Neue Zeitung, 1982 (26. évfolyam, 1-52. szám)

1982-05-01 / 18. szám

Neue Zeitung WOCHENBLATT DES DEMOKRATISCHE! VERBANDES DER ÜNGARNDEDTSCHEN 26. Jahrgang/Nr. 18 Preis: 1,40 Ft Boiapest, 1.Mai 1982 V. Nelu Ebinger Mutter Ich hör’ das Wort, geh' ich auch fort. Ich seh’ den Hort an jedem Ort. Ihre Haare silbern im Morgengrauen. Ihre Hände ermüden vom steten Bauen. Ihre Augen schauen weiter, immer heiter. Ihr Herz pocht heiter, immer weiter. An jedem Ort seh’ ich den Hort. Geh' ich auch fort, hör’ ich das Wort: Mutter. Die Liebe der Mütter Meine ihr erstes Baby erwartende Freundin sagte mir kurz vor ihrer Entbindung, sie und ihr Mann wünschen sich eine Tochter. Eine Tochter, die sie zu einer bewußten, liebenswerten und selbstsicheren Frau erziehen werden. Zu einer Frau, die heutzutage dieselben Möglichkeiten wie ein Mann habe, doch obendrein werde ihr zusätzlich noch et­was Wunderbares zuteil: das einmalige, unbeschreiblich schöne Gefühl, Mutter werden zu können. Katis Wunsch ging in Erfüllung: Sie wurde Mutter einer kleinen Tochter, namens Sylvia, genau am Mutter­tag. Und wenn sich heute nun die zweijährige Sylvi vor ihre Mami hinstellt, ein in der Krippe gelerntes Verslein aufsagt und die mit Papi gepflückten Blumen überreicht — um diese dann sofort zurückzuverlangen —, weiß ich wirklich nicht, wer glücklicher sein wird. Sylvi versteht natürlich noch nicht, weshalb die Mutti gerade an diesem Tag beschenkt, beglückwünscht wird. Noch dreht sich die „ganze Welt“ um sie; noch ist sie — auch an diesem Tag — Mittelpunkt der Liebe und Auf­merksamkeit ihrer Eltern, Großeltern und Verwandten. Im Mittelpunkt, wo ein anderer kaum Platz haben kann. Doch verlangten nicht auch wir — ähnlich wie Sylvi — nach der Mutterliebe und tun es nicht auch heute noch? Nach der Liebe und dem Gefühl der Geborgenheit, die wir nur bei unserer Mutter restlos finden? An diesem Tag werden Mütter, Großmütter und Ur­großmütter in jeder Familie im ganzen Land gefeiert. Beim Festtagsschmaus hören wir erneut aufmerksam der Erzählung unserer Mütter über unsere ersten wagen Schritte, die ersten gesprochenen Worte, die ausgeheckten Bu­benstreiche zu — und wir werden selbst wieder ein wenig Kinder. Kinder, die ihr für all das zutiefst dankbar sind. -yi- Foto: Stella Koresog ZUM 1. MAI Als Schulkinder galt unser erster Blick prinzipiell dem Kalender. Je nach Stundenplan, je nach beliebten und unbeliebten Fächern gab dann jeder seine Meinung zum besten. Nur in einem Punkt waren wir uns einig: Muß denn der 1. Mai unbe­dingt auf einen Sonntag fallen ? Das sollte zwar nicht heißen, daß wir uns nicht über die Bedeutung dieses Tages im klaren gewesen wären, aber ein freier Schultag ist nun mal ein freier Schultag. Ganz ehrlich, wie viele Erwachsene machten es ähnlich wie wir? Ja, der 1. Mai hatte — trotz unserer besseren Ein­sicht über seine Bedeutung — noch eine andere Anziehungskraft auf uns. Wir hofften immer auf schönes Wetter, nicht nur der sommerlichen Kleidung wegen, nach der wir uns um diese Jahreszeit schon sehnten, sondern auch wegen des sich der Demonstration anschließenden Volksfestes. Da gab es Würstchen, Zuckerwatte, allerlei Leckerbissen, da waren Karrussells und Schieß­buden, vielleicht gab es sogar einen Tanz um den Maibaum... Doch wie sah es nun mit unserer „besseren Einsicht“ aus? Soviel steht fest, wir nahmen uns immer wichtig, glaubten uns schon als kleine Schulkinder