Neues Pester Journal, Oktober 1878 (Jahrgang 7, nr. 272-302)

1878-10-20 / nr. 291

W—­­——.. —.——«.­..««« Abonnem­enthanzj.st.14,halbj.st.7, Das­,Neue Pest­ r­ou­ maerwismt viertelj.fl.3.50,monatlich fl.1.20. 2. 1 töglich, auch an Montagen. Redaktion und Administration: Einzelne Nummern Inferate nach aufliegendem­­ I Morgen(Montag)Früher scheint Junfeerattwie gewöimciccp. Beuystag undgtlmisten Budapest,19.Oktober. Ungleich andere K­orporationen und Insti­­tutionen erfreuen sich die Parlamente keines Schutz­­heiligen.Würde ein solcher jetzt in Oesterreich- Ungarn gekürt werden,die Wahl könnte nur auf St Thomas fallem Vielleicht möchte heute auch dieser Zweifler nicht als ausreichend thatkräftiger Repräsentant des»organisirten Mißtrauens«— wie der Konstitutionalismus eimmal genannt wurde —erachtet werden.Deim der Apostel Thomas hat doch an die Auferstehung des Herrn geglaubt, nachdem er die Finger in die Wundenmale gelegt hatte;unser Reichstag,der Wietjer-Reichsratk,1,die Delegationen aber dü­rfe1k,1ve1en sie gewissenhaft ihrer­ Pflicht nachkom­men wollen,nicht einmal offen­­kundige Thatsachen zur Basis ihres Urtheils über die Wietjer auswärtige Politik nehmen.Der groß­­artige Taschenspieler-Apparat,durch welchen der Sechzig-Muilliotjen-Kredit entlockt wurde,arbeitete ja nicht nur mit Worten und Phrasen,entfesselte nicht MIV einen gewaltigen­,natürlich nicht ernst gemeinten Zeitunggsturm zwischen Wien und St. Petersburg,sondern bestand auch in militärischen Maßnahmen und schuf dauernde Werke.In einer Monarchie,in welcher Truppendislozirt 1111 dScha11­­zen gebaut werden, um die Parlamente irre zu führen, ist der mißtrauische Unglaube gegen jedes ministerielle Wort und wider jede, nicht­ für alle Zukunft bindende politische, diplomatische, militä­­iiche Maßnahm­e der regierenden Männer die oberste und heiligste Pflicht der Volfsvertretung. Trauung. Daß dem fo it, aber nach Allen, was geschehen, kann es nicht anders sein amd, vorläufig nicht anders werden. Denn das ist eben der­ schwerste Fehler. Der Wiener Bolitif,­ daß sie sich in ein Gewebe von Zistionen verwidelt hat, in welchem zu beharren und aus welchem zur Wahrhaftigkeit und Ehrlich­­keit umzufehren gleich gefährlich is. Die Frage, von deren Beantwortung die Haltung des Reichs­­tages und der Delegirten gegenüber von Mini­­sterien abhängig ist: „Was soll mit 80 8- nien geschehen?” kann und wird von den manch gegenwärtigen gemeinsamen und ungarischen Mi­­nistern unter seiner Bedingung aufrichtig beant­­wortet werden. Das Eingeständniß Der beabsichtig­­ten Am­erion würde nur nur einen zerschmettern­­den parlamentarischen Sturm entweffeln, sondern auch auf unsere Beziehungen zu einen Theile Eu­­ropa’s schädlich einwirken. Ansprüchlich haben Schu­­waloff, Waddington, Gorti und Beacon­field, und soeben noch hat Gairoli in Bavia der Ossupation Bosniens­­ einen temporären Charakter vindizirt. Freilich bietet nun Heute ein italienisches Blatt, die „Opinione”, Bosnien und die Herzegowina auf dem P­räsentivteller an — unter der Bedingung einer Grenzberichtigung im Südwesten der Mon­­archie.. Die offene Annexion kann nur erklärt wer­­den unter der Gefahr eines Krieges Oesterreich­­Ungarns gegen mehrere Großmächte. Die Geltend­­machung des