Neuer Weg, 1971. január (23. évfolyam, 6736-6760. szám)

1971-01-16 / 6747. szám

Seite 2 Ratssitzung der Investhank Moskau (Agerpres). — In Moskau fand die zweite Sitzung des Rates der Inter­nationalen Investbank statt. An der Sitzung beteiligten sich die bevollmächtigten Vertreter der VR Bul­garien, CS.SR. DDR, Mongolischen VR, Polnischen VR, Sozialistischen Republik Rumänien, Ungarischen Volksrepublik und der UdSSR. Als Gäste waren über­dies Vertreter des Rates für Gegenseiti­ge. Wirtschaftshilfe und der Internatio­nalen Bank für Wirtschaftszusammen­arbeit zugegen. Der Rat der Internationalen Invest­bank genehmigte die Prinzipien, auf de­ren Grundlage die Bank Kredite ge­währt. wie auch die Verzinsungsprinzi­pien der Bank. Ferner wurde das Pro­blem der .Bankoperationen in frei kon­vertierbarer Valută und Gold erörtert, und es wurden der Vorsitzende und die Mitglieder der Revisionskommission er­nannt. Der Rat fasste Beschlüsse im Zu­sammenhang mit anderen Problemen der Banktätigkeit. Die Ratssitzung verlief in einer kame­radschaftlichen und einvernehmlichen Arbeitsatmosphäre. Besprechungen Sadat—Podgornyi Kairo (Agerpres). — Der Präsident der VAR. Anwar Sadat. und der Vorsitzende des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR. Nikolai Podgornyi. haben in Kai­ro offizielle Besprechungen begonnen. TASS meldet, dass ein Meinungsaus­tausch im Zusammenhang mit der stän­digen Entwicklung der Freundschaftsbe­­ziehurtgen zwischen der Sowjetunion und der VAR wie auch mit verschiedenen internationalen Gegenwartsfragen vorge­nommen wurde. Besondere Aufmerksamkeit wurde der L"gs in Mahnst gewidmet. Sodann begab sich Nikolai Podgornyi in Begleitung von Amvar Sadat und an­deren VAR-Fiihrern nach Assuan, um an den Festlichkeiten anlässlich des Ab­schlusses der Bauarbeiten an diesem hy­droenergetischen Komplex teilzunehmen. Slariplan für „Kole“ Paris (Agerpres). — Das französische Landeszentrum für Raumforschung gab bekannt, dass Frankreich 1971 vier Satel­liten starten wird, und zwar zwei in Guayana, einen in den USA und einen in der UdSSR. Der erst? Satellit — ..D 2 a“ — im Gewicht von 80 Kilogramm, ist dazu bestimmt, die Sonnenexplosionen zu er­forschen. und soll zwischen dem 15. und 20. April von der Abschussrampe in Guayana mittels einer Diamant-b-Rakete gestartet werden, während der zweite Satellit — „D 2 a Polar“ — von derselben Abschussrampe gegen Jahresende auf Bahn gebracht werden soll. Der Wettersa­tellit „Bole“ wird im August mittels einer Scout-Rakete vom US-Stützpunkt Wallops und der Satellit „Sret“ für technische For­schungen im März von Baikonur (UdSSR) gestartet werden. Paris: Beratung über Ausbau der Kooperation Gemischte Rumänisch-Französische Regierungskommission zu ihrer dritten Tagung zusammengetreten Paris (Agerpres). — Eine Delegation unter Führung von Genossen Manea Mănescu, Vorsitzender des Wirtschafts­rates der Sozialistischen Republik Ru­manian. ist in Paris eingetroffen, um an der dritten Tagung der Gemischten Ru­mänisch-Französischen Regierungskom­mission für ökonomische, wissenschaft­liche und technische Kooperation teilzu­nehmen. Die Tagung dauert bis zum 18. Januar. Genosse Manea Mănescu hatte eine Aussprache mit dem französischen Wirt­schafts- und Finanzminister Valéry Gis­card d’Estaing. der die französische De­legation auf der Tagung leitet. Gegen­stand der Erörterungen waren der ge­genwärtige Stand und die Mittel und Wege für die Weiterentwicklung der mul­tilateralen Kooperation zwischen Rumä­nien und Frankreich. Die dritte Tagung der Gemischten