Oedenburger Zeitung, 1879. September (Jahrgang 12, nr. 106-117)

1879-09-17 / nr. 112

schen Kriege mit gleichmüthigem Achselzucken zu sehen, er wird das ganze europäische Publikum zu Zeugen anrufen,daß er Oesterreich niemals getäuscht,daß er schon Jahr und Tag vor der Wiener Visite auf öffent­­licher Parlamentstribune erklärt habe:»Ich kann auf die Orientfrage nicht den Knochen eines pommerischen Füsiliers risiciren!«Auch dieser nicht der Besorgten verdient wohl erwogen zu werden,ie hnt in der That auch Etwas für sich,we­­der die Preussen­,noch die Russen sind frei von Falsch­­heit und wir in Oesterreich-Ungarn könnten wirklich die »Geprellten«sein.Quivivi­a,vetka!—­­Schließlich noch eine auch schon nicht mehr ganz neue,aber nicht minder sensationelle Geschichte aus minderpolitischen und dennoch staatlichen Kreisen.Ein ungarischer Exminister deannern,Paul Rajner hat sich nämlich am 9.September 7 Uhr Nachmittags zu­ Lonto mittelst eines Pistolenschußes in das Herz,selbst getödtet. Exminister Rajner hinterläßt ein ehren­­volles Anden­ken.Er vertrat zu wiederholten malen das Honter Komitat auf dem Reichstage,war auch Vis­zegespan dieses Komitates,dann königlicher Kommissär, seine Thätigkeit als Minister deannern vom Jahre 1869 bis 1871 und als einer der Präsidenten des Exekutiv-Komite's der Dealpartei ist allgemein bekannt. Als er sich vom politischen Leben zurückzog, war er einer der Direktoren der Bodenkredit-Aktiengesellschhaft , aber in Folge seiner Krankheit gab er an diese Stelle auf und verzichtete in den letzen S­ahren auf jede öffentliche Wirksamkeit. Rajner ist ein geborener Bu­­dapester und hat ein Alter von 56 Jahren erreicht. Die unheilbare und schwere Krankheit an der er litt, dürfte ihn in den Tod getrieben haben, denn sonst ist sein Motiv denkbar, er war finanziell vangirt, stand in allgemeiner Achtung und sein Mädel traf seine politi­­ve oder soziale Vergangenheit. “, und nun haben wir für heute aufgeräumt mit den wictigsten Geschehnissen der Vorwoche, wollen aber von Zeit zu Zeit immer wieder Nachschau halten über alte Geschichten. FAST M­E­IR TREArHR 8­7 Jegt. Es ging während und bald nach der Landes-In­­dustrie-Ausstellung von Stuhlmweißenburg ein Ruf durch das ganze Land, dag man sich in Ungarn aus dem bisherigen Indifferentismus aufraffen und zu einer wüstigen industriellen Thätigkeit anseiden solle, denn die Zeiten seien vorüber, da ein Agrikultur­­staat erfolgreich mit industrie­treibenden Nachbar­­staaten konkursiren könne. Die gesammte vaterländische Presse befürwortete die Dringlighkeit von Unternehmun­­gen auf industriellen Gebieten und gab untersciedlich Grundlagen an, auf welchen es der rationelle Aufbau einer prosperirungsfähigen Industrie ermöglichen ließe. Inzwischen ist aber wieder Alles stille geworden, die Ernte-Einheimsung, der Handel mit den heuer leider spärlich gediehenen Brodfrüchten, hat die Spekulation abermals in jene Bahnen gelenkt, welche wir als agri-­­kulturell bezeichnen und von größeren industriellen Be­­strebungen der Neuzeit verlautet so viel wie gar nichts. Allerdings lassen sich auf volkswirtsschaftlichem Gebiete Umwälzungen größeren Masstabes nicht über’8 Knie brechen, allein wir finden — und hier fliegen wir und den bießfälligen Ausführungen des "N. P. DO." an — den gegenwärtigen Stillstand doch nicht gerechtfertigt. Man muß endlich einmal den Anfang machen, mit der richtigen Erkenntniß fol auch zugleich der erste Schritt zur Besseiung eintreten und ohne wei­­teren Zeitverlust sollen wir jet jhon um die Arbeit gehen. Yegt jhon muß dafür gesorgt werden, daß der Boden für die wirthschaftlige Ummälzung, deren Noth­­wendigkeit ein für die Zukunft des Landes anerkanntes Ariom geworden, urbar und empfänglich gemacht werde, jegt muß dahin gewirkt werden, daß diese Reformen dem Verständniße aller Gesellshaftsihigten aller Klassen der Bevölkerung nahe gebracht werden, jegt müssen die