Neues Pester Journal, April 1878 (Jahrgang 7, nr. 91-119)

1878-04-20 / nr. 110

ka.«zayrgang..Ye.110. s.-.--· Abonnettzeitt:Ganzj.fl.14,halbj.fl.7, viertelj.fl.3.50,monatlich fl.1.20. täglich- Einzelne Nummern 4 Ív Infernte und aufliegenden. Tarif. Das „Neue Reiter Journal“ erigernt an an Montagen. Es Yedatrion und Aominiftration: Zevpoldft. KRirhenplak Nr.2. Her Ministerwechseling tamlstik. Bu­dapest,19.April. Allen Respeks war nicht vor der­ rassi­­schen Diplomatie,doch vor deren Gewandtheit. Die Gortschakoff stu­ddie Schuwaloff,dingnatieff, Nowikoff und Nelidoff arbeiten für Tyrannei und Machtgier,was sie thun,fordert unseren Abscheu und Widerstand heratcg,doch wie sie enthält, zwingt uns zur Bewunderung.Wenn doch Recht und Freiheit des Erdtheils nur einen einzigen so gewandten­ diplomatische­n Vorkämpfer hätten,wie russische Gewaltthätigkeith­rutalität ihrer viele­n haben.Freilich greifen die russischen Staatsmärk­ier ,zu Al­tjtteltt,deren kein redlicher Politiker sich bedie­­nen kann,weil sie gegen sein Gewissen und unter seiner Würde sind.Dennoch,auch wenn wir in vollem Maße die Vortheile wü­rdigen­,welche die Skrupellosigkeit den Moskowiten gewährt,müssen wir die enorme Ueberlegenheit der russischen Diplo­­matie über die nichtrussische,ganz besonders­ über die österreichischungarische konstatiren,welche letztere nur in dem Bestreben bedeutend ist,die unbedeu­­tendste zu sein.Wäre am Ballplatze nur ein Atom jener,unablässig alle Nerven anspannenden Rast­­losigkeit und jener Konsequenz heimisch,welche nie­­mals schwankt und stets dasselbe Ziel unverrückt im Auge behält,zu­ welch’glorreichen Resultaten wären wir gelangt Dank der Lage unserer Mon­archie und des feurigen Patriotismus ihrer leiteni­ ven Völker, und Dant der glänzenden Stellung, welche ums soeben duch Englands Fahne Initiative bereitet worden! Auch diese Gunst des­ Geschiedes, 10 scheint es, soll rettungslos verscherzt werden. Rußland erklärt sich jeit zu weitgehenden Zugeständnissen an Deiter­­reihe Ungarn bereit, freilich Zugeständnissen, welche nur die Augen Derer blenden, die schon verblendet sind, und die Konfisfation unseres Einflusses und unserer Sinteressen an der unteren Donau m­it auf­­heben; doch gleichzeitig vollbringt es Schritt um Schritt nach einer Position, in welcher es jeder Nachsichtnahme auf die Monarchie überhoben ist und zu jeder Stunde Die nach Wien geh­üteten­­ Zugeständnisse widerrufen fan. € 3 unterwirft Rus­­mänien und hat soeben das türkische Ministerium aus den Angeln gehoben : ein Erfolg, welcher aller­­dings seine Spibe wider England Tehrt, aber — in dem un­wahrssheinlichen Falle, daß er dauernd würde — mit viel größerer Wucht unter­ Mon­archie treffen müßte. Die Ursachen, welche zur Krisis am goldenen Horn geführt haben, sind noch nicht Mal. Die Zeitungs - Korrespondenzen und Telegramme aus Konstantinopel, selbst wenn sie mit offiziellem Stempel propagirt werden, sind mit äußerster V­orsicht auf­zunehmen, fintemal, sie fast ohne Ausnahme ein Echo der in Pera mehr als irgend­wo gepflegten politischen Frauhaferei sind, bei der einfache Beistand sagt, daß der Ministerwechsel eine neue Phase in dem seit Monaten mit wechselnden Erfolge