Ru-mänisch-Französischen Regierungskom- mission trat im Louvre-Palais zusam­men. Die beiden Seiten hoben die Bedeu­tung des Frankreich-Besuchs des Vorsit­zenden des Staatsrates Rumäniens, Nico­­lae Ceauşescu, hervor, den sie als ein wichtiges Moment in der Entwicklung der guten Beziehungen zwischen der So­zialistischen Republik Rumänien und Frankreich bezeichneten. Dieser Besuch erschloss neue Perspektiven für die in­tensivere Gestaltung des rumänisch­französischen Handelsaustauschs, der wirtschaftlichen, industriellen, wissen­schaftlichen. technischen und kulturellen Kooperation, die sich — ebenso wie die Beziehungen zwischen den beiden Län­dern überhaupt — auf der festen Grund­lage der Wahrung der Prinzipien von nationaler Unabhängigkeit und Souverä­nität. Gleichberechtigung und beidersei­tig vorteilhaften . Zusammenarbeit ent­wickeln. Einigung in Amman Sofortprogramm zur Beilegung der Zwistigkeiten ausgearbeitet Amman (Agerpres). — Die jordanische Regierung und die Vertreter der palästi­nensischen Widerstandskommandos ge­langten zu einer Einigung und legten ein Sofortprogramm für die Durchführung der Kairoer und Ammaner Abkommen im Hinblick auf die Normalisierung der Lage in Jordanien fest, meldet Radio Amman. Es wurde beschlossen, ein gemeinsames Komitee zu bilden, das die Standortvertei­lung der palästinensischen Kommando­gruppen auf dem Territorium Jordaniens festlegen soll. Überdies sollen die Regie­rungsstreitkräften den Palästinensern in­nerhalb einer Woche alle erbeuteten Waf­fen zurückgeben. Aufgrund des neuen Abkommens wird den palästinensischen Widerstandskämp­fern volle Bewegungsfreiheit auf dem Territorium Jordaniens zuerkannt. Sie dürfen ohne Zustimmung des palästinen­sischen Oberkommandos nicht verhaftet werden. Sowohl die jordanischen Behör­den als auch die palästinensischen Wider­standskommandos haben sich verpflichtet, bis zum 20. Januar sämtliche Geiseln freizulassen. Wieder Unruhen in Belfast Belfast (Agerpres). — In der Haupt­stadt Nordirlands kam es neuerlich zu Zusammenstössen zwischen Katholiken und Protestanten. Die schwersten Zwi­schenfälle ereigneten sich in den Stadt­vierteln Springfield und Bally Murphy, wo Jugendliche eine Kaserne der in Nordirland stationierten britischen Trup­pen mit Steinen bewarfen. Die Polizei griff ein und nahm zahlreiche Verhaf­tungen vor. Wie aus Belfast verlautet, soll das Wie­deraufflammen der Unruhen auf eine Kampagne der extremistischen Geheim­organisation, die sich als „Irische Repu­blikanische Armee“ bezeichnet, zurück­zuführen sein. £s*klärung Schröders Moskau (Agerpres). — Gerhard Schrö­der. Vorsitzender des Aussenpolitischen Ausschusses des BRD-Bundestags. Stell­­vertretender CDU-Vorsitzender, der sich in Moskau zu Besuch aufhält, hatte eine Aussprache mit Alexej Schjtikow, Vorsit­zender der Parlamentsgruppe der UdSSR, Wie TASS meldet, betonte der Gast im Zuge des Gesprächs, dass in Westdeutsch­land „den Beziehungen zur UdSSR und den persönlichen Kontakten zwischen den Parlamentariern grosse Bedeutung beige­messen wird“. Schröder erklärte : „Unsere Zeit macht es dringend erforderlich, dass die europäischen Länder sowohl im Be­reich von Wirtschaft, Wissenschaft und Technik, als auch in anderen Bereichen Zusammenarbeiten- Ich bin überzeugt, dass dieser Besuch in der UdSSR dazu beitragen wird, unsere beiderseitigen Kon­takte auszuweiten“. Vor 23 Jahren wurden die Beziehungen brüderlicher Freundschaft zwischen Ru­mänien und Bulgarien, die sich auf marxistisch-leninistische Prinzipien gründen, in einem wichtigen Dokument