Oedenburger Zeitung, 1877. Mai (Jahrgang 10, nr. 52-64)

1877-05-23 / nr. 61

gleichst­erlagen bei der Wiener Regierung auf eine­ zahl­­­reiche Unterstützung der dortigen Majorität rechnen dürfen.Gleichwohl wird hossentlich doch die Sportunis­tät über die Gefühlspolitid den Sieg erringen und eine Verständigung ermöglichen. Es stellt sich mithim imroßen Ganzen günstig für den Handel und die Industre,bedenklich jedoch für den Credit und die Valutaverhältniße.Darum gilt es weniger durch Aufnahme eines Ansehens——wie solches beabsichtigt ist—unseren Lebensnerv zu stärken,als vielmehr dasseldwirthschaftlicher Thätigkeit mit einem großen moralischen spfluge umzuackern Es wird schwerhalten bei der jetzigen verwickelten Situation,herbeigeführt durch die in ihremcinde uns absehbaren Kriege im Orient, die ungarische Goldrente auf den ungarischen Markt zu bringen. 68 ist also an uns so raidh mie möglich dem Brande an unseren Grenzen Einhalt zu thun, das aber kann nur geschehen, wenn wir gegen die Brandstifter Front machen und den Türken leb­en ,helfen; dann erst werden wir wieder und finanziell ordnen und der Unterbindung vor« beugen können, welche Rußland bei unsern Adern ver­­sucht, dann erst wird wieder frische Kraft unterm staatl­ichen Organismus zuströmen vom Lebensnerv. Es werde mit! Für die moslowitiischen Welterlöser sind Tage der Trübsal angebrochen. Sie erleben eine Niederlage nach der anderen, und zwar Niederlagen, die fs nicht wie­­der gut machen lassen. 8 handelt fs hier nicht etwa um das Unglück ihrer Waffen, sondern um Verdam­­mungsurtheile, die Europa über das beispiellos freche und beutlernsde Treiben Ruhlands fällt. Vergeben rühren die Freunde des ruflischen Des­­potismus die Werbetrommel. Mit Abscheu wenden si­che Belfer von einer Politik ab, derer leitende Gedan­­ken Treubruch, Gewaltthätigkeit und Unterdrückung sind. Mit großer Stimmenmehrheit verwarf das englis­he Unterhaus die raffenfreundlichen Anträge des Ch ven-Kojaten Gladstone’s, der sich in seiner Wutlic Bes geisterung zu den Worten Hinteien ließ: „Ich wäre entzüdt, Rußland stark zu sehen.“ Eine folge Gekläs­zung kennzeichnet den Dann, er ist fortan dem Sluche der Lächerlichkeit verfallen. Der Beschluß des englischen Unterhauses bringt Licht in die Oriente Angelegenheit. Er klärt die Sach­­lage und bereitet wichtige Ereignisse vor. Denn die englische Regierung wird sich, gestüßt auf das ihr von der Nation ertheilte V­ertrauensvotum, nur auf jene macht- und marklose Neutralität bek­yranzen, die der russischen Ländergier freien Spielraum läßt, sondern naben den Gefahren zuvorkommen und in den Arm Nuslands fallen, wo ehe derselbe Konstantinopel oder den Seeweg nach Indien bedrohe. Im englischen Oberhause kam es gleichfalls zu einer rafsenfeindlichen Kundgebung. Lord Derby nannte daselbst Rußland den Urheber des regigen Krieges. E­benso bemerkenswerth ist desselben Lords Derby Antwort auf die Anfrage bezüglich der Aufhebung des seit 1856 zwischen England, Branfreich und Oesterreich bestehenden Spezialvertrages, der jedes kriegerische Vor­­gehen Rußlands gegen die Türkei als Anlaß zum uns mittelbaren Einschreiten der Vertrags­ Mächte bezeichnet. Die Nichtberücksichtigung dieses Gepar­tvertrages ber­gründete Derby nun nicht mit Englands Abneigung gegen eine solche Aktion nicht mit Branfreihs Gleich­gültigkeit, sondern schlechtweg mit „der Lage Oesterreiche Ungarns, welche neuerlich eine foldge geworden, dab­ei in den Krieg verwidelt werden k­önne.