Neue Zeitung, 1965 (9. évfolyam, 1-53. szám)
1965-09-17 / 38. szám
IX. JAHR«ANG NUMMER 21 Preis: 60 FHIér WOCHENBLATT DER DEUTSCHEN WERKTÄTIGEN IN UNGARN Vor einer neuen Kraftprobe Der Zug sauste durch die frühherbstliche Landschaft. Aus dem Kofferradio von einem der Fahrgäste ertönte eine Stimme. Sie sprach über den neuen Höhepunkt der landwirtschaftlichen Arbeiten, über das Einbringen der Kartoffeln und Zuckerrüben, die Zeit des Pflügens, der Herbstsaat und der' Weinlese. Der Hauptabteilungsleiter des Ministeriums, der im Rundfunk eine Erklärung abgab, rief unsere Bauernschaft auf, ihre Arbeit gut zu organisieren, damit die vielen, gleichzeitig anfallenden Aufgaben gemeistert werden können. Ein Mitreisender neben mir meinte: „Ich verstehe das nicht! Egal, ob Frühling oder Herbst, gleich, ob eingebracht oder gesät wird, es wird immer von Pflichterfüllung und Opferbereitschaft gesprochen. Man ist immer unruhig, ob diese oder jene Aufgabe in der Landwirtschaft gelöst wird. Muss dies denn unbedingt so sein?” — fragte er mit etwas Missfallen und Zweifel in der Stimme. Auf seine Frage hin entfachte sich unter den Reisegästen eine Diskussion, in der verschiedene Meinungen laut wurden. Wir standen im Lager jener, die behaupteten, dass Bemühungen, die über dem Durchschnitt liegen, notwendig seien, dass es an Ansporn nicht fehlen darf und es hin und wieder auch wichtig ist, dass die Landwirtschaft von aussen Hilfe erhalte. Besonders dann, wenn die Witterung, wie auch heuer, ungünstig ist. Die Ernte verspätete sich um zwei Wochen und auch die Reife des Kukuruz, der Zuckerrüben, der Sonnenblumen und der Weintrauben wird sich verspäten, was natürlich eine Menge Probleme mit sich bringt. Wie allgemein bekannt, wird in Ungarn jahrein-jahraus auf einer grossen Fläche nach der Kukuruzernte Weizen gesät. Wegen der verspäteten Reife muss jetzt auf diesen Feldern die Arbeit der Menschen und Maschinen besonders gut organisiert werden, damit der Kukuruz eingebracht und der Boden zur Saat entsprechend vorbereitet werden kann. Langjährige Erfahrungen beweisen, dass nur dort eine gute Weizenemte erreicht werden kann — 16-18 Doppelzentner pro Joch — wo bis Ende Oktober die Saat in den Boden gelangte. Dies ist in diesem Jahr nicht ohne einen zweischichtigen Einsatz der Traktoren, ohne eine gute Wettbewerbsatmosphäre möglich. Unter solchen Umständen kann man in der Landwirtschaft nicht am Achtstundentag festhalten, man muss von früh bis spät schaffen. Gleichzeitig mit dem Kukuruz müssen auch die Zuckerrüben, Sonnenblumen und die Kartoffeln eingebracht werden. Eben deshalb besteht im Herbst neben der Saatarbeit auf einem Gebiet von dreieinhalb Millionen Joch die grösste Aufgabe im entsprechenden Abwickeln des Transportes. Aufgrund von Schätzungen müssen etwa 360 000 Waggons Zuckerrüben abtransportiert werden, von 200 000 Joch müssen Kartoffeln, von zwei Millionen Joch der Kukuruz unter Dach und Fach gebracht werden. Zur Verwirklichung all dieser Aufgaben sind enorme menschliche und maschinelle Energien notwendig. In vielen Staatsgütern und LPG mangelt es an Transportmitteln, Zugmaschinen, Anhängern, Einräume- und Lademaschinen. Oft können die Maschinen wegen Mangel an Bestandteilen und Reifen nicht zur Arbeit eingesetzt werden. Zur Bedienung der Traktoren