Oedenburger Zeitung, 1881. Januar (Jahrgang 14, nr. 1-13)

1881-01-26 / nr. 11

SM Mitwoch,36­.I­nnertspt. Das Blatt erscheint jeden Mittwoch, Freitag und Sonntag. From­merations-Preise: Sir Roco: Ganzjährig 9 fl., Halbjährig 4 fl. 50 f., Vierteljährig 2 fl. 25 fl., Monatlich 1 fl. hr Auswärts: Ganzjährig 12 fl., Halbjährig 6 fl., Vier­­teljährig 3 fl. Alle für das Blatt bestimmten Sendun­gn, mit Ausnahme von Inseraten, Pränumerations- und Infertions­­gebühren sind an die Redaction portofrei einzusenden. XIV. Jahrgang. (Bormals „Hedenburger Nachrichten“.) Motto: „Dem Fortschritt zur Ehr! — Beorüc­en zur Wehr’ — Der Wahrheit eine Waffe.“ Organ für Politik, Handel, Industrie und Landwirthschaft, dann für sociale Interessen überhaupt Administration, Verlag, Expedition: Grabenrunde Nr. AMA.­Neugasse Nr. 18, im 1. Stock. Redaktion: AAAAILIn nn­en Einzelne Nummern fosten B­­reuzer. Nr. 11. BE Inserate ver­mitteln: die Herren Hafenstein , Vogler, in Wien, lag, Budapest sowie in den Hauptstädten Deutschland ud der Schweiz. NI. Oppelit, I., Stubenpartei 2 Wien. Heinrich Scaler, I. Wollzeile 12 Wien. Infersions-G­ebüßr : 5 fr. fü­r die einspaltige, 10 Tr. für die ar­ara e, 15 fr. für die dreispaltige und 20 fr. für die durchlaufende Petitzeile ez=­clusive der Stempelgebühr von 30 Fr. Bei mehrmaliger Einschaltung entsprechender Rabatt. me. Im Spiegel der Vergangenheit. Oedenburg, 24. Jänner 1881. Wir fanden in den jüngsten landeshauptstädtischen Reichstagsberathungen eine Mede des vermöge seines hellen, weithin leutenden Geistes allenthalben ebenso gefeierten Dichters, wie seines sich niemals verleugnen­­den Patriotismuses wegen hbobachtbaren Bolizifers und erfahrenen Staatsmannes Maurus % 6 Ta­g, welche Nede den hochberühmten Einsiedler von Kollegno, im Spiegel der Vergangenheit den Dep­oiiten vor die Augen führte und ihnen durch besagtes, aber vom Lichte der 1848er Epoche beleuchtete Spie­­gelbild war und deutlich erkennen ließ, wie wenig die Zeitgenosssen damals dem Manne Gerechtigkeit widerfahren liegen, der ihnen heute, weil gleichsam vom Glorienstein des Märtirerthums verklärt, als die stol­­zeste Denksäule aus Ungarns ruhmvollsten Tagen gilt ; und in der That, Ludwig Kossuth ragt wirklich so gigantisch in die Gegenwart herüber, daß von den Politikern der Letztzeit kaum ein einziger auch nur die Höhe des Piedertals erreicht, auf welches jegt die öffentliche Meinung in Ungarn, die staatsmännliche Größe des genannten einstigen „&ouverneurs“ stellt. Nichtsdestoweniger aber gelang es dem Deputirten Zokay den Nachweis zu liefern, das Kossuth zur Zeit seines Wirkens eine ebenso erbitterte Opposition fand, wie sie heute dem dermaligen Ministerium ent­­gegen gestellt wird und dieser Theil der Mede Yölay’s bat namentlich jegt allen Anspruch auf weiteste Ver­­breitung, weil die „Unabhängigkeitspartei” gegenwär­­tig nicht bloß in Budapest Konferenzen hält, an der sich Delegirte aus allen Wahlbezirken Ungarns bet­ei­­ligen, sondern weil sich an­sonst im Lande die An­­hänger der „äußersten Linken“ ret­rallieren, (da ja doc die eigentliche Wahlkampagne in nicht mehr allzu weiter Herne steht) und überall der auch von uns natürlich unbestrittene Nimbus Koffuths ausgenügt wird, um manches an fi werthlose und lebens­­unfähige Prinzip damit zu beleuchten, bis daß es blende. Wir zweifeln nämlich sehr das Ludwig Koffuth selber, — wenn er auch wirklich bewogen werden könnte in’s Baterland wieder zurück zu­kehren — es unternehmen würde, seine ruhmvolle Vergangenheit daran zu fegen, um heutzutage in Person für ein politisches Ziel zu sümpfen, das zwar im Jahre 1848 das seinige war, das sich aber in der Letztzeit mit mehr als ein Hort ungarischer Wohlfahrt darstellt. Kossuth ist ein zu selbstloser, zuehrlicher, um die wirklichen bürgerlichen Interessen Ungarns zu sehr be­sorgter Patriot und vor allem ein viel zu kluger