Oedenburger Zeitung, 1882. Oktober (Jahrgang 15, nr. 226-251)

1882-10-27 / nr. 248

XV. Salzgang. Az. 248. (V­ormals „Bedenburger Nachrichten“) Organ für Politik, Handel, Industrie und Landwirthschaft, dann für soziale Interessen überhaupt. Motto: „Dem Forttritt zur Ehe? — Behrücten zur Wehr” — Der Wahrheit eine Gaffe.” « Ledenburger Reifung. Das Blatt erscheint täglich, mit Ausnahme des auf einen Sonn= oder Feiertag folgenden Tages. Y Pränumerations-PPreise: Fir Loco: Ganzjährig 9 fl., Halbjährig 5 fl., Vierteljährig Im vor 5 . r.,Monatlich 1si.» Fir Auswärts: Ganzjährig 12 As, Halbjährig 7 fl., Viertel= jährig 0 fl. Alle für das Blatt bestimmte Sendungen, mit Ausnahme von Inseraten, Pränumerations- und Infertionsgebühren, sind an die Redaktion portofrei einzusenden. BR 7 RG 2 = et, Administration, Verlag und Inseratenaufnahme: Buchdrukerei­­, Nomwalter , Soft, Grabenrunde BI, a ‚ Betitzeile evclusive der Stempelgebühr von 30 fr. Bei mehrmaliger Einschaltung bedeutender Rabatt: Er Einzelte Rummern Rofen 5 Steuger. 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Machthaber darüber eine Art satanischer Freude empfinden möchten, daß ihnen die Attentäter förmlich im die Hände arbeiten, indem sie ihnen Gelegenheit geben, die betreffenden Staaten zu retfen. Denn gerade die für Segnungen des autokratischen Prinzips fi so glühend begeisternden Exzellenzen wähnen ja ein ganz besonderes Privilegium zur Staatsrettung zu be­­sigen und ergreifen, fraft ihres eingebildeten Ned­­tes, gierig jede Gelegenheit, um, anläßlich solchen erhabenen Thuns auch noch ganz andere Dinge, niemals aber die Wohlfahrt der unglückkic­he­­gierten, in Sicherheit zu bringen. Schon lange schwirren Gerüchte in der Luft, daß Die hochweisen­ Wolfsbegrüder Mittel- und Nord-Europas mit dem Gedanken umgehen, einen „Er­rzellenzen-Berein“ zu dem Zwecke zu bilden, um der Attentats-Epidemie ein gründliches Ende zu be­­reiten. Nun muß aber wohl beachtet werden, daß Solches nur das für die Oeffentlichkeit fabrizirte Programm ist. Vom Geheimen sol jener „Exzellenzensverein“, der übrigens thatsächlich schon längst existirt, wo ganz andere Zwecke verfolgen, und einer der wichtigsten derselben besteht darin, allüberall, „so weit die Wolfen fliegen“, die „ver­­ruhte Freiheit“ ohne Sang und Klang, dafür aber zur Gänze einzufangen. Selbstverständlich würden die betreffenden Mitglieder des in Rede stehenden „Diplomatischen Thierflingvereines“ die Mittel, um den Allen gemeinsamen Zweck zu erreichen, dem Bedürfnis der von ihnen­ Megierten anzupassen haben, und in Folge dessen könnten in den einzel­­nen Ländern, troß der Einfargung der Freiheit, die konstitutionellen Formen ganz gut und „in Gottes Namen" fortbestehen. Einen neuerlichen, den erlangten Mitgliedern jenes Vereines gewiß sehr erwün­gten Anlaß, „hö­­here Staatsweisheit zu produziren“, dürfte der am 23. Oktober in Belgrad stattgehabte Attentats­­versuch auf König Milan abgeben. War das Indi­­viduum, welches die Mordwaffe gegen das serbi­­sche Staatsoberhaupt, glücklicherweise ohne dasselbe zu Schädigen, abfeuerte, auch nur ein Weib, die Witwe eines strangulirten serbischen Obersten, wer faun, denn wissen, ob sie nicht von den Unzufriede­nen gedungen war, dem Obrenovics als verfür­­perte Wolfs-Eumenide zu erscheinen. Daß aber der an seinem Leben Bedrohte kurz vorher in Rumä­­nien gewesen, ohne dem P­rononzirten Nuffenfeinde, König Karol, einen Besuch abzustatten, ändert an den Verdiensten Milan’s, sich vorläufig nicht für ein Biündniß mit dem Czarenreiche zu begeistern, wohl nur wenig... . Da, wie bereits erwähnt, der jüngste Pronen­­träger Europa’s, anläslich des ihm zugedachten Attentates, mit heiler Haut davon gekommen, sind von unserm Standpunkte aus, dieser Sache genug Worte gewidmet und können wir mit voller Seelen­­ruhe zu einer anderen Gattung von Attentaten übergehen, welche mehr weniger dem erlaubten „Exzellenzen zu Ber eine“ wahrscheinlich ebenfalls sehr willkommen sein dürften, um mit gewohnter Ener­­gie diplomatische Fäden, natürlich zu Gunsten des hehren autokratischen Prinzips, über ganz Europa auszuspinnen. Wir meinen nämlich die verdammenswerthen sozialistischen Umtriebe in Frankreich, welche dort thatsächlich zu einer Gefahr für das republik­­anische Prinzip zu werden drohen. Nun muß und darf man bei der Wirkung, die man sieht, was immer auch auf die Ursache zurückdenken, die man seinerzeit nicht gesehen, will man nämlich irgend­eine Erscheinung auf ihren wahren Werth prüfen. Solches ist bei den im Nede