischen des M. M6ry. or der Rhede von Toulon, auf dem westlichen Abhang der Berge, welche die Spize von (Soubon mit den Schlünden von OlliouleS ver­binden, trifft man auf jeder Hochfläche die herrlichsten Landhäuser. Sie haben alle dieselbe Aussicht: die See, die Rhede, die Schiffe—ein bur teS, lachendes Bild. An den Abenden in der schönen Jahreszeit versammeln sich die Familien auf den Terrassen dieser kleinen Villen, um fich für die brütende Tageshize durch die aus der See aufsteigende Kühle zu entschädigen. Eben waren am JohanniSabend 1830 die ersten Sterne über dem Bergkamme von (Soubon sichtbar geworden, als durch die r - ländliche Stille von der Feste Lamalgur am Hafen ein Kanonenschuß ertönte und nach vielfachem Widerhall in den Tiefen des ThaleS von OlliouleS erstarb. Wie ein elektrischer Schlag begleitete Schreken diesen Widerhall, um die längste und schönste Sommer­nacht in dieser Gegend zu stören. Ueberall auf den Terrassen, wo die jungen Leute miteinan­der plauderten, erhob sich der Ruf: »Das ist ein entlaufener Galeerensklave!" Jede einzelne Familie macht sich in solchem Fall gefaßt, einen aus der Menagerie deS Arsenals von Toulon entsprungenen Tiger in Menschengestalt in ihre Mitte stürzen zu sehen. — Wenn ein Beob­achter im Flug den Zug des Entsezens hätte verfolgen können, welcher von Gesicht zu Ge­sicht lief in den bezeichneten Abendgesellschaften, so würde er mit Erstaunen die heitere Ruhe einer Familie bemerkt haben, die in der Laube eines Gartens zwischen der Rhede und dem Berg Sir-FourS saß. Diese Sorglosigkeit einiger Menschen immitten des allgemeinen (Betretend war leicht zu erklären. Frau Mellan und ihre Tochter waren erst vor wenigen Tagen von New- Nork zu Toulon angekommen, um eine wichtige Familienangelegenheit in Ordnung zu brin­gen. Sie hatten ein hübsches Landhaus in einiger Entfernung vom Meer und von der Heer­straße gemietet. Auf der Terrasse desselben saßen mit ihnen ein alter Diener und zwei kreoli­sche Kammerfrauen, als der Schuß ertönte. Allesammt fremd, betrachteten fie denselben alö etwas nicht Ungewöhnliches in einem Kriegshafen, und unterbrachen nicht einmal ihr Gespräch. Der Schuß war kein Zufall, sondern daS Zeichen, daß ein Verbrecher aus dem Bagno entwischt sei. Cardan, wegen Bigamie und Fälschung gebrandmarkt und auf der Galeere an einen Kameraden angeschmiedet, hatte -zwei Monate lang an dem verbindenden Ring gefeilt, hatte im Lauf deS bezeichneten TageS, während sein Kamerad schlief, den lezten Faden deS Eisens durchgerissen und war entflohen. Sein Kamerad, sich beim Erwachen

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