MŰVÉSZETTÖRTÉNETI ÉRTESÍTŐ 39. ÉVFOLYAM (1990)

1990 / 1-2. sz. - TANULMÁNYOK - NAGY ILDIKÓ: Társadalom és művészet : a historizmus szobrászai

und es war leicht aus den Handwerkern zu den Künst­lern zu gelangen. Die Fachkenntnis verdeckte vor­läufig das Fehlen der Bildung. Kunst und Handwerk sonderten sich noch nicht scharf ab, diese Epoche schätzte das Fachwissen höher als die persönliche Invention. Der Grund der Kritik war der Vergleich, das heißt: ob die heimischen Künstler all das wissen, was ihre ausländi­schen Kollegen. Und sie wußten das schon in den 8o-er Jahren. Die ungarischen Künstler lernten von den Meis­tern des Wiener Neobarocks, der Berliner und Mün­chener Akademien. Sie adaptierten also das Form- und Symbolsystem eines aus zweiter Hand übergenommenen Historismus zu den heimischen historischen Themen. Diese Kenntnis gibt keinen Ausgangspunkt zu einem selbständigen, sich von den Vorbildern entfernenden bildhauerischen Denken. So war das Wissen der Klein­meister im Grunde genommen unfähig zur Entwicklung, obwohl es fachmännisch wohl begründet war. Sie konn­ten sich an die veränderten Erwartungen der Zeit nach der Jahrhundertwende nicht mehr anpassen, sie wurden aus dem allgemeinen künstlerischen Bewußtsein in den schwierigen Jahren nach der Konjunktur entrissen. Das ist um so auffalender, da in dem Historismus die Lage des Künstlers nicht nur finanziell, sondern auch gesell­schaftlich sich veränderte. Er setzte sich von den Hand­werkern ab und bekam einen ausgezeichneten Platz unter der Intelligenz. Dieses gesellschaftliche Aufsteigen äußerte sich auch in Formalitäten. Sie bauten große Villen mit Ateliers, manche davon haben eine luxuriöse Einrich­tung, und die Gesellschaft drückt ihre Anerkennung mit Auszeichnungen und Rängen aus. Alajos Stróbl wird zum Adelsstand erhoben, György Zala wird Honorar-Mitglied der Akademie der Wissenschaften, János Fad­rusz wird an der Universität in Klausenburg zum Ehren­doktor promoviert (er lernte nur sechs Jahre lang in der Volksschule). Alle Künstler bekamen Preise und Auszeich­nungen, aber die Gesellschaft würdigte in den Künst­lern nicht nur den großen Mann, sondern sali auch ihre exzentrischen Posen gern. Das wirkliche Leben des ,,Ur-Bohemiens" Gyula Donátli verschwand hinter den Anekdoten über ihm, von die exzentrischen Späße eines Alajos Stróbl sprach das ganze Land. Die Kunst war von einer schaudernd interresanten, geheimnisvoll anziehen­den Atmosphäre umwoben. Die Posen und die geliehenen Identitäten passen zu einer Epoche wohl an, deren Schlüs­selwort das Teatralität ist. „Anderseits macht der Histo­rismus geschichtliche Überlieferungen idealer Gleichzei­tigkeit disponibel und ermöglicht einer unsteten, vor sich selbst fliehenden Gegenwart eine Kostiimierung in geliehenen Identitäten." (Jürgen Habermas) Hinter den Kostümen und bizarren Dekorationen steckt eine Krise der Persönlichkeit und die Suche nach der Identität. Die Popularität der riesigen Festzüge und Standbilder zeigt, daß die Menschen der Epoche sich gern mit den Personen der Vergangenheit identifizierten. Die Künstler nahmen miteinander rivalisierend] ,in der Organisierung und Planung solcher Veranstaltungen teil. Die Neigung zur Inszenierung wurde ein Teil des Alltagslebens, und drang natürlich tief in die Kunst ein. Das inszinierende Talent des Historismus brachte in der architektonischen Raumbildung und in der Stadt-Architektur imposante Werke zustande, aber führte oft zu Verfehlen der Verhältnisse in der Skulptur. Die Statue ist wegen ihrer Theatralität und ihrer Szenenhaftigkeit nur von einer Seite gut durchschaubar. Diese unsichere räumliche Situation wurde durch eine Säulenreihe, durch große Postamente mit Treppen oder durch Nebenfiguren unterstützt. Das „Monument" wird in den Jahren des Historismus immer mehr zu einem Genrebild. Die „Lebensnähe" ist eine der wichtigsten Requisiten der Epoche gegenüber der Kunst, so wird der historische Held, den der Historismus auf einen mythischen Rang heben wollte, nur ein Genrefigur. Neben