Eroberungsrechtes ist ausgeschlossen dadurch, daß sein offener Krieg gegen die Pforte geführt it und Die Gegner unserer Truppen als Insurgenten bezeichnet wurden. Andererseits kann Niemand, der für Ehre, Ansehen und Sicherheit der Monarchie fühlt, Die sofortige Beendigung der Ossupation ohne gleichzeitige Sicherung durch Breittempen ,Reformen und Dex Wohnung, in „Bosnien mittelst Berträge fordern. Die waffenlosen Mohamedaner wären nach dem bedingungslos erfolgenden Nachzuge unserer Truppen der Abschlachtung preisgegeben, und serbische und m­antenegrinische A Intriguen hat­ten freies Spiel. Und all der einzige­ ehren- und vortheilhafte Ausweg aus der Sadgalfe­it durch­ die ungeschickte Iafzenirung und nicht immer tadel­­freie Ausführung der Ossupation versperrt. Ein direkter Vertrag mit der Pforte, welcher unterer Monarchie das Recht ohne die Pflicht der Garni­­sonirung in Bosnien, womit die Möglichkeit zum Einschreiten, „gegen­ serbische und montenegrinische Mahlereien und Invasionen und zugleich die Ober­­aufsicht über die auszuführenden Reformen und die Verwaltung gesichert hätte, wie England fest solche Vormundschaft über die asiatische Türkei erlangt hat: ein solcher Vertrag hätte uns alle von der Ossupation fälschlich verheigenen Vortheile ohne die bisher erforderten und noch zu leistenden Opfer ‚wirklich­ gebracht — zugleich mit Abtretung der bei­­­den Gakslaven und allenfalls auf Grenz­e an der Unna, wie ja England Cypern­­ hat. Selbst im gegenwärtigen Momente würk­artiger Vertrag vielleicht noch die Opfer auf,w welche die Ossupation erheicht hat; aber ichluß eines solchen Vertrags ist vorläufig­­­ordentlich erschwert, da das vergossene Blut dem an die Vendetta gewöhnten Wolfe noch Nach­zehnte lang nag Rache schreien und­ der Pfort jedes Entgegenkommen unmögii machen wird, 9­it Seitens der türkischen Staatsmänner unbesiegbar Mißtrauen in die Zusagen der jenigen leitende Männer Oesterreich-Ungarns nicht zu verargen. W­ie systematisch die eigene Nation getäuscht hat, Andrasiy und Tiba es gethan haben, findet an im Auslande nur den, allerbescheidensten Glaube Das auswärtige Amt hat in seiner orientalischen­ Politik den geraden Weg verschmäht und die Schleich­­und Schmuggelwege vorgezogen; es hat, als die rusische Schlange zum Einbeißen in den bosnischen Apfel einlud, nicht zugebissen, aber auf den Moment gelauert, da die überreife Frucht vom Baume fallen­ würde; es hat nicht auf die Annerion verzid aber auch nicht offen die Annerion erstrebt, sondern­ flieh­t dieser auf frommen Pfaden zu. Für diese Politik gibt es keine Umkehr zur Wahrheit mehr; sie muß sie selbst tödten oder noch ein kurzes Dar sein durch Fortspinnen der bisherigen Täuschung­ erlaufen. Weder Andrasiy, noch Tiba werden ei unummwundene Antwort auf die Frage nach die zukünftigen Schicjat Bosniens geben. Alles, w bezüglich der offupirten Provinz verordnet­ wird, er­ hält einen provisorischen Charakter. Philippovies geht provisorisch nach Prag zurück, ein Theil der Ofsupationstruppen wird provisorisch beurlaubt ode in flavonische Garnisonen verlegt, das, die Verwaltungsstatut und­­ die Bermaltungstommis werden provisorischer Natur sein. So wird dem seine Hoffnung auf eine Wendung zum Befreien mi der Wurzel vernichtet, seine