vorbereitenden Schritte unternommen werden, jet shhon müssen die geistigen Kräfte mobilisirt werden, um dann anstandslos die Osfupation des industri­­ellen Gebietes vornehmen zu können, jet muß gelernt werden, nicht erst dann, wenn große Pläne uns mittelbar verkörpert werden sollen. Und in dieser Richtung ist leider bis nun gar nichts geschehen,­ man sollte meinen, daß die jüngst in Fluß gerathene und nunmehr stohende volkswirthschaft­­liche Bewegung, zum mindesten eine vorbereitende Thä­­tigkeit entfesfelt habe, aber von einer solchen ist im ganzen Lande seine Spur zu entdecken, und — „über allen Wipfeln ist Ruh’ !* Einige junge, feuergeistige Magnaten verkünden großartige Reformpläne, toastiren auf den volfswirth­­schaftlichen Aufschwung Ungarns, werden dafür von ei­­nem Theile der P­resse verhimmelt, von einem Anderen bespöttelt, von einem dritten Theile ungestüm an die Schaffung von Thatjahen gemahnt, und das Land, die Regierung legen inzwingen ruhig die Hände in den Schopf, und das Gros der ungarischen Aristokratie, wie die große Menge, steht nach wie vor den großen Lebensfragen indifferent, und zum großen Theile ver­­ständnislos gegenüber. Wir sagen das Gros der vaterländischen Aristo­­kratie, und wir können von diesem Ausspruche seine Silbe zurücknehmen. Leider ist es so, und nicht anders. Unsere Aufgabe ist es nicht, dem Hocadel Ver­­ständniß für die Unt­ressen des­­ Vaterlandes beizubrin­­gen, und selbst von der Regierung kann dies nicht ver­­langt werden, denn der Hochadel war stets in der La­­ge, fi die Quellen alles Wissens zu erschließen, wenn ihm überhaupt an solchen gelegen ist, und ist, um si zu bilden, nit auf jene Bildungsmittel angewiesen, die der Staat dem plebs misera contribuens zu rei­­hen verpflichtet ist. ‚. Aber dem Volke, dem so ehrenwerthen Bauern­­und Bürgerstande sol und muß das Verständniß uns­­erer Zeit und der großen volkswirthh­aftlichen Fragen der Gegenwart nahegelegt werden, und Negierung, Presse, wie alle aufrichtigen Patrioten im Lande, soll­­ten mit dem vollsten Kraftaufwande, dessen sie fähig sind, an die Lösung dieser Aufgabe schreiten, und die Be­­völkerung über die anzubahnenden Reformen, die über die veränderten Anforderungen einer heran­brechenden neuen wirthschaftlichen Epoche aufklären, damit Bürger und Bauer sich und seine heranwachsenden Nachkommen auf diese Aera vorbereiten, und die Ausbildung der Lesteren mit den Anforderungen einer neuen Zeit in Einklang bringen können. Darum muß Alles an eine praktische technische Ausbildung gejegt werden, die den heranwachenden Knaben befähigen soll, bei dem even­­tuellen und unausbleibligen Umschwunge der wirts­­ichaftlichen Verhältnisse des Landes als fertige Kraft lohnende Beschäftigung zu finden. Die Errichtung guter Gewerbe-, Industrie- und Handelsschulen, ist bedeutend wichtiger als die Eröffnung neuer Universitäten. Advokaten, Doktoren, Professoren, Beamte hat Ungarn schon zu viele und die neu zu diesen Fächern herangebildeten jungen Leute finden, troß ihrer Gelehr­­samkeit, Mangels an offenen Stellen und bei dem Ueberfluß an Konf­erenzen — sein Brod. Troß alledem wollen die Eltern ihre Söhne nur für Industrie und Gewerbe, ja nur einmal für technische Wissenschaften ausbilden lassen, sondern Alles studiert an Hochsauren. So kommt es denn auch, daß unter den Rechtshörern, unter den Medizinern sich von Jahr zu Jahr die Zahl jener Bedauernswerthen steigert, die sich von Lektionen jümmerlich nähren müssen, um mit einer vertrauerten Jugend eine aussichtslose Zukunft zu erobern. Da aber der Wohlstand täglich mehr im Nieder­­gange begriffen ist, vermindern si­an die Lektionen, und das Elend dieser Studenten wird zu einer volls­­wirthschaftlichen Kalamität. Wäre es angesichts dieser Möbelstände nicht ange­­zeigt, jet fhon vorbereitend einzugreifen, und auf El­­tern und Schüler im Sinne der bevorstehenden wirth­­schaftlichen Ummälzung jegt fhon einzumwirten ? Was wir brauchen, sind solche Anstalten, wo der Industrie des Landes die nöthigen Kapazitäten herangebildet werden. Lokales­ ­ * Allerh­öchste Spenden. Seine Majestät der Kaiser hat der Gemeinde Klein-Lerma im Amtsbe­­zirk­ Neichenau zum Schulbaue 30 fl. gespendet. D­ie Majestät die Kaiserin hat aus Anlaß ihres dies­­jährigen Aufenthaltes zu Jihl die nachfolgenden Unter­­ftügungsbeträge aus der f. f. Hofreifefaffe angewiesen : 150 fl. dem Kurfond, 100 fl. dem SKranfenhaufe und 100 fl. den Armen in Yihl; 100 fl. dem Elisabethho­­spitale, 100 fl. der Sirhe und 50 fl. den Armen in Lauffen ; 100 fl. den Armen in Hallstatt, 100 fl. den Armen in Goisern, 100 fl. den Armen in Ebensee und 100 fl. den Armen in Gmunden ; zusammen 1000 fl. * Ihre Majestät die Königin Wie und aus Wien zur Kenntniß gebracht wird, ist das zu Ihrer Majestät Hofstaat gehörige Personale, dann die Wagen, Pferde und der Bagagetrain von Wien aus nach Budapest dirigirt worden, wo er am 15. d. eintraf. Ihre Meajestät die Landesm­utter selbst ist gestern in Gödöllö abgereist. Die kleine Erzherzogin Balerie geht diesmal nicht nach Gödöllö, nachdem dort und in der Umgebung der Scharlach­epidemise aufgetreten ist. Zur Untersuchung der sanitären Ver­­hältnisse war heute Sektionsrath Dr. Groß in Be­gleitung des Komitatsphysik­s Dr. Hilo in Gö- DöUd und konstatirten, daß die Krankheit Hios im Flei­­nem Mare epidemischer Natur sei. Seine Majestät der Kaiser und König befand er am vorigen Sonntag zur Jagd in Eisenerz, wor­hin auch Seine Majestät der König von Sachsen Aller­­höchst Denselben begleitet hat. Ferner nahmen an den­agdausflug Seine F. f. Hoheit der Kronprinz und Graf Andraffy theil. * Zum Ministerwechsel im auswär­­tigen Amte. Seit der bestimmten Erklärung des Herrn Grafen Andrasfy: Sein Portefeuille nieder­legen zu wollen und seit der inzwischen verläßlich auf­­getretenen Nachricht, er werde Herrn Baron Hays­merLie den erledigten Ministerposten antreten,­­ wie­­gen alle besser informirten Stimmen über den sich zu vollziehen habenden Ministerwechsel. Die legten Wiener Blätter aber erklären fest mit großer Zuversicht, das mit der am regen Sann­tag erfolgten Ankunft des "deutschen Reichskanzlers, Fürsten Bismarc, in Wien, der Wed­el in der Belegung des gemeinsamen Ministeriums des Auswärtigen Sprucreis geworden sei. * Herr Ignag Helfy, ein Mitglied des Abgeordnetenhauses der linken Partei, welcher im DBorjahre als Gegenkandidat des Herrn Mir niftrs Zrefort hier erfolglos aufgetreten­­ ist, hat sich doch zwei Tage mit seiner­rau Ge­­mahlin hier aufgehalten. Von Seite der linken Partei­­mitglieder wurde Helfy auf das zuvor kommendste em­­pfangen und unternahm er und seine Gesellschaft am vorigen Sonntag die Besichtigung der nächsten Um­ge­­bung unserer Stadt: „Försterhaus", „Karlshöhe“ zc. Abends war im Gasthof-Garten zum „König von Un­­garn" eine allgemeine Zusammenk­unft der betreffenden Parteimitglieder. Montag ist Herr Helly von hier nach Budapest gereift. .„ Abvoluten-Fänger“. Vor einigen Ta­­gen ereignete ei hier ein tragikomischer Vorfall, der einer gewissen Originalität nicht ganz entbehrt, und in nicht eben erfreuliches Streiflicht auf unsere sozia­­len Zustände wirft. — Ein aus der nahten Umge­­bung Oedenburgs gebürtiger Landmann brachte auf den hiesigen Markt seinen unbedeutenden Fruchtvorrath zum Verkaufe. Nachdem er seine Waare veräußerte, begab er sich zu einem der jüngsten Advokaten, demselben einen wohl ungestempelten, jedoch mit den nöthigen geiegli­­chen Befugnissen versehenen Schuldschein präsentirend, mit dem Ersuc­hen, seine aushaftende Forderung im gerichtlichen Wege einzutreiben. Auf die Frage des Advokaten, ob er es nicht für gut eractete, die Slags­­summe hypothetarisch sicherstellen zu lassen, meinte der Bauer, er wäre dies unnöthig, da des Schuldners bewegliche DBermögen ohnehin genügende Deckung bier­tet, und 309g — ohne hiezu aufgefordert