bei der Pforte geführten russisch-türkischen Minen­­triege ist. Achmed Bevfit Rajcha, der türkische Cato, ein Mann ohne Furt und Tadel, der europäischen Civilisation, welche sich im Osten fast nur in ihren Auswüchsen offenbart, entschieden abgeneigt. Doch als feuriger Patriot, der F kräftigste Vertreter des englischen Bündnisses — Achmed Berfit it durch Sadyk Bajda erregt worden, der zwar europäische Bildung in reichen Maße in fi aufgenommen, da­­gegen die türkische Nedlichkeit ausgetrieben hat, und Alles­it, wofür er bezahlt wird. Die vorgestern aufgetauchten Namen Said Pascha’s, der in Eng­­land erzogen, und darum den Engländern freund­­lich gesinnt, aber seineswegs von besonderer Charakterfertigkeit ist, und Mehemed Rushdi Bajda­r, eines guten Patrioten, dessen Willenskraft jedoch längst gebrochen ist, sind wieder verschwunden, und von den neuen Ministern ist neben dem Präsidenten nur der alte Savfet bemerkenswerth, dessen Name unter­­ den V­räfininarien von Kazanfif und San Stefano itelt. Die anderen Minister mögen treff­­liche Fachmänner sein, doch als Rolitifer bedeuten sie nichts. jedenfalls it mit Achmed Vevfik die Säule eingestürzt, die den englischen Einfluß trug, und mit Sadyf der russische Einfluß vorläufig zur derrschaft gelangt. « Ausflug nachh 38mid unternommen hatte. Ein vortrefflicher Kenner der orientalischen Personen und Zustände, wie der jetige englische Gesandt in Konstantinopel i­, mußte wissen, daß er de Divan seinen Augenbhil aus den Augen Ta durfte, auf daß derselbe nicht nach der russige Angel schnappe. Die unablässige Beauftrun­ge und Beeinflussung des Sultans war um fo­l­gender geboten, als Lord Salisbury exit allein einen der traurigsten Mißgriffe Derby’s gut mach fann. Wir Haben die Protegirung und Goute­rung der griechischen Aspirationen Seitens britischen Kabinets von vornherein als ein U und einen taktischen Fehler dargelegt. Das Hide Element vor Brutalisirung dar die gerischen Auffen zu­ jhnsen, das war Europ­aecht und Pflicht , aber das Jammerkönigreich Hellenen durch türkische Provinzen zu vergröße­rn welchen nur Kleine Häuflein Griechen wohn war eine Forderung Gladstone’s, das heißt 9­lands im­­ Beginne des Krieges und war best­m, die türkische Vertheidigungskraft zu zerb­litte. Ihre Wiederaufnahme Seitens Derby’s und de Friedensjäluffe war nur scheinbar ein Strateg: wider den Panflavismus, denn in Epirus um Thessalien war das griechische Element nicht durch­ das slavische bedroht. Dagegen gab und gibt es den Nuflen einen Vorwand zu der Darlegung dab die Türkei durch einen Sieg Nenglands über England nichts verlieren kan, was es nu­ schon verloren hätte, dagegen nur Englands Sieg die verlorenen christlichen Provinzen nicht zurückgewin­­nen, wohl aber noch den Nest ihrer europäischen Belißungen verlieren könnte, daß jonach die Alianz mit Nußland dur das Lebensinteresse der Türk geboten sei. Salisbury hat in seinem Zirkular und seiner Rede in der Adrekdebatte die Aufchwenkung von Verby’s Standpunkt nur ganz vollziehen können, weil er auf die einmal zu Gunsten der Griechen captivirte öffentliche Meinung Englands Rücksicht nehmen mußte, die Unterfrügung durch die griechische Armee im Kriegsfalle