Neue Literatur, 1981 (Jahrgang 32, nr. 1-12)

1981-01-01 / nr. 1

Andrei Marga: Herbert Marcuse. Stu­diu critic (Kritische Studie) Editura Dacia, Cluj-Napoca, 1980 Von Heideggers Existentialismus her­kommend, war Herbert Marcuse am Anfang seiner geistigen Tätigkeit stär­ker mit der Problematik des Einzel­­mensöhen als mit der der Gesellschaft beschäftigt. Daher auch sein Haupt­gedanke: Der nach außen politisch und gesellschaftlich unfreie Mensch ist auch innerlich unfrei. Marcuse folgerte weiter, daß diese innere Unfreiheit des Menschen sogar wächst, und zwar in dem gleichen Verhältnis, in dem er in der Wohlstandsgesellschaft an äußerer Freiheit gewinnt. Als Vertreter der „Frankfurter Schule“ beschäftigte sich Marcuse frei­lich auch mit Karl Marx, doch ging er nicht von der ökonomischen Basis aus, sondern von einer soziologischen. Marcuses während und nach dem Zweiten Weltkrieg veröffentlichte Bü­cher sollten erst in den sechziger Jah­ren, als es im Westen eine lebhafte Nachfrage nach Kritik an dem Gesell­schaftssystem gab, so richtig bekannt werden. Die Zahl der Bücher, die über ihn geschrieben wurden — er starb 1979 — ist heute weit größer als die seiner eigenen Veröffentlichungen. Bei uns erschien in rumänischer Sprache außer Aufsätzen in verschiedenen Zeit­schriften, im Politischen Verlag, 1977, in der Reihe „Zeitgenössische Ideen“ ein Sammelband unter dem Titel „Philosophische Schriften“, worin ein Teil von Herbert Marcuses Werken enthalten ist. Die vorliegende „Kritische Studie“ von Andrei Marga will nun unsere Kenntnisse über den Philosophen Her­bert Marcuse und sein Werk ergänzen. Der Autor versucht mit seiner in vier Kapitel gegliederten Studie uns in Marcuses Gesamtwerk einzuführen und es für uns zu erhellen. Im ersten Kapitel „Entwicklung der philosophischen Anschauung Marcuses. Beeinflußungen“ wird darauf hinge­wiesen, daß obwohl Marcuse in sein Werk Thesen und Begriffe verschiede­ner Richtungen der zeitgenössischen Philosophie aufgenommen hat, dieses dennoch als originell erscheint, was vor allem auf seinem Synthesewert beruht. Bekanntlich hatte Marcuse den Ver­such unternommen, eine Brücke zwischen der „Fundamentalontologie“ Heideggers und dem historischen Ma­terialismus Marx’ zu schlagen, ein Grund weshalb ihn heute viele auch, mehr oder weniger berechtigt, zur „Le­bensphilosophie“ zählen. Das zweite Kapitel „Kritische Theo­rie der Gesellschaft“ befaßt sich mit denjenigen Arbeiten, die der Philosoph Marcuse der zeitgenössischen kapita­listischen Gesellschaft gewidmet hat. Im dritten Kapitel, „Zur Befreiung“ untersucht der Verfasser die eindeutig politischen Schriften von Marcuse, die teilsweise sowohl Anlaß als auch ein Ergebnis der Studentenprotestbewegun­gen waren und mit diesen in einem unmittelbaren Zusammenhang stehen. Das letzte Kapitel „Marcuse und der Marxismus“ ist der Darstellung der Bestrebungen und Bemühungen des Theoretikers Marcuse gewidmet, der, wie Andrei Marga sagt, sich für eine Konvergenz seiner Anschauung mit der revolutionären Bewegung einsetzte, je­doch keine hinreichende Verbin­dung zu den praktischen Fragen fand. P. Schuster-Stein Walter Zettl: Der Greif. Gedichte Verlag G. Grasl, Baden bei Wien, 1979 In der Buchreihe „Lyrik aus Öster­reich“ stellen die verdienstvollen Her­ausgeber Alois Vogel und Alfred Gess­­wein in Band 12 Gedichte von Wal­ter Zettl vor, der somit 29 Jahre nach dem Erscheinen seines Debütbandes,. „Der sechste Tag“ (1950), sein zweites Buch vorlegt. „Wer Walter Zettl ist, muß man denen nicht sagen, die nie ein Ge­dicht von ihm gelesen haben...“,, schreibt Kurt Klinger im Nachwort. Und ich meine, daß das „nicht“ über­­flüßig ist, denn Zettls Lyrik ermög­licht Rückschlüsse auf die Person des Autors, dessen Erlebnisse, Gefühle und Gedanken, dessen künstlerisches Credo und Weltbild durch seine Ge­dichte mitgeteilt werden bzw. gestaltet sind, ergo: wer Walter Zettl ist, muß man denen nicht sagen, die Gedichte von ihm gelesen haben. In Zettls Ly­rik geht es nicht um Zu-Sein, um Isolierung und strikte Selbstbespiege­lung, sondern um das Aufschlüsseln von Bezügen zwischen Ich und Zeit, Beziehungen, die der Autor existenziell zu begründen weiß. Deklamierend und in Imperativform, mittels Spruchdich-

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