Neues Pester Journal, August 1877 (Jahrgang 6, nr. 211-241)

1877-08-04 / nr. 214

«Ji­yrg.21.kgs-skk.214s." gbonneuten · viertelj.fl.3·50,monatlich fl.120. 8: Sarzi. fl. 14, hatbi. ft. ai Das „Neue elter Journal“ erideint en Montagen. | R Zeopo . edaktion und Adminiftration: (it. Stizdjenplat Die. 2. _ Einzelne Nummern 48 Inferale nach aufliegendem End­e. Andrafy’s Clark. Budapest, 3. August. Von Stunde zu Stunde mehrt sich die Zahl der erfreulichen Meldungen, welche den Sieg der türkischen Waffen bestätigen. &3 kann sein Zwei­fel mehr darüber bestehen, dab die türkischen Heer­­führer Diedfeits wie jenseits des Balfans nant- Hafte, in ihrer Tragweite noch nicht einmal voll­ständig übersehbare Bartheile über die russischen Heeresabtheilungen errungen haben. Die vereinzelte Meldung eines Wiener Blattes, welche von einem erneuerten russischen Angriff auf Blevna berichtete, bei welchem die Ruffen, Herren der Stadt geblie­ben sein sollen, ist in offizieller Form nicht einmal aus Betersburg beglaubigt worden und sie­herst mag daher das Gewicht der türkischen Erfolge nicht abzuschwächen. Dieses wird vielmehr erhöht durch Die heute eingelangte sensationelle Nachricht, der russische Reichskanzler Fürst Gortsharoff habe den Grafen um seine Entlassung gebeten. Sollte diese Meldung sich bewahrheiten, dann wird man nicht fehlgehen, wenn man dieselbe in engen Zu­­sammenhang mit den militärischen Niederlagen der Kuren bringt. Nubland it heute in eine Situa­­tion gewathen, in welcher er sich) jeder Nacsicht entschlagen und aus strategischen Gründen allen politischen Erwägungen fi verschließen muß. First Gortscharoff übersieht im Geiste die Neihe schwerer Beriwicklungen, welche Dieses Verfahren nach fic) ziehen kann und er, der den Orientkrieg heraufbeschworen, will­ sich der Verantwortung für die gegen seinen Willen gezogenen Konfenienzen entäußern. Und gerade deshalb wirde in dem Nachtritte des xufsischen Neidkkanzlers ein Grund mehr gelegen sein, um Oesterreich-Ungarn und den Leiter seiner äußeren Bolitis zu erhöhter Wach­­santeit anzuspornen. Gin. Berdienst. werden dem­ Grafen Audräffy auch seine entschiedensten Midersacher nicht abzu­­sprechen im Stande sein, daß Verdienst, daß er fabelhaftes Glüc hat. Wenn über kurz oder lang ver zufflsch-türkische Krieg sein Ende nimmt und es Oesterreich-U­ngarn beschieden sein sollte, an, Opfer an Gut und Blut mit integrer Interessensphäre aus­­ den Verwidelungen herbeiizugehen, die­ es in­ ihren­ tollen Wirbel hineinzuziehen. deckten, dann wird sicher alle Welt die Weisheit und die staatsmännliche Befähigung des Ministers des Renkern bewundernd lobpreifen, die über so viele und gefährliche Klippen das Staatsschiff der Monarchie heil und wohlbehal­­ten dem vorausgestehlten Ziele entgegengesteuert hat. Im Stillen Lämmerlein aber wird Graf Julius Andeaffy ein inbrünftiges Danfgebet emporfenden zur Glückgöttin, die ihm selbst in den schwersten, kritischerten Momenten ihr hold Lächelndes Antlik zugewendet und ihn, wenn schon alle Taue zu reißen drohten, mit einer „Wendung durch Fortuna’s Gnade“ den Verlegenheiten des Augenblicks jählings entrüc­e. Oder ist die heutige Wandlung der Dinge nicht eine so außerordentliche, jo außer dem Bereich jeder Berechnung liegende, daß