Oedenburger Zeitung, 1879. April (Jahrgang 12, nr. 40-52)
1879-04-20 / nr. 48
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Saffe.* « Husqateneesnletelazdiepetren Dassenelnämleysass Ischqnlle10.Wien,susavest.«ll.ppvelkl.Itu—.npastel2. Wiesi.seiukioschqree,t.mic«ekat«q«·s,aia. Julettlonisoesüpre Itr.suledle einspaltl8e, lotr. für die zweispaltige, 15 fr. die die dreispaltige und 20 Er, für die durchlaufende Petitzeile inklusive der Stempelgebühr von 30 fr. Auskünfte in allen Richtungen werden bereitwilligst ertheilt. Nr. 48, TEE IN. »c«:, UND-»- ·.. Außerordentliche Maßregeln, Dedenburg, 19. April 1879. Kaiser Mlexander II. von Rusland hat die Bevölkerung seines Neides, ja , was wo mehr sagen will, die ganze Welt keinen Augenblick darüber im Zweifel gelassen, in welcher Weise er die von dem „geheimen Evelativ-Comite“ an ihn mit dem Revolver in der Hand ergangene Mahnung zu berücsichtigen willens ist. Zu dem im seiner Residenz, dem Winterpalais, versammelten Würdenträgern äußerte sich der Ezar, daß er in seiner Errettung eine Aufforderung der Vorsehung erblicke, sein Leben aufürderhin dem Wohle des Vaterlandes zu weihen. Daß die vom Beherrscher aller Reuffen, für das Wohl seines Landes, als geboten erachtete drafonische Gewaltanwendung umverweilt eintreten werde, dies ist handgreiflich aus der Antwort des Monarchen auf die Glüdwünsche des Adelsmarschalls zu entnehmen. Der Kaiser versprach zwar unentwegt auf den Boden des Gefeges bleiben zu wollen, allein die Kühnheit der jüngsten Mordanfälle auf ihn und seine Oberbeamten erhenhe: „außerordentliche Maßregeln" Zunächst wird der Belagerungs-Zustand über Petersburg verhängt, dann wird die Pfesse noch mehr gefiebelt und überhaupt Alles eingeleitet werden, um mit unnahfblicher Strenge und dem Aufgebote aller nur erdenklichen Repressiv-Maßnahmen, dem, sein Gorgonenhaupt so fehredlich erhebenden „Nihilismus“ zu Xeibe zu gehen. Dies ist — so sehr e8 imnteresse der allgemeinen Menschenrechte auch bedauert werden muß — da in der That leider eine Nothwendigkeit in dem unglückeligen Reihe geworden, wo der Mord gleichsam in den Lüften hängt und unversehens Jeden zermalmt, der sich in’s Freie wagt, ohne von dem famosen „Evelativ-Comit“ einen Schug- und Freibrief in der Tasche zu haben. Wie gesagt, wir beklagen aufrichtig und perhorvesziren sogar die geplanten „außerordentlichen Mafßregeln“ aber nur im Prinzipe, wie die Dinge nie in Rußland stehen, ist es fast zur Nothwendigkeit geworden wie „Kantihuloff“, statt des Szepters , die Knute walten. zu: laffen,. und „mit der Knute! scheint. der. Ezar fest wirklich zu regieren ,entschloßen. “ Ya, selbst wenn die, Mederzeugung ‚von. der Nothwendigkeit,. die öffentlichen Rechte der Bevölkerung zu vermehren und. vielen, gerechten Ansprücen. der aufgelärten Bolfsklaffen entgegenzukommen, am, Petersburger Hofe ‚bereits Wurzel geschlagen hätte, auch ‚wenn man, daselbst Schon zur Einsicht gekommen wäre, daß gewisse Konzessionen ‚für die Dauer nicht mehr vorenthalten werden können (was eben in Rußland Teineimwegs der Fall ist), so konnte nach dem Attentate an Nachgiebigkeit nicht gedacht werden. Ein Zurückweichen des Czars und des russischen Negierungssystems vor dem Revolver ‚des geheimen Revolutiong - Tribunals würde als Schwäche gedeutet werden und eine solche darf ein absolutistisches System nie verrathen. Hier aber eben steht der Haden: „ein absolutistisches System!