FLUXUS-Festival (Städtischen Museum, Wiesbaden, 1962)

Fluxus in Deutschland 1962-1994 i fa I Nam June Paik in „Simple", Wiesbaden 1962 „ Eine lange Geschichte mit vielen Knoten. " „happening & fluxus, materialien zusammengestellt von h. sohm. kölnischer kunstverein 1970. dieses buch erscheint anstelle eines ausstellungskataloges ... auf interpretierende texte wurde bewusst zugunsten der original­arbeiten der kuenstler verzichtet, es gibt weder hier noch in der ausstellung eine fixfertige antwort auf die fragen: was ist happening, was ist fluxus, was auch nicht im sinne dieser kuenstlerischen bemuehungen ist." h. sohm & h. szeemann 1970 „1962 Wiesbaden FLUXUS 1982. Eine kleine Geschichte von Fluxus in drei Teilen. Wiesbaden/Kassel/ Berlin. Auf die Fragen 'Was ist FLUXUS'? 'Wer ist FLUXUS'? kann es auch heute, nach 20 Jahren, keine eindeutigen Antworten geben. Ebenso wie Dadaismus, Surrealismus oder Futurismus ist FLUXUS kein Stil. Er war und ist eine Geisteshaltung. Das erklärt die unterschiedlichen, sehr individuellen künstlerischen Ausdrucksformen und die naht­losen Übergänge vom Musikali­schen ins Bildnerische, wie auch die Aneignung von FLUXUS durch Künstler mit primär anderen Ambitionen." René Block 1982/83 „FLUXUS VIRUS 1962-1992, Köln. Was ist Fluxus? Wer weiß das schon? Die einen meinen, Fluxus, das sind viele kleine Nonsens- Kästchen; die anderen glauben, es sind diese verrückten Frauen und Männer, die Steine in Klaviere schmeißen oder Flügel zersägen und behaupten, das sei Musik. Tatsächlich liegen die Grundlagen von Fluxus - was immer das auch sein mag - in der Musik". Christel Schüppenhauer 1992 1962 fand im Städtischen Museum Wiesbaden das erste FLUXUS­­Festival statt. George Maciunas, ein aus Litauen stammender und in New York an verschiedenen Kunstschulen ausgebildeter Künstler- Impresario, hatte für den September 1962 eine Konzertreihe unter dem Titel „FLUXUS * Internationale Festspiele Neuester Musik" konzipiert. Der Begriff FLUXUS, den Maciunas ursprünglich als Titel für eine „Internationale Zeitschrift neuester Kunst, Antikunst, Musik, Antimusik, Dichtung, Antidichtung, etc." gedacht hatte, diente dem rastlosen Organisator fortan als Bezeichnung für zahlreiche Kon­zerte und Events, Manifeste und Editionen, die in den folgenden Jahren zu einem großen Teil dank seiner Initiative in Europa, in den Vereinigten Staaten von Amerika und in Japan stattgefunden haben bzw. publiziert wurden. Obwohl die geplante Zeitschrift niemals er­schienen ist, blieb der Begriff FLUXUS als Bezeichnung für eine Fülle unterschiedlichster künstlerischer Aktivitäten bis heute erhal­ten, und das Phänomen FLUXUS lebt weiter. FLUXUS - das ist in erster Linie ein vieldimensionales Netz von Be­gegnungen, Veranstaltungen, Ideen und Objekten, das sich über ei­nen langen Zeitraum und viele Länder erstreckt. FLUXUS - das ist Besonders engmaschig ist das Netz der Kontakte und Aktivitäten, die das FLUXUS-Phänomen ausmachen, in den späten 50er und in den 60er Jahren sowie um die runden „Geburtstage" in den Jahren 1982 und 1992 herum. Wichtige Knotenpunkte bilden sich anfangs in New York und in den deutschen Städten Darmstadt, Düsseldorf, Köln, Wuppertal, Wiesbaden und Berlin, und die Verbindungen nach Japan, nach Paris, Amsterdam, Kopenhagen, London, Stock­holm, Prag und Madrid entwickeln sich lebhaft. Die Künstler sind, auf größeren oder kleineren Strecken, viel unterwegs, und sie nut­zen die Post zum Austausch von Ideen, Aktionsanweisungen, klei­nen Collagen und Gedichten sowie zur Übermittlung von Adressen und Konzert- bzw. Aktionsterminen. Alle mit FLUXUS fest oder lose verbundenen Künstler arbeiten an Gattungsgrenzen überschreitenden Formen der Kunst, ob sie nun eher von der Musik oder von der Sprachkunst, von den bildenden Künsten oder vom Tanz her kommen. Von Dick Fliggins stammt der Begriff „Intermedia", mit dem er die FLUXUS-Stücke zu charakteri­sieren sucht: „Im Grunde können wir solche Arbeiten als FLUXUS bezeichnen, die von ihrer Anlage her intermedial sind: visuelle Poe­Jahren entsteht ein reger Austausch zwischen dem künstlerischen Umfeld von JohnCagein New York und den in Deutschland leben­Joseph Beuys Das Schweigen 1973 FLUXUS und das Umfeld in Deutschland Der