Neues Pester Journal, Januar 1878 (Jahrgang 7, nr. 1-31)
1878-01-16 / nr. 16
Be VER Jastrang. Br. 16. 2 «"-« J« SUs« sy Vrwinter nenne: e rue = = Mbonnentent: Ganz]. fl. 14, halbı. 11. 7, »viertelj.fl.3.50,—monatlich fl.1.20. täglich,« ‚Das „Neue Pelzer Journal” er auch an. Montagen. a Redaktion und Administration: Zeopoldft. Kirchenplat Nr.2. ‚Einzelne Nummern 4 ie, Infernte nach anfliegenden Tarif, — Wittweh, den 16. Januar 1878." Fi! Meg Der Kongreß üt Sicht. Budapest,1d.Januar. Ueber die Schwankungen. und: Zwischenfälle der gegenwärtigen Waffenstillstands- Verhandlungen hinweg richtet unter Berliner Korrespondent von Eid auf die definitiven Friedensverhandlungen und erörtert dies Thema in folgender Weise: „Die hiesige Diplomatie folgt nur mit halber Aufmerksamkeit den Transaktionen, ‚die gegenwärtig um des Waffenstillstands willen gepflogen werden und die, wie man hier weiß, noch einige Tage werden in die Länge gezogen werden, mindestens 10 lange, bis die englische Parlaments-Eröffnung vorüber und die Vorhut der russischen Armee vor den Thoren Marianopel’s angelangt sein wird. Mehmed. Ali solichon am, legten, Mittwoch Die Meije , in’s rufsische Hauptquartier, nach Lovcsa angetreten haben. Man glaubt, daß, ihm der allmälige werde abgekürzt „werden und und Daber das Hauptquartier nicht hinter dem Balkan, sondern vor dem Balkan zu suchen haben, daß er es vielleicht erst in Adrianopel finden, wird. In Adrianopel aber wird nicht ein Waffenstillstand, sondern ein Präliminarfrieden abgeschlossen werden. Alle Verhältnisse, die Nurland mit der Türkei allein zu regeln gedenkt, sollen dort zum Auftrag kommen. In St. Petersburg rangirt man in viese Reihe die Frage, der ‚ Kriegsentschädigung, die Dauer der Okkupation in den belegten Landestheilen und schließlich. : als... jene, Angelegenheiten, welche nicht divert: Bestimmungen des Pariser Vertrages. alteriven. Die Vernichtung Dieses Vertrages scheint der zweiten Aktion vorbehalten, die man gemeinschaftlich mit Europa inszeniren will. Wie und im welcher Art dies geschehen Fol, darüber haben die Diplomatischen Pourparlers, allerdings vorerst an ganz intimer Weife, bereits begonnen. Es ist sein Geheimniß, das ich Ihnen zu melden habe, denn die Londoner‘ „Morning Pot“ ist mie damit bereits zuvorgekommen, aber es it eine Thatsache, auf die ich. Ihre Aufmerksamkeit lenne, daß Die Idee eines europäischen Kongresses immer festere Wurzel faßt. Während sie von England exit journalistisch laneirt wird, ist sie auch anderwärts — mein Gewährsmann ist in diesem Punkte sehr reservirt ; ich vermuthe, daß er auf Wien hindeuten will — aufgetaucht und überall, als der geeigneteste Modus zur Lösung der schwebenden Orientfragen erkannt worden. Baris wäre heute wohl nir mehr der Ort für einen , derartigen Kongreß. Der Sit desselben müßte mehr nach Osten oder Süden verlegt werden. Nur Berlin, Rom oder Wien könnten ernstlich in Betracht gezogen werden. Die Dinge sind noch nicht so weit, um. jept schon eine Erörterung dieses Details zulässig exscheinen zu lassen. Aber in der Hauptsache. scheint es sicher, daß England einen derartigen Modus wünscht, daß Oesterreich- Ungarn ihn befürwortet und Daß Rußland sich demselben nicht widerlegt. Und wir selbst? Nun, man weiß wohl, daß Fürst Bismarc Fein Freund von Kongressen, Konferenzen oder irgend, welchen diplomatischen Versammlungen ist. Einen Konflikt zu schlichten, fegen sie sie an den grünen Tisch und wenn sie aufstehen, ist der eine nicht gelöst, dafür sind aber zehn neue hinzugekommen. Man kennt Dieses ' Wort unseres Kanzlers. Kleiner dürfte wohl diesmal von seinem Prinzip abgehen, Ion deshalb, weil jeder andere Weg zur Lösung der Frage gefahrvoller und umständlicher it. Iu Rußlands Augen wird allerdings der ganze Kongreß keinen anderen Zweck verfolgen, als diplomatisch zu vervollständigen, was militärisch schon in Adrianopel gescheben sein wird: die legten Spuren des Pariser Vertrages auszulöschen. Auf dem Kongresse wird e ‚seine Forderungen betreifs Bessarabiens und der Dardanellen erheben. Bessarabien it ein Hauptpunkt des Petersburger Programmes. Schon im