allwissend. Wir hatten zeitig gelernt — und ver­standen —, daß der 1. Mai der in­ternationale Kampf- und Feiertag der Arbeiterklasse ist. Wir wußten, daß es nicht allen Kindern auf der Welt so ging wie uns, daß nicht alle an diesem Tage schulfrei hatten, daß die Kinder früher ganz anders leb­ten, daß die Maidemonstrationen oftmals verboten waren, daß viele Erwachsene dafür eingesperrt wur­den usw. Zu dieser Zeit war der 1. Mai für uns schon ein Kampftag für den Frieden, und so malten wir die Friedenstaube von Picasso ab und wünschten von ganzem Her­zen, daß alle Kinder der Welt froh und glücklich sein sollten. Und ebenso ernst wie die Erwachsenen, die ja viel mehr erlebt hatten, nah­men wir an der Demonstration teil, trugen unsere Fähnchen und Plakate, sangen Arbeiterlieder... Wir wurden größer, gingen schon die letzten Jahre in die Grundschule, hörten und lernten mehr über den 1. Mai und die Arbeiterklasse und wun­derten uns gar nicht, daß wir die Zusammenhänge nun besser ver­standen. Wir wußten nun schon, daß die II. Internationale bei ihrer Gründung 1889 in Paris beschloß, ab 1890 den 1. Mai als Feiertag der internationalen Solidarität der Ar­beiterklasse zu begehen, und zwar zum Gedenken an dem drei Jahre, vorher in Chicago stattgefundenen Streik, der mehrere Todesopfer for­derte. Die Kämpfe, die es in jedem Land — auch in Ungarn — um den 1. Mai und die Arbeiterklasse gab, waren für uns, die bereits in einer neuen Gesellschaft aufgewachsen waren, Geschichte. Wir hatten sie nicht erlebt, kannten sie nur aus Büchern und Erzählungen. Trotz­dem überzeugten sie uns, daß der Kampf um eine Sache geführt wurde, die uns allen zugute kam. Nur nah­men wir schon nachdenklicher und verstehender an den Maidemonstra­tionen teil, doch das Maifest feierten wir genauso ausgelassen wie eh und je. In der Zwischenzeit sind viele Jahre vergangen, und wir sind er­wachsen geworden. Vielleicht sehen wir immer noch auf den Kalender, vielleicht nehmen wir nicht mehr an jeder Maidemonstration und noch weniger an den Maifesten teil, wir sehen die Zusammenhänge heute nicht nur mit anderen Augen, son­dern wir wissen auch, daß der 1. Mai nicht nur Geschichte ist. - bd - Ungarndeutsche im KomitatWeszprém Reges Kulturleben, Pflege und Bewahrung der Traditionen Beliebte Ferienorte am nördlichen Ufer des Balaton und im Bakony- Gebirge; historische Städte wie Veszprém und Pápa mit zahllosen Sehenswürdigkeiten; entwickelte Chemie- und Maschinenbauindu­strie, Kohlenbergbau mit einer 100- jährigen Vergangenheit, eine reiche Bauxitfundstätte — all das fällt einem sofort ein, wenn man über das Komitat Veszprém spricht. Doch als Reporterin der NZ, die seit Jahren in diesem Komitat arbeitet, möchte ich ein anderes Antlitz des Komitats, das ich kennengelernt habe, zeigen. Es ist nicht wahr, daß ich nur deshalb gern in den auch von Ungarndeutschen bewohnten Gemeinden arbeite, weil ich dort vielen Mayers und sogar einer Eva Mayer begegnete. Jedenfalls erleich­terte mir mein Name, eine gemein­same Sprache mit den Bakonyern zu finden. Denn die Bakonyer sind anders als meine Landsleute in der Tolnau zum Beispiel. Sie sind hart und wortkarg. In einem mehrere Jahrhunderte langen Kampf mit den Naturkräften wurden sie so typische „Bakonyer“. Die Ungarndeutschen leben in etwa 40 Dörfern von den insgesamt 220 des Komitates. Die meisten sind Kleindörfer — in 17 erreicht die Zahl der Einwohner