steht ebenfalls nicht überall das nötige Personal zur Verfügung. Umsonst bilden die Staatsgüter jahrein-jahraus die nötigen Traktoristen aus, in der Zwischenzeit sucht ein Teil dieser Fachleute in der Industrie und auf anderen Gebieten eine Anstellung. Eben deshalb wird es auch in diesem Jahr nötig sein, die Industrie um Fachleute für die Traktoren zu ersuchen. Die Schwierigkeiten müssen jedoch in erster Linie durch eine rationelle Organisierung der inneren Kräfte, durch eine Erschliessung der inneren Reserven beseitigt werden. Erfahrene LPGLeiter wissen dies und warten heute nicht erst auf von oben kommende „Instruktionen”, sie sind bestrebt, ohne diese der Lage Herr zu werden. In der Tolna z. B. wurden die Pläne der Herbstarbeiten umgearbeitet, d.a man einsah, dass der Kukuruz später reif wird und deshalb der Weizen nach dem abgeernteten Getreide auf grösseren Flächen gesät werden muss. In LPG der Umgebung von Mohács ging man an die Ausbesserung der Flurwege, damit der Transport beschleunigt werden kann, die Maschinen weniger beschädigt werden, weniger Rüben und Kukuruz in den Schlamm gestampft werden. Im Bezirk Boly wird der Wahl des Saatkorns, der Beizung grosse Aufmerksamkeit geschenkt, da die Keimfähigkeit des diesjährigen Getreides laut Erfahrungen nicht gerade hervorragend ist. Wenn der Herbst solche ausserordentlichen Aufgaben stellt, ist die Hilfe und der Rat der übergeordneten Stellen ebenfalls sehr notwendig. Es kann z. B. Vorkommen, dass einige Wirtschaften alle Arbeiten mittels eigener Maschinen erledigen wollen, obwohl sie dazu heute noch unfähig sind. Und obwohl sie im Herbstpflügen noch im Rückstand sind, nehmen sie die Arbeit der Maschinenstation nicht in Anspruch, und dort sind dann die mit Raupenketten versehenen Traktoren von grosser Leistungsfähigkeit nicht voll ausgenutzt. An vielen Orten werden auch die Vorteile, die sich aus der Umgruppierung der Maschinen ergeben, noch nicht genutzt, und die verschiedenen materiellen Anreize zur Steigerung der Produktivität der Traktoristen und der Maschinisten nicht angewandt. Alle Meldungen, die vom Lande eintreffen, berichten darüber, dass der diesjährige Herbst die Werktätigen vor eine recht schwere Aufgabe stellt, die nur durch gesteigerte Bemühungen und Pflichterfüllung gemeistert werden kann. Die Schwierigkeiten können nur dann beseitigt werden, wenn die Arbeitslust und die Wettbewerbsatmosphäre, die die Bauern zur Zeit der Ernte beflügelte, auch jetzt weiterleben. Dieser Geist schuf Helden der Arbeit wie z. B. den besten Kombineführer des Landes aus der Baranya, Johann Hofecker. Wenn unsere Bauernschaft auch in Zukunft mit diesem Schwung weiterarbeitet, ist garantiert, dass beim diesjährigen Einbringen der Herbstfrüchte und bei den Saatarbeiten die Landwirtschaft trotz der Schwierigkeiten keine Schäden erleiden wird. Ernő Keserű m Landeswettbewerb der SZ-K-Kombinen errang mit auf 1490 Katastraljoch Feld geerntem und gedroschenem Getreide, insgesamt 175 Waggons Korn, Johann Hofecker aus Kozármislény den ersten Platz.” Aufgrund dieser, von allen ungarischen Tageszeitungen veröffentlichten Nachricht suchte ich den Held dieses grossen Wettbewerbs auf. In der Werkhalle der Maschinenstation in Kozármislény machte ich seine Bekanntschaft. Mittelgross, eher