und vor Allem den in Konstantinopel mächtigen griechischen Einfluß nicht versherzen durfte, aber der jämmer­­liche Verlauf der griechischen Insurrestion, melde gen­i­, die Kantoniirung der Mannschaft Durchaufühs ven. Lord Naglan Fanıı sich seine Vorstellung machen, wie sehr befümmert wir sind um die Armas, und welche schmerzliche Besorgniß uns das Bewußtsein beg­reitet, hab ihre Entbehrungen zunehmen.” Nach einem Besuche in den Hospitälern von Chatham fordert sie in kategorisgen Worten, daß das Kriegsamt für Die Verwundeten weitere Sorge tragen möge , richtet einen ausführlichen Brief an Lord Benmure, in welz d­em sie ihren Ansichten betreffs zweidienliger Ein­richtung der Spitäler Ausdruck verleiht, und haup­t fählich auf Die Raumeitheilung eingeht, Damit Vidi und Luft auf das Gemüth der vermundeten Dem gehörigen, ungehinderten Einfluß üben mögen. Die heutige Nummer m­acht zehn Seiten Königin Victoria. (Originals Feuilleton des „Neuen Peter Journal.”) London,im April. Vor einem Vierteljahrhundert fand England, wie es zur Stunde steht, an der Schwelle des Krie­­ges mit Rußland. Königin Victoria steht vielleicht das eigenthümliche Geshhch bevor, an ihrer Lebenzweige die Schicksale ihrer­ Schönsten Jahre, einen großen, schweren Krieg ihres Bolfes, von Neuem mitzuerleben. Wir willen wenig von dem inneren, seelischen Leben Dieser bedeutenden, edlen Frau, wie es sich seit Dem Tode des Brinz.Gemahls gestaltet hat. Doch haben wir vollen Aufschlag über ihr Wesen, wie es ji zu Zeiten des Krimkrieges entfaltete. Diese Zeiten gleichen sich­ so sehr, daß es von aktuellem Nniereffe sein dürfte, das Damalige Wesen der Königin Victoria zu fennen. Wir erhalten diesbezüglich werthvolle Aufschlüsse durch­ Die Briefe der Königin Victoria selbst, welche in jüng­­ster Zeit in mannigfachen historischen Werfen der Oeffentlichkeit anheimgegeben wurden. Durch eine Zeile, ein Wort dieser fastbaren Dokumente wird oft ein so helles Schlaglicht auf den seltenen Charakter der hohen Frau geworfen, daß man diesen besser fennen und würdigen lernt, als durch bändereiche Abhandlun­­gen politisirender Biographen. Und dieser Charakter in der That ist wert­, in seiner ganzen königlichen und menschlichen Größe gelannt und gewürdigt zu werden. In Allem, was Königin Victoria thut und an­­ordnet, erscheint sie Dur) und durdh als Engländerin. Das ist einer ihrer hervorstechenden Charakterzüge. Ein anderer besteht darin, das sie eine gesunde, lebendige Abneigung befindet gegen Alles, was Nupland betrifft; ja, wir könnten füglich von einem lebendigen Hafse sprechen, wäre der Ton , im den Briefen und Aeulierungen jener hohen Frau tot aller, Lebhaftigkeit und Ungebuudenheit dem­ Doc nicht 10 vornehm gedämpft, um derartige Kraft­­anschauungen der Beurtheilung zu verbieten. Wo es sich aber unmittelbar um das englische Interesse, ihre Schmeichelei,Versprechungen,Bestechungen, Verb­mndungen haben diesen Trifiqud erzielt in einem Augenblicke,in welchem Austin Layard einen Unterthanen,ihre Armee hemdelt,dort tritt denn auch ihre Seelenwärme­ ihre Großninth und Barmherzigkeit in einer unumschränkten,liebenswürdigen Frauenh­1f­­tigkeit auf,in deren allgemeinmenschlichen Lauten an