Staatsmann, als daß er heute noch die gänzliche, ges waltsame Xostrennung von der anderen Reichshälfte propa­gieren würde. Das staatsretliche Verhältnis zu­ Defterres ist unserer Ansicht nach (wie die Dinge eben leider stehen) eine politiige und nationale Notabwendig­­keit. Dessen Trennung in Güte ist nut denkbar; die gewaltsame Trennung aber würde beide Theile auf den Tod verwunden, und ung gierigen Nachbarn zur Beute werden lassen. Und darum würde ein echter Baterlands­freund, wie der in freiwilliger Verbannung lebende „edle Einsiedler” nicht unbesonnen in’s Mad der Zeit greifen, um sein Rollen aufzuhalten, denn es könnte ihn und mit ihm — uns zermalmen. Ya, wenn die „Unabhängigkeitspartei” nur das eine Prinzip: die absolute staatsrechtliche Selbst­­ständigkeit aus ihrem Programme streichen wollte, dann müßte sie — diese Partei nämlich — sofort über die immense Majorität der Bevölkerung gebieten, denn mit dem dermaligen Regierungs-Apparate ist und kann sein freisinniger Denker, sein wahrer Freund der Nation zufrieden sein ! Dog zurück, auf Kelay’s­ Worte: „Wissen Sie, meine Herren, wie der Reichstag der dermaligen (1845er) Regierung die Steuern bes­willigt und wie die Opposition seinerzeit Kossuth und seine Regierung behandelt hat? Die Regierung wurde damals des Schlimmsten gerade so verdächtigt, wie heute die gegenwärtige, man griff damals mit derselben Schonungslosigkeit Koffuth an, mit welcher heute Tiga angegriffen wird. Hatte Koffuth nicht bei einer Ge­­legenheit, gegen die Opposition gewendet, folgende Worte gesprochen : „Meine Herren dort drüben, Sie bieten alles auf, um dieses Peinisterium vor dem Pub­­likum ganz zu depopularisiren, obwohl Sie sehr wohl wissen, welche Designation dazu gehört, auf diesen Plä­­gen auszuharren. Dies erfordert eine viel größere Res­­ignation, als dazu gehört, den Giftbecher zu leeren, denn der AJnhalt des Giftbechers bringt wenigstens den raschen Tod." Das hatte Koffuth der damaligen Op­­position gesagt. Diefelde wollte die Gehalte der Minister auf das äußerste Minimum reduziren.. Man trug: „Wozu Fauteuille in den Zimmern der Minister? Wozu braucht ein Minister Tafeln zu veranstalten? Das heißt nur die Nation bestehlen (!)* Sole Worte wurden einem Kossuth, einem Battgang in’s Gesicht geschleudert ! Und glauben Sie Seuiffelon. Die furchtbarste Stunde meines Lebens. (Schluß.) Ungefähr zwanzig Minuten mochte ich in dieser Stellung verharrt haben. Ich blutete aus einer an der Wange erhaltenen Wunde; mein rechter Fuß war ver­­let, der linke, auf den ich mich fragte, drohte der Saft und Anstrengung zu erliegen. Die Kälte der Eiswand, gegen die ich mich lehnte, ließ mi von Augenblid zu Augenblid mehr erstarren. Ich rief meine Gefährten, nur das Echo antwortete mir. Noch einmal erhob ich meine Stimme, sein Gegenruf ließ fi vernehmen. Der furtbare Gedanke stieg mir auf, mein Freund sei dem Führer entgegengegangen und könne nun, da der Bretter von unzähligen Spalten und Klüften zer­­rissen war, den Ort nicht wieder auffinden, wo er mich verlasfen. Diese Vorstellung hatte etwas so Nieder­­drühendes, daß sie lähmend auf, auf meine physischen Kräfte wirkte; bis zum Tode erschöpft, von aller Hoff­­nung verlassen, kam mir der Entschluß, mich nicht län­­ger an den schwachen Rettungsanker zu Hammern und mit einem Male alle Qual zu beenden. u diesem Feitifchen Augenblicke hörte ich meinen Namen rufen. Mein Freund war in der That wegge­­gangen, um nach dem Führer zu spähen, hatte, wie ich es gefürchtet, zurückehrend die Kluft nicht wieder aufs finden können und sie endlich nur en­det durch die da­­neben liegende Quashe mit unserem Proviant, die der Führer zurückgelassen hatte. Der Führer war jeit fünfunddreißig Minuten fort und in Anbetracht, daß wir Dreiviertelstunden ge­­braucht, um von Montanwert bis hieher zu gelangen, war seine Nachkunft nit so schnell zu erwarten. Ich