schmächtig, bescheiden — das ist mein erster Eindruck über den besten Kombineführer Ungarns. Wie er’s geschafft hat? Darüber befrage ich ihn jetzt in erster Linie. Er beginnt mit einer „V orgeschichte”: — Ich wuchs mit dieser Maschinenstation heran. Als ich am 3. August 1950 als 16jähriger Bursche hierherkam, war alles noch drunter und drüber. Weder eine Werkstatt noch eine Garage gab es. Die Traktoren standen in Schuppen und Scheunen, ich musste die 12 Kilometer von meinem Heimatdorf Máriakéménd bis Mislény jeden Tag zu Fuss zurücklegen. Die Maschinenstation entwikkelte sich aber zusehends. Ein Gebäude nach dem anderen wurde gebaut, und der junge Mann konnte nach einigen Jahren bereits ein Motorrad kaufen. — 1954 bekamen wir die erste Kombine, — erinnert er sich. — Im Sommer ernteten wir, im Winter arbeiteten wir als Monteure in der Reparaturwerkstatt. Meine Fahrer-Erfahrungen kamen mir auch als Monteur zugute. Wir wuchsen mit unserer Maschine während der Arbeit so zusammen, dass wir bereits an der Art und Weise ihres „Schnauf ens” merkten, wenn ihr was fehlte. So kam es, dass Johann Hofecker bereits 1964 mit seiner ursprünglich für 360 Joch-Jahresproduktion konstruierte SZ-KMaschine 1011 Katastraljoch Getreide erntete. — Ich habe es aber schon im vorigen Sommer „gespürt” — erzählt er weiter —, dass in der Maschine noch mehr ..drinnen steckt". Deshalb wagte ich auch diesjahr alle Kombineführer des Landes zum Wettbewerb aufzufordem. Wir haben unsere Maschinen äusserst gewissenhaft vorbereitet, so konnten wir beruhigt ins „grosse Gefecht” ziehen. Am 28. Juni ging’s dann auf dem Gerstenfeld in Beremend los. 54 Tage lang dauerte sein Ernteeinsatz in diesem Jahr. Werktags und sonntags war er bereits um 4 Uhr auf den Beinen, um die Kombine für die Tagesarbeit vorzubereiten und um 7, nachdem der Tau verschwunden war, ratterte schon der Mähdrescher zwischen den reifen Ähren. So ging es Tag für Tag, oft bis Mitternacht. In tauarmen Nächten erntete er sogar im Schweinwerferücht bis zwei Uhr in der Früh. Johann Hofecker war bereits am Anfang des Wettbewerbes unter den ersten. Am 10. August aber waren im Bezirk Pécs alle Emtearbeiten geschafft. Es war gamichts zum Schneiden mehr da. In den nördlichen Gebieten des Landes war die Ernte jedoch noch im vollen Gange. Im Komitat Veszprém fehlten Traktoristen, man brauchte Hilfe. — Selbstverständlich waren wir mit meinen Kollegen sofort bereit hinzufahren. Wir machten uns mit unseren Kombinen auf den Weg. Doch bei Mezőfalva batte ich eine Panne: mein Laufwerk riss einfach ab. Ganz verzweifelt war ich. Ich musste mich bis zur Reparaturwerkstatt der dortigen LPG schleppen lassen wo mir dann jeder zu Hilfe eilte. Es kam eine anstrengende Arbeit, die 8 Stunden dauerte, dann waren wir mit der Riesenreparatur fertig. Die Reise bis Pápa dauerte insgesamt 28 Stunden lang. Ohne Schlafen, ohne Ruhe. — Ich kam morgens gegen 7 Uhr an und am Nachmittag stand ich bereits auf den Feldern. Die folgenden zwei Wochen haben dann den Wettbewerb entschieden: aus dem kleinen Mann wurde einer der berühmtesten Menschen des Landes. Franz Szeitl Wie geschafft er’s hat? BUDAPEST 17. SEPTEMBER 1Ö#S Das Getreide ist drin Das Getreide ist drin. Die Felder sind blankgeputzt. Gelbe Stoppeln mischen sich mit bunten Feldblumen. Nur die