Neues Pester Journal, Oktober 1877 (Jahrgang 6, nr. 272-302)
1877-10-22 / nr. 293
. WA. Jahrgang Nr. 293. bonnemens: Ganzi. ff. 14, halbj. ff. 7. | Das „Neue Reiter Journal" ersceint a essen are wonatlic 1.120. täglich), auch an Montagen. ZA NIEREN TGLSZENZURDEEN EEE Redaktion und Administration: terpoldít. Kirchenplat Iz. 2. | Einzelne Nummern 418 Grispi und der Batilan. (Orig.-Korr. des „Neuen Pester Journal”.) Rom, Mitte Oktober, Man nimmt wahrscheinlich jenseits der Alpen an, aß unter Präsident Grispi, welcher gegenwärtig die nordischen Kulturstaaten bereist, „um seine Kenntnisse zu bereichern”, was bei seinen Alter jedenfalls sehr Löblicht, mit dem Batifan und insbesondere mit dem Glatt- Halter Christi auf gespanntestem, womöglich auf feindlichstem Tube stehen müsse. Aus der Zerne nehmen sich die Dinge gewöhnlich entfernt aus, was befan untlich nicht immer zur richtigen Beubheilung von Formen und Farben beizutragen pflegt. Erispi war eine Zeit lang im Bratifan seine persona grata und noch weniger eine persona gratissima, aber die Zeit mildert und besänftigt ; namentlich bei uns, wo immer eine „milde Hand“ erhoben ist zum Segnen und zur Verzeihung der Sünden, fangs es auch dem schwärzesten Sünder an Mozmenten nicht fehlen, in welchen, wenn auch nicht vollständige Versöhnung, jo doch ein modus vivendi angebahnt wird. Und dieser modus vivendi zwischen dem Vatikan und dem ehemaligen Republikaner und heutigen ehrenswerthen Präsidenten unserer Nationalversammlung hat sich auffallender Weise seit dem Zeitpunkte herausfrystalliscirt, wo die Gerüchte auftauchten und immer hartnädiger wiederkehrten , daß Grispi ausersehen sei, der Nachfolger Melegari's zu werden. « Signor Crispi war von Haus und von Natur aus zuerst immer Neapolitaner und dann erst Italiener, durch seine Rundfahrt durch Europa,die erste,welche er in seinem Leben angetreten haben soll,scheint er sich den Versuch machen zu wollen,ein euwpäischer und kosmopolitischer Staatsmann zu werden.Als Herr Crispi seine Reise antratwar er schon nicht mehr für denBatik an der mißachtete und gebaßte avocaccio oder avocaocino sizilianozeisteres heißt soviel,wie ein»Advokätchen«,ein ganz kleiner Advotat,und das avocaocino bedeutet soviel, wie ein Hackenadvokat,setzt man noch das siziliano hinzu, je danch gewinnt der Titel einen ganz bösen Beigeschmack.And) Ratuzzi war ein avocaccino,welcher durch die werkthätige ’"Beihilfe seiner Frau Gemahlin zum Advokaten,Minister und großen Staatsmann wurde, was sie ihm noch mitunter ün ihren Gardinenpredigten vorgehalten Haben sol. Bei Herrn Grispi soll eine andere Dame, die zwar keine berühmte Schriftstellerin, aber noch eine berühmtere Schönheit als die Rattazzi- Solms, die Gardbinenpredigt besorgt haben, und wie die ersten Stadien der großen Neffe bewiesen Haben, mit befriedigenden Erfolg. Man hat hier und allenthalten angenommen, daß Grispinach Paris gebe, um sich dort mit den französischen Mmadifaten ins Einvernehmen zu eben und eine Art Kriegsplan zunächst gegen den Wallam und die Pfaffenherrn fast im Allgemeinen sind dann gegenüber der nächsten Bapstwahl zu besprechen und womöglich vorzubereisten. Der großen, furchtbaren Liga der französischen Monate Gristen und Ultramontanen, melde in Rom ihr Centrum und in ganz Italien, in allen aristokratischen Häusern ihre Verbindungen hat, sollte,, so versicherten hier die Anhänger und Bewunderer Grispis, eine ähnlich große und slarfe Verbindung der radikalen und antikatholischen Elemente der beiden romanischen Nationen gegenübergestellt werden. Grispi und Gambetta wären die eigentlchen und berufenen Männer gewesen, um diesen bedeutenden und großartigen Bau in Angriff zu nehmen und aug durchzuführen. Zu allen großen Städten Italiens hat man in diesen Beziehungen Hoffnungen, stellenweise große Erwartungen,gehegt und bis Heute ist unerkwürdiger Weise nichts geschehen, was diese Hoffnungen und Erwartungen rechtfertigen könnte. Wir haben hieraus erfahren, daß Signor Grispi einmal bei Herrn Gambella gespeist hat, und so animirt die Unterhaltung der beiden einflußreichen Parteiführer bei Tifhe auch gewesen sein mag, so berechtigt sie dennoch leider nicht, aus derselben auch nur Chlüsse auf eine vergrößerte Freundschaft, geschweige auf die Anbahnung einer Verbindung der beiden verwandten Parteien ziehen zu lassen. gung der beiden Liberalen Parteien, von der Verbindung der französischen und italienischen Freidenker!