Neues Pester Journal, September 1877 (Jahrgang 6, nr. 242-271)

1877-09-21 / nr. 262

Sn + = foonnement: Gani. fl. 14, halbj. fl. 7, fl. 1.20. La viertelj. fl. 3.50, monatlich zu 2 s­­0 Feeilag, den 21. September 1877. , — Mevattion und Administration: Leopoldft. Kirchenplak Nr. 2. Einzelne­ tumme an­­Iufernte nag anfliegenden Tarif. In Hamburg. Budapest, 20. September. Zu den räthselhaftesten unter den politischen Kombinationen, welche in unserem Zeitalter aufge­­taucht sind, zählt unstreitig der Drei-alfer-Bund, von dessen Bestand heute wieder mehr als je perprivt und geschrieben wird. Von vorneherein un­­­ [ar und zweifelhaft in seinen Zielen und Zwecken warb dieser Bund für die Diplomatenwelt des Kontinents zum Stein der Weisen, mit dem sie einst jedes Leid, das Europa drühte, jede Verwiderung, die am Horizonte auftauchte, beschwören und bannen zu können vermeinte. Die passive Rolle, welche im Anfange seines Bestandes dem Bunde der drei Ost­ nächte beigelegt wurde und welche sich lediglich auf die Erhaltung und Sicherung des europäischen Friedens beschränkte, wurde­ bald in eine aktive verwandelt. Die — wie die Folge Lehrte — weder den Interessen des­r­iedens, noch denen einer konservativen Entwickklung der V­erhältnisse zuträg­­lich) war. Und wie Die Broreus-Gestalt dieses Bundes ji in seinen Tendenzen bethätigte, so gab sie sich auch Hinsichtlich seiner Cristenz Fund. Der Drei-Staffel-Bund bestand, bis er sich mit un­se­­ter Vertieferningen unter "Den der­ berbündeten Staaten, Versicherungen allerdings, die an fi für einen der Verbündeten, für das deutsche Reic­, von Höchsten MWerthe waren. Der Dreisftaffer­ Bund be­stand weiter, als der eine der NVerbündeten sich durch seine Handlungen von dem Frieden Sbinde " werfthätig lossagte, als Neuhland durch seine Orient­­politik und seinen Angriff gegen die Türke die Sentereffen des verbündeten Oesterreich - Ungarn be­ drohte; und Heute, da einer der Verbündeten für Sahre, wenn nicht für Jahrzehnte hinaus aufge­hört hat, ein politischer M­achtfaktor zu sein, wo Ausland Für Europa kaum mehr in Betracht kommt, hört man in Berlin noch immer nicht auf, von dem Bunde der drei Kaiser „zu jagen und zu­ singen“. Aus dem Drei- Kaiser- Bunde it der, Dritte Verbündete verschwunden, nur zwei Ver­bündete eiift­ren noch als politische Faktoren — der Proteus Drei - Haiffer- Bund aber bringt nach der Regel des Heren einmale und das Kunstitüd zu Stande, einen Drei-Raifer- Bund, bestehend aus mit zwei Köpfen, darzustellen.­­ Statferbunde gezogen. Nur unter dem Schuge dieser Allianz konnte es die öffentliche Meinung Europa’s herausfordern, nur unter dem Schule Deutschlands die Zustimmung des offiziellen Defterreich- Ungarn zu Schritten erlangen, welche die Interessen-Sphäre dieser Monarchie auf das Tiefste verleiten. Welchen Gewinn aber hat Desterreich U­ngarn aus diesem Bunde gezogen? Mal diese Monarchie in irgend einem Stadium der aus dem Jahre 1872 datirenden Allianz der empfangende Theil? Hat Oesterreiche Ungarn vielmehr nicht in den abgelaufenen fünf Jahren immer Spinon­en i­m Noyhu­t Pal­at­ante­ geletítet, Die je einen Segendtenst au ben­chen gez! schwerge bemm zu empfangen? Und in dieser Chel­­­muth der Monarchie unter­ der weisen Führung des Grafen Andraffy nicht fast, bie an die Grenze der Selbstpreisgebung — allerdings der unbewachten Selbstpreisgebung, wie wir zur Ehre des Grafen Andriffy annehmen müssen — ge­­gangen ? Die Gefahren welche diese Politik des Drei- Kaiser-Bandes für Oesterreich-UI­­garn barg,sind die Wandlung der Situation vollzogen,unter wel­­cher Graf Andr­issy sich nach Salzburg begab,ist