Neue Zeitung, 1961 (5. évfolyam, 1-52. szám)
1961-10-20 / 42. szám
NUMMER 42. V. JAHRGANG Preis: 60 Fillér BUDAPEST 20. OKTOBER 1901. ORGAN DES DEMOKRATISCHEN VERBANDES DER DEUTSCHEN WERKTÄTIGEN IN UNGARN C hruschtschows grosse Friedensrede Der XXII. Parteitag der KPdSU ist in vollem Gange In Gegenwart von 80 Abordnungen der kommunistischen und Arbeiterparteien wurde am Dienstag in der neuen Kongresshalle des Kreml der XXII. Parteitag der KPdSU von N. S. Chruschtschow eröffnet. Die Delegation der Ungarischen Sozialistischen Arbeiterpartei wird von János Kádár geführt. Der Parteitag, der nicht nur ein Meilenstein auf dem Wege zur Errichtung der kommunistischen Gesellschaft ist, sondern auch von der kapitalistischen Welt mit Spannung erwartet wurde, — die grossbürgerlichen Presse befasst sich seit Wochen mit ' den vorausgesetzten Themen des Parteitages — wurde vom Ersten Sekretär des ZK der KPdSU mit einem Rechenschaftsbericht des Zentralkomitees als ersten Punkt der Tagesordnung eröffnet. Der zweite wichtige Punkt der Tagesordnung ist die Behandlung des „Entwurfes des Programmes der KPdSU”, dessen Referent ebenfalls N. S. Chruschtschow ist. In einer mehrstündigen Rede umriss Chruschtschow die Entfaltung und Erstarkung des sozialistischen Systems seit dem XX. Parteitag vor rund sechseinhalb Jahren. Partei und Staat waren gezwungen, ihre Tätigkeit in einer komplizierten internationalen Lage auszuüben: der Imperialismus versuchte des öfteren die Welt an den Rand des Krieges zu drängen. Jedoch trotz aller Machenschaften ist die Sowjetunion heute stärker denn je, sagte Chruschtschow. Breiten Raum widmete der Redner der friedlichen Politik der Sowjetunion. Er sagte, die Sowjetunion bestehe nicht darauf, den Friedensvertrag mit Deutschland bis Ende dieses Jahres zu unterzeichnen, falls der Westen Bereitschaft zeigt, das deutsche Problem zu lösen. Der Status von Westberlin werde auf der Grundlage eines deutschen Friedensvertrages normalisiert. „Wir hatten den Eindruck, dass der Westen ein gewisses Verständnis für die Lage zeigte und dass er geneigt war, eine Lösung des deutschen Problems und der Westberlin-Frage auf einer für beide Seiten annehmbare Basis zu suchen” sagte Chruschtschow zu den Gesprächen des Aussenministers Gromyko mit dem amerikanischen Aussenminister Rusk und Präsident Kennedy. Die sowjetische Aussenpolitik Die Zielsetzungen der sowjetischen Aussenpolitik, wie sie von Chruschtschow dargelegt wurden, können in sechs Punkten zusammengefasst werden: 1. Friedliche Koexistenz; 2. Weitere Erstarkung und Einheit der sozialistischen Staaten; 3. Aktive und elastische Aussenpolitik zur Lösung der Weltprobleme auf dem Wege von Verhandlungen und Blosstellung der Intriguen und Machenschaften der Kriegshetzer; 4. Verbindungen und Zusammenarbeit mit allen, die für den Frieden in der Welt sind; 5. Stärkung der Solidarität der Arbeiterklasse und Gewährung moralischer und materieller Unterstützung allen jenen Völkern, die sich vom Imperialismus und Kolonialismus befreien wollen; 6. Verbreiterung der Handelsbeziehungen mit allen Ländern, die willens sind. Der Kampf um eine allgemeine und totale Abrüstung ist ein besonders wichtiger Bestandteil der sowjetischen Aussenpolitik. Chruschtschow zählte ausserdem eine Reihe von Problemen auf, de-ren Lösung bedeutend zur Schaffung einer gesunden internationalen Atmosphäre beitragen könnte: Bildung von kernwaffenfreien Zonen in Europa und im Fernen Osten, Abschluss eines Nichtangriffspaktes zwischen den Ländern des Warschauer Paktes und den NATO-Staaten, Auseinanderrücken der Streitkräfte der beiden Lager, Verminderung der auf fremdem Gebiet stationierten Truppen, usw. Weiters gab Chruschtschow bekannt, dass die Sowjetunion ihre Kernversuche im Oktober beendet. Die innerpolitischen Aufgaben Im zweiten Teil seines Berichtes behandelte Chruschtschow innenpolitische und Wirtschaftfragen der Sowjetunion und