Sommer vorigen Jahres (siehe „Neues Vetter Fournal“, 25.uli 1877) hatte ich Gelegenheit, Sie aufmerksam zu machen, welchen außerordentlichen Werth, der Czar auf die Radgewinnung des beisarabischen Landstriches legt und daß er nicht gesonnen sei, Den Säbel einzusteden, ehe er Dies Gebiet, das Nußland in Folge des Bariser Friedens an Rumänien abtreten mußte, zurücgenommen haben wird. Die, heiligen, Versprechungen des Kaisers Alexander I., daß er nit auf Eroberungen ausgehe, waren stets unter Der reservatio mentalis gegeben, Daß die Nacerlangung des schon einmal Besosfenen nicht eine Eroberung zu nennen ist. Heute wird es schon in einem Petersburger, Briefe der „Norddeutschen Allgemeinen Zig.” ganz unumwunden und ungescheut herausgesagt, daß Bessarabien wieder an Rußland fallen müsse. Minder entschieden, als diese Frage, wird die Dardanellenfrage bestandelt. Rußland hält im Hinterhalte mit dieser Forderung und wird erst damit vertreten, wenn es die Stimmung der europäischen Mächte sondirt haben wird. Diese eingestandene Nachsichtnahme auf die Meinung Europa’s ist ein Moment, das der Konferenz ein nicht ungünstiges Prognosticon stellt. Man wird ‚endlich einmal auf diesem Kongresse Europa, das lange vermißte, sehen und das wird immerhin, schon ein Gewinn sein. Das Zusammendrängen sämmtlicher europäischer Interessen verspricht die gute Aussicht, daß nicht eines derselben zu stark in den Vordergrund gedrängt werden wird, England hat seine Dardanellen-Interessen, . Deslerzreich-Ungarn hat seine Interessen in Serbien, Rumänien und Bulgarien... Das wird sich gegenteilig kompensiren. Es werden sich Bundesgenossenschaften bilden, nach Art parlamentarischer Parteigruppirunsten, welchen wird Nechnung getragen werden müssen, und wir selbst, die wir seine direkten Interessen zu vertreten haben werden, werden darauf bes dacht sein, daß ss Alles friedlich entwicle und das neue Streitfälle vermieden werden. So sieht man hier auf den Kongreß, als auf das Ereigniß der nügsten Zukunft, mit einer gewissen Vertrauengseligkeit und wünscht ichonießt, daß seine Arbeit sich besser bewähre, ala die nam den Muffon mia= gefegten Traktate der Pariser Konferenz." ann nn nn nn m nn nn Der Schluß der Strafgefehdebatte. — Abgeordnetenhausfisung vom 15. Januar. — Im Verlaufe der Strafgesetzebatte wurden bekanntlich mehrere Paragraphe, gegen beiche bei einer größeren Anzahl von Abgeordneten Bedenken aufgetaugt waren, in der Schmwede belassen und der Justizkommission zur abermaligen Berathung und Berichterstattung, zugewiesen. Die Justizkommission ist dem ihr gewordenen Auftrage sofort beim Wiederzusammentritte des Neichetages nachgekommen und heute lagen die unerledigt gebliebenen 5 RN eh nebst den diesbezüglichen, von uns kürzlich mitgetheilten Kommissionsanträgen dem Abgeordnetenhause zur Beschlußfassung vor. Mal in erster Linie standen die drei Paragraphe des VI. Abschnittes des besonderen Theiles, die sogenannten Aufreizungsparagraphe 171—173. Der 8. 171, enthaltend die erfolglose unmittelbare öffentliche Aufforderung zur Begehung eines Verbrechens oder Beizgehens, wurde ohne wesentliche Debatte angenommen ; die äußerste Linke selbst beschränkte sich darauf, den a eer vier Tage. Episode aus dem gegenwärtigen Kriege. Von Wisewdon Garsdin* SH .trant aus der Flasche. Das Wasser war warm, aber noch nicht verdorben, und es war, viel darin. Ich werde noch einige Tage leben künnen. Nun, was weiter? Wenn ich auch noch: fünf oder sechs Tage lebe, was wird denn ‚Daraus? Die Unseren sind fort, die Bulgaren sind auseinander gelaufen. Nirgends geht in der Nähe ein Weg vorüber. Einerlei — sterben muß ich doch. Statt einer dreitägigen Agonie bereite ich mir eine, Die eine ganze Woche währen wird. Ist es nicht besser,gleich ein Ende zu machen? Neben meinem Nachbar liegt, dessen Flinte, ein prachtvolles englisches Werk. Ich brauche nur die Hand auszuftrefen ; ein Augenblitz und Alles ist vorbei. Soll ich also ein Ende machen — oder warten ? Worauf? Auf Rettung? Auf den Tod? Warten bis die Türken kommen ? Besser ist’s, ich selbst . . . ‚Nein, ich darf den Muth nicht finten Lasfen ; ich will kämpfen, so lange noch eine Spur von Kraft in mir it. Denn wenn man mich findet, so bin ich gerettet. Vielleicht sind die nah, unverleßt geblieben ; " man hilft mir wieder auf. So sehe mein Vaterland nach wieder, meine Mutter, Marie..." Mein Gott, verhülle vor ihnen die volle Wahrheit! Mögen sie denken, daß mir eine Kugel sofort den Tod gebracht. Was wird, geschehen, wenn sie erzfahren, daß ich mich zwei, drei, vier Tage gequält! Der Kopf dreht sich, die Neffe, zum Nachbar Hat mich ganz enthäftet. Und dann dieser sehredliche Geruch ! Wie schwarz er, geworden tt „.. und wie wird er morgen oder übermorgen sein! Ich liege hier nur, weil 19 nicht Die Kraft habe, mich Fortzumälzen. SH werde mir ein wenig erholen und mich dann wieder auf den früheren Was einschleppen ; der Wind weht auch auf jener Seite und wird den üblen Geruch von mir fortwehen. SH bin vollständig ermattet. Die Eonne brennt auf meinem Antlig und auf den Händen. Wenn Die Nacht doc nur rascher hereinbrechen möchte , das wird, glaube ich, die zweite Nacht sein. Die Gedanken verwirren sich und ich verliere das Bemwußtsein. 34 muß lange geschlafen haben, denn als ich erwachte, war es bereits Nacht . . . Sonst Alles wie früher, die Wunden schmerzen nach mir vor, der Nachbar liegt ebenso groß und unbeweglich da. So muß immer von Neuem an ihn Denken. Habe ich denn wirklich, Alles, was mir lieb und theuer, verlassen, habe Tausende von Werften gemacht, habe ge bungert, im Frost gezittert, habe mich gequält in Der Hite und liege sei endlich hier in furchtbaren Martern, Damit dieser Unglückliche zu leben aufhöre ? Als ich den Gedanken fahte, in den Krieg zu ziehen, hatten die Mutter und Marie mich nicht zurückgehalten, wenn sie an recht viel geweint. Von der 50ee geblendet, sah ich Diese Thränen nit. Ich wußte nicht (jet weiß ic) es), wie weh ich diesen mit nahen Menschen gethan. Was hilft es, daran zurückzudenken? Was einmal geschehen, kann nicht mehr geändert werden. Und so fahre ich nach Kishinem ; man Tastet mir den Ranzen auf, und Alles, was sonst der Soldat zum Kriege bedarf. Und ich fahre mit vielen Tausenden, unter denen sich nur Wenige befinden, Die, gleich mir, gern in den Krieg ziehen. Die Uebrigen wären zu Hause geblieben, wenn man es ihnen gestattet hätte. Aber sie wandern wie wir, die wir und unserer That vollkommen „bewußt“ sind, sie marschren Tausende von Werften und schlagen sich so wie mir" und sogar no besser. Sie erfüllen Ihre Pflichten,, ungeachtet Ddefjen,daß sie gleich At hinwerfen würden, wenn man es nur erlauben ollte. Ein scharfer Morgenwind erhebt sich. Die Blätter bewegen sich im Winde. Ein halbversclafenes Vöglein fliegt auf. Die Sterne erbleihen. Der dunkelblaue Himmel überzieht sich grau und bewegt sig mit zarten Federwölbchen; Graues Helldunkel steigt auf vom Boden. Es beginnt der dritte Tag meins... Wie sol ich es nennen? Leben ? Agonie ? Der dritte... Wie viele bleiben noch nah? = Jedenfalls nur wenige. Ich bin ehr Schwad und kann mich nicht rühren vom Leichnam. Bald bin ich Dir ähnlich und dann werden wir einander nicht mehr unangenehm sein. 34. mn$ trinken. Ich werde dreimal am Tage trinken : am Morgen, am Mittag und am Abend. Die Sonnne ist aufgegangen. Die große Scheibe, der die schwarzen Steige des Bushwerfs zerschnitten und zertheilt, ist roth wie Blut. Es wird heute wohl sehr heiß werden. Mein Nachbar — was wird mit Dir gefliehen? Du bist auch jett Thon fhrediida, er war fhredlidh. Das Haar begann auszustallen. Die von Natur schwarze Haut fing an, blaß und gelb zu werden; das aufgedunsene Gesicht hatte sie so sehr gespannt, daß sie hinter dem Ohr geplagt war. Die mit Halbstiefeln befreideten Füße waren gleichfalls aufgedunsen und große D Blasen drangen aus denselben hervor. Der ganze Körper war aufs gedunsen. Mas wird die Sonne heute mit ihm machen ? 3 E3 war unerträglich, so neben ihm zu liegen. Ich muß fort von ihm, was es auch forten mag. Aber *) Wir entnehmen diese ergreifende, aus „Biela, im August 1877" Datirte Skizze einer der jüngsten Nummern der „St. Petersburger Zig.“ = Die heufige Yummier umfaßt zehn Seiten, "= !