Oedenburger Zeitung, 1882. Januar (Jahrgang 15, nr. 2-26)

1882-01-26 / nr. 22

Donnerstag,26.Jänner 1882. XV. Jahrgang. Ar. Sedenburger.Festung, (vormals „Bedenburger Nachrichten“.) Organ für Politik, Kandel, Industrie und Landwirtschaft, dann für soziale Interesen überhaupt. Motto: „Dem Fortigritt zur Ehr! — Bem­ühten zur Wehr” — Der Wahrheit eine Gaffe.“ 32 422 ff. 50 Er., Monatlich 1 Für Auswärts: Ganzjä jährig 3 Alle für das Blatt bestimmte Sendungen, mit ei­nen Inseraten, Pränumerations- und Infertionsgebühren, sind an die Redaktion portofrei einzusenden. BEI Einzelne Nummern Rotten 5 Kreuz. ZU Das Blatt erscheint täglich, mit Ausnahme des auf einen onn= oder Feiertag folgenden Tages. Pränumerations:Preise: Für Loco: Ganzjährig 9 fl., Salbjährig 5 fl., Bierteljährig Administration, Mering und Inferntenaufnahme: Be­matage 7%, Bierter-­­ Buhhtenkerei­t, N­omtwalter & Sohn, Grabenrunde 121. Inferate vermitteln: In Wien: Hafenstein , Vogler, Walle­riegafse 10, U. Oppelit, 1, Stubenbastei 3, Heinric Scaler, 1., Wollzeile 12, R. 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Börse und Polizei, Gemeinderat und Bür­­gertribum, aber leider nicht die zisleithanische Regierung, befinden ss in gewaltiger Aufregung. Denn die Stagen wanken, schwanken , die Gebälfe der Gebäude finden, so daß selbst den Unbethei­­ligten vor veritablem Lärm und Geheule oder min­­destend doch vor Verwunderungs-Ausrufen die Ohren laufen. Die Börse! — Der Tanz um’s goldene Kalb macht die Leute in Momenten der Erregung jeder Vernunftsenungziation unzugänglich. Heute himmelhoch jauchzend, morgen zum Tode betrübt ; heute Millionär in Phantasieboursen, morgen Bett­­ler als Befiger oder Belehner von so und so viel Nies bedruckter, zu Papier gewalkter Hadern. Sst da in Wirklichkeit ein Verlust ? — Wenn man so mit fahlem Beistande das ganze Spiel an der Börse betrautet, dann möchte man fast den Ans­ccauungen jener Leute beistimmen, welche, als eif­­rige Mitglieder dieses oder jenes „katholischen Ka­­sinos“, es für die schönste Lebensaufgabe eines Menschen halten, in falbungsvollen Neden und Augenverdrehungen und „frommen Werten” zu machen. Wir sagen „Fast“, denn — und das ist wohl der übelste der gegenwärtigen Börsen-Casi — „ganz" Fann man ja nicht sagen, weil ja dies­­mal die französischen Kapitalien der „rochten Hand“ mit in dem großen Pariser und vice versa in dem Kleinen Wiener Krad­ verwicelt sind. Und will man noch deutlicher sprechen, so ist es ja Do ein öffentliches Geheimnis, daß ver eigentlich jene „Zodten-Hand-Kapitalien“ den Anstoß zu der wil­­den Börsenjagd gegeben haben, die zuerst zu den Phantasie-Koursen, dann zu der Barifer Deroute und jeßt zu der Wiener PBanique geführt. — Schön mag es sein, ein Millionär zu heißen , aber Eines schickt sich nicht für Alle, und um die Höhe eines Nothb­ild zu erreichen, muß man doch etwas mehr Glüd besigen, als gewöhnlichen Sterb­­lichen beschieden zu sein pflegt. Uns kommt dieses ganze Börsen-Chaos, wie es in Furzen­ntervallen fi immer und immer wieder abspielt, vor, wie das Historisch-politische Spiel, welches es vor ei­­nigen hundert Jahren in Europa abwidelte, näml lich wie der Kampf zwischen Suelphen und Ghi­­bellinen. Damals warf man Speere und später au wohl Kugeln auf die Gegner; heute bombar­­dirt man einander mit „Papieren“. Damals war der Schlachtruf: „Die Welt — hie Waiblingen!” heute ertönt es: „Hie Rothschild — hie Bontour”. Im Grunde ist es aber dasselbe Spiel. Wer am längsten auszuhalten vermag, Hat gewonnen. — Tausende Existenzen werden mit in den Strudel des Kampfes hineingewirbelt, und schließlich reichen sich die großen, die „genialen“ Führer über Berge von Leichen oder wenigsteng über die Köpfe von Faum zu zählenden Mengen von vernichteten Familien die Hände zur­­­­ Allianz. Die Börse, nämlich die Wiener Börse, ist bekanntlich nicht allzu weit von dem Tempel der Wiener Polizei entfernt. Das ist gewiß sehr schön eingerichtet, denn es bildet das gleichsam ein Me­­mento mori des Gefeges: „Du follst nicht bes gehren deines Nächsten Million!" Und du hat die Geschichte auch eine Kehrseite. Warnen die Stügen der Börse, warum follen dann auch nicht einmal die Stügen der Polizei morsh oder mürbe oder altersschwach werden ? Nur daß die Börse solbst sich denn Doch wieder aus eigener Kraft von dem Wanfen und Schwanfen erholt, die Polizei aber eigentlich niemals schwanfen darf, wenn es sich darum handelt, doch richtige Maßnahmen und doch sofortiges Eingreifen im wich­­tigen Momente die ihr gebührende Autorität dem lieben Publikum gegenüber zu erhalten. Nun hat zwar im eigenen Bewußtsein das­­ Prestige der Polizei nicht gelitten, dafü­r hat er aber in den Augen der