Neues Pester Journal, Januar 1877 (Jahrgang 6, nr. 1-31)

1877-01-26 / nr. 26

Juk­­«JM:—V!Z zám te I. - Neues Pester Jourma Redaktion und Admin — göhtag; dert 26. amaz. jtration: lat Nr. 2. Ginzelnenummernäi, Infernte nach aufliegendem Tarif. Ycegsmeiersxpebatta Budapest,25.Januar. Nach viertägiger Debatte hat das Abgeordne­­tenhaus die Wuchervorlage erledigt.Es war eine ganz eigengeartete Debatte,wie sie sich wohl selten in unserem Abgeordnetenhause wiederholen durfte. Alle Parteibande lösten sich,die erbittertsten politi­­schen Gegner kämpften Schu­lter an Schulter neben­einander,durch dieselben politischen Prinzipien innig verbundene Persönlichkeiten standen im Streite einander gegenüber. Da vertrat der Eine die Lehren der Manc­hefterschule bis in ihre Äußersten Kon­sequenzen, während der Zweite in den Theoremen dieser wirthschaftlichen Richtung ein wahres Teufels­­werf erblicke und laut auftauchzte, daß Ungarn sich endlich einmal von den Forderungen der Willen­­haft emanzipire. Der Dritte wieder machte sich zu Dolmetsch der Gefühle etlicher stark verwucherter Familien, die in seinem M Wahlbezirke einen au­­­sschlaggebenden Einfluß üben, der Vierte mußte für Da Hi bedrohte Interesse seiner heimathlichen Sparfalle einspringen , deren Direktion ihn mit Telegrammen bombardirte. Der glaubte, das Wurchergejet könne nicht streng genug gefaßt werden, und forderte Bestimmungen, welche den Kapitalb­­wucher unmöglich machen. Jener wieder fürchtete, der Kapitaldtvurher werde zum M Wechsel seine Zuflucht nehmen, und wieder eine dritte Kategorie schmeichelte sich mit der Hoffnung, durch Strafgefege den Macher mit Stumpf und Stiel auprotten zu künnen. Nur Wenige behielten die nöthige Mäßigung, um mit barem Sinne das Erzeigbare, Nüsliche anzustreben und das nicht Grreichbare oder Schädliche auszus­­chließen. Den Vertretern der Zustizverwaltung muß es zum Lobe nachgesagt werden, daß sie an der Seite des Kleinen Hänfleins besonnener Elemente standen, denen in diesen Falle wie leider so oft der Sieg nicht zufiel. Unter diesen Umständen ist es erklärlich, wenn die an dem ursprünglichen Gntiwurie vorgenommtes nen Renderungen — von jener Modifikation abges­­ehen, welche von Mam­malzinsfuß auf acht Perzent festießt — sich nicht eben als Verbesserungen, son­dern geradezu als­e Verschlechterung des Gesetes darstellen. Der Versuch, den Kapitalchwucher zu fas­sen, mußte unglücklich ausfallen ; er führte zur Aufnahme solcher Verfügungen in das Gefeß, welche geeignet sind, jeden böswilligen Schuldner das Mit­­tel in die Hand zu geben, um seinen Gläubiger zahllos­­­eit der Gefeßgeber­­ abpreisen. Das Gleiche gilt auch von dem über Antrag Michael Juhäß’ angenommenen Zufagantrage. Fur diesen zum Beschlusse erhobenen Antrag wird jene Bestimmung des 1868er Gefekez, welches die Wu­cherbeschränkungen seinerzeit aufhob, außer Kraft ge­­legt, welche er den­­Barteien anheim stellt. Die Nachzahlung einer größeren Summe, als das zum Darlehen gegebene Kapital zu stipuliren. Auf den füchtigsten Blick zeigt sich, mit wie wenig Mederlet gung und mit wie viel Leichtsinn dieses improvisirte, in die Debatte hineingeschneite Amendement gestellt wurde. Was soll die Folge dieser geleglichen Ver­­fügung sein ? Etwa die, daß die Stipulirung der Rückzahlung eines Höheren Kapitals unwirksam sein sol? 63 scheint, daß dies die Tendenz des Antrag­­stellers war. Darü­ber aber verfügt das Gefet nicht­, es mangelt an einer gefetlichen Bestimmu­ng, welche die Rechtsfolgen eines solchen Verbotes des Kapi­­talswuders normirt, und auf die längst außer Kraft gefechten alten MWind­ergefege zurückzugreifen wird wohl Niemanden einfallen können. Wenn aber nicht das Verbot des Hapitalswuchers durch diese Vertime­rmung erreicht wird, twazır wurde der Antrag gestellt und der Beschluß gefaßt ? Doc nicht dazır, m­einen überflüfigen Baragraph­ zu Schaffen, der nichts als V­erwirrung und Streit provozirt, nicht3 nki und mir schadet ! » Nach der Verballhoriiir 111:g,welche das Gesetz im Plenum des Abgeordnetenhauses