Oedenburger Zeitung, 1878. November (Jahrgang 11, nr. 131-143)

1878-11-22 / nr. 140

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R die zweispaltige, 15 fr. für die dreispaltige und 20 fr, fü­r die durchlaufende Wetitzeile in­­klusive der Stempelgebühr von 30 fr. Auskünfte in allen Richtungen werden bereitwilligst erthellt. « „Was wolltest Du mit dem Dolce, sprich 2!“ Als unsere vorige Nummer bereits geseßt war erhielten wir folgende, aus Neapel vom 18. Novem­­ber datirte, erschütternde Mittheilung : Der König H­umbert von Italien und befsen Ger­mahlin die Königin sind um 2­­, Uhr hier eingetroffen und wurden von den Behörden, zahlreichen Vereinen und einer ungebruren Menschenmenge mit frenetischen Zurufen bes­prüßt. In der Via Carbonara, während mehrere Individuen dem Herrsgerpaare Petitionen überreichten, zog ein Indivi­­duum ein Messer, stürzte ss auf den König und gelang es ihm, dem Könige auf dem linken Arme eine Schramme beizubringen und Minister Catroli am linken Schenkel zu verwunden. Der König zog faltblütig den Säbel und hiebt mit demselben gegen den Kopf des Mörders, während ihn Gairoli bei den Haaren fachte und er von einem Karaffierkapitän verwundet wurde, der ihn den Wachen überlieferte. Die That erfolgte­ mit einer solchen Rashheit, das selbst in den, dem Königlichen zunächst gestandenen Wagen Nichts bemerkt wurde. Die Königin und der Prinz von Neapel befanden sich in demselben Wagen und zeigten großen Muth. Dem königlichen Zuge wurden fortwährende Ovationen dargebracht. Nach dem Eintreffen der Majestäten im Palaid zeigten si dieselben auf dem Balkon der Menge, die sie enthusiastisch afflami­te. Der Mörder heißt Giovanni Parfamente, ist Ko, 29 Jahre alt, auch der Provinz Potenza. Derselbe erklärt, keiner Gesellshaft anzugehören, er wolle jedoch seine Könige, da er als Armer von seinen Herren immer mißhandelt wurde. “Dem Haupte der Könige drohen alle allenthalben &er­fahren. Den Attentaten auf den deutschen Kaiser folgte das Attentat auf den Spanischen König, und nun ist auch Italien der Schauplan eines mörderischen Angriffes auf das Staatsoberhaupt geworden. Das Vort Italiens erschöpft sich freilich heute in glänzenden Demonstratio­­nen für seinen König. Insbesondere ist Rom gegen­­wärtig der Schauplan enthusiastischer Ovationen für den Re und der Wilbe nimmt heute die Zeichen begeisterter Liebe und folglicher Theilnahme von Seite seined BVols fe entgegen, dad mit richtigem Zarte die glückliche Abs­wehr eines feigen Mordangriffes zu feiern weiß, den eine ruchlose Hand auf den König Italiens wagte. Ein Parlamente muhte aber noch vorher kommen um dem verruc­hten Geschlechte der Hödel, Nobiling und Moncafi mit seiner niederzüch­tigen That zu einem fluh­mwürdigen Zuwachs zu verhel­­fen. Wa 8 hat denn wohl diesem neuen Attentäter den Dolch zum Königsmorde in die Hand gedrüdt? Wir stehen vor einem unlösbaren Räthsel, zum vierten Male in einem Jahre durcheilt der elektrische Funke die zivilisiche Welt um die Alarmbotschaft von einem blutgierigen Angriff auf einen Purpurträger den entich­­ten Nationen zu überbringen. Kaum, daß sich der greise deutsche Monarch von den ihm, von rucloser Mörder­­band geschlagenen Wunden erholt hat, durchzittert Schon wieder die Luft die friedensvolle Kunde vom Angriffe auf das Leben des harmlosen, jugendlichen Regenten von Spanien und nun ist er zulegt der hochherzige, von seinen Unterthanen vergatterte König Humbert von Italien, der mit genauer Noth und nur dadurch dem Messerstiche eines wahnbeh­örten Meuchler’­ entging, weil der Minister Gatroli mit seiner eigenen Brust, die seines gliebten Königs gedeckt hat. Mir stehen