es dort dem leitenden Staatsmanne Oesterreich-Un­­garns gelungen,diese Situation in dem­ Maße aus­­zubeuten,wie es das Interesse der Mon­archie erfor­­dert.Hat er es verstanden­,aus­ der Thatsache »Kapital zu schlagen,welche das leitende Blatt der national-liberalen«Partei konstat·irt,daß von der Haltung Oesterreich-ngarns und Deutschlands­ Europas Zukunft abhängt.Oder"soll die Politik­» der Monarchie noch immer im Schlepptau der­ deut­­schen Politik bleiben,nur Bismarcks Zwecken dienen­­und darauf resigniren,unseren eigene Interessen gerecht zu werden­.Wahrlich,nicht eine deutschfeind­­­liche Politik fordern s­ir,im Gegentheile,wir den­­ken,daß sich das freundschaftliche Einvernehmen mit Deutschland lei­chter erhalten läßt,als je,denn Deutschland ist heute mehr als zu irgendeiner Zeit auf Oesterreich-Ungarn angewiesen,als auf jenes Nachbarreich,welches­ neben dem deutschen intakt und ungeschwächt aus der Orien­tkrise hervorgegan­­gen­ ist.Aber dieses freundschaftliche Einvernehm­en l­eid’t noch nicht,auf Bismarcks Wort unbedingt schwören,bedeutet nicht so viel,daß Oesterreich- Ungarn die dom Silisten Dismarc­k vorgezeichnete outicho ANTI vuarhanr yo + Ar Monsathot ND­ rade dan und II) jenes Winbernenmieht am besten erhalten lassen, wenn Deu­tschland darauf verzichtet, sie den geschlagenen Freund ein übergroßes Maß an Sorgfalt und Zärtlichkeit zu entwickeln, durch welche der intakte Freund gehindert wird, eine fei­nen Lebensinteressen entsprechende, eine echt Österreiz fi­ eles Grébt­ r Original. korrespondentz des „Neuen Better Journal".) Paris, Mitte September.­­ Bei den Leichenbegängnissen der legitimen Könige von Frankreich spielte sich eine kleine, aber charakteristische Szene ab. Nachdem der Sarg mit den königlichen Resten einen vollen Monat lang in St. Denis ausgestellt gewesen war, wurde er in Anwesenheit aller Hofchargen in die Gruft getragen. An die offene Thüre derselben trat der Obersthofmeister, senfte seinen goldenen Stab und sprach Yaut, mit trauriger Stimme: „Le roi est mort!" „Der König tt todt !" wiederholte mit Grabesstimme der Reichs: Herold, der an der Schwelle der Kirche stand. Einen Augenblickk Tang herrschte tiefes Schweigen. Dann erhob der Obersthofmeister seinen goldenen Stab und rief über: ‘Yaut mit fröhlicher Stimme: „Vive le roi!" „Es lebe der König!" schrie der Herold auf den Pla vor der Kirche hinaus, gleichzeitig warf ein Diener dröhnend die eherne Thüre der Königsgruft zu, vier Trompeter schmet­­derten eine ganfare und­ das Bolt vor der Kirche rief jauchzend: „Nive le rois" Die N Republitaner Haben dieses Trauerceremoniel des Gottes gnadene Königthums geschicht genug nachgeahmt. Kaum war der Sargbedel über der Leiche Thiers’ zuge­­nagelt und schon rief die gesammte republikantische Presse mit einer überragenden Einstimmigkeit Herrn Sules Grevy zu seinem Nachfolger in der Kandidatur für die Präsidentschaft aus. 63 gab da seinen Augentlic des Zö­­gerns, des Südens, des Schwankens. Der Nam Grevy erschien gleichzeitig auf Aller Lippen, mit der Serhfiver­ Aamlighit, mit der in der erblichen Monarchie der F­ronpring an die Stelle des todten Königs tritt, trat err Grévy an die Stelle des todten Thiers. Diese glatte, natürliche Hebertragung des Ansehens und der moralischen Pflichten von einer verschwindenden auf eine auftauchende Persönlicfeit hat nicht ermangelt, die Reaktionäre zu erstaunen und zu verwirren. Sie hatten gehofft, einem Ausbruch von Ambitionen und einem widerlichen Gezünfe vordringlicer und verlehter Eitelkeiten anzu­wohnen. Sie­ haben sich schon als ergöhtes Parterre Fonstituirt­iung waren bereit, ihr aufmunterndes ,RI8! Ka!