man sie für die Leis­tung der auswärtigen Angelegenheiten Oesterreich- Ungarns als einen merkwürdigen Glücksfall bezeich­­nen muß ? Zu Beginn der Woche war die Lage eine so Hochernste, daß Graf Andraffy den­ wirverzügli­­chen Zusammentritt des Konrathes veranlaßte und s1­­00 diesem­­ umfassende Vollmachten für militä­­rische Maßnahmen zu erbitten für ein Gebot der Nothuwendigkeit erachtete. Allerdings suchten geschäf­­tige Offiziere d­iesen Maßnahmen zum Theile die gegen Ausland gerichtete Spike abzustumpfen und die in Serbien und Montenegro zu befürchtenden Ereignisse als die vorzüglichste Ursache der im Mi­nisterrathe beschlossenen Truppenaufstellungen zu bezeichnen. Aber selbst die allergetrenesten Federn Des auswärtigen Amtes mwagten nicht in Abrede zu stel­­len, daß die Ausbreitung der ruffiichen Kolonnen längs der südlichen A­bhänge de Balfans und die in Folge D dieser wohlfeilen Erfolge erwachsenden ruffiichen Ambitionen zu den Beforaniffen unseres auswärtigen Amtes nicht minder Anlaß gegeben haben, wie der Gedanke an einen von Rußland mit Umgehung der Mächte diffirten Separatfrieden. Und siehe da! noch ist die Woche nicht zu Ende gez­wangen und Diese Besorgnisse, so weit sie das Bor­dringen Rußlands und die ‚Vernichtung der Türkei berühren, sind gründlich behoben. Die Türkei hat so recht das Goethesche Wort applizirt: Wenn sie Dir das Leben abstreiten, dann marschire ihnen jed an der Nase vorbei; sie Hat mit nicht wegzuleugnen­­der Drastik den Ruffen und Allen, die um den fra fen Mann die Todtenklage bereits anstimmten, vor­­demonstrirt, daß sie auf dem Schlachtfelde immer­­hin noch eine erstaunliche Lebenskraft entfaltet, unbefümmert um den Todtenschein, den ihr die Ta­­tultät der­ europäischen Diplomaten schwarz­ auf weiß aufgestellt hat. Diesen Todtenschein hat aber auch Graf An­drassy unterschrieben; die berühmte Dezember-Note war das erste Formular für, das der Türkei ausge­stellte Attest, dab der Franse Mann sich auf dem Wege der­ Auflösung befinde. Eben darum Fanır Graf Andrassy sich nicht darauf berufen, daß der Sieg der Türkei in seinem Kalful eine Rolle gespielt habe. Gerade das Gegentheil war der Fall und in der Berlegenheit, welche darob entstand, daß in der politischen Gleichung nur die Niederlage der amaz­nischen Heere in Anfab gebracht wurde, half man sich durch die eben heute so viel gebriefene , Belitzt von Tal zu gal", d. t. durch die Politik, welche auf den unbekannten, unwahrsceinlichen Glüdsfall speku­­lirte. In der entscheidenden Minute hat fi nun allerdings der Glüdsfall eingestellt und wenn, wie uns berichtet wird, kompetente Militärs die Situa­­tion auf dem­ Kriegerschauplate dahin beurtheilen, daß die rufsische Armee drei Wochen bedarf, um zu neuen Operationen wieder fähig zu sein, dann ist Graf Andraffy vorderhand aller Besorgnisse ent­­hoben, welche aus der Ausbreitung der ruffischen Heeresabtheilungen floffen.