Neues Pester Journal, Januar 1878 (Jahrgang 7, nr. 1-31)

1878-01-26 / nr. 26

Abonnementhanzl.fl.14,halbj.fl.7- viertelj.fl.3.50,monatlich fl..1.20. Das, „Neue Reiter Journal“ erscheint ( täglich), auch an Montagen­ , sredak­ton und Administration: Zeopoldft. Kirchenplat Nr. 2. Einzelne Nnummern amu Inserate nach aufliegendem Carif. Die Krise in Westerreich. Budapest, 25. Januar. Das Kabinet Auersperg hat auf seine an die Klubs der Verfassungspartei gerichtete Forderung wegen Bewilligung des Kaffeezolles eine entschieden ablehnende Antwort erhalten und damit ist die Krise jenseits der Leitha akut geworden. Von dem Votum der Klubs hat die Krone ihre Entscheidung über die seit einer Woche auf dem Arbeitstische des Monarchen liegenden Demissionsgesuche der Minister abhängig gemacht und diese Entscheidung kann jeden Augenblick eintreten. Wie sie ausfallen wird, darüber sind heute nur vage Vermuthungen möglich und gestattet; sie man darin bestehen, dak die Demissionsgesuche der­ Minister zurückgewiesen und diese beauftragt werden, neuerliche­­ Verhand­­lungen mit der ungarischen Regierung zu ver­­suchen ; sie kann darin bestehen, daß Dent gegen­­wärtigen Ministerium die Vollmacht zu energischen Maßregeln, zur Auflösung des Parlaments er­­theilt wird ; sie kann endlich ihren Inhalt darin finden, daß die Krone neue Männer zu ihren Räthen beruft, denen sie einen größeren Einfluß auf das Parlament zumuthet, von denen sie vor­ausjegt, Daß das Parlament den Personen der neuen Minister zu Liebe das bewilligen werde, was es den früheren Negierungsmännern abge: Schlanow hat Wenn wir diese drei denkbaren Modalitäten in’s Auge faffen und den thatsächlichen parlamen­­tarischen Verhältnissen gegenüber halten, dann müs­­sen wir von vorneherein Konstativen, daß nicht eine­­ einzige derselben den Zweck erfüllt, die Ausgleichs­­fragen rasch aus der Welt zu schaffen, den Aus­­gleichsfrifen radikal ein Ende zu bereiten. Sa, noch mehr! Wir hegen die volle Welterzeugung, Daß die erste und dritte der erwähnten Modalitäten, die Betrauung des gegenwärtigen Kabinets mit neuen Verhandlungen und die Ernennung eines neuen Ministeriums überhaupt nicht zu dem gewünschten Ziele des Abschlusses des Ausgleiches führen kön­­nen. Neue Verhandlungen mit der ungarischen Ne­­gierung! Was sollen sie bezweden? Konzessionen in Der Frage der Finanzzölle? Die Verhandlungen der liberalen Klubs haben gezeigt, auf wie lan­­gem Boden das Kabinet Tifa überhaupt steht. Sollte es ihm bek­ommen, in dem Bünfte nachzu­­geben, welcher der einzige it, der Ungarn, wenn auch zum Theil auf seine eigenen Kosten überhaupt irgend­einen Vortheil bietet, dann würde sich das Schauspiel, das sich nunmehr in Wien abwidelt, in Budapest abspielen, der Ausgleich würde nicht im österreichischen, sondern im ungarischen Parlamente scheitern, die Rollen wären vertauscht. Das Ergeb­­niß bliebe dasselbe. Ein neues Kabinet vor dem österreichischen Reichsrathe würde aber genau von demselben Schic­­sale ereilt werden, wie das gegenwärtige, wenn es in der Zollfrage nicht andere Vorschläge zu machen im Stande wäre. Denn die hartnäckige Opposition gegen den Finanzzoll ist nicht gegen die Personen der jenseitigen Minister gerichtet, sie ist nichts als eine ziemlich kopflose Applizirung des Schlagwortes: Keine Mehrbelastung! Wie freilich­h dieses Schlag­­wort vereinbart werden ,kann mit der von der Mar­jorität des österreichischen Abgeordnetenhauses zu­­gestandenen Erhöhung des Kaffeezolles auf zwanzig Gulden, das mögen die Logiser jenseit der Leitha­ft zusammenreimen, wir erklären uns dazu außer Stande. € 3 verbliebe sonach nur die zweite Modalität, um Die Lösung des Chaos zu versuchen: die Auf­­lösung des­en .Möglich, daß in den neuen Reichsrathswahlen eine gefügigere Majorität zu Stade gebracht werden kan, wahrscheinlic­h­ dies durchaus nicht, wenn die Wahlen unter dem oben gekennzeichneten Schlagworte vollzogen werden. Aber selbst wenn man es auf diese Un­­wahrscheinlichkeit ankommen lassen wollte, was wäre damit gewonnen? Der Ausgleichsabschluß wäre abermals auf Monate hinausgeschoben und in einer Zeit voll europäischer Krisen Die