verankert. Am 16. Januar 1948 Unterzeichneten die Vertreter beider Staaten den Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand zwischen der Sozialistischen Republik Rumänien und der VR Bulgarien. Bekanntlich wurde am 21. November 1970 in Sofia ein neuer Freundschaftsvertrag unterzeichnet. — Unser Bild: Der Leninplatz in Sofia I Ausland Die Sozialistische Republik Rumänien und die DDR haben ein Abkommen über die Zu­sammenarbeit im Bereich von Post- und Fern­meldewesen abgeschlossen. Das Dokument wurde in Berlin von den Ministern für Post­­und Fernmeldewesen der beiden Länder — Mihai Bălănescu und Rudolph Schulze — un­terzeichnet. Auf Einladung des Präsidiums der Deutschen kommunistischen , Partei ist eine KPdSU-De­­legation untpr Führung von W. A. Demtschen­­ko. Stellvertretendes Mitglied des ZK der KPdSU, zu einem Besuch in Düsseldorf einge­troffen. Gestorben 1st der ehemalige SS-General Heinz B. Lammerding, seinerzeit Kommandeur der berüchtigten Division „Das Reich“, der „Henker von Oradour“. Lammerding hatte während des zweiten Weltkrieges, im Juni 1844, das Massaker von Oradour-sur-Glane an­geordnet, bei dem 642 Personen, vorwiegend Frauen und Kinder, getötet wurden. Von einem französischen Gericht in Abwesenheit zum Tode verurteilt, hatte sich dieser Kriegsver­brecher später in Düsseldorf als Inhaber einer Baufirma niedergelassen. Mit einem Zahlungsdcfizit von mehr als 1 Milliarde Gulden hat Holland Ende des lau­fenden Finanzjahrs zu rechnen, erklärte Wirt­schaftsminister R. Nelissen im Zuge einer De­batte im holländischen Senat. Infolgedessen soll dje Masshaltepolitik der holländischen Re­gierung unverändert beibehalten werden. Der Aussenminister der UdSSR, Andrej Gro­myko, empfing den US-Senator Edmund Muskie, der sich in Moskau zu Besuch auf­hält. An der Aussprache, auf der verschiedene internationale Probleme und die sowjetisch­­amerikanischen Beziehungen erörtert wurden, beteiligte sich auco der bekannte amerikani­sche Politiker Averell Harrimán, der Senator Muskie auf seiner Reise begleitet. NEUER WEG / 16. Januar 1971 Bombe platzte Mitte November Die illustrierte „Stern“: Wie geht es uns im neuen Jahr? / Westdeutsche Realitäten und Prognosen Das Hamburger Magazin „Stern“ veröffentlichte in seiner letzten Dezember-Num­mer einen Ausblick auf die 1971 in Westdeutschland zu erwartende Wirtschafts­konjunktur. Nachstehend bringen wir die Prognose in gekürzter Form zum Ab­druck. Die Bombe platzte Mitte November, als (West-)Deutschlands zweitgrösster Elektrokonzern ankündigte, was drei Jahre lang aus dem Wortschatz der (west-) deutschen Industriekapitäne ge­strichen war : Kurzarbeit. AEG schickt 7200 Arbeiter im Dezember für elf und im Januar für zehn Tage, in Zwangsur­laub. Hatten Konjunkturexperten zunächst noch versichert, es handele sich um ei­nen Einzelfall, so wurde ihr Optimismus schon wenig später etwas gedämpft. Denn eine Reihe renommierter Firmen aus anderen Branchen kündigte inzwi­schen ebenfalls eine Produktionsrücknah­me an. Kurzarbeit gibt es jetzt auch bei Bosch, Conti-Gummi, Kienzle-Uhren, Salamander-Schuhen, in den Valvo-Wer­­ken der Deutschen Philips, bei einigen Porzellanfabriken und in den Nähma­­schinen-Werken von Adler. Während die Deutschen Linoleum-Werke 250 Mitar­beitern blaue Briefe nach Hause ge­schickt haben, geben in der Textilindu­strie viele Unternehmen, wie die Spind­­ler-Werke, das Opal-Werk in Reinfeld oder Krefelder Baumwolle, die Produk­tion vollends auf. weil die Verluste nicht mehr tragbar sind. Selbst hoch bezahlte Spezialisten sind ihres