“ Graf Derby sieht die Lage Desterreichs als eine bedenkliche an, der sorgt für unseren Staat Kriegsverwidlungen und fol­ert daraus, dab­ei für Desterreich-Ungarn vortheilhaft Mi Alitirte zu finden. Man sieht, daßs der fremdländische Diplomat die Lage richtig beurtheilt. Leider kann dasselbe nicht auch von unseren Staatsmännern gejagt werden! Ihre Orientpolitik ist von des Zweifels Bläffe angekränzelt, ihr ewiges Schwanken schädigt Oesterreichs Interessen. Statt offen zu reden, hüllen sie sich in ein geheimniß« war ftete glückich, wenn wieder einmal ein Tag ver» ging, an welchen er irgend eine haarsträubende Ber­wegenheit auszuführen Gelegenheit hatte. Was den alten Plogojowits anbelangt, so war er in beständiger Thätigkeit und Arbeit, aber Niemand in ihn seit jenem schredlichen Abend mehr lachen ger­eden. Die Zeit verging ziemlich angenehm auf den Gütern der Gräfin, jeder trug durch sinnreiches Ein­­wirfen dazu bei, den sonst einfärmigen Aufenthalt so angenehm als möglich zu machen. Den ganzen Tag wurde in den großen Wäldern gejagt, es war ein prachtvoller Aufenthalt unter diesen Röhren und Tannen, ein entzüdender Beinbiid auf diesen Bergesgipfeln, von welchen man eine weite, weite Einsicht ins Land genos. Die bereits etwas faiten Abende gestatteten seinen Auf­­enthalt im Freien, dafür versammelte man sich im großen Saale des Schlosses zum Spiel und zur Mufik, aber die Stunden waren auch die Schwierigsten um sie in genügender Weise auszufüllen. (Bortfegung folgt.) volles Schweigen oder verfhangen ‚fi hinter Somper tenzeBebenten. Und doch muß Desterreichel­ngarn entschieden und offen gegen Rußland Stellung nehmen. Nun, nachdem an Italien entschieden für En­­glands Politik si erklärt hat, nachdem Ungarn offen auf türkischer Seite steht, dürfte er auch in den Köpfen unserer Diplomatie Licht werden und sie offen sich aussprechen was unserem Lande frommt. Totales: * Dersonalangelegenheiten. Der beim legten MaisUvancement zum Major vorgerückte f. f. Hauptmann des 50. Infanterieregimentes „Sroichers 30g v. Baden“ Herr Philipp Sarlai de eadem et Hatne ist aus Wien hier eingetroffen und hat das Commando des 1. Battaillons des genannten Regimen­­tes übernommen. « «Das Concert der Theatermitglied der unserer letzten deutschen Bühnensaison,nämlich der Herre­n ABtackl,Januschke,Schiemer, und Weitz konnte der nöthigen Vorbereitun­­gn wegen,welche auf allerlei Hindernisse stießen nicht bereits gestern Dienstag abgehalten werden,sondern wird erst heute Mittwoch—Be­­ginn AbendsIt­ht—und zwar in der Turns­halle,statt im städt.Theater stattfinden,da auch gegen die Wahl dieses letzteren Ortes­ des Thea­­ters—nicht zu überwinden gewesene Abhaltungen eingetreten sind.Ob nun aber Turnhalle oder Theater, jedesfalls verdient das Concert die regste Theilnahme der Kunstfreunde Oedenburgs, weil Die produzirenden Darsteler und das von uns bereits in voriger Nummer angegebene Programm eben so viel Genußvolles als Abwechselndes biethet, indem die Herren Arrangeure von dem Grundlage Göthes sich leiten ließen: „Wer vieles bringt, wird Allen Etwas bringen“. “Neuhofmusil. Ven morgen Donner­stag ab, wird unsere Militärkapelle — so lange wir uns noch ihres Hierbleibend zu erfreuen haben — in unserem jegt wahrhaft herrlichen Neuhofparle an jedem Donnerstage Nachmittags Spielen. An jedem Breitag findet musikalischer Rapfenstreich mit den obligaten ee bei den Spipen der biesigen Gesellschaft att. ”* Der biesige ung. Berein für Lite­ratur und Kunst, veranstaltet Samstag den 26. Mai in der Börsenhalle (Casino - Gebäude) eine „literas­risch musikalische Akademie“ deren Beginn Abends auf 1­8 Uhr festgelegt ist, das Programm wird beim Ein­­tritt vertheilt. *"Warum noch immer feine geregel­te Staatspolizei. Heute haben wir wieder einen ebenso erlatanten ald betrübenden Ball zu registriren woraus zu entnehmen, in welch’ bedauerlichem Zustande und mie unzureichend unsere Staate« oder Comie­ratspolizei nach fast 10jährigem Bestande sich noch immer befindet. Nebersdorf liegt eine Y­. Stunde Weges von der Poststrasse (nächst