Der Spiegel, 1844. január-december (17. évfolyam, 1-104. szám)

1844-09-21 / 76. szám

Pts Sspitfltl 1844. 608 Biene ohne Blumen. Eie saugt Honig auS den Kelchen, ich sauge Musik aus den Schaalen. Am Ende wird mir nichts Anderes übrig bleiben, als die Qual, mich wieder an die Arbeit zu machen und eine neue Oper in die Welt zu schleudern. Sogleich will ich ins KaffehauS. Vielleicht treffe ich dort einen Tertmacher. Ein Königreich für ein Libretto!" rief Meister Joachim und rannte ins nächste KaffehauS. — Dort traf er einen seiner Bekannten, den Dich­ter Gherardini, der mit einem Freunde Billard spielte. ■— »Gut, daß ich dich finde," sagte er zum Dichter, den er hastig bei Seite zog. — »WaS gibtS? du bist bleich und verstört... WaS ist vorgefallen?" — »Denke dir die Frechheit, Bartolo hat mich verklagt..." — »Ro­­flnenS Vormund?" fragte Jener in scherzendem Tone. — »Nein, der verdammte »Meister Schneeweiß", dem ich für Austern, wovon du fleißig mitgegeffen hast, lumpige 978 Lire schuldig bin. Jezt heißt'S Rathschaffen. Vor drei Wochen hast du mir einen Tert versprochen. Uebermorgen muß er fertig sein . . . komisch oder tragisch ... gut oder schlecht . . . waS kümmertS mich, wenn's nur ein Buch ist, daS drei Akte hat und den ganzen Abend füllt. DaS Feuer brennt mir auf den Nägeln ... ich fühle Plözlich so unendlich viel Melodien in mir, daß ich daS ganze Weltall damit unter Musik fezen könnte. Geh', geh', Freund, mach', daß du nach Hause kommst ... wir haben keine Minute Zeit zu verlieren . . ." — »So haben die Leute doch Recht, wenn sie sagen,jdaß stch selbst der Teufel nicht in deine Launen fügen kann. Monate lang liegst du auf der Bärenhaut und bist um keinen Preis der Erde zu bewe­gen, an die Arbeit zu gehen . . . dann ist dir der beste Tert nicht gut genug . . . dann zau­derst und mäkelst du . . . willst bald dieses, bald jenes geändert haben und wirfst das Buch bei Seite und wirfst dich von Neuem dem dolce far niente in den Schoos. Plözlich über­fällt dich dann eine Wuth, eine Art Heißhunger, die dich zum Komponiren antreiben, dann greifst du nach dem schlechtesten Tert und schüttelst die Noten au8 dem Aermel . . . — »Freund, bester Freund, nur keine Moral und am Allerwenigsten jezt, wo ich weiter nichts als einen armseligen Tert brauche. Schaffe mir solch einen Tert, sonst prügle, sonst erwürge ich dich, so wahr ich Joachim heiße und dem vermaledeiten JudaS 978 Lire nebst Zinsen für seine nichtswürdigen Austern schuldig bin — »Gut, morgen Abend lese ich dir den Tert..." — »Schön; nun aber mach', daß du nach Hause kommst." — »Du wirst doch er­lauben, daß ich zuvor meine Tasse Kaffe trinken und meine Partie auSspielen kann?" — »Nein, das werde ich nicht erlauben," erwiderte Rossini, halb im Scherz, halb im Ernst. »Les affaires avant tout! Geh', theurer Orest; dein PyladeS will, damit du siehst, daß auch er dir gern gefällig ist, deine Partie übernehmen — wenn's sein muß — auch deinen Kaffe trinken." — »LeztereS kann ich selbst," antwortete Gherardini und legte, hingerissen von der Ueberredungskunst seines Freundes, den Queue in dessen Hand, leerte eigenmündig seine Tasse Kaffe, nahm rasch seinen Hut, sagte zu Rossini: »Bezahle für mich," und ging nach Hause. — »Wie steht die Partie?" fragte der Maestro." — »Treize á trente - deux," rief der Marqueur. — »Wer hat trente-deux ?" — »Ich," antwortete der Bassist Galli.— »Und wer ist am Stoß?" — »Du!" — »Dann bist du verloren, lieber Freund," sagte Ros­­fini und . . . beendigte die Partie mit einem Stoße. (Beschluß folgt.) Das jyiflc Reifen und der Humor. »WaS mich auf meiner diesjährigen Reise durch daS nördliche Frankreich unglüklich mach­te", erzählt GreveruS in den »Gum. Blättern", war die Schweigsamkeit in den Diligencen rc., die fich aller Menschen, selbst der ehemalr so gesprächigen Franzosen, epidemisch bemächtigt hat. Niemand kümmert fich mehr um seine Um­gebung, kaum daß sich die Reisegesellschaft an­sieht. Jedermann zieht alsobald ein Buch aus der Tasche, lehnt sich in die Eke und beginnt mit apathischem Trust zu lesen. Diese Mode ist von England auS über den Kontinent verbreitet worden, benn dort ist eS schon seit langer Zeit Sitte, während deS FahrenS die öffentlichen Blätter zu lesen u. die Mitreisenden so gänzlich zu ignoriren, alS wenn fie gar nicht vorhanden wären. Nach dem Innern Deutschlands scheint diese unselige Sitte, die alle Reise-Poesie zu vernichten droht, noch weniger gedrungen zu sein — auf den Dampfschiffen deS Rheins aber liest schon Jedermann, und man sieht da nicht bloß Engländer und Engländerinen ihre Guides Vo­yageurs mit der Brille, ihre Karten mit dem Finger studiren, sondern auch die Deutschen be­ Feuilleton.

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