Jobs nicht mehr sicher : So hat die Team-Werbeagentur 39 Werbeleute, zehn Prozent der gesam­ten Belegschaft, vor die Tür gesetzt. Welche Branchen sind in der Zwickmühle ? Auch in anderen Firmen haben sich die heissgelaufenen Räder abgekühlt. BMW hat einige Tausend unverkäufli­cher Autos auf dem Fabrikhof herum­stehen und verfügte einen Einstellungs­­stopp. Zweifel gibt es nicht mehr — die Zeiten der Überbeschäftigung gehen zu Ende... Die Aufträge für die (west-) deutsche In­­dustrie fliessen seit kurzem nicht mehr so reichlich. Während Teile der Industrie wie etwa die Werften und der Maschinenbau noch über gute Auftragspolster verfü­gen, spielen andere mit dem Gedanken, die Produktion kräftig zu drosseln. Unsicher ist die nächste Zukunft vor allem, — in der Schuh- und Textilindustrie. Zwar hat die Midi-Mode vorübergehend etwas Erleichterung gebracht. Um wei-tere Entlassungen, Kurzarbeit und Be­triebsstillegungen wird die Branche je­doch nicht ganz herumkommen ; — im Tiefbau. Für viele im Novem­ber beendeten Strassenbauarbeiten liegen keine Anschlussaufträge vor, so dass keine durchgehende Beschäftigung im Winter gesichert ist; — in der Stahl- und Giessereiindustrie. Die Auftragseingänge sind bereits seit Herbst 1969 scharf rückläufig, so dass die einstmals hohen Auftragsbestände weggeschmolzen sind : — in der Porzellanindustrie. Zehn Prozent der 26 000 Beschäftigten wurden im Dezember in Zwangsurlaub geschickt. Ursache ist das schlechte Exportgeschäft, nachdem Lohnsteigerungen und Aufwer­tung zu empfindlichen Verteuerungen geführt haben ; — in Teilen der Glasindustrie. Bran­chenkenner vertreten die Meinung, dass etwa 10 Prozent der 20 000 Beschäftig­ten künftig kurzarbeiten müssen. Welche Firmen machen Verluste ? Ein Fragezeichen hinter der Lohntüte steht aber auch bei etlichen Arbeitern in der Maschinenbauindustrie, obwohl sie bis heute Rekordauftragspolster vor­zuweisen hat. Denn viele Auftraggeber ziehen ihre Bestellungen zurück. Über­dies haben sich nicht wenige Maschi­nenbauer verkalkuliert. 1968 zu Festprei­sen hereingenommene Aufträge werden wegen der scharf gestiegenen Lohn- und Materialkosten heute zum Teil mit Ver­lusten abgewickelt, so dass der Boden unter diesen Gesellschaften wankt. Die Werft Blohm & Voss hat an solchen Alt­aufträgen 115 Millionen Mark verloren. Nur eine neue Kapitalspritze der Eigen­tümer verhinderte den Gang zum Kon­kursrichter. Mit Verlusten arbeitet auch der Ingolstädter Textilmaschinenher­steller Schubert & Salzer, die rheinische Maschinenfabrik Schiess geriet mit drei Jahren Auftragsbestand in eine schwere Krise, und die hessische Pintsch Bamag ging schlicht bankrott. Schon Mitte Oktober machte sich das Wirtschaftswissenschaftliche Institut der Gewerkschaften unbeliebt, als es als er­stes eine Rezession prophezeite. Inzwi­schen zeichnet sich von Tag zu Tag eine wirtschaftliche Abkühlung immer deutli­cher ab. Die Anzeichen : — Manche Unternehmer weigern sich, weitere Anlagen zu kaufen, seitdem die Kreditkosten gestiegen sind und die Ge­winne fallen. Lakonisch stellte dazu der Präsident der Arbeitgeberverbände, Otto A. Friedrich, fest: „Viele Unternehmer sind schon pleite — nur wissen sie es noch nicht“ ; — die Geschäfte der Exporteure wer­den schwerer. da in allen wichtigen europäischen Ländern die Konjunktur zurückgeht und sich die USA in einer Rezession befinden ; — die Bonner Koalition hält sich mit Ausgaben zurück, um die Preise zu dämpfen ; — die Bundesbank nimmt nur zaghaft und nur unter dem Druck Amerikas den Griff von der Kreditschraube. Sie fürch­tet. eine frühe Lockerung könnte der Inflation neuen Auftrieb geben. So warnt denn auch das Wirtschafts­wissenschaftliche Institut der Gewerk­schaften vor Produktionseinbrüchen für den Fall, dass Bundesregierung und Bun­desbank ihre Bremsmassnahmen nicht aufgeben. Und wörtlich : ,,Es hat den Anschein, als ob die wirtschaftspoliti­schen Instanzen wieder einmal zu lange zögern und damit der Rezession im nächsten halben Jahr den Weg berei­ten.