Warnsdorf) entfernt, und ist daselbst der Herr Graf Ludwig Nipsy auf seinem Schoffe lebhaft. Wie und (vorläufig nicht offiziell, s­ondern privatim) mitgetheilt wird drang am Pfingstsonntage zwischen 8 und 9 Uhr Abends eine Bande von 10 bi 12 Bewaffneten mit räuberi­schen Absichten im fein Kastell und übers fielen den Grafen, sowie seine Dienerschaft. Der Graf wurde gewürgt, erhielt einen Streikh und einen Stich mittelst blanter Waffe und einer der Diener wurde von den­­ Räubern sogar in die Senfgrube geworfen. Hierauf suchten die Angreifer das Schloß zu berauben. Ein anderer Diener war aber inzwischen auf den Kas­­tellthurm gestiegen, auf welchem sich eine Wiede be­­findet und um dieser läutete er so lang Sturm, bis Bauern herbeiströmten und die Räuber vertrieben. Es sollen die Lepteren bereits ermittelt und erfannt worden sein, daß es des Herrn Grafen eigene Arbeiter waren, welche den Naubzug unternommen haben. Der Graf ist nicht bedenklich verlegt. Wir wollen aber, nach er­­haltenen genaueren, weil amtlichen Informationen den eigentlichen Zhatbestand unsern geehrten Lesern recht­­zeitig vorlegen. Für heute sei und noch die Bemer­­kung gestattet, daß bei geregelter Staatspolizei fol’ ein Masfenangriff auf ein Schloß und dessen Insaßen­raum versucht worden wäre. 68 ist erklärlich, daß bei einem auf circa 500 Meilen ausgedehnten Flächenraum wo über 190.000 Menschen wohnen, ein Sicherheits­­korps von so geringer Anzahl Köpfen, wie «8 eben in unseren Somitaten besteht, nicht viel erreichen könne. Wir sehen e8 hier in unserer Stadt, wo 30 Männer, welche den städt. Sicherheitsdienst versehen sollen, kaum damit zu Stande kommen, freilich sind noch immer 8 davon beständig bei den Mauththören zum Herumkuie­gern kommandirt und so mehr oder minder dem eigent­­lichen Sicherheitsdienste entzogen. Allein selbst wenn Alle diesen Dienst besorgen werden, wird ihre Zahl wo immer den Anforderungen schwer genügen können. Um wie viel schwieriger ist es draußen am flachen Lande, wenn der Leute nicht genug vorhanden sind; darum petitioniren wir wieder, wie s­chen so oft um Staatspolizei. Besonders empfehlen wir eine entspre­­chende Regelung des Sicherheitsdienstes auf dem Lande unsern deren Abgeordneten, welche so viel Mühe und Zeit finden, und die vielerlei Gattungen von Steuern aufzuladen. Mögen sie doch endlich auf die Einfüh­­­­Die Seuche sind bis 6. Juni rang eines gehörigen Scuches des Cigenthbumes der Bürger denken, wenn­­ dieses Legtere so vielfach schon belastet werden muß. * Die öffentlichen Prüfungen von der gewerblichen Fortbildungsschule werden im Gebäude der Ober-Realschule am 27. Mai 1877 u. zw. in der­­ Vorbereitungsklasse Vormittag von 8—10 Uhr und im I. technischen Jahrgange von 10—12 Uhr abgehalten, wozu die Mitglieder des Vereines zur­­­erbreitung des ewerblichen Sachunterrichtes, so wie überhaupt alle Feunde des Unterrichtswesens höflichst eingeladen werden. * Das erste Majalid in der gegenwärtigen Saison veranstalten die Angehörigen der hiesigen evan­­gelischen Schulen am 30. Mai. Der Ausflug geht um 6 Uhr früh mit Musikbegleitung zum „Studentenbrun­­nen“ allwo Mittagsrast gehalten wird und wobei ver­schiedene musikalische und deflamatorische Piecen zum Vortrage gelangen. Um 2 Uhr Nachmittags erfolgt Aufbruch und Abgang nach dem Gasthofgarten zum „König von Ungarn“ wo das Z Tanztränzchen beginnt. Erledigte Stellen. Die Sicerheits­­commissärsstele in Steinamanger, mit 700 fl. Gehalt, ist zu belegen. Die Gesuche sind bis 5. Juni 1, 3. beim Heren Obergespan Tatläts in Steinam­­anger einzureichen. Die Postmeisterstelle in Lovappatona ist in Erledigung gekommen. 1. 