wirflich angesichts eines s­chwer zu ers­tathenden Räthsels. Es liegt etwas Dunkles, Unauf­­geflärtes, ntregendvoled in dieser. Attentat Epidemie, welche in allen Theilen Europas graffkrt Kup deren Mrfadhe und Ziel sich jeder Erklärung ent­­zieht. Besonders aber das Haupt des jegigen Bes­cherrscherd von Italien, ded würdigen Erben, des so populär gewesenen Mannes, dem die lange vergeblich ersehnte Vereinigung von Italien endlich gelungen ist, solte seinem Bolfe heilig und geweiht sein und in der That selten noch zeigte eine Nation ihrem Landesvater so viel Sympathieen als die Weichen dem Sohne des „Re­galant­­hromo.“ König Humbert von Italien ist aber au einer der liberalsten Monarchen Europas, seine Ver­­gangenheit ist ein weißes Blatt. Was hat dieser junge Monarch verbrochen, um zur Bierscheibe eines Attentats erforen zu werden ? It er ein Tyrann, ein Bebrüder seines Volkes ? Nein ! Bedroht er die Freiheit, die V­er­­fassung, die bürgerlichen Rechte seiner Unterthanen? Niemand ann ed behaupten! König Humbert hat bisher das Testament seines edlen V­aters noch nicht gebrochen, er verräth fichtli das Bestreben, als ein Bolfsfürst im besten Sinne des Wortes zu regieren. Wer war der nächte Zeuge, der „Blutzeuge” des Vers brechend, wer ja neben dem König im Wagen, als das Attentat stattfand ? Ein Minister, der im ganz Italien als starrer Republikaner bekannt ist, und den der König trogdem in den Rath der Krone berief, weil das Parlament, die constitutionelle Entscheidung, die verlangte. Und solche Könige sollen den Dolch der Mörder herausfordern ? Feinde des Königthumes werden si das Räthfel der vielen Angriffe auf das Leben der Landesfürsten mit der tiefgehenden Verstimmung der Nationen über das im Bolfe heute ziemlich allgemein berrfhende Elend erklären. Man wird sagen die Könige verbrauchen auf ihren Haushalt und insbesondere für ihre Armeen viel Geld, die Staat Pfaffen müssen immer und immer wieder mit dem im Schweiße bed Ungefichted sauer ver­­dienten Steuergulden der Maffen gefüllt werden und in der That die stete Kriegsbereitschaft, die in unserem Welttheile die denkbar höchste Stufe der Vervollkomme­nung gewonnen hat, welche den Bleiß der Völker ab» forbirt und ihren Wohlstand verschlingt, hat Zustände und Verhältnisse geschaffen, welche den Menschenfreund mit tiefer Trauer erfüllen müssen. Wir feben es bei und in Defterreihe Ungarn, wie die Kriegsbereitschaft die materielle Wohlfahrt der Völker tief untergräbt, wie sie Jahr für Jahr Unsummen verschlingt, während der Panflavismus immer größere Steife zieht und der finanzielle Bankerott immer näher räht. In Deutsch­­land, wo es auch eine starre Welterwölkerung gibt, hat das Elend der unteren Vollschichten, die Berbitterung der Arbeitertreife und die unverdiente Armut, Millio­­nen dem Sozialismus In die Arme getrieben, aber so radikal auch deren Grundjäpe sind, das Motiv der Berliner Attentate ist nicht in ihm, sondern in jenen Verhältnissen zu suchen, die seine Saat zur Neife ges­pracht haben. In Deutschland, wo die Kriegsbereitschaft die böcsten Triumphe feierte, haben zuerst Könige­­mörder das tödliiche Blei nach dem gesalbten Haupte gesendet. In Italien folgt der Dolby dem Banditen je­nem fluchwürdigen Beispiele. Aber das Clend der­ ­­ ­EEE Bee Jenilleton. Der Notenschlucer, Eine Humoreske. Ich kam aus der Operette „Seanne, Seannette, Seannetton“ nach Hause. Vor dem Schlafen gehen­tete ich mich an’ Clavier und spielte aus dem Klavieraus­­zuge, den mir eine liebenswürdige Künstlerin gegen Leibgebühr in Naturalien vorgestrebt hatte, die einzel­­nen Siegen der Operette durch. Ich müßte sügen, — wollte ic behaupten, sie hätten