bewies an Hand von Zahlen, dass bei der Erfüllung der wichtigsten Wirtschaftsaufgaben ein grosser Schritt vorwärts getan wurde. Er berichtete eingehend über die Aufbauerfolge auf allen industriellen und landwirtschaftlichen Gebieten, die alle der Einholung und Übertreffung der kapitalistischen Länder in der pro-Kopf-Produktion dienen. • Das Referat, das unzählige Male vom stürmischen Applaus der über 6000 Delegierten unterbrochen wurde, gab ein sprechendes Bild der friedlichen Aufbaupolitik der Sowjetunion, ihrer Partei, ihrer Regierung und ihres Volkes, war aber auch gleichzeitig eine Willenskundgebung des gesamten sozialistischen Lagers, den Weltfrieden gegen alle Abenteuer zu verteidigen und der Menschheit Ruhe und Wohlstand zu sichern. Die ungarländischen Deutschen mit der DDR solidarisch Die Parlamentsrede des Abgeordneten Dr. Friedrich Wild Auf der Tagesordnung der jüngsten Sitzung des Ungarischen Parlamentes stand als erste die Frage des Friedensvertrages mit Deutschland. In der zum Problem stehenden Debatte — an der prominente Persönlichkeiten unseres öffentlichen Lebens teilnahmen — ergriff auch Dr. Friedrich Wild, Abgeordneter des Komitates Veszprém, Generalsekretär des Demokratischen Verbandes der deutschen Werktätigen in Ungarn, das Wort. U. a. führte er folgendes aus: Die Ausführungen meiner geehrten Abgeordnetenkollegen haben uns das brennendste Problem dieser Tage nahegebracht: das Problem von Krieg und Frieden in konkreter Form. Es ist Tatsache, dass die zur Zerstörung des Hitlerfaschismus verbündeten Mächte, den Frieden mit Deutschland bis heute nicht geschlossen haben. Erklärungen werden abgegeben, das Publikum verfolgt Tag für Tag eine fieberhafte diplomatische Tätigkeit: der Propagandaaufwand der Imperialisten versucht eine Panikstimmung zu erwecken, wo es Sich doch einfach darum handelt, die reale Lage, die vorhandenen Tatsachen, in eine, dem internationalen Recht entsprechende Form zu bringen. Es handelt sich um den Friedensvertrag der mit Deutschland abgeschlossen werden muss, undzwar in einer Form, die dem Ausgang des zweiten Weltkrieges und der sich seitdem entwickelten Lage entspricht. Die Tatsache, dass heute zwei deutsche Staaten auf der Landkarte Europas stehen, ist nicht von uns hervorgerufen worden: unser Ziel ist und bleibt ein einheitliches, demokratisches, friedliebendes und den Frieden anderer Völker nicht gefährdendes Deutschland, das vom deutschen Volk selbst gebildet werden muss. Gegen den deutschen Militarismus Man muss Garantien schaffen, dass vom deutschen Boden nie wieder aggressive Kräfte die Welt mit einem neuen, alles verheerenden Kriege gefährden. Wir sahen es und wissen es leider genau, was es bedeutet, wenn der deutsche Militarismus sich in Bewegung setzt, um Europa niederzutreten und Völker und Nationen in sein „Reich” einzuverleiben. Hitler erklärte, dass es im Dritten Reich nicht genügend Lebensraum für das das deutsche Volk gäbe und man diesen Lebensraum von anderen nehmen müsse. Die Grenzen des Dritten Reichs sollten sich bis zum Kaukasus erstrecken. Unter den Dokumenten des Nürnberger Prozesses fanden sich eine Landkarte und ein Geheimplan, wo die nach einem siegreichen Krieg festzulegenden neuen Grenzen des Reiches eingezeichnet waren. Unsere Heimat, Ungarn, war auf diesem Plan ein. Gau, d. h. ein Komitat, mitten im grossdeutschen Mammutreich. Die Vorbereitungen zur Einverleibung dieser, damals noch selbständigen, dem zukünftigen Grossdeutschland einzuverleibenden Staaten begannen schon Anfang der dreissiger Jahre. Die deutschen Faschisten rechneten damit, dass jene Bewohner dieser Gebiete, deren Muttersprache und Nationalität deutsch waren, am geeignetetsten sein werden, die innere Wühlarbeit vorzubereiten. Das Institut für Ostforschung Im Rahmen der Nationalsozialistischen Partei ist eine zahlreiche propagandistische Stosstruppen beschäftigende Sektion eingesetzt worden, welche