— Auch nicht eine Silbe am aus den Reihen der französischen Nabilaten, so lange Crispi in Paris war, welche den Gesinnungsgenossen diesseits des Mont Cenis Aussichten und Hoffnungen hätte ermeden können. Er blieb bei den staatsmännischen Besprechungen bei Tuche. A Z dann Grispi in Berlin eintraf,ging bereits das triumphirende Schmunzeln unserer Sefuiten in ein lautes Hohngelächter über. Grispi vertröstete die deutschen Kulsturkämpfer und seinen „Freund Bismard“ mit der „toleranten Partei” im Batkan, welche vielleicht dennoch bei der nächsten Bapstwahl ihren Mann auf den Stuhl Petri bringen künfte !? Als wenn im Batian eine Partei aufszutreiben wäre, welche jemals mit dem großen deutschen Staatsmanne, mit ihrem furchtbarsten Feind und tödtlich gehaßten Gegner trandagiren könnte!? Herr Krispi hatte aber leicht Andeutungen und Versprechungen machen. Er kennt den Batitan wie seine Tasche, wenn ich so sagen darf; aber er weiß aug, daß von hier aus die Hand nach Berlin nicht Hinübergeboten wird. Er weiß aug daß die Freundschaft zwischen Italien und Deutschland ihre hohe Bedeutung auch dann haben wird, wenn die italienischen Radikalen dem Vatikan nicht zu Leibe gehen und wenn einfach ein italienisches Ministerium, welchen Namen es immer haben mag, bei dem Garantiegeschtes hen bleibt. Eine tolerante Partei existirt allerdings im Batkan ; tolerant ist dieselbe gegen Italien, gegen Trankreich und vielleicht auch noch gegen Oesterreich, aber gegen Bismard nicht. Auf der anderen Seite fragt es sich, ob es Bismard angenehm wäre, wenn seine Anhänger in Deutschland mit den französischen und italienischen Freidenkern und Republikanern in engere Verbindung treten. Das sind Hochstaatsmännliche Fragen und auch Herr Grispi ist gegenwärtig viel mehr als ein hoher Staatsmann, denn als ein demokratischer Parteigänger anzusehen. Und im dieser Gestalt dürfte er bei seiner Heimkehr nach Nom sowohl im Batkan, wie al im Duirinal eine willkommene Erscheinung fun—— — ... unbehagliche Stimmung; der „eiserne” Neidkfanzler droht abermals mit „Srnktionen“ und die Gerüchte von Ministerfrifen wollen nicht weichen. Schon heißt es: ALS Herr Grispi Paris verlieh, ziehen die meisten Daß bald nach Der bevorstehenden Eröffnung bei seiner Anhänger die Köpfe hängen und — im, Batilan rieb , preußischen Landtages von Seite der National-Libe"man sich mit jesuitische triumphirenden Lächeln die Hände. Ist es doch, als ob dem Vatikan, was bei seinen Beziehungen zum Himmel allerdings nicht zu vermindern ist, die Gabe der Prophezeiung verliehen wäre, denn im Batifan offein hat man laut und selbstbemüht erklärt, noch ehe Nachgiebigkeit bereit sei, wogegen man andererseits Grispi in Bari eintraf: „che non sara nente“, dag es meldet, wer Marschall-Präsident werde auf dem ein nichts sein werde mit dem großen Plane von der Vereinis geschlagenen Rege beharren und habe erklärt, mit Infernte und anfliegendem Tarif. Zur Tagesgeschichte. Sie in den Luftspiegelungen der „Tata Morgana” erweisen sich auch die in den legten Tagen aufgetauchten Meldungen über Mediation Bestrebungen Englands bei näherer Prüfung als leere Täuschungen. Heute kommt aus London die Versicherung, das britische Kabinet Habe den kriegführenden Parteien seinerlei Vermittlungsvorschläge gemacht, sondern Hale auch seinerseits jeden derartigen Berfuch für inopportun. Die Hauptsschwierigkeit für eine erfolgreiche Vermittlung liegt jedoch in Berlin; wenn man sich Daselbst den englischen Bestrebungen anschließen wollte, dann würde auch Nußland denselben bald geneigter werden. Bon Oesterreich- Ungarn weiß aus angeblich vorzüglichen Mittheilungen ein englisches Blatt zu melden, da Graf Andräffn dem Herrn Grispi bemerken werde, Italien möge sich, fall Dessen Bolitit in der That eine uneigenstüßige wäre, ohne weiteres denselben Anschauungen anschließen, welche Sesterreich,Ungarn und England betreffe der Orientfrage zu den ihrigen gemacht hätten. Graf Andraffy dürfte hinzufügen, Daß Oesterreich elingaun fest entschlossen sei, der Integrität des ottomanischen Hetdes Nespekt zu verschaffen, und daß