Neues Pester Journal, Februar 1877 (Jahrgang 6, nr. 32-59)

1877-02-23 / nr. 54

»Z»M.vt.M­ re.s4.» R Abonnement: Ganzi. fl. 14, halbj. fl. 7, viertelj. fl. 3.50, monatlich fl. 120, täglich, auch an Montagen. ester Das „Neue Pester Journal“ erscheint Yeung,den 23.­Yenan Journal einzelne Nummern 4 in Redaktion und Administration : Leopoldft. Kirchenplat­t Nr. 2. Inserate nach aufliegenden Larif, Piha vor seiner Partei. Budapest, 22. Februar. Tr Die Säle des alten Lloydgebäudes füllten sich gesterm mit Abgeordneten. Die Mitglieder der liberalen Partei hatten sich versammelt, um den Vortrag ihres Führers über das Resultat der Wiener Bankverhandlungen anzuhören. Mit ge­senktem Haupte stiegen sie ab­er hinter dem Anderen die breite Treppe hinan, darüber nachdenkend, welche schmähliche Rolle sie Bisher gespielt und welch’ schmähliche Rolle ihrer noch warte. Etwas wie Ge­­wissenschiffe regte sich in Aller Brust, doch wer gibt heutzutage noch auf’3 Gemissen, wenn er Politiker und Vollevertreter ist? Im großen Saale bildeten fi Gruppen, die reife Sprachen, so wie es traurige Mengen zu tun pflegen, die doch Etwas aufgeregt sind. Die Erzmanueluten gingen von einer Gruppe zur anderen und redeten den verdroffenen, furchtsa­­men oder­ vielleicht auch schwanfenden Leuten zu, man künne doch nichts Anderes thun, als die Negierung die vorlage annehmen; es gäbe ja außer Koloman Tia seinen Mann zu Ungarn ; der Sturz der Regierung wäre das größte Unglück, das die Nation treffen könnte; die Ehre der Partei sei seit Mai engagirt ; die Aufrechterhaltung der Fusion sei die erste Pflicht; es wäre nicht ritterlich, den Parteiführer in der Noth im Stiche zu lassen — füz, sie wirkten eine Menge von Argumenten anzuführen, wobei sie jedoch­ der Zustände im Lande und des zehnjährigen Elends, welches Koloman Tipa’s Ausgleich über Ungarn verhängt, ganz und gar vergaßen. So sprachen die Zungen des Ministeriums. Aber auch die Ohren des Ministeriums hatten voll­­auf zu thun; sie schlichen von einer Gruppe zur anderen, um zu erfahren, mit weni­ger und Sener spräche und sie verzeichneten es wohl auch, wenn je­mand gar nichts sprachh, damit man wisse, wer ver­­loblich, wer zu gewinnen, wer verdächtig und wer feindlich gesinnt sei Zebtere waren daran zu erken­­nen, daß sie ungrimmig schwiegen ; aber auf das Schweigen verrieth sie. Die Regierung weiß aber auch die Mürrisch, Schweigsamen zu behandeln. Sholoman Tiba ist nämlich vorsichtig geworden, er will nicht wieder einen Bürtelbruch — wie im Mai — herbeiführen, damit ihm durch die Bretche nicht Die ganze Heerde on! vor Kurzem wo über alle Maßen und­­ichtslos, selbst jene der Negierungspartei zu erhalten, die Gegner des Ausgleiches sind. Das Mittel hiezu hat man schnell gefunden; im Schoße der N­egierungspartei bildet sie aus den Unzufriedenen, die sich nicht kapazitiven Taffen, eine neue Partei: die Opposition der Negierungspartei. Die Mitglieder derselben haben sich verpflichtet, dem­ Negierungspräsidenten zu beichten, und erhalten hierauf die Absolution. Sie werden das Kabinet passiv, und zwar dadurch un­­terfti­gen, daß sie gegen den Nusgleich nicht reden und si der Abstimmung enthalten werden; doc versprechen sie zur Stelle zu sein und mit „Sa“ zu stimmen, fir den Fall, daß die Majorität den Negierungsvorlagen nicht gesichert sein sollte. Das ist Die Neserve Tipa’3. Nach erfolgter Absti­mmung werden sie dieselben Mameluten sein, die sie ehedent gewesen. Dieser modus procedendi wurde mit Nacsicht auf die Wahlbezirke und die Wähler für zweckdienlich gefunden. Die parlamentarischen Kreise haben für die neue Partei sogar schon einen Na­­men gefunden, und zwar den der „geheimen libera­­len Partei”. 