Magyar Fonetikai Füzetek 21. - Proceedings of the Speech Research ’89 (1989)

Suprasegmentals - Vértes O., A.: Gedanken über die geschichtliche Veränderung des Sprechtempos

(mündliche Mitteilung 1958 oder 1959), ich vermute, da3 dieser Tempounter­schied auch mit der Erscheinung der Stenolalie in der Gro3stadt im Zusammen­hang steht. (Zu den Gründen für die historische Veränderung — der Beschleu­nigung oder der Verlangsamung — des Sprechtempos gehören unter anderem auch die Lautwandel: im Altungarischen hat sich z.B. die Aussprechzeit der kurzen Vokale in vielen Fällen verlängert, auch wenn der kurze Vokal eigentlich nicht zum langen Vokal wurde, so im Falle des Wandels £i] >[e] und £uj ^ [o ] ; nicht unberücksichtigt darf unter den Gründen des Sprechtempos das persönliche psychophysische Tempo der einzelnen Mitglieder einer Sprach­gemeinschaft bleiben) 4. Das Redetempo kann auch die Verständlichkeit der Rede beeinflussen. Noch 1954 wandte man sich mit dem Wunsch an das Ungarische Radio, da3 die Reporter in den DorfSendungen langsamer sprechen mögen (Magyar Nemzet 13. XI. 1954, 4). Interessant ist die Rückerinnerung einer ungarischen Psycho­login an ihre Schuljahre: als sie aus der Gemeinde Gúta im Komitat Komárom in die Stadt Szolnok umzog, verstand sie manchmal gar nicht, was die Lehrer und Schüler sagten, weil deren Sprechtempo viel schneller war als in Gúta; ihre Mitschüler wiederum mu3ten über ihr langsames Sprechen lächeln; sie fügte hinzu, da3 das Sprechtempo der Kinder in Gúta ungefähr dem ihren ent­sprach (mündliche Mitteilung von Edit S. Molnár etwa 1960). Hierher gehört ebenfalls, da3 unter den ungarischen Theaterhistorikern die Ansicht nicht unbekannt ist, zur Zeit des ausgezeichneten ungarischen Schauspielers Gábor Egressy (1808-1866) hätten die Schauspieler langsamer sprechen müssen, da das Publikum weniger Kultur besa3 (mündliche Mitteilung von Edit M. Császár im Mai 1960). 5. Nicht zu vernachlässigen ist die Erscheinung, da3 auch das Tempo des ungarischen Gesangs sich geändert hat: die heutige Dorfjugend singt schneller als die entsprechende Generation im alten Dorf: mündliche Mittei­lung des Musikologen Benjamin Rajeczky (1901-) am 17. Mai 1960. Im kulturgeschichtlichen Hintergrund der erwähnten Tempoveränderungen finden sich — parallel mit ihnen — auch andere Erscheinungen. Eine solche ist die Beschleunigung von Musik und Tanz auch seit der erwähnten Unter­suchung von Wundt, also nach der Jahrhundertwende. Der französischen Musikologin Gisele Brelet zufolge hat das Tempo des musikalischen Vortrags seit dem letzten Jahrhundert ständig und seit 1900 sehr schnell zugenommen ("la vitesse d'execution s'est très rapidement accrue", in einem Brief an mich vom 1. September 1959). Auch nach Ansicht des französischen Musikologen Daniel Lazarus war das Tempo des musikalischen Vortrags zu Beginn der 60er Jahre schneller als 60 Jahre zuvor (Mitteilung von Mme Denise Lazarus in einem Brief vom 15. Februar 1961, die Ansicht ihres schwerkranken Gatten wiedergebend). 1944 beklagt sich ein unbekannter Autor darüber, da3 das Tempo der Tanzmusik und so auch der Tanz sehr viel schneller geworden seieni (Veszprémi Hírlap 2. VII. 1944, 3). Bence Szabolcsi hält für das grö3te Übel beim Csárdás, da3 er in seiner "frischen" Form seit 1853 zu schnell gespielt werde, zu einem wahren Cancan geworden sei (Bence Szabolcsi 1961, II, 208). 6. Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Beschleunigung der Rede und der Veränderung ihrer Stimmlage? Nach Meinung des Musikologen Máté Pál sprechen Menschen mit Ba3stimmlage langsamer. Der Musikgelehrte Pál Járdányi hält es für möglich und Benjamin Rajeczky für wahrscheinlich, da3 ein schnelleres Sprechen eine höhere Stimme verlangt. (Alle drei in mündlichen Mitteilungen vom Mai 1960.) Einer der bahnbrechenden Theoretiker der ungarischen Theaterliteratur, Gábor Egressy schrieb, mit der tiefen Stimme pflege eine langsame Rede in Verbindung zu stehen, während die hohe Stimme die Beschleunigung der Rede

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