die Königin nichts erinnert,als der Adel. In einem Briefe an den König Leopold von Belgien schreibt die Königin voll Entrüstung­ über die grausame Behandlung­ englischer Verwundeter, welche diese von den N­uffen­ erlitten: „Die­ Nuffen verloren 15.000 Mann. Sie­ benahmen sich mit dem größten Barbarismus ; viele unserer armen Offiziere, welch­e nur leicht verwundet waren, wurden auf dem Boden niedergemetelt. Einige lebten noch lange genug, um dies berichten zu können. As Der arme Er ©. Cathcart tödtlich vermundet niederfant, da sprang sein getreuer und ergebener mil­itärischer Gefreier (Oberst Charles Seymour) von seinem Neffe, um mit einem Arme — denn der andere war verwundet — jenen sterbenden Kommandanten zu stoßen , doch drei Bösewichter (wretches) stürzten auf ihn 108 und stachen ihn mit den Bajonneten nieder. Das it Iheußlich, und Die zwei Feldmarschälle haben an Mentihiloff Demonstrationen abgestandt.” Gelegentlich­ des Todes von Sir George Cathcart richtete Die Kö­­nigin ein Schreiben an dessen Witwe, dessen Tenor so viel edle, wahre Theilnahme und Anerkennung athmet, wie Deögleichen wohl selten aus der Feder einer Monarchin floh. Um MWMeihnachten schreibt sie in pathetischen, starren Worten an Lord Raglan, indem sie den Wunsch ausdrückt, er möge Alles aufgeboten werden, um Die Truppen mit unnügen Mühsalen und Beichver­­riffen zu verschonen. Unter­­ Anderem schreibt sie wörtlg: „Die Königin vernahm, daß ihnen Der Kaffee roh, anstatt getröstet verabreicht wird, und einige andere Derartige Dinge, melche sie betrübten, da Me so sehr besorgt ist, daß die Truppen so wohl versorgt sein mögen, als dies­ die Umstände nur zut laffen. Sie hofft­ er nichi, daß jene­ große Ladung war­­mer Kleider nicht nur Baltlawa erreicht hat, sondern dort auch vertheilt wurde, und daß es Lord Naalan gehn: 7 Während draußen Das große blutige Krieger­drama seinen d­röhnenden Gang nahm, spielte sich Dar­heim ein erfreuliches Familien-Ereigniß ab. Being, Friedrich Wilhelm von preußen war angelangt, um der Prinzeß Noyal seine Hand zu bieten. „Victoria ist höchst erregt“, Schreibt der Prinz an Baron Stod­­mar in Hannover (Baron Stafmear war bekanntli der intimste Nachgeber des Gemahls der Königin Dickoria), „doch läuft Alles glatt und vernünftig ab. Der­ Brinz ist exnitlich verliebt und wie seine Dame bietet. Alles auf, um ihm zu gefallen.“ In einem­­ anderen Brief­ an Stodmar meldet er: „Ste Die: Brinzelfin) befundete Fri und uns gegen­über die­ finolichste Einfachheit und Güte. Die jungen Leute sind heftig verliebt im einander und die Meins­heit, Unschuld und­ Gelbstlosigkeit des jungen Mannes waren seinerseits ebenfalls rühren.” Dodd troß Dieser Familien-Jüylle blieb das Interesse, der Königin für die öffentlichen Uingelegenheiten vorher ichend, und Prinz Albert konnte d­ der Oppostition gegenüber darauf berufen, Daß „die Gesundheit der Königin gelitten habe aus­ Bekümmerniß um ihre Truppen”, und daß, als Lord Cardigen in Windsor gewesen war und­ die königlichen Kinder auf seinen Knieen weiten­ten, v dieselden ausriefen: „Sie müssen zurkdeilen nag Gebaftopof und es erinnehmen, sonst Mmantt sid) die Mutter zu Tod­­“ (Else it will kill mama.) GR 4

Next