68 war [den Abend geworden, als die Mini­­ster im Seife der wohlpräkarirten Partei erschienen. Tiba war ernst. Doch heuchelte er eine gewisse Sorg­­losigkeit. Unter dem Drude der Wiener Nieder­­lagen­ stehend, schien er jedoch selbst in diesem reife sie­ nicht mehr ganz sicher zu fühlen, denn er mied absichtlich die offene Diskussion. Ohne Zweifel fürchtete er, er könnte sich ein Mensch, sagen wir, ein Mann finden, der den Muth hat, den Wiener Vertrag, sowie das Vorgehen der Regierung zur disfusiren. Vor Allem muß daher Zeit gewonnen werden, man muß die Partei mirde machen, man m­uß Die Leute damit vertraut machen, daß es ihre Schuldigkeit sei, ihre Heberzeugung aufzugeben . Jurg, man muß sie früher die Majorität­ sichern, bevor man die Disfutirung des Ausgleiches ges­­tattet und einen Parteibeschluß provozirt. Die gehorsame Partei sah wohl dem Führer in die Karten, doc) scht­ieg sie und ließ geschehen, was der Ministerpräsident wollte. War ed doc auc) Der Partei bequemer, nicht denken, nicht sprechen und nicht Handeln zu müssen. Sorove, der Präsident, nahm daher seinen Plan auf der Estrade aug nicht ein. Tia stand ihm nicht zur Rechten, um eine Nebe zu halten. Neben dem großen Saale gibt es zwei geräumige Zimmer ist er heute schonend und nachsichtig, um­ mit der Aussicht auf die Dorotheagafte. Koloman Tiba und die Minister zogen sich hieher zurück, ge­ folgt von der Mafse der Abgeordneten, die ein­e­ Enthüllungen Räume füllten. Der Ministerpräsident fich in den Thirrahmen, um in beiden Zim­­mern gehört zu werden und in dieser Position gab er der Bartei sämmtliche preiß, die bereits Lederm­ann gefannt hatte. Nee sagte er nicht. Wozu­­ auch ?. Neben ihm standen Pal Móricz und Gabriel Barady und bewunderten die Worte des Meisters. Die Clique und die­ Claque bhaten ihre Schuldigkeit und so geschah ‚ed in der That, daß der Ausgleichhminister sogar Elfend erst hielt. Ein gewesener Destift fragte, ob das Noten­minimum für Ungarn genügend sein werde; der Minister beruhigte ihn. Ein gew­esener Linker fragte, wie er als Journalist den Ausgleich vertheidigen sole? Man blieb­ die Antwort schuldig. Hiemit war die Konferenz zu Ende. Mach diesen Antezedentien unterliegt es tam einen Zweifel, daß die liberale Partei und mithin die Majorität des Hauses den Ausgleich acceptiren werde, so wie Koloman Tiba ihn dem Hause vorlegt. Wer könnte auch etwas Anderes von dieser P­artei erwarten­­? Die liberale Partei hat Koloman Tiba zum Diktator­­ gemacht und dabei hat ‚sie selbst als Partei abdizirt. Das it nicht nur heute so, das war fon so vom Anfang her. 68 zeigt sich, daß nicht die Wartet Tipa zu ihrem Führer, sondern Tiba die Partei zu seinen Mannen wählte. Doc die Nation sol, wenn sie einmal den Parlamentarismus auf den­ Kopf gestellt, selber erkennen, daß die Majorität nicht der Ausfluß des Bosfes und die Negierung nicht der Ausfluß der Majorität, sondern daß die Majorität der Ausfluß der Negierung ist, und daß die Yebtere mit Hilfe­­ dieser Majorität mit dem Bolte macht,­­was sie eben will. In der ganzen Welt würde man vergebens noch eine solche Parteiführung, noch eine solche Par­­teidisziplin, noch ein foldhges P­arteileben suchen, wie in der ungarischen sogenannten liberalen Partei. Die liberale Negierungspartei in Ungarn bietet in der Geschichte des Verfassungsgebens das erste und einzige Beispiel dafür, daß die Partei und­ der Klub nur dazu da sind, den Willen des Regierungspräs­­identen und Parteiführers zu erfüllen, ohne auch nur Nechenschaft von ihn zu verlangen darüber, was er eigentlich beabsichtigt, welche Soeen ich lei­tet, welche Prinzipien er verfolgt und welches so der Sultan wohnt. Original-Feuilleton des „Neuen Vester Journal“.) Budapes­t, 22. Februar. Menn man vor der Spike des alten Serails einen wie ein lyrisches Gedicht, dessen Pointe einzig und allein in der Stimmung liegt, die von demselben ausgeht, oder daß er ihn gefesselt hat, wie der Anblick eines unvergleichlich feis­nen Spitenschleiern, auf welchen sein Auge plöglich gefallen. So, ein unvergleichlich­­eter Spibenschleier ist es, an den Bait besteigt und sich an der Ausmündung des goldenen­­ man durch dieses Spinngewebe von Arabessen und dar­ Horn vorbei an der europäischen Seite des Bosporus nordwärts rudern läßt auf der unvergleichlichen, von Tau­senden rastlos d­ahinschwirrender Tauben und von ganzen Schyaaren obenauf Schwimmender Fische belebten Fluth, so gelangt man bald vor einen weiß schimmernden Bau, vor welchem man unwillkürlich dem Kaiku­hi ein energisches „Dur“ (Halt) zurufen muß. Wodurch der Bau imponirt? Durch­ seine Dimensionen gewiß nicht, denn es befinden sich an beiden Ufern des Bosporus zahllose, um Vieles größere und ansehnlichere Gebäude, welche sich nicht rühmen können, diese Wirkung hervorzurufen. Durch seinen Stil ebenfalls nicht, denn vom akademischen