Galerist Jean-Pierre Wilhelm in Düsseldorf, der Komponist Karl­heinz Stockhausen und die Künstler Nam June Paik, Mary Bauer­meister, Haro Lauhus und Wolf Vostell in Köln, Daniel Spoerri und Emmett Williams in Darmstadt und Arthur Kopeke in Kopenhagen übernehmen um 1960 durch die Veranstaltung von Konzerten, Ak­tionen, Lesungen und Ausstellungen eine wichtige Vermittlungs­funktion. Durch ihre und ihrer Freunde Aktivitäten entsteht in Deutschland ein für künstlerisches Experimentieren günstiges Klima, in dem an die Avantgardebewegungen der ersten Jahr­zehnte des 20. Jahrhunderts angeknüpft und das Monopol der ab­strakten Kunst in der Nachkriegszeit aufgehoben werden kann. Viele Kontakte werden um 1960 in Deutschland geknüpft, die zu ei­ner vorübergehenden Zusammenarbeit der Künstler führen oder auch lebenslange Freundschaften und gegenseitige Wertschätzung begründen. Nam June Paik lernt John Cage kennen und erregt mit seiner Aktionsmusik „Hommage à John Cage", aufgeführt in der Galerie 22 in Düsseldorf und im Atelier Mary Bauermeister in Köln, größtes Aufsehen. Mit dem Aktionsstück „Simple" tritt er im Rah­men von Karlheinz Stockhausens „Originale" auf. In Düsseldorf be­gegnet Paik Joseph Beuys, und in Köln arbeitet er mit Wolf Vostell zusammen. Vostell zeigt die Ausstellung „décollages collages" in der Galerie Haro Lauhus und gibt seit 1962 die Zeitschrift „dé­­coll/age" heraus. Benjamin Patterson gibt Konzerte in der Galerie Lauhus und im Atelier von Vostell und lernt in Paris über Daniel Spoerri Robert Filliou kennen. Filliou stellt in der Galerie von Arthur Kopeke in Kopenhagen aus, der u.a. auch Arbeiten von Dieter Roth und Emmett Williams vorstellt. 1962 macht Kopeke Bekanntschaft mit Henning Christiansen... An dieses enge Netz von Kontakten und Aktivitäten kann George Maciunas anknüpfen, als er im Herbst 1961 von New York nach Wiesbaden übersiedelt, um dort bei der U.S. Army zu arbeiten und im übrigen seine Planung von Konzerten und ersten Ausgaben der Zeitschrift FLUXUS weiterzuverfolgen. Über Nam June Paik lernt er die Galeristen Jean-Pierre Wilhelm und Rolf Jährling kennen, die den Künstlern um Maciunas 1962 die Auftritte in der Galerie Parnass in Wuppertal, in den Düsseldorfer Kammerspielen und im Städti­schen Museum Wiesbaden ermöglichen. Als Performer sind an den Wiesbadener Konzerten u.a. George Maciunas, Nam June Paik, Wolf Vostell, Benjamin Patterson, Emmett Williams sowie Alison Knowles und Dick Higgins beteiligt, und im Publikum sitzen u.a. Tornas Schmit und Ludwig Gosewitz. Auf das erste große FLUXUS-Festival in Wiesbaden folgen in den nächsten Jahren zahlreiche Konzerte und Events in vielen europä­ischen Städten und in New York, und in verschiedenen Konstellatio­nen treten die FLUXUS-Künstler und ihre Freunde immer wieder in Deutschland auf: zusammen mit Joseph Beuysan der Staatlichen Kunstakademie Düsseldorf, in der Galerie Parnass in Wuppertal, vermittelt durch Tornas Schmit an der Technischen Hochschule in Aachen, in der Galerie René Block in Berlin und 1970 anläßlich der ersten großen Happening & Fluxus-Ausstellung im Kölnischen Kunstverein. In den 70er und 80er Jahren leben neben den deutschen Künstlern, die weiterhin mit FLUXUS verbunden sind wie Tornas Schmit, Lud­wig Gosewitz und der in Ost-Berlin lebende Mail-Artist Robert Reh­­feldt, eine ganze Reihe von Künstlern aus dem internationalen FLU­­XUS-Kreis in Deutschland. Sie siedeln entweder für längere Zeit nach Deutschland über wie Robert Filliou, George Brecht, Daniel Spoerri, Takako Saito, Emmett Williams, Joe Jones, Benjamin Pat­ terson oder AI Hansen, oder sie kommen dank eines Stipendiums durch das Berliner Künstlerprogramm des DAAD für kurze Zeit nach Berlin wie Ben Vautier, Milan Knizak und Alison Knowles. FLUXUS-Künstler und Künstler, die zeitweise im FLUXUS-Umfeld gearbeitet haben, haben an deutschen Kunsthochschulen unterrich­tet bzw. lehren dort heute noch: In Düsseldorf Joseph Beuys, Dieter Roth und Nam June Paik, in München Daniel Spoerri und Ludwig Gosewitz, in Hamburg Gerhard Rühm, Robert Filliou, AI Hansen und Henning Christiansen, in Berlin lehrte Emmett Williams. Zum Umfeld von FLUXUS in Deutschland gehören auch eine Reihe von Sammlern, Förderern, Verlegern und