Beflichtung völlig rechtfertigt; ein Zustand der Ungewißheit wird er­zeugt, der das patriotische Gewissen in fortwährender­­ Bel­emmung erhält, die Kraft des parlamentarischen Widerstandes dar Bedenken lähmt, jedem zwei­­deutigen Ministerworte die Möglichkeit läßt, sich im das Herz der zügelnden Deputirten einzuschmeiche ein Zustend, wie er während der­ legten Sef­om — ar ne ae Wiener Brief. Original-Feuileton des , Newen Pester Fomnat"a­ m 18. Oktober. Unsere ganze aristokratische Melt trauert — der alte Reisbach liegt im Sterben. 39 will gerade nicht die abgepnroschene Phrase­ auf ihn anwenden, daß ein Stüc Alt-Wien mit ihm zu Grabe getragen werden wird. Denn zu einer eigentlichen Popularität hat es Der greise General nie gebracht, hat auch niemals nach einer solchen bürgerlichen Anerkennung gestrebt. Sig­­mund Baron Neu­hah war das Urbild eines enragir­­ten Anhänger des ancien regime, das­ Protot­yp eines Soldaten, Der sein anderes Gejech­tenn:, als das der Disziplin und des unbedingtesten­ Gehorsams, ein Hofmarschall Kalb in militrischer Uniform. Er war in der Hofgunst aufgewachhen, schon im 28. Jahre als Hauptmann der Kaiser-Infanterie wurde er zum Dienst­­kämmerer ernannt und­ seitdem fortwährend zu be­­sonders vertrauenswürdigen Missionen und Repräsen­­­tationen des Hofes verwendet. Darum ist er keineswegs jenen militärischen Würdenträgern beizuzählen, die ihre Beförderungen in den Antihambres des Hofes oder am Kanzleitn­de des Sr­egaministerium­s abgesessen haben. Im Gegentheile, er hat sich die meisten Grade und vor Allem sein Theres­ienkreuz, auf das er nicht wenig stols war, in offener Feldschlacht geholt und überall Beweise eines geradezu tollkühnen Dinb­es gegeben. Bei Montanaro erbeutete er 1848 an der Epige seines Je­güments (Vrohasfe) dreigahnen und wurde bei dieser Waffenthat schwer verwundet. 1849 erhielt er eine Brigade in Ungarn und blieb noch nach Bilágos längere Zeit in Temesvár und Veit­stationirt. Zu Ende der Fünf­­ziger-Sjahre­ kam er nach Wien und gehörte seitd­em zu den typischen Figuren Der Residenz. So lange er sich aufrechthalten konnte, erschien er in Uniform und bei Soireen und an Festtagen über und über bedect mit Didenzsternen, die er auf­ seinen vielen, offiziellen Reisen zu Negenten eingeheimst hatte. Er war einer groben Anzahl von Wotentaten während ihrer An­ den Händen seines Privatdieners und führte ihn in den Saal. Da er regelmäßig nach Beginn der Borz­stellung Fam, so überraschte sein Erscheinen um so mehr, als er fürmlic, zudweife und mehr auf den gübpen rutjghend als gehend seinem Site zugeicht wurde. Nach je fünf Schritten blieb er stehen , musterte die Gesellsschaft in den Logen; er mußte fr vor Allem vergewissern, ob Fürst Hohenlohe, die Fü­rtin Metternich, Graf Festetics anwesend seien, um b Besuche zu fiiiren, die er während den 3wijdern abzumachen hatte. Nach ungefähr fünf Minuten seinem Site angelangt, blieb er stehen und nun gann eine langwierige Operation, Die die Habitue’s ‚nicht mehr störte, auf die Fremden aber ungemein­­ tomisch wirkte. Beugen konnte sich der alte Herr nicht Iwesenheit in Wien offiziell beigegeben, wurde anz ‚mäßlich der Thronbesteigung der Königin Victoria nac­ 'Zondon, bei Gelegenheit der Vermählung des sebigen euglischen Kaisers nach Betersburg geschidt und fungirte stett nem Jahre 1866 bis vor drei Jahren als „zuge­ itheilt", bei dem Exkönig Georg von Hannover.