kaum 500 —, und nur zwei größere Gemeinden zählen über 2000 Einwohner: He­rend, wo die weltberühmte Porzel­lanfabrik ist, und Úrkút, wo sich die einzige Manganerzgrube des Lan­des befindet. Das kleinste Dörflein ist Deutschütten/Németbánya im Bezirk Pápa mit 150 Einwohnern. Aus diesem Charakteristikum folgt vieles: Die Kleindörfer haben keine selbständigen Gemeinderäte und Schulen, es gibt keine Arbeitsmög­lichkeiten, dafür blieben aber die Traditionen, das äußere Bild der Dörfer länger unberührt als in ande­ren Gemeinden. Schon die Kinder pendeln täglich mit dem Bus in den Kindergarten oder in die Schule. Die bejahrten Menschen arbeiten noch in der Land- oder Forstwirt­schaft, die Jugendlichen aber schon eher in der Industrie. Das Abwan­­dem in die Industriezentren Vesz­prém, Ajka, Várpalota und Pápa dauert heute noch an. Wie sehen nun diese Dörfer aus? Wenn ich einfach „schön“ sage, meine ich nicht nur die geographische Lage, sondern, daß Straßen und Höfe sauber und gepflegt sind. Man trifft in Ganna, Waschludt/Városlőd, aber auch anderswo auf 100jährige, typi­sche Bakonyer Bauernhäuser, die heute noch bewohnt sind, jährlich gestrichen werden und innen allen Komfort aufweisen. Seitdem der Nationalitätenar­beitsausschuß beim Komitatsvor­­stand der Patriotischen Volksfront 1978 gegründet wurde, setzte ein beachtenswerter Aufschwung im kul­turellen Leben ein: Der Nationalitä­tentag in Herend wird mit einem immer anspruchsvolleren Pro­gramm traditionsgemäß im Mai jedes Jahres veranstaltet. Auf dem Ge­biet des Muttersprachunterrichtes wurden die ersten notwendigsten Schritte getan. Ich möchte den bei­spielhaften Muttersprachunterricht in der Kreisgrundschule in Herend hervorheben: Die Schützlinge von Frau Theresia Krein gehören seit Jahren zu den Landesbesten im Deutsch-Wettbewerb. Aus Herend, Jakau/Bakonyjákó und Waschludt lernen Schülerinnen im Budapester Kossuth-Gymnasium und stehen ihren Mann. Der Komitatsrat hält das Thema seit 1979 ständig auf der Tagesordnung: Zur Zeit läuft der Muttersprachunterricht in acht Grundschulen, und dies betrifft in­folge der Zentralisierung etwa 21 Dörfer. In Zusammenarbeit der Patrioti­schen Volksfront und des „Bakony“­­Museums begann 1981 eine um­fassende ethnographische Sammel­arbeit — die erste im Lande — in den Nationalitätendörfern: Auf­grund von Erinnerungen und Er­zählungen bejahrter Menschen so­wie von Dokumenten möchte man je mehr über die Wohnkultur, die Bauweise, die Feste und Feiern so­wie Bräuche, den Sagen- und Lieder­schatz der Ahnen erfahren und festhalten. Diese Aktion wurde in den Dörfern zu einer gemeinsamen Angelegenheit der Räte, der Volks­frontausschüsse, der Pädagogen und der Mitglieder der Kulturguppen, Heimatkundezirkel, der Ungarn und Ungarndeutschen. Schon Wochen sind vergangen, und ich war nicht wieder im Komi­tat Veszprém. Aber in Gedanken schmiede ich schon Reisepläne: Soll ich zuerst nach Bakonyszentlászló und Fenyőfő, wo eine der größten Investitionen, die Eröffnung einer neuen Bauxitgrube läuft, oder in die Kleindörfer am nördlichen Ufer des Balaton, nach Bemag, Vöröstó, Pula, wo sich die Leute mit Recht „vernachlässigt“ fühlen, fahren ? Ohne lange zu überlegen, werde ich wohl bald aufbrechen, um neue Freunde zu gewinnen, neue Gegen­den kennenzulemen, um darüber in der NZ zu berichten. Eva Mayer Foto: Stella Koresog

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