“ Die gefrönten Häupter wollen von diesem System nur Äußerst ungern sich trennen, wir sehen es auch an dem deutschen Kaiser, der — trogpem er seinem Weihe eine so institutionelle Berfaffung gewährleistet hat — dennoch doch Bismard jede freiheitliche Regung verfolgen läßt. Der Preusse nennt nur den Begriff: Liberalismus, die Anwendung desselben auf das praktische Leben, lassen die kaiserlich deutschen und küniglich preussischen Behörden nit zu. Die Gensdarmen Bismards werfen dem Bolfe überall Zußangeln in den Weg und wer strauchelt, den fassen sie beim Genid und heben ihn auf aber — wiel... Sogar der harmlose „Kikeriff” ist den preussischen Polizeiorganen zu freisinnig, er könnte die „Milch der frommen Denkart”‘ des preußischen Voll gerinnen wachen, also wurde an diesem dec gewiß nit radikalen Witblatte auf zwei Jahre der Eintritt in das Neich der „Gottesfurcht und frommen Sitte” untersagt; nun, unser gefrägter Freund Dr. 3. Berg wird sichoffentlich nicht allzusehr zu Herzen nehmen, diese „augerordentliche Maßregel“. Es wird in Deutschland indes nicht viel nügen, wenn daselbst nach dem Beispiele Rußlands vorgegangen werden wollte. Wir glauben vielmehr, daß die traurigen Früchte, welche Absolutismus und Polizeiregiment, eben in Rußland, gezeitigt haben, seinen vernünftigen. Menschen nach denselben Lüftern machen sollten. Die Zeiten, der Despotie sind bei zivilisirten Nationen für immer vorbei; wer sie troßdem neuerdings heraufzuführen, oder festzuhalten versucht, thut er auf seine eigene Gefahr. Da indessen der Graf die Versicherung ertheilt hat, draßer auf dem Boden des Gefekes ausharren wird, so darf zum mindesten gehofft werden, daß die angedrohten Repressivmaßnahmen, troß ihrer vürsichtslosen Strenge, nur gegen die Schuldigen gerichtet, sein werden und daß die russische Negierung, nit etwa zu Maffenverfolgungen und Maffendeportationen greifen werde, bei denen in der Regel die Schuldlosen ereilt und in’8-Verderben getrieben werden, während Diejenigen, nach welchen gefahndet wird, bei solchen Anlässen doch die weiten Maschen der Polizeiwege entkommen. Gewiß ist es, daß Schwere innere Kämpfe nunmehr in Rußland ihren Anfang nehmen, Kämpfe, deren Verlauf von ganz Europa mit Spannung verfolgt werden wird und welche ohne Zweifel auch für andere Weihe eine reaktionäre Wandlung herbeizuführen geeignet sein könnten, soferne nicht das Volf, oder vielmehr dessen Vertreter in den Parlamenten nicht mehr auf ihrer Hut sind; große Gefahr gilt es abzuwenden, als für das momentan noch immer — relativ — sehr freisinnig und im Geiste moderner Weltanschauung regierte Oesterreich- Ungarn, aber bedenkliche Ereignisse erheifhen außerordentliche Maßregeln! Politisches Allerlei. Mit Spannung sehen wir den nächsten Tagen entgegen. Wie dem „Pester Journal“ aus Wien telegraphirt wird, ist in der österreichischen Haupt- und Residenzstadt die unseligedee der gemischten Dissupation nach nicht aufgegeben worden. Doc hängt sie an einem Faden. ALS feststehend ist heute zu betrachten, daß 1.die Ruffen Ostrumelien am 3. Mai räumen werden, daß 2. Aleko . deuilfeton. Künstler’8 Erdenwallen Eine Skizze aus dem Schauspielerleben. (Schluß.) „Das war Absicht !" sprich fie. „Rein, ein Rik war e8, Schneiderseele," unterhrigt sie Braus, ruhig, stolz hinter die Coulissen tretend. „Was sollt anfangen, ich Bin blamirt !