fühlte, daß ich mich nur noch sehr kurze Zeit Halten könne, und beschloß, mit Hilfe eines starken Messers, daß ich in der Zajche hatte, selbst einen Versuch zu meiner Befreiung zu wagen. Groß der Abmahnung meines Freundes, dem ich mein Vorhaben mittheilte, machte ich mit dem Messer einen inschnitt in die Eiswand, do genug, daß ich ihn mit der Hand er­­reichen und so breit, daß ich dieselbe hineinlegen konnte. Einen zweiten Einschnitt, um einen Fuß hineinfegen zu können, brachte ich etwa vierzig Cent­ über der Kleinen Brüde an und hoffte, indem ich mich an diese beiden Stügpunkte kammerte und mit dem Rüden mich mit aller Kraft gegen die entgegengefegte Wand stemmte, nach und nach so viel Einschnitte zu machen, um mich in die Höhe zu arbeiten oder, was freilich viel wahr­­scheinlicher war, durch einen einzigen falschen Schritt rettungslos in die Tiefe geschleudert zu werden. So arbeitete emsig an meiner zweiten Stufe, da einholt über mir der Freudenruf: „Der Führer kommt, begleitet von zwei Männern, welche Seile tragen.“ Letzt hielt ich es doc für gerathen, mich wieder auf meiner kleinen Brüde in eine möglichst feste Stel­lung zu bringen, um das Seil, sobald man es herab­­gelassen, ergreifen und befestigen zu können. Sekt sah ich es über mir sehweben, aber, o Jammer! es war zu kurz, ich konnte es nicht erreichen. SH verkündete den Obenstehenden dieses Mitge­­fehl, wurde jedoch von ihnen mit dem Zuruf getröstet, daß sie no ein anderes, längeres Seil besäßen. Wirt­­lich gelangte dasselbe auch nach wenigen Augenblicken in meine Hände, ich befestigte es um den Leib, hielt mi mit beiden Händen fest und gab das Signal. Das Heraufziehen glühte. ‚Eine Minute später stand ich lebend, gerettet auf dem lettter. So hatte in jener bhauerlichen Kluft fünfzig Minuten zugebracht, aber sie waren mir erschienen wie ein Jahrhundert. Ein unberschreibltes Gefühl der Dankbarkeit ger­gen den Allmäctigen, der mi fo großer Gefahr gnädig entrisfen hatte, ergriff mich und veranlaßte mich niederzufaien und ein heißes, inniges Gebet zu ihm emporzusenden, ehe ich dasselbe jedoch beendet hatte, verließen mich die Kräfte; ich ward ohnmächtig. Als ich unter den Bemühungen meiner Netter wieder zum Bewußtsein erwacht war, fehi­ten wir uns an, nach Montanvert zurückzukehren, bevor ic ms aber ent­­fernte, warf ich noch einen Blick auf die Kluft, in welcher ich beinahe lebendig begraben worden, und sah jegt ein, daß es vollkommen unmöglich gewesen wäre, auf die Weise, wie ich den Versuch gemacht, aus der Grube zu entlammen. Die Oeffnung wurde nach oben viel zu breit, als daß ich, wenn es mir wirklich gelun­­gen wäre mir so weit empor zu arbeiten, mich mit dem Mücken hätte no ferner an die gegenüberliegende Wand lehnen können. Ohne diesen Stügpunkt wäre es aber selbst für eine Gemse unmöglich gewesen, diese perpendiluläre Mauer zu erflimmen. Der Führer war bis zum Wirthshause gelaufen, hatte aber dort sein seinem Zwecke entsprechendes Seil gefunden und si deshalb in höchster Angst auf den Weg nach Chamouny gemacht. Unterwegs war er Maulthiertreibern begegnet, welche ihre Thiere mit Holz beladen hatten und zwar so, daß dasselbe mit Stunden auf den Naden derselben festgeschnürt war. Er bat sie, einem in eine Kluft gefallenen Neifenden beizu­­stehen, und die braven Leute waren sogleich bereit, ihre Thiere abzuladen und mit dem Führer zu gehen. Die Striche wurden aneinandergeknüpft und waren glück­­licherweise lang genug, um zu mir hinabzureichen, stark genug, um mich zu tragen. Unterftügt von meinen Nettern Ffehrte ich nach Montanvert zurück, wo meine Wunden verbunden wur­­den und ich in einem mir schnell bereiteten guten Bett Beit hatte, über die Gefahr nachzudenken, der ich soeben ent­­ronnen. Noch sei erschreckt mich die Erinnerung daran oft im Wachen wie im Träumen. PN ww N ct Es > ei

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