mir gefallen. Lecoque's Ihe Rhytmen, Anklänge an Offenbach und Strauß — und als Glanznummer das Motiv eines uralten Sa­­voyardenlieded: „la cheminette haute en var"! — Ich glaube, es gibt nichts Neues mehr in der Musik. “ da Meer der Töne fängt an sich zu erschöpfen oder „ staut fi reht, und links, je weiland das rothe, damit das Judenthum trockenen Fußes durchgehen kann. Ein Komponist brandshapt den andern und jede Oper und jeder Walzer ist ein Stehbrief auf zwanzig andere, denn sie sehen sich alle so ähnlich wie ein Rauchfang­­fehrer dem andern. — Ennuyrt ging ich zu Bette und lag bald im bes­­ten Schlafe — bunte Träume tanzten im­­­ Takt an mir vorüber , die stolze Gräfin Dubarry, die meine alten genealogischen Errungenschaften über den Haufen warf, indem sie mir nac­hwies, ihre Ahnen reichten bis zur Liburla , der ritterliche Chevalier von Noce, flüch­­tend vor dem Barbier von Sevilla, der ihn mit einem geschwungenen Nasurresser verfolgte; Ludwig der XV. als Vorsigender des Böhmgerichtes im Käthehen von Heilbronn; der Prinz von Soubise, als Mifrocephale am Bord eines Schraubendampfers und tausend andere singende und tanzende Gestalten hufchten und drängten sich an mir vorüber. — « Da plötzlich,im tiefsten Schlummer,weckt mich ein ganz besonderes Geräusch.Eö hört sich an,als ob jemand Blätter aus einem Bnd­e herausreiße.Ich schlagefchlaftrunken die Augen auf und erblicke eine weiße Gestalt,welche dicht an dem Clavier steht.Zum Glück brannte noch die Nachtlampe.»Wer da?«rief ich mit dem ganzen Aufwande m einer Courage. Erschrecken Sie nicht,sagte das Gespenst,ich will Ihnen durchaus nichts zu Leidethun- Wer find Sie? Ich bin ein unglückliches Gespenst, vom Fatum verurtheilt, so lange herumzumandeln, bis ich alle Phra­­sen, die ein Componist dem Andern gestohlen hat, auf­­gezehrt habe. Allnächtlich treibe ich mich in den musi­­kalischen Archiven und Bibliotheken herum, durchstöbere alle Partituren, alle Musikstücke, ale Noten und­­ vere Ihlinge Alles, was der Eine vom Andern abgeschrieben hat. Ich wandle nıhm fon 50 Jahre, und habe seit dieser Zeit (ich führe Euch darüber) 472 Millionen Noten verschlucht. Warum, wenn ich fragen darf, hat das Schdfa Sie zu dieser Strafe verurtheilt ?­­­­Ich war, als ich noch lebte, Kapellmeister beim Theater. Zu meinem V Benefize wollte ich eine neue Oper schreiben; aber die stiefmütterliche Natur hatte mir so wenig Schaffungsgabe verliehen, daß mir nichts übrig blieb, als aus zwölf alten Partituren eine D­reizehnte zusammenzustoppeln und dieselbe für ein Bermädtr­it meiner Muse auszugeben. Ich bin gewiß nicht der einzige Kapellmeister, der died geb­ban und wenn das Soldtal so grausam wäre, jeden Mastro, der sich lie­­ber mit fremden Federn geschmüht, alle Gespenst be­­rummandeln zu lassen, gäbe es eine ganze Legion solc­her Notentreffer. Ihre einzige Nahrung besteht also aus Noten ? Leider ja ! Wenn e8 Banknoten wären, so ließe ich mir die Strafe noch gefallen, aber Musiknoten sind ein schwer verdauliches Essen. Kein Wunder ! &8 gibt Tage,­­ wo ich 5—6 Opern und Operetten-Partituren von der ersten biß zur legten Noten hinunterwürgen muß. Da­­raus können sie entnehmen, wie oft ich gezwungen bin,­­ mir den Magen zu verderben; denn jegt verschlude ich eine Arie von Donizetti, dann einen Wagner. Ihen Chor, dann ein Adagio aus der Porträtdame oder einen ganzen Alt aus den „Sladen von Sornvile" — Mol» und Dur Stüde, alles durch» einander, weil ich denke, je mehr ich am einem Tage verschludte, desto eher werde ich erlöst. So oft eine neue Oper oder Operette angekündigt wird, bekomme ih­­­­n

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