Der Spiegel, 1844. január-december (17. évfolyam, 1-104. szám)

1844-06-01 / 44. szám

841 Per Spiegel 1844. der Wirth, ein gefälliger Mensch, räumte ihm gutmüthig eines seiner eigenen ein Seit Jahren fühlte sich Menassen zum ersten Male behaglich, und es fiel ihm wirklich schwer, nach acht glüklich durchlebten Tagen fich von seinem Wirthe und seiner Familie zu trennen. Er versprach ihnen länger zu verweilen, sobald er von der Besichtigung deS Rheinfalles zurükgekehrt sein würde. Der Wirth, der Menaffen liebgewann, erbot sich ihn zu begleiten, seine Frau und Kinder meinte er, würden daS HauS indessen wohl besorgen. Er willigte ein. — Zwei Stun­den mochten sie schon gegangen sein, und deutlich hörte man schon das tosende Geräusch der fallenden Wassermenge. Schweigend schritten sie vorwärts, nur bisweilen wurden fie von dem fteundlichen Gruße der Landleute: »Guata Tag, ihr Herr«!" unterbrochen, welche zur Mittag­stunde von der Arbeit in ihre Hütten zurükkehrten. Menassen, deS Gehens ungewohnt, fühlte fich ermüdet; sein Begleiter mochte dieS bemerken, denn freundlich bot er ihm die Hand und sagte: »Seht, lieber Herr, jenes Häuschen rechts," indem er mit dem Finger daraus hinwics, »wird euch gastliche Aufnahme gewähren, es ist kaum eine halbe Stunde entfernt, eS ist die Wohnung des Schulmeisters, und wird von einer biedern Familie bewohnt, Ihr dürftet nur meinen Namen nennen, obschon eS auch dessen nicht bedürfte, um einer freundlichen Aufnahme gewiß zu sein." — »Abersagte Menaffen, »eS wird —* — »Nichts aber," unterbrach ihn der Führer lebhaft, »ich sehe, Ihr seid ermüdet, und da ist eS Pflicht für euch zu sor­gen. Ich gehe hier," indem er links hinwieS, »zu meinem Schwager und komme mit einem Fuhrwerke längstens in einer Stunde zurük." Und somit entfernte er sich eilig. Menassen hatte keine Wahl. ES blieb ihm nichts übrig, als entweder auf der freien Straße bei herannahendem Gewitter sich einen geeigneten Ruhcplaz zu wählen, oder den Wor­ten seines Führers zu folgen; er wählte das Leztere und schlug den Weg nach der bezeichne­­ten Wohnung ein. DaS HäuSchen, wenn man tZ so nennen kann, war von Holz, nur der Grund gemauert, im obern Stokwerke war ein Balkon angebracht, vor den Fenstern ein anmuthiges Gärtchen, rechts die Schule, links eine kleine Meierei. Dreißig Schritte vor dem Hause saßen zwei Kinder, ein Knabe und ein Mädchen, und spielten in traulicher Unschuld, indem fie sich gegenseitig mit Blumen bekränzten. Sie mochten ungefähr sechs bis sieben Jahre zählen. Eine alte, abgelebte Dogge lagerte beifeitß. Als ste den Fremdling ankommen sahen, verließen ste ihr unschuldiges Spiel unv liefen zutraulich auf ihn zu. »Guata Tag, Herla," den gewöhnlichen Gruß rief das Mädchen und reichte ihm ihre kleine Hand, und indem fie ihren Bruder zupfte, sagte sie leise: »Säg doch au, Tonneli, guata Tag, Herla, und gib'S Hänvla." Er gehorchte. — »Der Friede des Herrn sei mit euch, ihr Kleinen," versezte Me­­nassen gerührt. — »Und, willt eppa zum Bäterle," plapperte daS Mädchen geschäftig weiter, »gang ich will dich führa, kannscht Milch und ä Brodlä Han," und zum Bruder gewendet fuhr fie fort: »Lus, Tonneli, säg ich, und säg 's isch ä Herla da, unv gärät an Jmbisch." Der Knabe lies voran. — Mcnaffen fühlte stch von derUnschulv dieser Kinder tiefbewegt, ein unerklärbareS Etwas zog ihn unwiderstehlich zu ihnen, auch glaubte er eine wunderbare Aehn­­lichkeit in den Zügen dieser Kleinen mit jenen seiner verlornen Tochter zu erkennen; neu blu­tete die Wunde seines HerzenS, er folgte willenlos dem Kinde. — Der Knabe war indessen vorausgeeilt, die Ankunft des Fremden zu verkünden. Noch stand die geschäftige HauSsrau in der Thüre und rief dem Kleinen eine Ermahnung zu, der tu vollen Sprüngen den Vater zu holen begriffen war. — Mcnaffen, von der Hanv ves Mädchens geleitet, kant herbei, die Mutier sah dem Treiben der Tochter mit einem wohlgefälligen Blike zu; sie waren nun bei ihr. Menas­sen erhob sein Auge, und mit dem Ausrufe: »Allmächtiger Gott int Himmel, meine Mathilde!" sank er bewußtlos zu Boden. Das ganze HauS kam in Aufruhr. Heinrich, nun kann ich eS nicht länger mehr ver­schweigen, denn er war eS, wußte nicht, waS daS zu bedeuten habe. Als er herbeikam, sah er sein geliebtes Weib im stummen Schmerze über einem männlichen Leichnam auSgestrekt, ihn mit ihren Thränen ins Leben zurükzurufen bemüht, seine vier Kinder standen laut jammernd und riesen weinend den Namen Mutter. Er erkannte Menaffen nicht mehr. Im schnellen Ue­­berblike ward er indessen gewahr, daß hier schleunige Hilfe nothwendig sei. Schnell nahm er sein chirurgisches Bestek zur Hand, unv öffnete ihm eine Ader, er hatte den Arzt noch nicht ver­gessen. Mit Beihilfe des Wirths, der mittlerweile mit dem Fuhrwerke herbeikam, und stau­nend die erschütternde Szene, betrachtete, wurde er in der wohnlichen Stube in ein reinliches Belt gebracht. Man rieb ihm Stirne und Schläfe; endlich, nach langem fruchtlosem Bemühen, schlug er die Augen auf. »Wo bin ich?" waren seine ersten Worte, als er fich aber tm Bette, und Mathilde, von ihren Kindern umringt, fiillweinend reumüthig vor sich auf ven Knien erblikte, als ste eben den unschuldsvoll frommen Blik gerade wie vor dreizehn Jahren zu ihm erhob und seine Hände mit Küssen bedekte, da brach sein ohnehin durch vielfachen Schmerz gebeugtes Herz, und er rief laut: »Herr! nun lasse deinen Diener in Frieden fahren."—

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