Standpunkte könnte man dies­­­­ls Gemisch der verschiedensten Stilarten Fast stillos nennen. Troß vieler Rococo- und korinthischer Motive erinnert die­­ Gliederung der Front an die italienische Neurenaissance, während die geheimnißvollen Arabessen, die sich über die ganze Stirnwand des Baues schringen, gewissermaßen an die maurische Dekorationsweise gemahnen. Allein der Trenbde, der, auf dem schwanzen Grunde des eigenartigen türkischen Kahnes lauernd, dies duftige Feenheim bewun­­dert, denkt an all’ dies nicht und sein Blick ist, nicht so Falt, fritisch, um die vielen Mängel an Harmonie und Symmetrie zu bemerken, die schon die Yagade auf­weist. Und wenn sich der Beichauer über den Eindruck, den der Anblick des weiße Schimmernden Hauses am Bosporusstrand zum ersten Male auf ihn ausgeübt, Rechenschaft geben will, so findet er seinen Erklärungsgrund ; er weiß nur, daß es ihn ergriffen hat von Dolmas Bagdid­e vor der Heimkehr des Papischah’s, die binnen einer halben Stunde erfolgen mußte, beendet sei. Die Flüchtigkeit meines Besuches im Sultanspalast mag es da=­ber entschuldigen und erklären, wenn außer den allgemeinen Eindrücken sich nur wenige Details dem Gedächtnisse einge­­prägt haben. Da der Eintritt durch das goldene Gitterthor von der Bosporusseite dem Großherrn alleich vorbehalten ist, geleitete man uns zu einem Seiteneingang durch einen parkähnlichen Garten,in welchem ein abendländisches Auge die Statuenzier vermissen muß,welche von dem Koran verpönt zu sein schein.Doch dürfte dieses Verbot nur die Nachbildung von Erzeugnisssen der organischen Matur treffen, denn an dem Grabmonumente des uns glücklichen Seraskierd Hussein Avni Bardhja, der in einen Seitenhof der Suleimanje-Moschee, bestattet ist, sah ich Globus und Zirkel, wahrscheinlich als Sinnbild der welt­­lichen Beschäftigung des ermordeten Gerassiers, sichtbar gemacht. Durch eine unscheinbare Seitenpforte, die in einen finsteren und engen Korridor führte, traten wir in den Sultanpalast ein. Der Korridor mündete in eine hohe und lichte Halle, in welcher weiche Teppiche den Schritt dämpften und in der bereite eine wohlige und üppige Temperatur herrschte. Bon da gelangten wir in die zur eber­nen Erde liegenden, auf den Bosporus schauenden Gemüt­der des Badijdab und­­ mir war es, als schlügen die Wo=­gen der Märchenwelt hinter mir zusammen. Als ob alle Sinne zugleich eine Orgie­­ feierten, so wird dem Fremd­­­­ling zu: Deuthe, der­ in diese berauschende Atmosphäre die blendende Weiße der ganzen Stirnwand erinnert wird. Schließlich ist es dem A­u­g­e gleichgiltig, ob der fünstlerisch geordnete Stoff, durch den ed geblendet wird, carrarischer Marmor oder blos einfacher — Studist... Da kommt Einem unwillkürlich der Gedanke, wie mag es da wohl im Innern aussehen? Welche Märchens welt birgt sich Hinter jenen feinen gelben Binsenmatten und hinter jenen hölzernen Filigrangittern, die vor den Fenstern des Palastes sichtbar sind? Und hat man erst erfahren, daß es Dolma:Bagdid­e, das Sultansparadies, ist, vor dem man feinen Kahn hat halten Lassen, jenes Dolmta=Bagdiche, wel­­ches seit einer Frist von drei Vierteljahren drei verschiedene Großheren beherbergte dann wandelt sich die anfängliche Neugier in eine mächtige Sehnsucht, die aber nur in den sel­­tensten Fällen gefü­llt werden kann; denn die Wohngemächer des Sultans werden gewöhnlich „Eeinem Sterblichen” gezeigt. Nun, mir ward das Glück zu Theil, nicht nur in einem Flügelgebäude von Dolmas Bagdid­e aus den goldenen, edels­­teinbejegten Schalen des Großtürken den Föstlichsten Motta schlürfen und aus feinen durch erbsengroße Diamanten in’s Unermeßliche vertheuerten Tichibufs den wunderbarsten Tabak rauchen zu dürfen; ich durfte auch durch die Hundert und etlichen Zimmer, in denen der Sultan den Tag zuzu­ bringen pflegt, einen Halbstündigen Dauerlauf unternehmen. Se. Majestät war nämlich zum freitägigen Selamlif in die benachbarte Moschee gefahren und da seine Einwilligung zu unserem Besuche nicht vorher eingeholt worden war, machte — Sien 4 Seiten Beilage, enthaltend die Nomen­ und Benilletomgeitung, sowie das „Theater und Berantigungsblatt" Eicerone, der kaiserliche Flügeladjutant Ali Achmed Bey, sehr große Schritte, damit unsere Besichtigung des Inneren "

Next