­­Neu­hach war unverheirathet, da er mit 20 Jahren in "Den Sohammiter-Orden aufgenommen wurde; außerdem vertrat er längere Zeit als Gesandter den Malteser- Orden, dessen Großkreuz er gleichfalls trug. — Der­­ Sesellschaft von Wien war er unentbehrlich geworden ‚und Darum war der General mit dem silberwerken Stopfe überall zu finden, auf jedem Ball, auf jeder Boi­ke ‚und bei allen Hochzeiten. Er war der unvermeidliche­­ Bierzehnte, wenn Dreizehn Thon zum Diner geladen­­ waren; er war förmlich der prädestinirte Strajmann­­ mehr und in seinen Git förmlich hineinfallen durfte beim Whist geworden und es gibt Fürstinen und man ihn nicht lassen — es fand also mit Hilfe des­­ Gräfinen genug, deren regelmäßige Bartie Durch den Abmarsch des Generals Reihah für immer gestört­e­. Mit welcher Selbstgefälligkeit wußte er über die ‚intimsten Vorgänge der Confissen, über Die sensationellsten ‚ Ereignisse der Referenz Aufschluß zu geben und mit welchem naiven Humor verstand er es. Die urältesten | Anem­oten zu erzählen und — sie jeden Abend denselben | Personen wieder zu erzählen ?! Kenihah war ein Haz­bitué der Theater, in der Oper wenigstens, in Der Se. Majestät ihm einen „lebenslänglichen Edfis“ zur Verfügung gestellt hatte, fehlte er nie. Ballet, Meyer­­­beer, Weber, Glud, ja, selbst Wagner bedachte er mit gleicher Theilnahme und sein Exrlpeinen im Hause war besonders im Sommer für die zahlreichen Freu­­den geradezu ein Ereigniß. Der arme General war nämlich arg von der­ Gicht geplagt und hierdurch steif geworden und hatte deshalb seit längerer Zeit schon die Uniform abgelegt und Gimillleivung angezogen. Seine militärische Accuratefse bewährte sic auch bei­­ diesen Umzüge, und er erfgien stets „wie aus dem Schachterl” herausgepust, in Lachstiefeln, scmwarzem­­ Frad, weißer Kravate und dem­ zugeklappten Geiden-­­ claque. Ein Billeteur übernahm ihn am Eingange aus Billeteurs eine langsame Zusammenlegung des Generals statt, der endlich, wenn ein gewisser Winkel erreicht war, wie ein Federmesser kappte. Für die Vorstellungen auf der Bi selbst hatte er zulegt wenig Iteresse, die viele Arien Berdi’s und das ohrenzerreißende Lärmen ner’scher Mufif wirkten gleichmäßig einschläfernd ihn und aus dem 1. fügen Schlummer wehte ihn­e das Tallen des Vorhanges. Dann erhob er sich wie­­der unter Beihilfe des stets bereiten Schaufsperrers und rutschte bis zur ersten Bank, um mit seinem alten Freunde, dem früheren Intendanten Grafen Wrbng, einige Worte zu wechseln. War dies abgethan, ließ er sich von Zoge zu Loge führen, kehrte nach einiger Zeit auf seinen Frauteuil zurük und verließ um halb zehn Uhr unter denselben Formalitäten, wie er eingetreten, das Haus. Seine Loyalität, seine geradezu rühre Anhängli­­eit an das Kaiserhaus waren zu allen ten über jeden Zweifel erhaben... Alte Prophezeiungen über den Niedergang de Theater und Die in geradezu erschredender Weise ver­schwindende Theaterluft sind angesichts der idatjadis­­­hen Verhältnisse, wie wir sie eben erleben, zu © MBE Die heutige Nummer unricht atz zehn Seiten. "IR

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