erlitteilhgt, können wir unserllrtheil über dasselbe und seine voraussichtlichen Wirkungen kurz fassen­.Das Gesetz wird nach der einen Richtung Nutzen,nach der anderen hin Schaden sxiftenOs wird nützen,in­ beseitigt, in­den er die in den Sparkassen faul- Deduktion des Ginlagen-Binsfuhes aus iher Ende macht, daß unsere öffentlichen­­ Bücher die Kapitalien eine andere Anlagen zu suchen; es wird ub­ergefeßes sein unsauberes Geschäft fortbetreiben Wiegenden großen Kapitalien durch eine ausgiebige Lethargie aufrüttelt, indem es der Umsittlichkeit ein horrendesten Wucherverträge aufweisen, daß unsere Richter den erbarmungslosesten Wucherern­­ jene Zinsen zusprechen müssen, die der Shylos- Scheu normirt; das Gefäß wird schaden, weil die Verationen, welche dasselbe ermöglicht, viele an­ständige Kapitalisten dazu bewegen wird, für ihre­­ gaben, weil derjenige Wucherer, welcher trop des wird, Mittel und Wege suchen und finden wird, um sich eine Nififo-Prämie gegenüber den Durch das Wuchergefäß ermöglichten Prozeßverzögerungen z­u schaffen; es wird endlich schaden, weil die Ver­kränkungen der auf Personalkredit bastrenden Geldgeschäfte den Verkehr zwingen werden, seine Zuflucht zu dem von dem­ Wuchergefeße eximirten und Summenversprechen zur nehmen und sohin­en M Wechselverfehr eine Ausdehnung auf Be­völkerungsflaffen geben werden, welche derselbe unter normalen und gesunden Verhältnissen nicht haben soi und nicht Haben darf. Die Debatte über das Wurc­ergefeg mußte aber jedem unbefangenen Beobachter reichen Stoff an lehrreichen Betrachtungen­­ geben. Sahr aus Jahr ein hört man Sagen über die Langsamkeit unseren Prozeßverfahrens, Hört man eben diese Langsamkeit bezeichnen, Hört man Forderungen nach einer Reform des Brozehverfahrens erheben. Bei dem­ ersten prak­­tischen Anlasse aber werden von eben denselben Herz­­en, welche nicht laut genug um Vereinfachung des gefaßt, welche in der Mehrzahl von Streitsachen den begiem­ften Aula­ zu Berichleppungen biete. Zu solchen Konsequenzen kommt man, wenn man gegen Alles, was Wissenschaft heißt, einen so gli­chenden Haß legt, wie ihn einige Meder in der nun abgeschlossenen Debatte an den Tag legten. Mit förnlichem Lubel Konstativte­ntan den Bruch mit der „Theorie ı und der Missenschaft“, den Bruch mit den Strebungen, unsere Gefäßgebung auf das Ni­­al Mitursache des nie fich greifenden Wuchers , Gerichtsverfahrens fehreien können, solche Beichh­tife — beat jener der vorgeschritteneren Kulturstaaten a erheben. Dieser ungeheuchelte Jubel aber ist ein sehr bedenkliche Zeichen für die Intelligenz jener dem es den offiziellen Wucher öffentlicher Institute! Redner. Denn darüber mögen sich jene Herren fetz u MEERE a A TUT AT TEEETOTETE ES MT EINER NER EEE " 21 „Schwarze in 14 Stunden. Original Feuilleton des „Neuen Peter Jou­rnal".) B­er a, 19. Januar, Ach Hatte bereits meinen Frühstücsschwarzen in einem griechischen Café der Grande Rue de Pera genom­­men und war eben im Begriffe, ein Pferd zu besteigen, als mir jemand die Hand auf die Schulter legte. Ich sah mich um und vor mir stand Alexander Effendi Sa­raffian, der Nedafteur der „Verite“. „Wohin ?" fragte er: „Auf die Babe Aale (hohe Pforte) zu meinen Freunde Dr. Omer Atta." „Das trifft si prächtig, da können wir zusamm­en reiten. 94 habe nur einige Augenblicke in der Druderei zu thun; von da gehen wir ins Serassierat, wo ich Sie dem S Kriegsminister und allen übrigen Paicha’s vorstelle und dann haben Sie noch immer Zeit, die Babe Yale zu besuchen.