Wintergerste trocknet noch — schon geschnitten — auf einigen kleinen Schlägen. Josef Bader, Vorsitzender der LPG „Rákóczi” in Bicske (Komitat Fejér), zieht Bilanz: „Das Ergebnis war über Erwarten gut. Das kühle Frühjahr, der regnerische Sommer und das Grund- und Hochwasser konnten — so sieht es aus — den Kulturen doch nichts anhaben. Im Gegenteil: Durch gute Maschinenarbeit und gründliche Düngung konnten beispielsweise statt der geplanten 65 Waggon Weizen 112 abgeliefert werden. Auch die anderen Getreidesorten und Ölsaaten brachten guten Erfolg. So haben wir keine Sorgen mehr, ob wir unsere 50 Forint pro Arbeitseinheit wieder erreichen. Ich glaube sogar, wir übertreffen sie.. Kurz: die LPG „Rákóczi” steuert wieder auf die Erfolge des Vorjahres zu. Damals waren sie in ihrer Kategorie (5000 Joch — 412 Mitglieder) Sieger im Bezirk geworden. Der Weg führte unter der klugen Leitung Josef Baders — eines ehemals landlosen Wanderarbeiters — zielstrebig voran. Mit der gleichen Energie, mit der er im Frühjahr 1945 bei der Bodenreform in Bicske mit anderen mittellosen Feldarbeitern zur neuen Landnahme schritt, mit den Messstäben den Boden für sich und die anderen neuen Besitzer teilte, mit eben jener Energie wirkte er auch bei der Gründung der ersten LPG Anfang der fünfziger Jahre mit und führte sie von Erfolg zu Erfolg. Doch nicht er allein: Er zog — das hatte er auf seinen Wanderschaften, die ihn von einem Grossgrundbesitz zum anderen durch die Länder Mitteleuropas führten, gelernt — viele junge landwirtschaftliche Fachkräfte hinzu. Heute ist jeder der Brigadeführer ein Fachagronom. Als es noch fünf LPG in Bicske gab, ging nur die von Josef Bader geleitete recht gut. Nach und nach schlossen sich die anderen deshalb der „Rákóczi” an — und die gemeinsame Gross-LPG wurde durch diese Vergrösserung mit schwachen Partnern nicht schwächer, sondern nur noch stärker. Inzwischen, 20 Jahre nach den ersten Schritten der neuen Ordnung auf dem Lande, ist die LPG „Rákóczi” ein moderner landwirtschaftlicher Gross-Betrieb geworden. Man reisst sich förmlich um alle nur möglichen, erfolgversprechenden Neuerungen: Fast die gesamte Feldarbeit ist mechanisiert, es wird mehr als in den Nachbargemeinden mit Düngemitteln und Pflanzenschutzmitteln gearbeitet, und man versucht die Investitionen für die Gemeinschaft immer mehr zu vergrössern. Obwohl — wie gesagt — das kalte und nasse Wetter für Aussaat und Reife des Getreides und der anderen Feldfrüchte in diesem Jahr einige Wochen Verspätung mit sich brachte, konnte die Einfuhr vom Feld sogar noch einige Tage früher als im Vorjahr beendet werden. Jetzt wartet man nur noch auf den Kukuruz. Er wird bis Ende des Monats drin sein und verspricht ebenfalls Erfolg. So grosse Kolben hat man selten an den Stengeln gesehen. Auch hier wird die Ernte vollmechanisiert vor sich gehen — genauso wie die Aussaat und Pflege. „Hungasin” — das Pflanzenschutzmittel — hat allem Anschein nach gute Dienste geleistet. „Dann bleiben nur noch die Hackfrüchte — Kartoffeln, Zuckerrüben, Futterrüben —”, freut sich Géza Kudáz, der Hauptagronom, „und dann kann unseretwegen der Winter kommen”. In Bicske wird es ein „goldener Herbst” — und jeder ist zufrieden. Schon jetzt — beim Getreide — haben sie eine Million Forint Überplangewinn erreicht...