Maria Geszler Moderne Ungarische Keramik (Savaria Museums aus Szombathely, 1978)

MARIA GESZLER wurde 1941 in Budapest geboren. Ihre Eltern und Geschwister waren Musiker, und auch sie wollte sich dem Cello-Spiel widmen, wählte aber dann — wegen eines Unfalls — einen anderen Kunstzweig, i960 trat sie in die Abteilung Keramik an der Hochschule für angewandte Kunst ein, wo Árpád Csekovszky ihr Professor wurde. Die berufliche Ausübung des Faches begann in der Majolikafabrik von Hódmezővásárhely. Bald darauf, im Jahre 1966, wurde sie Entwerferin im keramischen Unternehmen von Magyarszombatfa. Seitdem lebt und arbeitet sie in Szombathely. 1978 konnte sie sich selbständig machen und verwendet ihre ganze Zeit und Energie zur Realisierung ihrer künstlerischen Ziele. Sie arbeitete auch in mehreren Künstlerkolonien; ihre letzten Werke entstanden 1978 im Keramikstudio zu Kecskemét. Wenn man Frau Geszlers Werke betrachtet, versteht man, daß sie meist nicht der angewandten, sondern der bildenden Kunst zugerechnet werden. Sie ist eine echte bildende Künstlerin, dessenungeachtet, daß sie in allen materialbestimmten technologi­schen Einzelheiten ihrer der Vergangenheit verbundenen Arbeit in Theorie und Praxis völlig zu Hause ist und daß Ton und Feuer ihre souverän verwendeten Ausdrucksmittel sind. Ihrem meisterhaften Umgang mit Glasur, Engobe, Ton, Gips und Feuer gesellt sich ihr ebenbürtiges Können in Zeichnen, Malen und Formgebung, so daß Werke von konkretester Aussage entstehen, und ihr Schaffen ohne Zweifel der „grand art“, der echten bildenden Kunst, angehört, entsprechend den fruchtbaren und naturhaften Perioden vor der Trennung der Zweige der angewandten und der bildenden Künste. So haben ihre Werke wenig Gemeinsames mit dem Handwerk und mit der eingeengten Praktizität des Alltags ; dennoch bin ich der Überzeugung, daß sie funktionsmäßig sind. Sie können den edlen Bedürfnissen entgegenkommen, die dem Menschen in der uniformierten, zugeschnittenen, geplant-geformten, fortschreitend mechanisierten Zivilisation von der Mehrheit nicht nur nicht erfüllt, oft sogar nicht einmal mehr zugestanden werden. Frau Geszlers Schaffen ist eine sich offen aufschließende, aufgetane, par excellence — lyrische Kunst. Eben deshalb erfuhr sie viele wohlgemeinte Mißdeutungen. Die Besucher der Ausstellung in Graz können aber glücklicherweise schon den Werdegang miterleben, auf dem aus der reizvollen, oft sogar surrealen Märchenwelt, aus den kindhaft-träumerischen, reinen Erlebnissen, aus dem kernigen, aber niemals trivialen Humor der volkstümlichen Töpferkunst schrittweise eine völlig neue, sich aus den Grundlagen organisch entwickelnde Stimmung, ein neuer, sich der Monumentalität nähernder Stil entsteht. Diese zugleich inhaltliche Veränderung wird von der edlen Vereinfachung der funkensprühend reichen Ausdrucksmittel und der prächtigen Vergegenwärtigung, vom Gedämpfterwerden der Farben und vom Großzügigerwerden der Formen begleitet und gefördert. Der plastische Ausdruck wird eindeutiger, gedrängter, dramatischer, und wir können in Maria Geszler die vielleicht originellste Keramikerin des heutigen Ungarn sehen, die nicht den entmaterialisierenden, die Gegebenheiten der Kunstgat­tung verlassenden Weg des gewollten Individualismus betrat. Ihre Treue zur Materie, zu den Traditionen ihrer mit der Menschheit beinahe gleich alten Tätigkeit zeigt sich auch im Einfluß des Erlebnismaterials verschiedener älterer Keramikkulturen, obgleich sich ihre Kunst ebenso weit von Archaisierung wie von Anachronismen fernhält. György Várkonyi

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