“ in die­ Gruppe der Kämpfenden und Kautrenden zu rufen. Mit­ geheugheltem Wohlwollen nannten die Einen den General­ Chanzy, die Anderen Jules Simon, die Dritten Herrn Gambetta und den natürlichen Nachfolger Thiers’. Allein ihr guter Wille wurde Schwächlich zu Schanden. Die Res­publikaner befün­deten eine stramme Disziplin, wie sie vor dem 16. Mai im französischen Parteileben unbekannt war und von dem Augenblickk an, wo Herr Gréup als der Kandidat der republikanischen Partei genannt worden war, wurde neben ihm sein anderer Name laut. es ist sogar bei dieser Gelegenheit ein merkwürdiges Phänomen zu instativen. Herr Grevy scheint von zahlreicheren Sympa­­thien, wenn nicht von größerem Enthusiasmus umgeben zu sein, als es Zhiers war. Vom Befreier „des Territo­­riums hielten sich die Navitalen grollend ferne, und selbst die Gruppe der Linken, deren Chef Gambetta ist, erkannte ihn nur unter dem Drange der burg den 16. Mai ge­­schaffenen Situation als ihren Führer an. Seine wirkli­­chen, überzeugten und zuverlässigen Anhänger halte er nur im linken Centrum. Grevy flößt dieser Gruppe vorsichtie­ger, ja suratsamer Politiker nicht weniger Vertrauen ein als Thiers. Dazu hat er aber die aufrichtige Anhänglichkeit der republikanischen Linken, und selbst die Radikalen nahen ihm mit einer Wärme, die unter anderen Umständen fast kompromitt­tend für ihn wäre. Wären die Wahlen unter der Aegide Thiers’ vor sich gegangen, es ist nom Allem, was , Mot VOrdre" und „Lanterne” in den lehren Wochen geschrieben haben, sehr wahrseinlich, daß im entschewden: Hiezu give, Seiten Beilage, Linie den Augenblick die Nachfaten gegen die gemäßigte Front gemacht und an vielen Orten für ihre eigenen Kandidaten und gegen die 363 gestimmt hätten. Heute ist diese Gefahr vollkom­men beseitigt; die Radikalen werden ebenso, wie die Männer der Linien und des Linfen­zen­trums ihre Stimme für solche Kandidaten abgeben, die sich verpflichten werden, im Falle des Sieges Herrn Grevy zum Präsidenten der Republik zu wählen. Die Anhänger der Regierung schmeicheln sich, daß­­ der Name Grévy auf die Masse der Wähler seinen Gindruch machen werde. Es ist allerdings unbestreitbar, daß Herrn Grevy nicht das große Prestige umgibt, dessen sich Thiers rühmen konnte. Aber man darf nicht vergelten,daß der fran­­zösische Wähler heute nur mehr unter dem Banner eines Namens, sondern unter dem Banner eine I­dee zur Urne schreitet, und daß, wenn die Reaktion es für nöthig hält, sich mit dem Namen Mac Mahon’s aufzudonnern, der Libera­­lis­mus diesem Gigennamen ein Begriffswort von unendlich größerem Eclat entgegenieten kann, das Wort „Nepublit“ ! Die liberalen Wähler stimmen nicht für Thiers oder Grévy, sondern für die Nepublit. Ihre Gegner allerdings haben 6108 die Nesfource, für Mac Diahon zu flimmen. Es ist selbstverständlich, daß nunmehr alle Blicke sich Herrn Grevy zuwenden, und hak man sich plößlic für alle Details seines P­rivatlebens, für seine Persönlichkeit, für seine Vergangenheit interessirt. Herr Grevy bietet der öf­­fentlichen Neugierde Feine große Oberfläche. Nicht in seiner Lebensgeschichte und nicht in feiner Individualität findet sie greife, in die Augen springende Züge. Man fan sogar sagen, daß sein Bild in jeder Hinsicht ein ziemlich verschwom­­menes, um nicht zu sagen banales ist. Herr Grevy ist der Typus eines anständigen französischen Bürgers , der „arzive“, der „angelangt “­ oder, um bentssch zu sprechen, der sein Schäfchen in’3 Troden“ gebracht hat. Er­st groß, etwas beleibt, trägt die Haare Ínyz geldoren um den r

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