jenseitige Reichs­­hälfte einem heftigen Wahlkampfe ausgefegt. Und dazu treten so Schwierigkeiten anderer Art: das Ausgleichsprovisorium läuft am 31. März ab, die der österreichischen und der gemeinsamen Negierung bewilligten Kredite erlöschen­ an demselben Tage. Kann man den österreichischen Abgeordneten zu­­muthen, daß sie als ihr Testament neue Kredite zurücklasfen, ein neues Provisoriu­m bewilligen und u­um ein Vertrauensvotum ertheilen, dem sie soeben ein Mißtrauensvotum gegeben haben ? Man sieht, es ist ein wahres Chaos, welches duch die Haltung des österreichischen Abgeordneten­­hauses geschaffen wird, aus welchem nicht leicht ein forrest parlamentarischer Weg herausführt. Ob solches Beginnen patriotisch war, die Antwort können wir dem Gewissen der tranaleithanischen Führer überlasfen ; staatsmännisch, politisch Aug und weitschauend ist diese Schlußaktion sicher nicht. 65 liegt etwas Wahres in den Worten Grodolsti’sz, daß der betretene Weg zum Staatzstreich führe ; ganz sicher aber arbeitet er den flavischen Politikern in die Hände, die seit Plevna früher als je ih Haupt erheben und deren Heraustreten aus der Reserve die Desterreicher — wenn sie sich über­­haupt al Desterreicher fühlen — zum een in demselben Grade zu scheuen haben, als wir. Die heufige Hummer umfaßt zwölf Seiten, Der provisoriste Ziriede. Budapest, 25. Januar, Heute, spätestens morgen sollen, wie uns von verläßlichster Seite gemeldet wird, in Kazanlis die Friedenspräliminarien unterzeichnet werden. So hat denn Rußland wenigstens vorläufig gut den aan. in Konstantinopel verzichtet und mindestens einen, Munonhlidh mie hat von Menschen ut rauchende Schlachtmesser ruhen. Wie rennen die Friedensstipulationen nicht, zu deren Unterzeichnung sich die Türkei verstanden hat; nur wissen wir , was nach der Lage der Dinge selbst­verständlich ist und Jedermann weiß, daß Diese Bedingungen den Keim des Verderbens für unsere Monarchie in sich tragen.“ Und ebenso gewiß ist, daß Nußland nicht aus freiem Entschluffe, nicht auf Drängen Oesterreich-Ungarns seinen Horden „Halt!“ geboten hat, sondern erst, nachdem einge­liche Kanonenläufe dieses , halt!" zu bdomnern drohten. Englands Aufraffen und­­­ieses allein hat den vorläufigen Frieden erzwungen,­ den chris­tlichen Staatsmännern, vornehmlich dem alten Disraeli haben wir es zu danfen, daß wieder eine mal eine kurze Frist lang das vom täglichen Auge blik auf Blutlachen und Berge zerfegter Menschen gemordete Aus dem Frehen Säigligeti’s. Drig- Feuilleton des ‚Neuen Peter Journal“) Budapest, 25. Januar. „Der Charakter­ists, was wir in ihm zus meist verehren” — so stand’s geschrieben auf einem der Kränze, welche die Bahre des Verewigten zierten. Diesen Kranz hatte der­­ Lieferant des National­theaters auf den Sarg niedergelegt. Und ein Lieferant bat im Krieg und im Frieden die­ meiste Gelegenheit, jene Eigenschaften, die der Begriff Charakter umfast, gerecht zu beurtheilen.­­­­ „Neben dem Kranz des Schriftstellers ist es der der Bürgertugend, der ihm am ehesten zu­ fommt”, sagte Franz Toldy, der gerechteste und bes­tufenste Richter, den unsere Kulturgeschichte bej ist. „K Redlichkeit, Freundschaft, Liebe, elbstlosigfeit, Rechts: und Pflighg­efühl, Geduld und V­ersöhnligfeit: 3 find 908 lauter Lichtstrahlen Deutes beiseren Theila” 10 sprach man über seinem offenen Grabe und die nmwesenden sagten ein stilles , Amen!" dazu. Ledermann fühlte, daß Da ein Men be­­graben werde, der ein Vorbild gerwesen, hätte er auch­ ‚ niemals einen einzigen Buchstaben auf's Papier gefebt, und erschüttert sahen dies auch jene ein, die es bis dahin vielleicht nicht geglaubt hatten. Zu spät sahen sie es ein — vor der gähnenden Gruft. Mohl ist es werth, sich mit Szigligeti dem Menschen zu beschäftigen. Auch als solcher war er eine eigen­­thümliche und alleinstehende Erscheinung. « Schon in seiner Kindheit war ein Funke in ihm entgleinm­en.Was denselben entfacht.Er wußte es selbst kaum zufagen­.Doch sollte dieser Funke die Leit­­faschel seines ferneren Lebens werden und keine trokische Gewalt war im Stande, dieselbe zu erlöschen. Einer alten, vermögenden Adelsfamilie, die noch jener