“ Was wird alles teurer ? Was es in der Bundesrepublik drei Jahre nicht mehr gab, ist zu Weihnach­ten Wirklichkeit geworden : eine Preis­senkung. Farbfernsehgeräte haben sich dank den energischen Attacken auf die Preisbindung, die vom Radiogrossmarkt und von den Warenhäusern Kaufhof. Karstadt und Horten geritten wurden, um etwa 15 Prozent verbilligt. Weniger günstig sieht es in anderen Branchen aus. Opel hat Ende November die Preise um 7,7 bis 9,6 Prozent her­­aufgesetzt, Ford um 5 bis 7,5 Prozent. Auch BMW erhöhte die Preise, und VW lässt durchblicken, dass man sich die­sem Preisdruck anschliessen möchte. Weitere Preissteigerungen durchge­drückt oder angekündigt haben : Zeiss für Fotoapparate und optische Geräte, die Motorrad- und Fahrradhersteller, die Büromaschinenindustrie. die Elektro­industrie für elektrische Geräte, die Kraftfahrzeugversicherungen und nicht zuletzt die staatliche Post, die die Te­­lefonierer wieder einmal schröpfen möchte. Aber auch Kohle, vor allem für Hei­zungskoks, für Heizöl und für elektri­schen Strom muss der Verbraucher tie­fer in seinen Geldbeutel greifen. Was wird aus den Mieten ? Einen Aufpreis dürften künftig auch Wäschereien. Schuhmacher, Friseure, Verkehrsbetriebe. Ärzte, Autoreparatur-Werkstätten und andere Dienstleistungs­betriebe verlangen, obwohl ihre Preise schon heute um acht bis elf Prozent über Vorjahresniveau liegen. Die Berliner und Hamburger Taxifahrer haben gerade wieder einen höheren Tarif durchge­drückt. Weitere Verteuerungen für Le­bensmittel würden Ende September auf der IKOFA in München in Aussicht ge­stellt, nachdem die Nahrungsmittelpreise seit dem Frühjahr um 2 bis 3 Prozent gestiegen waren. Die Fleisch Verarbeiter wollen um 2 bis 2,5 Prozent erhöhen, Bäcker und Nudelhersteller möchten gern die steigenden Getreide- und Mehl­preise weitergeben. Nur die Schweine­preise dürften wegen des immer noch anhaltenden Überangebots weiterhin ei­nem Preisdruck ausgesetzt bleiben. Zum weiteren Höhenflug haben die Vermieter in der Bundesrepublik ange­setzt. Lagen die Preiserhöhungen 1970 bei etwa 4,2 Prozent, so haben die Dis­kussionen um die Mietpreise manche Hausbesitzer noch in ihrem Wollen be­stärkt. Nun werden die Mieten wohl 1971 um 6 Prozent klettern. Dieser Trend dürfte wegen der schwachen Wohnungs­bautätigkeit der vergangenen Jahre auch trotz Wuchergesetzes anhalten. Etwas günstiger sind dagegen die Aus­sichten auf dem Baumarkt. Nachdem die Preise im Jahresvergleich um 15 Prozent heraufgesetzt worden waren, haben, sie sich wieder etwas beruhigt. Alles in allem : Die Preise werden 1971 weiter steigen. Wenn die OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusam­menarbeit westlicher Länder) mit ihrer Prognose von 5.5 Prozent für die Bun­desrepublik die Dinge auch etwas zu schwarz sieht, schätzen die (west-)deut­­schen Sachverständigen wohl realistisch : Sie prophezeien einen Anstieg der Le­benshaltungskosten von 3,5 Prozent... Mietswucher blühte 1970. und nichts lässt darauf schliessen. dass die Hauswirte im neuen Jahr entgegenkommender sein werden Erstmalia sind Grossfirmen wie Bosch (un­ser Bild) zur Kurzarbeit übergegangen, weil ein Überangebot von Waren keinen Absatz findet. Trotzdem wollen die Unternehmer die Preise nicht senken Der Sudan und se SANU und Anya-Nya drängen auf Sezession / Separatstaat „Anzania“ wäre aber keine Lösung Dokumentarbericht von Franz Köhler Dem Analphabetentum hatte die neue Regierung den Kampf angesagt und da­mit die innenpolitischen Fronten erst richtig in Bewegung gebracht. Das Er­ziehungswesen sollte im ganzen Lande vereinheitlicht werden. Aber: Weil die etwa 600 Stämme im Süden keine Schriftsprache haben, sollte Arabisch als Einheitssprache eingeführt werden. Um die „Einheit“ noch mehr zu betonen, wollte man auch den Islam zur Staats­­rsligion erheben. Dass man damit die Leidenschaften im Süden anheizte, braucht nicht erst be­tont zu werden. Die im Südsudan wei­terhin agierenden christlichen Missions­gesellschaften inspirierten die Gründung einer „Föderalen Partei“ (1958), die ih­rerseits das Christentum zur Staatsreli­gion und Englisch zur Staatssprache er­klärt haben wollte. Diese Partei konnte bei den nachfolgenden Wahlen 40 von 46 der dem Süden vorbehaltenen Sitze im Parlament einnehmen. Dieser Wahlsieg ermunterte jene Juba- Meuterer. die 1955 geflohen waren, zu neuen Aktivitäten. Sie begannen Angrif­fe gegen die „Allmacht des Nordens“ durchzuführen, wobei ihnen die allge­meine Unzufriedenheit unter der Bevöl­kerung des Südens weitere Ansatzpunkte für eine „politische Begründung“ dieser Überfälle gab. In dieser Situation ergriffen — er­muntert durch Exponenten der Ober­schicht im Norden — rechte Militärs die Macht (November 1958). Die neuen Her­ren sahen in einer forcierten Verbreitung des Arabischen und des Islams das pro­bate Mittel, die Einheit des Landes zu fördern und alle, die sich widersetzten, brutal zu verfolgen; Zahl der Flüchtlinge unbekannt Die repressive Politik bewirkte eine Massenflucht : nach Uganda, nach der' Zentralafrikanischen Republik, nach Ke­nia, Kongo (Kinshasa) und Äthiopien. Über die Zahl der Flüchtlinge sind die Meinungen geteilt : Während man in der Westpresse von rund 2,5 Millionen Flüchtlingen spricht, schätzt man in Khartum, dass von insgesamt 4 Millio­nen Südsudanesen etwa 125 000 das Land verhessen. Im Exil entstand in der Folge eine politische Organisation, die „Sudan Afri­can National Union“ ■ (SANU). während sich in Südsudan eine Guerilla-Organi­sation konstituierte, die 1963 unter der Bezeichnung „Anya-Nya“ erstmals in Aktion trat. Durch die innenpolitischen Wirren wurde nicht zuletzt die ohnedies auf schwacher Basis fussende Wirtschaft be­einträchtigt, weswegen sich auch im Norden die Unzufriedenheit verstärkte. Als die Militärdiktatur in Khartum auf Demonstranten schiessen liess. hatte ihre Stunde geschlagen (Oktober 1964). Nach dem Sturz der Militärdiktatur schöpfte man erneut Hoffnung auf eine friedliche Lösung der Südsudan-Frage durch eine Konferenz in Khartum, die im Frühjahr 1965 Vertreter des Nordens und des Südens unter Teilnahme afrika­nischer und arabischer Beobachter zu­sammenführte. Sie scheiterte aber an den Forderungen der Extremisten auf beiden Seiten. Die neue Regierung konnte sich die Einheit des Landes ebenfalls nur unter dem Motto vorstellen : „Ein Land, eine Sprache, eine Religion“. Überdies war sie darauf bedacht, dass das Wenige, - das in der Wirtschaft erzielt wurde, lediglich dem Norden zugute kam. Mit erbeuteten Waffen Im Sommer 1965 begann dann jener Kleinkrieg, der bis heute andauert. Warum dieser Kleinkrieg gerade 1965 begann, darüber gibt és zwei Versionen: Die