folglich aus Italien seine Barthette aus Der bestehenden Krise würde erwarten können. Wir überlassen die Verantwortung für die Nichtigkeit dieser Mittheilungen dem Londoner Blatte; und klingen dieselben ganz unwahrscheinlic. Sun Berlin herrscht eine | talen eine Interpellation wegen dieser Gerüchte ein:gebracht werden soll. Aus Paris formen widersprechende Nachrichten. Die Einen besagen, DEM a c Mahon zur der Linien niemals regieren zu wollen. Die Hartnädigkeit des Kabinetts, womit dasselbe auf seinem Bolten verharrt, hat die Stimmung in allen liberalen Kreisen der Bevölkerung sehr verbittert und beginnt die bisherige Mäßigung einer Gereiztheit zu weichen, auf welche diese staatestreichälüsternen Minister vielleicht speiiliren. 13 die beiden fremden Botschafter, welche es über sich gewannen, den Marsschall zu dem für ihn „relativ günstigen” Wahlergebnisse zu beglückwünschen, werden jene Nußlands und Italiens bezeichnet. In der italienischen Bresse herrscht laute Entrüstung über diese Gigenmächtigkeit Gialdinis ; man weiß für dieselbe seine andere Entschuldigung, als dab Gialdini sich durch, die alte Kameradschaft zur diesem Schritte habe verleiten lassen. — Mac Mahon will neuerdings eine Botschaft an das französische Bolt erlassen, und zwar aus Anlaß der am 4. November stattfindenden Generalrathewählen. Er soi in Berlaigen seine Befriedigung über den Fortschritt der konservativen Gesinmungen in Frankreich auszusprechen gedenken. Im Ratifan herrscht über den Ausgang der französischen Wahlen die größte Be türzung Manit in den vatikanischen Streifen Durch Berichte der P Parteigenossen in Frankreich in der Hoffnung auf einen Sieg der Slerfalen eingelullt worden und öffnete mit Spannung die Depeschen, die am 14. b. bis spät nach Mitternacht in den Eiirzen Intervallen, in welchen sie einlangten, sind dem Sternten vorgelegt werden mußten, bis endlich am nächsten Tage Die Gesammtheit der Meldungen die Enttäuschung zu einer vollständigen machte. Wie verlautet, soll der VBapit mit Dent Vorgehen ,de Stardinalfefrelärs Ginteont, sehr unzufrieden sein. DENOTLALLIN Der Bari rapisten erhebt in Rußland stete fihner ihr Haupt. Atfatoff fährt fort, den panslanistischen Kreuzzug gegen den Slam zu predigen, die Vermehrung der Armee und Errichtung von Freiwilligen-Bataillonen zu fordern. Mit Berafen, wie „das N Rußland Merander II. müsse das Rußland Stwjatoslaw’s werden”, wird die Menge haranquirt. Fir Tiherlapky agitirt ebenfalls gegen die herrschenden Parteien. In seinen Briefe an Gleichgesinnte fordert er Die Versorgung der Witwen und Maisen der gefallenen Soldaten. „Selbst wenn man, umiese heilige Pflicht zu erfüllen, die adeligen Pensionate einziehen müßte, hätte der Staat für die Hinterlassenen zu sorgen. Die Aristokratie möge ihre Kinder selbst erziehen.” Wie man aus Sansttantinopel meldet, stehen in den Höheren Stellen der Pforte durchgreifende Veränderungen bevor, wodurch die alttürkischen Elemente beseitigt und durch nachgiebigere Individuen, namentlich auch durch armenische Christen erföst werden sollen ; auch sei seit einigen Tagen der Einfluß der raffenfreundlichen Partei im Sultand:Palast wieder besonders bemerkbar. Schlimm steht er mit Serbien, das die ruflischen Subsidien gerne acceptirt, aber nicht 105 schlagen will. 63 benimmt sich wieder eine Flügelmann bei einer Frontschweikung, der fortwährend die Beine aufhebt, um das Markhiven zu marsiren. Daher die diplomatischen Häkeleien, die es fortwährend mit der Pforte unterhält, und die verschiedenartigen Kriegsvorbereitungen. Bei alled em scheint man im ruffiigen Hauptquartier von Serben doch nicht über den Weg zu trauen. Aus Belgrad wird nämlich gemeldet, der dortige russische Biblematische Agent und Generalfloniul Berjiani habe von seiner Regierung den Auftrag erhalten, darüber zu wachen, daß die der serbischen Regierung zusammenden russischen Subsidien aussi le:lich für militärische Zwecken verwendet werden und bemexten(welches dartum mag noch angeführt werden, daß der Belgrader Stadtpräfekt Tuczarovices die zur Feier des russischen Sieges über Muthtar Bajga vorbereitete Stadtbeleuchtung verboten hat. Aus Bufarest berichtet man, daß von Seite Desterreich-Ungarnd sehr energie Vorstellungen wegen der iünaft verbreiteten Ges