worden zu sein — aus seiner Brieftasche eine Zehnguldennote mit dem DBemerfen hervor, dieselbe als V­orschußgebühr für eventuell bei Vollziehung der Evolution aufzulaufende Baarauslagen in Empfang zu nehmen und gut schrei­­ben zu wollen. Hierauf entfernte sich der Bauer, kam jedoch nach einer kurzen Weile zurück, so entschuldi­­gend, daß er die vorgestrebten 10 fl. zurücknehmen müsse, da er für den „tötisztelendö­­r" (Herrn Pfar­­rer) verschiedene Einkäufe zu besorgen hätte, deren Re­­alisirung in Ermanglung dieser Summe unmöglich wäre, versprach jedoch diefelde am nächsten Wocen­­markte gewiß zu überbringen. Der Herr Advokat stat­­tete die 10 fl. zurück und gab sich mit diesem Verspre­­chen zufrieden. Nicht lange darauf erschien jedoch un­­ter Landmann wieder, unter Häglihem Jammern das ihm zugestoßene Malheur erzählend, das ihm seine Börse mit der Gesammtbarschaft in Verlust gerieth, und er nun nicht nur seine Heimreise anzutreten, son­­dern an die vom Herren Pfarrer bestellten Einläufe zu besorgen verhindert sei, weshalb er, um nicht grund­­losen Berdächtigungen ausgefeßt zu sein, den „tekinte­­tes uram*“ um einen Vorschuß von 10 fl. ersuchte. Der Herr Advokat, der den Bauer persönlich nicht kannte, meinte er fünne einem solchen Ansuhen nur dann willfahren, wenn er seine Personsidentität nachzuweisen vermöchte. Unser Bäuerlein konnte oder wollte diesem Wunsche nicht nachkommen, und verlangte die Nachftelung seines Schuldscheines mit dem V­orwande, er werde sich nun in einer Pfandleihanstalt darauf das nöthige Geld ausborgen. Der Bauer ging jedoch nicht in die Pfand­­leihanstalt, sondern fhnurftrads zu einem andern Ad­­vokaten und führte mit erstaunliger Unverfrorenheit, wie sie nur verschmitten Gaunern eigen ist, das einmal mißglühte Manöver mit dem gewünschten Erfolge dar. Der betreffende Adporat, der diese Sache viel harmloser auffaßte, als der erstere, harret noch heute der erschwindelten 10 fl. hoffnungsvoll entgegen, da — wie man nun anzunehmen allen Grund hat, das Do­­kument ein gefälschtes war. — Jn eine hiesige renommirte Kanzlei kam am feß­­ten Freitag ein Bauer Namens Mare, den Wunsc vorbringend, seinen schuldenden Betrag von 150 fl. bes­zahlen zu wollen. Der Herr Advokat schrieb Die Weihungsquittung und der Bauer, der Bislang das Geld in der linken Hand hielt, griff mit der Rechten nach der Löschungsquittung und entfernte fr eilends mit der benannnten Summe. Auf der Straße ange­­halten, sagte der Bauer, daß er das Geld deponirte und er ein zweites Mal nicht zu bezahlen verpflichtet wäre. Seine Behauptung war jedoch erlogen, denn das Geld fand sich nicht vor. Die Kriminalanzeige wurde gegen ihn erstattet. * Ein israelitisches Gymnasium wird in­ Budapest errichtet werden. Unser Herr Ab­­geordneter, der fün. ung. Kultus-Minister Trefort hat nämlich wegen Mederfülle des katholischen Gymna­­siums in Budapest die Errichtung der I. Klasse eines jüdischen Gymnasiums angeordnet. * Duelin Sauerbrunn. Dieser Tage hat in einer Lichtung der Nadelholz-Waldungen nächt Sauerbrunn, ein Zweikampf mittelst Pistolen zwischen zwei in Wiener­ Neustadt stationirten Herren Offizieren stattgefunden. Einer der Duellanten, ein Oberlieute­­nant, erlitt eine ernste Schubwunde im Arme. Die Kämpfer fliegen auf 50 Schritt Entfernung von­einan­­der. Die Ursache soll ein Zadel ge­wesen sein, den sich der Eine beim Exrzerziven gegen den Andern erlaubt hat. * Hülferuf aus Bernstein! Wir haben bereits in legter Nummer unseres Blattes unseren Le­­fern die betrübende Mittheilung gemacht, daß am 9. September in Bernstein Feuer ki ift und bei dem orfanartigen Sturme, der eben herrschte, 70 Wohngebäude, nebst Scheuern, welche mit der dies­­jährigen Ernte gefüllt waren, eingeäschert worden sind. Unter den abgebrannten Gebäuden befinden sic die katholische und evangelische Kirche nebst Schulhaus. 2 FR TORE

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