3. der Postdirektion in Oedenburg zu unterbreiten. * Getäuschte Hoffnungen. Don allen Ruhen und Beitragen des Stalenders sind Weihnachten und Pfingsten unbestritten die sehnsachtsvollt er­­warteten. Sie zeichnen si durch eine gewisse fromme Heiterkeit aus und haben die schöne Absicht, die Herzen von Groß und Klein mit dem reinsten Wonnegefühl zu erfüllen. Sie erinnern an sein Martyrikum, an sein Wundmal der Duldung, wie manch anderes­christliches et, sondern beide an die Geburt des Herr­lichen. Weihnachten rufen uns zur freudigen Gintehr beim Herzenflimmer in die Traulichkeit, des häuslichen Herdes; Pfingsten dagegen befehligen uns hinaus an die göttliche Sonne. Was sich saftig und duftig grür­zend unter den Deliden der neubelebten Menschheit zeigt, ist Schönes, junges, frisches, volles Leben und­­ läßt die Pulte höher schlagen im Herzen der Natur« freunde. Aber theuer — Gott, wie viel getäuschte Hoffnungen haben die Pfingstfeiertage auf dem Gewissen! — Regen, Kälte, Sturm, vereitelte die M­ünche der Sommerausflugd- Kandidaten und machte die Hoffnungen der Wirthe, Fraser u. dgl. zu Wasser. So hätte man z. B. nach Raab und allen Zwischen­­stationen von hier bis dahin, gegen eine 50 °, Fahre­preisermäßigung fahren können. Man hätte den male­­risch fituirten, reizenden Badeort Wolf, in unserer nächsten Nähe, mittelst Separatzug und sehr geringen Kosten erreicht. Aus alledem wurde nichts, denn die Bahndirektion unterließ, mit Hinblick auf die unfreund­­liche Witterung, diese D Verkehrsbegünstigungen. Eben­­sowenig vermochten unsere Sangesbrüder den projek­tre­­irten Ausflug nach dem Börsterhaufe am Wari­d zu unternehmen, denn die Temperatur erhob ein rauhes Veto dagegen, und die sonst üblichen auswärtigen Säfte, welche zur Pfingstzeit gern unter freundliches Dedenburg besuchen, blieben balch daheim und bauch­­ten in ihre Winterfleider gehüllt auf die frostgerötheten Hände a: „mit dem Scidjale. Mächten ist fein sicherer Bund zu flechten und die Wirthe schimpfen jehr*. * Meber den Herrn Regimentdinha­ber des hier stationirten Regimentes, weiß das „Bremdenblatt" nachstehendes bübisches Geschichtchen zu erzählen. Von der Sovialität des Großherzogs von Baden gibt folgender Vorfall einen Beleg, der bei der jüngsten Anwesenheit seines Schwiegervater, ded Shair jerd Wilhelm, passirte. Nach dem Diner hatte bei „Räumung“ der Tafel ein Lafai, vorschriftsmäßig mit weißer MWefte versehen, in einen Rest Rothwein fein­ster Sorte zu Gemüthe geführt. Der Hofmeister hatte jedoch strengen Befehl gegeben, das Niemand an den DWeinresten rühre. Als Beträther bei dem alten Lalai machten sich indes mehrere Nothweinflede auf der weißen Weste sichtbar. Der unnachsichtige Haushofmei­­ster kündigte dem alten Diener seine vorläufige Sup­­pendirung vom Amt an. Lepterer stand betrübt auf dem Korridor, als der Großherzog zufällig des Weges kam. „Run, Stefan, weshalb so betrübt ?“ Der Uns glückliche gestand sein verzeihliches Vergehen. Der jovie ale Herr schlug ein helles Gelächter an. Zur­ Strafe tragt ihr künftig, vom Haushofmeister bis zum legten Bedienten, bei der Tafel Alle rothe Welten. Da sind weder die Weihweine noch die Rothweinflede zu sehen. Stefan, Ihre Amtd-Subpension ist beendet. Halten Sie sich künftig mehr an den Weißwein, der schmedt augenblicklich sehr schön.“ * Aufruf an die Anhänger der Gabelsberger-Marlovich-Stenographen- Schule. Der Geselligkeitsklub des Budapester ungaris­chen Stenographen» Vereines ersucht sammtliche in» und ausländische Anhänger und Gönner des Gabelsberger- Markovich-Systems, sie mögen gelegentlich der am 2. Juni d. h. stattfindenden Marklovics- Feier ihren Sympathien für den Begründer der Schule und ihrer Anhängligk­eit an das gemeinschaftliche System: in einigen sehlcchten Worten Ausdruck verleihen, damit die ganze Schule als solche ihre Dankbarkeit dem Meister zu erfennen gebe und zugleich ihre selbstbemußte

Next