Borz­nel voll war, deren Wirkung auch in unseren Tagen­­ nachhaltig empfunden wird und die zu Beginn solcher Gestalt zu guter Lebt­e demselben Ministe­­r dieses Jahrhunderts in ganz Ungarn für allmächtig gelten konnten — einer Familie, die für ihre vierhundert­­jährigen Privilegien schwärmte und Die flo, war auf ihre Vorfahren , unter welchen 11 Vizegespane und Reichstags Abgeordnete befanden. Dieser Familie ent­­stammte ein Sprosse, Der für all’ diese an nicht empfand , obgleich ihm die Vietät für dieselben nicht fehlte, und der in unbekannten, ja gering angeschlagenen Sphären seine Ideale zu suchen begann. Das Kind wählt heran und sein Dunktes, ahnungsgleiches Sehnen beginnt eine entschiedenere Gestalt anzunehmen schon in der Studentenzeit, in welcher der Hang zum Verbotenen den Knaben in Ermange­­lung des unerreichbaren Taleats zu Nußbaum­ und Sonnenblumenblättern greifen läßt — in jener Jugend: Epoche, in der man so gerne den Mann spielt und in der es seinen größeren Stolz gibt, als den, wie ein er­wachsener Mensch behandelt zu werden. „Einmal in meinem Leben habe ich mich nicht wenig geschämt — erzählte er a Tage vor seinem Hinfrieien. Meine arme selige Mutter hatte mich immer gescholten, warum ich aus allen bunten Feen, deren ich habhaft werden konnte, mir Buppen machte ; ich sei ja Doch Fein Mädchen! Donatus zu lernen und Puppen zu machen, welch eine Schande! Doch half das Alles nicht. Ich lernte den Donatus und spielte daneben mit Puppen. 39 besaß deren schließlich ganze sechzehn und hatte meine rechte Fraude, wenn ich vieselben anfleiven konnte. Ich glaube, Daß ein großes Schneidergenie in mir verloren gegangen, doc fand ich nicht an dem Unkleinen meine größte Luft. Meine Buppen waren nämlich „Personen”, die ich Komödien aufführen ließ. Ich malte mir großartige Zimmer mit gefeuchtetem Ziegelstaub, prefte mir aus Weizenhalmen Grün, mit dem ich Coulissen und Landschaften anstrich und so führte ich dann Räuber­­geschichten, Dramen und allerlei Alltags - Szenen auf. Die Puppen hatten es leicht, sie brauchten nur die Seiten mitzumachen, die Rollen sagte ich selber her. Darum glaube ich auch­, Daß ein Theil des Stuhmes, leider, auf vom Hunger und Frost den Karl Hugo’s autommische Vorstellungen ernteten, eigentlich mir zusam. Als ich dann einmal von dem Räuberhauptmann das Fräulein entführen Traffen wollte, öffnete meine Mutter die Thüre und eine ganze Schaar unbändiger Jungen drang herein. Das waren meine Schulkameraden, die bereits im Ge­­heimen rauchten und Die mich nun wegen meines Puppenspiels verspotteten. Da schämte ich mich denn nicht wenig und ließ Die Puppen fein.” An den Erinnerungen seiner Jugendzeit hing es mit großer Liebe, doch konnte er sich nicht mehr an das Grab zurückerinnern, das er zuerst gesehen. Allein voller Rührung tra er der Andacht, mit welcher er bis zu Ende beigewohnt, und der P­ietät, mit der er jedem Schauspieler auf der Gasse nachblichte. In reswertvoller Entfernung folgte er der Déri. Die das­mals noch als junges Mädchen in Großwardein gasterte und stundenlang konnte er vor dem Hause umherlungern, in das er sie eintreten gesehen. Schon damals schrieb er Allerlei: Erzählungen, Schauspiele, Gedichte, Vieles auch in lateinischer Sprache. Manches erschien von ihm in dem von dem Studenten - Gelbitz­bildungsverein redigirten Blatte, das selbstverständlich stets Manusrript geblieben. Dieses Blatt hieß „Hass was“ und wer weiß, ob das einzige Exemplar Dessel­­ben noch irgendwo vorhanden it? „Wir hielten das Blatt viel höher als die „Aurora “ pflegte Bzigliz geti­cherzend zu sagen. „Nachdem ich im Jahre 1831 die Schulen zu­meist in Großmardein und zwar aus Allen mit Emi­­­nenz beendigt, nahm ich wahr, Daß ich eigentlich ga: “ Ber einigen Wodhen begann er seine Manu­sk­ipte zu ordnen, wobei er Vieles verwarf, was gewiß noch zu erhalten von Interesse gewesen wäre. So fand man an seinem Todestage in seinem Papierfarbe ein werthvolles Manuskript. Es war der Anfang einer Selbstbiographie, begonnen am 12. Mai 1841. Da ers wir unter anderen Aufzeichnungen auch gol­ endes: ; 5 ir En

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