als wissenschaftliches Institut für Ostforschung getarnt, mit bedeutender materieller Unterstützung versehen, versuchte, die deutschsprachigen Bewohner der Tschechoslowakei, Polens, Ungarns und Rumäniens in den Dienst der eroberungssüchtigen Bestrebung des „Drang nach Osten” zu stellen. Die Tätigkeit des Instituts für Ostforschung muss gar nicht näher beschrieben werden, wenn wir darauf hinweisen, dass der Leiter, Ideologe und Organisator dieser Bewegung jener Theodor Oberländer war, der persönlich das Blutbad von Lvov anführte und auf dessen Gewissen der Tod von Tausenden von polnischen, sowjetischen Männern, Frauen und Kindern lastet. Er leitete später die Sturmtruppen des VDA (Volksbund der Deutschen im Ausland), die „Stosstrupps” der nazi-faschistischen ausländischen Organisationen. Ihr Wirken gehört zu den tragischen Ereignissen der Geschichte unseres Vaterlandes. In der Mitte der dreissiger Jahre kamen erst nur „Fahrende Studenten” und „Handelsreisende” in die Dörfer der Ungarndeutschen. Sie haben gegen die Ungarn gehetzt und unsere Deutschen überzeugen wollen, dass auch sie zum „Herrenvolk” gehören. Die Wühlarbeit des Volksbundes Als im Jahre 1938 der Volksbund die offizielle Wirkungserlaubnis unserer Heimat bekam, wurde der irregeleitete Teil der Bewohner deutscher Nationalität in Ungarn in Wirklichkeit das, wozu sie Hitler auserwählt hatte: zu der fünften Kolonne des Reichs. Wir müssen leider auch feststellen, dass der damalige, volksfeindliche ungarische Staatsapparat diesen, gegen die gemeinsamen Interessen des ungarischen und deutschen Volkes gerichteten Vorgangs tatkräftig unterstützte. Es ist allgemein bekannt: der Volksbund forderte, dass die Deutschen in Ungarn die Leitung an sich reissen. Das bedeutete gemeinverständlich, dass in Ungarn ein Hitlerregime geschaffen werden soll. Auf der Grossversammlung der patriotischen Schwaben in Paks sagte Béla Perczel zu einem jungen Mann: „schämen Sie sich, mit Sieg-Heil zu grüssen, solange sie das Brot der Ungarn essen”. Worauf der junge Volksbundist folgendes erwiderte: „Sie irren sich. Nicht wir essen das Brot der Ungarn, es sind die Ungarn, die deutsches Brot essen.” So weit hatte es die Liebedienerei Horthys bei Hitler gebracht. Es gab keine Ansprüche Hitlers, ob es nun Ungarndeutsche oder welche Frage immer betraf, die von jener volksfeindlichen ungarischen Regierung nicht prompt erfüllt worden wäre. Tausende der schwäbischen Jugend wurden in die SS einbezogen, die dann — ob sie wollten, oder nicht — in die Mühle der vor dem Untergang stehenden Nazi-Militärorganisation gerieten. Und was bekamen sie dafür? Lieder und Märsche, die von der Unterjochung anderer Völker sprachen, von der Weltmacht Deutschlands, dem Sieg der Wunderwaffen. So dröhnten die Stiefel der SA und der SS über ganz Europa und es befanden sich unter ihnen auch jene irregeleiteten jungen Schwaben aus Ungarn, die berauscht von der wilden Beutelust und dem Trugbild der anfänglichen Erfolge der Nazitruppen, sich gegen die gemeinsamen Interessen ihres Volkes und des ungarischen Volkes wandten. Als dann, nach dem 19. März 1944, nach der Besetzung Ungarns, die Volksbundtätigkeit zu einer Schreckensherrschaft wurde, gab es doch viele unter unseren schwäbischen Werktätigen, die, nicht gewillt waren, in ihr Verderben zu stürzen und sich dem Voiksbund oft heldenhaft widersetzten. Die Werktätigen deutscher Nationalität in den Industriezentren und der Grubengegenden haben mit der ungarischen Arbeiterklasse zusammen gegen den Faschismus gekämpft. Die von der illegalen kommunistischen Partei organisierten Streiks in Tatabánya. in dem Komloer Kohlenbecken und in Budapest, sowie andere Widerstandsbewegungen, fanden ungarische und ungarndeutsche Arbeiter stets Seite an Seite im Kampf. Jene deutschsprachigen Ungarn jedoch, die von den Weltherrschaftsträumen geblendet den deutschen Imperialismus un (Fortsetzung auf Seite 4.)