Ausstellungsinstitutio­nen, die die verschiedenen künstlerischen Aktivitäten unterstützt, mit Interesse verfolgt, vorgestellt oder dokumentiert haben. So ist es beispielsweise das Verdienst von Hanns Sohm, daß mit seinem von der Staatsgalerie Stuttgart übernommenen Archiv eine der um­fangreichsten Sammlungen zur Aktions- und Intermediakunst in Deutschland zuhause ist. Um diese „lange Geschichte mitvielen Knoten" nachzuzeichnen, zeigt die Ausstellung einerseits 350 Originalarbeiten von FLUXUS­­Künstlern und ihren Freunden-Objekte, Partituren, graphische Ar­beiten, Installationen, Publikationen -, andererseits dokumentiert sie die wichtigsten FLUXUS-Konzerte, die in Deutschland stattfan­den. Neben Drucksachen und photographischen Dokumenten wer­den selten zu sehende Filmdokumente sowie vielfältige Klangbei­spiele aus dem Bereich der FLUXUS-Musik präsentiert. Dank derZu­­sammenarbeit mit dem Westdeutschen Rundfunk können in der Ausstellung eine Reihe derfürden WDR in Köln produzierten FLU­­XUS-Hörspiele vorgestellt werden. Den Ausstellungsinstitutionen, die die Ausstellung übernehmen, stehen darüber hinaus die von George Maciunas herausgegebenen Flux-Filme sowie weitere Künstlerfilme zur Vorführung im Abend­ ein Feld-Phänomen oder, frei nach Lewis Carroll, eine lange Ge­schichte mitvielen Knoten. sie und poetische Bilder, Aktionsmusik und musikalische Aktion und auch Flappenings und Events, sofern sie Musik, Literatur und bildender Kunst konzeptuell verpflichtet sind." Entscheidende künstlerische Impulse gehen in den späten 50er Jah­ren sowohl in New York als auch in Deutschland von John Cage aus, der in seinen Kompositionen und Vorträgen sowie in seiner Lehr­tätigkeit eine Entgrenzung der Musik hin zum „Theater" vorführt und seine „Schüler" zu entsprechenden Experimenten ermuntert. Die Teilnahme von John Cage an den Internationalen Ferienkursen für Neue Musik in Darmstadt 1958 und die Konzerte, die er im selben Jahr in Köln beim Westdeutschen Rundfunk und in der Galerie 22 von Jean-Pierre Wilhelm in Düsseldorf gibt, werden zu wichtigen Ausgangspunkten für FLUXUS in Deutschland. In den folgenden George Brecht Mer d'alors, oh de Cologne 1972 Begleitet wird die Ausstellung von einem umfangreichen Katalog, der eine reich bebilderte Chronologie zur Geschichte von Fluxus in Deutschland enthält sowie Abbildungen aller in der Ausstellung ge­zeigten künstlerischen Arbeiten und wichtiger Dokumente. In den Textbeiträgen werden die Geschichte und die Vernetzung von FLU­XUS in Deutschland in ihren Grundzügen skizziert sowie verschie­dene Aspekte der Rezeption von FLUXUS in Deutschland vorge­stellt: Johannes Cladders erinnert sich in einem Gespräch mit Gabri­ele Knapstein an die frühen Auftritte der FLUXUS-Künstler im Rheinland. Ina Conzen-Meairs beschreibt die organisatorische und theoretische Arbeit des FLUXUS-Dirigenten George Maciunas während seines Aufenthalts in Deutschland in den Jahren 1962 und 1963. Der Beitrag von René Block ist dem Thema FLUXUS-Musik ge­widmet, und Klaus Schöning berichtet über die Produktion von FLU­­XUS-Hörspielen im WDR. Am Beispiel von Robert Rehfeldt unter­sucht Eugen Blume die Rezeption von FLUXUS in der DDR. Gabriele Knapstein stellt in ihrem Beitrag private Sammlungen von FLUXUS- und Intermediakunst vor, dieseitden 60er Jahren in Deutschland zusammengetragen worden sind. Als Sonderdruck liegt dem Katalog eine erste Ausgabe der in den Jahren 1965 und 1966 von S.D. Sauerbier in Berlin konzipierten, doch nie erschienenen Zeitschrift „Revue Rendez-vous" bei. In sei­nem Katalogbeitrag beschreibt der Herausgeberdas von ihm zu­sammengetragene Material, das Arbeiten von George Brecht, Dick Higgins, Robert Filliou, Nam June Paik, Benjamin Patterson, Ger­hard Rühm u.a. umfaßt. Als Hommage an den aus Litauen stammenden Künstler-Impresario George Maciunas wird die Ausstellung u.a. in Vilnius in Litauen ge­zeigt. Mit ihrem vielfältigen Material will sie verschiedenste Ent­deckungen ermöglichen im Sinne von John Cage, der 1966 schrieb: „(Fish) Species, seperated and labeled, isn't what an aquarium is now. It's a large glass water-house with unidentified fish freely swimming. Observation - Discovery."

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