­­ Aber auch nur dieser Besorgnisse. In seiner gegenwärtigen Bedrängniß wird Rußland alle Deinen pringen lassen und speziell Serbien entweder zur Aktion direkt auffordern oder, was auf dasselbe hinausläuft, bekannt ges ben, daß man sie des in Vlojesti erlassenen strengen Verbotes nicht mehr erinnern wolle. Wenn die De­­mission Cortichafoff’S erfolgt, so hängt sie sicher mit dieser neuesten Entschließung des Grafen zusammen, zu welcher­ seine hoffen, haben daß dem Fürsten Milan ihn nicht sich nach dieser Richtung hin Graf An­drasfy nicht abermals auf einen außerordentlichen Glücksfall verlassen werde. Die militärischen Maß­­­nahmen, welche bei und aus­ gerade Klemme zu befreien sprochenen Lohn zu sein Staatskanzler, sondern ausreichen; Autorität­ der Monarchie vollständig in die Schanze schlagen, wenn man nach so langem Drohen schließ­­lich 004 Serbien ungehindert einen neuen Raubzug unternehmen ließe, um die russische Armee aus der verdienen, doch bestimmt haben. Wir dem Grunde eine so­ fühle Auf­­nahme gefunden, weil man aus dem Anfange der­­selben auf ihre Richtung schloß. Serbien gegenüber würden sie es hieße aber die und fid) den von Rußland vor- Die Wiederherstel­­lung­­ dieser Autorität müßte dann abermals dem ihrer vieljährigen Beziehungen zu Heine erzählt. Diese Aufzeichnungen enthalten neben Bekanntem auch manches ‚ militärischen Beiräthe Gerade der Ministerrath beschlossen hat, Siem vier Seiten Beilsas, eine Erinnerungen an Heinrich, Heine, Baris, im Stili.) Als der in­ seinen späteren Jahren, ftodtaube Beethoven, erzählt eine bekannte Anekdote, die erste Aufs­führung seiner neunten Symphonie. dirigirte und am Schluffe Dieser einzigen Schöpfung der ganze Saal in einen delirirenden Applaus ausbrach), da wandte der erste Piolinist den Meister, der an seinem Dirigentenpulte dem Publikum den Rüden zuführte, mit sanfter Gewalt um, damit er den Enthusiasmus sehe, da er ihn nicht hören konnte. Man findet diesen Zug unendlich rührend. Man fühlt gerne­ die ganze Tragik nach, die darin liegt, daß dem in weltscheuer­­ Vereinsamtheit brütenden und schafe­fenden Titanen der stolzeste Sohn des Künstlers : Die Wirz­­ung seines Werkes auf die Seele der Menschen zu beob­­achten, versagt war, Allein was it das Mißgefiht Beetho­­ven’s gegen 0485 405 eines Dichters, der den besten Theil seines Lebens inmitten einer fremden, seiner Sprache un­­kundigen Nation verbringt ? Wenn die Bibel in ihrer naiven, aber einschneidend kräftigen und malerischen Aus­ Hruchsmeile eine qualvoll vergebliche, tantalisch aussichts­­lose Thätigkeit bezeichnen will, so Spricht sie von einem Prediger in der Wüste. Der Dichter in der Verbannung it aber noch eine Steigerung des Predigers in der Wüste, Heinrich Heine hat diesen bitteren Kelch bis zu den Hefen geleert. Sinder That, Heine ist in Paris kaum bemerkt worden. In diesem Urwalde voll brausenden Lebens blickte sein Auge auf den fremden Singvogel, der zwischen Laub verborgen auf einem Gipfel sah und unverständliche Weisen schmetterte. Mit guten Empfehlungen ausgerüstet, fand er bei seiner Ankunft in Baris wohl Aufnahme in einige leicht zugängliche Ga’­lons ; literarische Kreise würdigten ihn einiger Aufmerk­­samkeit ; später machten seine Auffäße in der­ „Nevue des deux Mondes“ seinen Namen einem etwas größeren Publiz­um geläufig ; man fand Geschmach an dem pilanten Treme­den, der den Franzosen in so angenehmer Weise die schmeis­chenreftesten Dinge sagte, und sich über die Deutschen mit so grinniger Schonungslosigkeit Lustig machte. Allein das war M­es, was er hier an gesellschaftlichen Erfolgen einheimste- Wenn