“ Der Vorschlag leuchtete mir ein und bald trabten wir dur­­chas Dichte Menschengewühl mit einer Sorglo­sigkeit hin, welche­ die Polizei bei uns in Ungarn höchstens Hirschjägern nachzusehen pflegt. Ueber die Holzbrüche ging es nach Stambul hin und nach einem scharfen Trab von 15 Minuten hielten wir in der Nähe der Moschee Mahmud Pascha’3 vor einem niedrigen Häuschen der Rue Menghene. Nachdem wir die Gallojchen mit einem Nefpeste, wie ihr die frischgeschenerte Holztreppe verdiente, im­ Thormege zurücgelassen, führte mich der türkische Kollege in sein Redaktionsbureau. Kaum hatte ich die anmetenden Herren dur­ Berührung von Brust, Mund und Stirne begrüßt, als ein Diener mit dem tiefernsten Aussehen, der allen, selbst , jen 2 Seiten Beilage, enthaltend Die Namen: und Feinb­etanzgeitung, sowie Das „Theater­ und Bergnügungsblatt”, den niedriggeborenen Türkenreigen ist,auch schon die kar­­gerhutgroßen Doppelbecher vor uns hinstellte und dieselben mit dem duftenden T1·ankefü­llte.Gleichzeitig wurden selbstverständlich nufchinem­äßig Cigarretten gedreht.Da Alexander Effendi jedoch mit seinen fezgeschmü­ckten Setzern wegen eines bevorstehenden Feiertages eine Auseinander­­setzung hatte,die länger als eine Minuten­ ohne,erkannte es der Kaffeebereitende Diener für seine Pflicht,die Pause durch neues Einschenken auszufüllen.So war es bemt 11 Uhr geworden und ich hatte nicht mehr als drei Schwarze getrunken. Bald jagen wir wieder zu Pferde, um nach dem Ge­­wassgerat zu reiten. Vor dem Portale, das zu dem immensen Vorhofe des imposanten Gebäudetompleres führt, in wel­­chem das Kriegsministerium untergebracht ist, machte mich mein Begleiter auf einen oben abgestußten halbfahlen Baum aufmerksam, „Haffan“, sagte­ er Leife, und ich verstand ihn. Auf diese­m Baume wurde der Leichnam des jungen cirkas­­fischen Offiziers gehängt, der in einer der blutigen Tragös­cien, die sich im legten Sommer zu Stambul abgespielt, eine so füchterliche Rolle innehatte. Die Wache in dem Por­­tale präsentirte, nicht vor mir, sondern vor meinem Be­­gleiter, der einen militärischen Rang­ bekleidet. Da ich in Begleitung der Studenten = Deputation daran gewöhnt wurde, daß die Wachen vor und ins Gewehr traten, war ic) mit dieser geringfügigen Ohrenbezeugung keineswegs zufrieden. In der Säulenhalle des Serassterat3 nahmen uns rumelische Soldaten diensteifrig die Pferde ab und wir schritten die breite Holztreppe hinan — in Konstantinopel sind alle Treppen aus Holz. Die großen und weiten Korris­­ore des Riesengebäudes wimmelten von Soldaten in allen Uniformen. Es wurden eben zwei Bataillon3 Reservisten für die untere Donau ausgerüstet und da gab es denn ein Hinz und Herrennen der buntesten Art. Doc auch Generäle und Stabsoffiziere von allen Nangstufen eilten geschäftig hin und her und bürgerliche Lastträger versperrten Einem allerorten den Weg. „Treten Sie auf einen Augenblic! hier ein, ich komme gleich zu Ihnen“, sagte mein Begleiter. Ich leistete der Aufforderung Folge und befand mich in einem ZTohumnabohu merkswiürdigsten Genres, Markinie und Winchester = Gewehre, Kavallerie = Revolver und andere derartige funfelnageb­ene Ausrüstungs = Gegen­­stände Lagen neben alten Helmen, Schwertern, Arquebufen Schleudern und­ silberbeschlagenen albanesischen Slinten umher. Dazwischen Tagen ganze Haufen venezianischer Windgläser, Fahnen, Geschirrservice und dergleichen unges­teinten Zeug, und dabei wurde gehänmert mndr ges­clopft, daß der deutsche Artillerie-General Nashid Pascha seinen Scheinbar scherzhaften Vorwurf, warum ich ihm in die Karte schaue, zweimal wiederholen mußte, ehe ich ihm verstand. Ich befand mich nämlich in dem Saal, in dem Abends das vom Serdar Efrem veranstaltete Banfet stattfin­­den sollte. In dem unruhigen Treiben, das die Banfetvorz richtungen hervorriefen, hatte nur ein Mensch seine Fasz jung und seine eiserne Kaltblütigkeit nicht verloren ; es war dies der melancolische Eingeborene, der mir alltagleich Kaffee brachte. Kaum hatte ich diesen zu Ende ges­clürft, al m ich Sfender Bey, der unseren Befreiungs­­krieg unter seinem früheren Namen Oberst Frißiche mitgez­­ochten, einlud, ihn in sein Bureau im zweiten Stoc zu geleiten. Bon bes Bey’s Fenstern bot sich auf den Biospor aus,und das Marmarameer ein prächtiger Anblick, den ich jedoch kaum zu genießen angefangen, als auch schon die Ordonnanz den unvermeidlichen Doppelbecher nur vor die Nase hielt. Es war der fünfte Kaffee. Stender Bey, der ein Liebling bes Serdar Efrem­­­­­en.

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