einen behaupten, ausschlaggebend sei die Krise in Kongo gewesen. Aus­ländische Mächte, die in Kongo mit­mischten. hatten nämlich versucht, Waf­fen durch Südsudan in den benachbar­ten Kongo zu schmuggeln. Und diese Waffen waren der Anya-Nya in die Hände gefallen, die prompt eine Offen­sive auf breiter Front einleitete. Die an­dere Variante : Das Scheitern der Kon­ferenz in Khartum habe den Kleinkrieg ausgelöst. Zwar wird nicht bestritten, dass die erbeuteten Waffen eine Rolle gespielt haben, man betont aber, die Anya-Nya habe gleich nach der geschei­terten Konferenz die Losung ausgegeben: „Wir wollen keine Gnade, und wir ge­ben keine.“ Und seither wird der Kleinkrieg von beiden Seiten gnadenlos geführt, wobei insbesondere die Zivilbevölkerung zu lei­den hat. Viele Frauen, Kinder und Greise, die den Weg ins Exil beschwerlich fin­den, halten sich im Urwald verborgen — seit vielen Jahren. Es stimmt: Die Anya-Nya kämpft für die Lostrennung des Südens und und die Gründung eines Staates „Azania“. Dazu wird sie auch von jenen ausländischen Kreisen ermuntert, die aus verschiede­nen Überlegungen die Demokratische Republik Sudan schwächen möchten. Wahr ist aber auch, dass nach den Wahlen von 1966. an denen der Süden nicht teilnehmen durfte, die arabische Parteienmehrheit das Mandat bekam, eine Verfassung auszuarbeiten. Zwar wurde diese Verfassung nicht verabschie­det, die darin formulierten Bestimmun­gen machen aber deutlich, wie man im Norden die Einheit des Staates verstan­den haben will. So lautete Artikel 1 : „Der Sudan ist eine demokratische und sozialistische Republik, auf den Islam gegründet.“ Und Artikel 3 : „Der Islam ist die offizielle Staatsreligion und Ara­bisch die offizielle Sprache.“ Dennoch sollte man nicht von einem „Rsligionskrieg“ oder gar von einem ..Rassenkrieg“ im Sudan sprechen, was verschiedene Zeitungen im Westen seit Jahren eifrig tun. Gewiss : Religiöse und ethnische Pro­bleme komplizieren die umstrittene Fra­ge, doch wie in aller Welt geht auch im Sudan die Liebe durch den Magen. Verhandeln — einzige Alternative Gemessen am Nationaleinkommen (85 Dollar je Kopf der Bevölkerung), gehört der Sudan zu den armen Ländern. Die Konservierung der überkommenen ge­sellschaftlichen Strukturen und die ein­seitige Orientierung der Wirtschaft auf Rohbaumwolle brachten es mit sich, dass der Sudan an der technisch-wissenschaft­lichen Entwicklung in der Welt^ bisher kaum teilzunehmen vermochte. Äusserst prekär war und ist die Lage im Süden, wo keine Baumwolle gebaut wird, wo wegen der fehlenden Transport- und Vermarktungsmöglichkeiten allenfalls von Anfängen einer Geldwirtschaft ge­sprochen werden kann. Die wirtschaft­liche Entwicklung des Südens würde zwar die Süsudan-Frage nicht spontan lösen, immerhin wäre aber damit eine solide Grundlage für die Bereinigung des Streitfalles geschaffen, der nur — und nur — durch Verhandlungen beigelegt werden kann. Diese Notwendigkeit hat auch der seit Mai 1969 an der Macht befindliche Re­volutionäre Kommandorat erkannt. Gleich wurde das Programm einer re­gionalen Autonomie für den Süden und eine Generalamnestie verkündet. Im neuen Fünfjahrplan, der seit 1970 läuft, haben die Projekte des Südens absolute Priorität. Freilich bindet der Kleinkrieg, der auch heute weitergeht, viele Kräfte und Hilfsquellen, die zur Lösung der sozialen und ökonomischen Entwick­lungsaufgaben dringend gebraucht wer­den. Eben deshalb muss ein Modus gefun­den werden, der dem Konflikt zwischen Nord und Süd ein Ende setzt.

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