man sich in Deutschland gerne überredet, waß er in Paris gefeiert worden sei, so ist man von der Wahrheitsehre entfernt. Bersönliches Interesse hat Heine in rein französischen Kreisen nur wenig erweckt. Seine Krankheit­ hat genügt, um ihm so ziemlich alle seine nichtdeutschen Bekannten zu entfremden. ALs Heine nicht m­ehr in die Salona gehen konnte, dachten die­­ Salona nur weiter daran, zu Heine zu gehen. Hätten wir nicht die Berichte und Darstellungen der Deutschen,­­die mit Bietát zu feiner Matragengruft pilgerten, wir wüßten nichts von seinem Leben und seinen Schicksalen in Paris. Um so größeren Anspruch auf unser Interesse hat “daher­ jede Zeile, die über Heine’S Variser Leben von seiz nen hiesigen Bekannten veröffentlicht wird. Eine Dame von Welt, die bescheiden­ oder sofert die Halbmasse einer durch­ unschwer zu­ enträthfelnde Initialen gemilderten Anonymität,vor’s Gesicht nimmt, übrigens, um das Er­­rathen noch leichter zu machen, im Laufe ihrer Erzäh­­lung wiederholt erwähnt, daß sie die Mutter der Mar­­quise de Grignan sei, bat man vor Kurzem, in einer Heide von Feuilletons im „XIX. GSiecle” die Geschichte absolut Neue und verbreiten namentlich­ über das Eheleben des Dichters ein merkwürdiges Licht. Dan weiß, da dieses Kapitel ein sehr dunkles ist, nicht gerne von fein. Biograph Strodtmann gleitet Heine war, eine Dupriere. Dieses eine Wort ist ganzes Trauerspiel voll sittlicher Ernte stellt... Die Duvriere jung, ewig frisch, muthig in allen Bitterriffen, erscöpflicher Heiterkeit, arbeitsam wie eine Ameise, vor früh bis Abends Lieder von Beranger singend, aber stete spiegelblaut Durch und durch unwahren Romanschriftsteller ernft­rt hat. Von modernen gekleidet, selbst in der dürftigsten Nobe aus gestreiftem Kattun des Gemüthes, jener sylphenhaften Grisetten, von Paul de kod und diese Grisette­n­ ein Fabelwesen, anderswo als in der Phantasie dieser ewig von unz den Anstend und die Hals­tung einer Königin erfaltend, etwas sorglos, etwas leicht­­fertig, sehr verliebt allerdings, aber treu, treu wie Gold, und reich, an Schüßen mit einem Worte, Scriftstellern haben nur zwei den Muth und die Kraft — seiner Frau, über eine an Die, und da S iger, vom Nun ist, der Grand, denn, und auch Diese Episode Information, Physiologie des Daheims Diskretion hinweg, Romane ein, eine nie in wie ist­­Heine sprach feines Helden mit einer die mindestens ebenso sehr Paris gemesen ist oder französische Dame bieser gewöhnliche richtige Duvriere Hotel her rennt, aus Den Taubourgs unter diesem Begriffe ein ideales Wesen, sich ihm. ein wie sie im Mangel: es Höchstens in Zartgefühl ihren Grund gibt dingung, Gemüthsentnervung, todeslanger Paris. Ich weiß wohl, was un8 nun hato von die ganze Geschichte romantischer Leute eigenthümlichen Dichterehe, Frau bitterer Seelenkämpfe und Aufschreie. Man muß nämlich willen, was Eugen Sue dur vor ärmlich, gaufeln, daS nie die *) Liner geehrter Deitarbeiter Dr. Mar Nordau veröffentlicht in der „Frankfurter Zeitung” nach französis Icen Quellen eine Serie von Artikeln über Heinrich Heine, die in der Form so viel Schönes, inhaltlich so viel Sue teressantes produgiren, daß wir es nicht unterlassen mögen, aus diesen Meittheilungen Miandes wiederzugeben, Die Redaktion. -

Next