“ ruft die Direktorin. Plöglich wendet sich ihr Grimm gegen Pola: „Und Sie — sind schuld daran! Sie ruiniren mir alle Hosen — Sie ruiniren mich — o, es ist ums abört, Sie Mensch Sie! Was soll ich anfangen — ich habe feine zweite Hose!" „Das weiß ich,“ erwiederte Braus ruhig, mit zwei mächtigen Niffen vor seinen Knieen, dastehend. „Das Bublitum wird schon ungeduldig," fährt die Direktorin fort, „es kan nicht weiter gespielt werden, Sie haben mi blamirt, Hier in Effenhofen — überall! — immer — was soll ich anfangen ?* Braus verliert seine stolze Ruhe nicht. „Treten sie vor das Publitum und sagen Sie ihm, man hätte Schiller schon häufig den Vorwurf gemacht, da Pofa’s Tod sich nicht mit Nothwendigkeit ergebe, — sagen Sir dem Publitum, ich theile biete Ans fccht und set nach Hause gegangen, um hier nit, vor Kälte und Hunger zu sterben. — Das Jagen Sie, und Alle werden es Ihnen glauben.” @r wendet fi ruhig ab, um fortzugehen. „Sie bleiben — und spielen weiter!“ ruft die Direktorin ihn am Arme haltend. Pola wendet fi mit zornigem Blide um. „Dies Weib beginnt mir fürchterlich zu werden !“ spricht er: „Ich bleibe nicht — ich habe bad Meinige gethan — thun Sie das Ihrige!" — Er geht fort, Die Direktorin ist in Verzweiflung. „Der Mensch — der Mini!" ruft sie in einem fort. „Ich jage ihn heut’ no fort — wo heut Abend — aber ich bin verloren, wenn ich « thue — ich kann ihn nicht entbehren und muß ihn ertragen. Die Schneiderin ist nach dem nahen Wirthehause ge[hielt der Direktorin Stantemüge und lest:6 Tuch zu holen — sie fliegt damit gurüd. — eine Minute noch und der Vorhang wird wieder aufgezogen, und die Direktorin tritt vor, das unruhige Publikum, bittet der Gröung wegen um Gntschuldigung, und bedauert, daß Die Borstelung wegen plößlichem Unmahlsein des Herrn Braus nicht weiter gespielt werden könne. Zur Entschädigg werde indes noch das fine Stüd: „Mer tot mit 9" gegeben werden — nur möge si das hochverehrte Publitum noch kurze Zeit gedulden." An dem Kostüm zu Don Carlos wird: „Wer ist mit ?“ gespielt. “ Die Direktorin meint: „was weiß man in Effenhofen davon!" Der plöglich unwohl gewordene Pofa ist ruhig im Wirthshause hinter einer tüchtigen Portion Effen und strebt wohlbehaglich seine langen Beine mit der Barrioten dem glühenden Ofen zu. — Don Carlos tritt wüthend ein — geht heftig im Zimmer auf und ab und wirft ihm noch wüthendere Blide zu. Poja ist ruhig weiter. „Du bist verloren, Mensch!“ ruft Carlos endlich vor ihm stehen bleibend. „Die Direktorin ist außer. si — sie wird sogleich kommen — mas willst Du beginnen ?“ · »Ich bin gefaßt und vorbereitet,Freund!«erwidert Posa,indem er auf seine Ohren zeigt,welche er beide mit Wattedicht verstopft hat.,,Die Furie mag nah’n—ich bin gefaßt!« ,,Sie kündigt Dir!« ,,Heute Abend wohl,«erwidert Braus ruhig, »morgen Früh nimmt sie es zurück.Mensch-sie kann mich nicht entbehren—sie behält mich und muß mir sogar ein Paar neue Hosen machen lassen!« Und so kam e8 auch,. Herr Braus paradirte bald mit funfelnagelneuen Inerprefibles. Nun inzwischen wird er sie wohl fon zerrissen haben, bei dem so aufreibenden Künstlers Erden wallen.