Maffen denn doc einen gewaltigen ig bekommen, und in Folge dessen mußten einige Pfeiler, oder wenigstens doc eine Hauptflüge, der hauptstäntischen Hermandad ausgewechselt werden. Und was nun die übrigen Riffe anbelangt, nun, so wurden oder werden diese fein säuberlich verflecht werden. Aber ein Sündenbad ist bei großen Ass falten, welche zu bedenklichen Komplikationen zwis­chen dem Gefühle der Negierten und jenem der Negierer hätten führen können, selten genug. Mag ein Polizeipräsident afkaufen, so erfordert er die „höhere Weisheit" (von der natürl­­­­ich der beruirte Unterthanenverstand seine Ahnung haben darf), das an ein Bürgermeister geht. Und thut er solches nicht freiwillig, nun, so bleibt nichts Anderes übrig, als auf den Hart­­hörigen oder Dickhäutigen so lange die mit statts halterlichen Erläffen gefüllte Kugelsprige abzu­­prägen, die dem­­ Betreffenden die Geschichte zu Seuilferen. Der Kampf um’s Dasein! Schicksale und Erlebnisse zweier Zeitgenossen­­e BAMaOER­ee für ve Be ee (Fortlegung.) Alle diese Unglücksfälle hätten die Polen nicht entmuthigt. Sie wußten ja, daß sie Alle ihr Alles einfegen mußten. Aber was sie zuerst an den Ab­­grund führte und dann thatfächlich in denselben stürzte, das war die Uneinigkeit unter den Häup­­tern des Aufstandes, die Uneinigkeit im Neich­­­tage, wo das Votum eines Einzelnen die Besschlüffe der Majorität über den Haufen werfen konnte. Am 15. August 1831, während BPaskiewits­ schon vor den Thoren Warschau’s stand, empörte sich der Pöbel, erbittert über die V­ertrauensselig­­keit, Uneinigkeit und Nechthaberei des Adels gegen den Reichstag, und es gelang nur mit Äußerster Anstrengung, die revoltigende Motte zu beschwic­­tigen.­­ Am 8. September mußte sich Warshau, von allen Seiten eingeschlossen, in Folge Mangels an Nahrungsmitteln dem ruffiigen Kaiser auf Gnade und Ungnade übergeben. Am 16. September be­­trat der polnische General Nomarino mit 10.000 Mann das österreichische und am 5. Oktober Ay- Hinssi mit 21.000 Mann das preußische Gebiet „Bier, wo nicht Nachtigallenmelodien Aus quellgetränkten Frühlingsbüshen schallen, Mo schwebend nur des Schlachtfelde Geier ziehen, Und drunterhin des F Kriegslärms Wogen Schwallen, Sprießt kein von Liebeshand gepflanzter Rosmarin ; Kein Lied ertönt aus dieses Kampfes Walen, Du hörst nur rachenüritenn’ Melodien, um dort entwaffnet zu werden, Dazwiscen fernher theure Namen hallen . . . .“ Am 26. Februar 1832 ward an Stelle der Verfassung von 1815 den Polen ein „organisches Statut” aufoctroyirt und damit ihre Freiheit für immer zu © rache getragen, der Nest ihrer Selbst­­ständigkeit vernichtet, und ihr Vaterland, behufs vollständigen Razifizirung dem Waffenreiche ein­­verleibt. So ward der einjährige, ebenso blutige als nnglose Kampf, der Tausenden von Polen das Leben gefottet, der Millionen verschlungen hatte, beendet. Der von allen polnischen Patrioten so warm gehegte und innig gepflegte Blan, ihr Vaterland wiederum als selbstständigen Staat in der europäis­chen Belferfamilie glänzen zu sehen, war als Traum in das Neid der Schatten Hinabgesunken, und jene adeligen Kämpfer, welche ihr Alles daran­­gefegt hatten, jenem Traume Leben und Gestalt zu verleihen, behielten auf ihrer Flucht als einzigen Trost den Spruch des Dichters, welcher lautet : „La garde meurt, mais elle ne se rend pas !“ — Mit der Einnahme Warsgau’s hatte aber Polen thatsächlich und für immer aufgehört zu sein. II. Finis Poloniae. Er 8 ist eine stocfinstere Septembernacht. Der Negen stürzt in Strömen hernieder. Die Wachs­feuer sind fast alle verlöscht, aber der Ruf der Wachen zeigt, daß trogdem seine Ruhe im Lager beruft. Hinter dem Kopernicus-Denkmal in Warschau­­ (zwischen der Krakauer­ Vorstadt und der „Neuen Welt“ gelegen) — wandelt ein großer, in einen langen Mantel gehülter Mann auf und ab. Der einsame Wanderer scheint des N­egens, des Un­wetters nicht zu achten. Hin und wieder bleibt er stehen und wirft dann einen sehnsüchtigen Blie nach den Balast Zamujsfi hinüber, bald geht er, wie in Gedanken vertunten, schnellen Schritten dem Thore von Wola zu, um ebenso rasch auf seinen vorigen Pla zurückzukehren. Von der St. Johannes-Kathedrale schlägt es 1 Uhr. Dumpfes, aus weiter Ferne kommendes Ges­täuseh dringt an das Ohr des einsamen Wanderers. „Was ist das?" fragt sich der V­ermummte. Das Geräusch verstummt: „Habe ich mich getätigt ? Wieder eine Raufe, Wo nur Yaroslaw bleibt ? — Stett künnte er wohl fon zurück fein.“ Mit diesen Worten hat der Vermummte seinen Plag bei der Kopernikussäule wieder er­­reicht und fast in demselben Augenblick läßt si eine Stimme vernehmen : «« (Fortlegung folgt) -. ,-

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