Der Spiegel, 1844. január-december (17. évfolyam, 1-104. szám)

1844-07-10 / 55. szám

Siebzenter Jahrgang. 1844. Pesth und Ofen, Mittwoch, 10. Juli. AK. DER SPIEGEL für Mnnftf Glegrrrsz «Mb Mode. Redakteur: Sam. Rofenthal. Verleger: Fr. Wiesens Wittwe unb S. Rosenthal. Der Vierzigjährige. (Fortftzimg.) ißmuthig sah ich die schönsten Maitage Heraufziehen, welche ich, an mein Zimmer gefesselt, nicht genießen konnte, bis endlich der Erlö­­sungStag erschien, an dem mir mein strenger'Arzt ankündigte, daß ich daS Zimmer verlassen dürfe. Mit Wonne begrüßte ich die Sonne und die schöne im Frühlingsschmuke prangende Natur, und nun, dachte ich, will ich auch die reizende Bewohnerin dieses Schlosses, den geliebten Seraph näher kennen lernen. — Absichtlich hatte ich mit dem Arzte nicht von ihr gesprochen, um ihr meinen Dank für Alles, was ich durch ihre Verwendung in diesem gastfreien Hause genoß, mündlich abzustatten und nebenbei ihre Schönheit zu bewun­dern. Ich kleidete mich sorgfältig, betrachtete mich aufmerksam im Spiegel, fand, daß ich, wenn auch etwas blaß, doch vielleicht desto interessanter aussah und trat mit den süßesten Er­wartungen den Weg zu den Zimmern der Gouvernante an. — Ich trat in ein geräumiges Gemach, dessen Fenster einen angenehmen Hinblik auf das Dorf gewährten; an einem Stik­­rahmen, mit dem Rüken gegen die Thüre gewandt, saß ein erwachsenes Frauenzimmer, ohne Zweifel die Gouvernante und ihr zur Seite zwei allerliebste blondlokige kleine Mädchen, welche sich mit ihren Strikstrümpfen abmarterten. AIS die Dame mein Eintreten bemerkte, stand fie auf, und hieß mich willkommen. Doch wer beschreibt mein Entsezen, als ein Frauenzimmer mit ganz alltäglichen Zügen, dessen Jugendblüthe bereits vorüber war, vor mir stand. Wo war meine schöne Vision, mein geliebter Seraph? Er war verschwunden und an seiner Stelle erblikte ich eine unansehnliche Gestalt, eine Physiognomie, wie man ihr täglich auf allen Straßen begegnet, ohne sie zu beachten, und dennoch hatte dieses reizlose Geschöpf eine ge­wisse Familienähnlichkeit mit einem Seraph, besonders da die goldbraunen Loken noch das Antliz deS, seiner Glorie beraubten Engels, umschatteten. Einige Augenblike war ich so ver­wirrt, daß ich kaum einige Worte vom „Vergnügen ihre Bekanntschaft zu machen." und von „Dank für die gute Aufnahme im Schlosse", stammeln konnte; natürlich faßte ich mich sehr bald, allein troz dem konnte ich mich während des ganzen Besuchs einer gewissen Verdrüß­­lichkeit nicht erwehren. Ein oft stokendeS Gespräch entspann sich zwischen mir und der Gou­vernante, ich dankte ihr für die gastfreie menschenfreundliche Aufnahme und Pflege, welche ich genoß; allein ich muß aufrichtig gestehen, daß mein Dank, nach dieser grausamen Ent­täuschung, ziemlich frostig klang. Nach einer Viertelstunde empfahl ich mich in der übelsten Laune, die man sich denken kann. Ich begriff nicht, wie ich dieses so ganz alltägliche Frauen­zimmer hatte für einen Engel halten können, allein wenn ich darüber nachdachte, so fand ich die« sehr leicht möglich; ich war damals noch nicht ganz bei mir, und noch halb im Deli­rium und überdies hatte ich mich in den ersten Tagen, nachdem ich sie gesehen, mit nichts Anderem beschäftigt, als mir ihr Bild auSzumalen, so daß man dieses also wirklich ein Phan­tasiegebilde nennen konnte. — Den Tag nach diesem Besuche wurde ich durch einen herrlichen Maimorgen in den, daS Schloß umgebenden schattigen Park gelokt; ein interessantes Buch war mein Begleiter und eine grüne GeiSblattlaube nahm mich auf; ich vertiefte mich in mein

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