ihrem beruflichen Wissen und gesellschaftli­chen Stand, was für Leute waren doch die Bildhauer des Historismus ? Wie konnten sie die Idealen und künstleri­schen Widersprüche der Epoche in sich auflösen? Vor allem fühlten sie sich mit den erhaltenen Aufgaben einig. Sie nahmen die von der Gesellschaft betonten historischen und politischen Idealen an, und sie drückten diese in ihren Werken aus. Sie standen auf dem Grund einer konservativen, nationalen Anschauung, und dieser Kon­servativismus bestimmte auch ihre Kunstanschauung. Sie haben ihre Laufbahn, mit (1er sie sich vollständig identi­fizierten, in einem wirtschaftlich aufblühenden Zeitalter begonnen. Sie hatten in keiner Hinsicht Zweifel in sich, so konnten sie zum Ausdruck des modernen Lebensgefühl nicht geeignet werden. Um die Jahrhundertwende ver­änderte dieses Gefühl schon die Verbindung zwischen Mensch und Umwelt unter dem Einfluß der historischen Änderungen und modernen philosophischen Strömungen. Die Bildhauer blieben bei der idealisierenden Kunst, so wurden sie mit der Zeit seltsame Versteinerungen, denn der Grund der neuen Kunst und des neuen Lebensgefühls wurde schon die Ambivalenz. Die drei großen ungarischen Bildhauer-Persönlichkei­ten der Epoche illustrierten die vom Historismus gegebe­nen drei verschiedenen Möglichkeiten. János Fadrusz war eine mit sich ringende Person und ein großer Patriot. Er suchte in den Aufgaben immer eine nationale Idee und die historische Szene, die durch diese Idee geprägt ist. Widersprachen die Aufgabe und die Idee einander, so flüchtete er in Pseudo-Ideen und das geschieht immer auf Kosten der künstlerischen Erscheinung. Sein Hauptwerk ist das König Matthias-Denkmal in Kolozsvár (Klausen­burg), da hier eine glückliche Begegnung der Aufgabe und der nationalen Idee die Szenenhaftigkeit vergessen läßt. Es gelang ihm in der Hauptfigur des Denkmals das Idealporträt des „großen, nationalen Königs", und damit das Hauptwerk des ungarischen Historismus zu schaffen. In seinen anderen Denkmälern spürt man mehrere Wi­dersprüche; er hat es selbst gefühlt und darunter gelitten. György Zala bekam zahlenmäßig die meisten Aufträge, er arbeitete mit vielen Gesellen. Er war der repräsentative Bildhauer der jeweiligen politischen Macht, da er ihre Ansprüche mit größter Bravour erfüllen konnte. Er hat sich die bildhauerischen Ideen, die ikonographischen und kompositorischen Schemen der 1880—90-er Jahre an­geeignet, und vertrat sie mit Glaube auch in den 1930-er Jahren. Er hat den Wandel der Zeit gar nicht bemerkt, so wurde er notwendigerweise Reaktionär, Gegner aller neuen Gedanken. Diese negativen Züge verdecken die Verdienste seiner Kunst: das großartige Raumgefühl und die elegante Fähigkeit zur Stilisierung; mit Hilfe dieser Fähigkeiten könnte Zala der beste Bildhauer der Sezes­sion sein. Er konzentrierte sich aber immer auf die „Aufgabe", die ihn eng begrenzt hielt. Alajos Stróbl war selbst die „historische" Persönlichkeit. Er lebte in der Vergangenheit, die er nicht mit der Gegenwart konfron­tierte. In seiner Jugend arbeitete er als Geselle von Ma­kart in Wien, und in seinem Leben führte er dieselbe kostümierte, theatralische Welt weiter. Er richtete seine Umgebung mit mächtiger Phantasie und Leidenschaft ein, und in dieser Welt ließer die Zeit stehenbleiben. Manchmal werden einige Werke von Stróbl zur Sezession gezählt, aber das ist falsch. In der Wirklichkeit erlebte er alles als primäre Identität, und nicht auf die erhöhte Stufe der Ästhetik, für ihn blieb die Vergangenheit Ge­schichte und verwandelte sich nicht in Zeit. Er hatte keinen Zweifel in sich selbst, seine Zeitgenossen hielten ihn für einen glücklichen Mensch. Es ist eine Tatsache, daß die künstlerische Ich-Identität und der gesellschaft­liche Erfolg damals nur auf Grund dieser naiven Weltan­schauung erreichbar waren, was uns wohl zeigt, wie weit der Einklang zwischen Kunst und Gesellschaft in der späten Phase des Historismus sich auflöste. 21

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