stehenden sozialistischen Unruhen in Frankreich aber ganz besonders­ ange­­zeigt. Selce hatten ihren ersten Grund in den wühlerischen Madinationen jener lichtscheuen Sippe, welche die Arbeiter des Bezirkes Montceau­­[e8­ Mines als ihnen gehörige Domäne betrachtete. Das ist seine V­erläumdung, sondern eine aktenmäßig festgestellte Thatsache, welche an die gegenwärtige französische Negierung, Groß aller bei der Unterdrückung der entstandenen Un­­ruhen bewiesenen Energie, nicht aus den Augen zu verlieren scheint. Jegt ist freilich das Mad ins Nollen gerathen; der anfänglich unscheinbare Ball hat die Größe einer Lawine angenommen und Die sozialistisch-anarchische Emeute, unterftügt und be­­günstigt von den Anhängern der „französischen Lilie“, droht, zu einer Revolution auszuarten, die, Frankreich zum Schaden, jener perfiden Rotte Gelegen­­heit geben sol, die Bahn zur Errichtung des Got­­tesgnadenkönigthums eines Grafen Chambord freis­zu machen!! — Dan wird zugestehen müssen, daß, wenn d­ieses Pfänden au mur einigermaßen gelingen sollte, sich für die p. t. Mitglieder des vorhin erwähnten erlaub­ten „Exzellenzen-V­ereines“ eine wöstliche Gelegenheit zur I­ntervention bieten würde. Demm­al Diesen erscheint ja die französische Republik schon seit Anbeginn ihres Entstehens als ein wahrhaft fluchwürdiges Verbrechen. Wir haben bis nun zwei etwas fernab lie­­gende Ereimpla vorgeführt, um an denselben zu­­­­­­­­­ renilieren. Hlandereien aus dem Gebiete des geselligen Lebens. Von Alexander Bertol. I. (Bortregun­g.) Solche Menschen, die allen Anforderungen der Etikette entsprechen wollen, gleichen einem Waarenballen! — Dan sieht blos Emballagt, die Waare selbst sieht man nicht! — Der äußere Mensch geschmückt mit allerlei Flitterrand und Barbenschmuc Freifelt vor unseren Augen umher ; den inneren Menschen sehen wir nicht, der steckt hinter der Emballage verborgen. Man hat für jede vorkommende Gelegenheit ein eigens zugeschnittenes Gesicht und ein paffendes Kleid vorräthig. — Der Charakter muß dazu schweigen. Die Gesellschaft verlangt von dem In­­dividuum Fügsamkeit, mitunter selbst auch auf Kosten der Wahrheit und des Nechtes. Die Treue der Ehegatten darf zur Lüge werden, wenn nur der Anstand gewahrt bleibt. Die Treue und Nedlichkeit ü­berhaupt sind Begriffe, die als Flaggen dienen. — So wie man bei festlichen Gelegenheiten mitunter Flaggen auftigt, um für sich gute Meinung zu machen. Der innere Mensch sträubt sich gegen die Feffeln der Gesellschaft, und wenn diese Feffeln überdieß noch von langweiligen Betanderien, oder von der Aussicht auf Gewinn und Behaglichkeit fort: während geschraubt werden, so ist er dannı Fein Wunder, wenn der innere Mensc feine Emballage zerreißt. Die Gesellschaft hat ja eine Menge Zwangs­­faden für den inneren Menschen. — Man macht Thon den Kindern viel unnüge Beschäftigung, da­­mit sie sich an Arbeit gewöhnen sollen. — Man erzweckt aber häufig das Gegentheil damit: Die Kinder werden schon frühzeitig ermüdet, und an die Stelle der Arbeitsluft­­ tritt dann später Arbeitssheu. Das gesellige Leben ist weich an allerlei Formen, diese bläut man den Kindern fahkundig ein. — Man stellt auf diese Art ein Kartenhaus zusammen, aus allerlei buntsciedigen Karten, aber in dem Kartenhaus ist Feine — Seele — zu finden. DOpfere den innern Menschen der äußeren Form nicht gänzlich auf. Ein enger Schuh drüht den Fuß, und erschwert das Gehen. — Die Ausbildung des inneren Menschen, ist die Hauptaufgabe; — das Kleid wird sich finden. Das Ursprüngliche, das wir von der Schöpfung als Mitgabe fürs Leben erhalten haben, ist unsere Natur; — das Nachfolgende ist die Kunst. — Unsere Natur bleibt im Kampfe gegen die Kunst immer überwiegend. — Der Geist vermag die finnischen Begierden bis zu einem gewissen Grad, 6i8 zu einem gewissen Gleichgewicht zu bezähmen und einzuschränken. — Geht aber die Willens­­kraft über­­­ieses Gleichgewicht hinaus, dann for­­dert die Natur wieder ihr Necht. Wenn 08 dort und da im geselligen Leben, wie man zu sagen pflegt, nicht zusammengeht, so mag das wohl daher kommen, daß der innere Diensch seine Selbstständigkeit aufrecht zu erhalten tragtet ! — E83 wird erzählt: Der einst so berühmte Doktor Faust hätte bei seinem Ableben unter Anderem auch ein Hausläppchen Hinterlassen, wel­­ches Käppchen die Wirkung hervorbragte, daß. Der­­jenige, der e8 aufgeregt hatte, die Gedanken ande­­rer Leute vernehmen konnte. — Oder vielmehr, daß die Leute vor Demjenigen, der e8 aufgejebt hatte, alle ihre geheimsten Gedanken ausplauderten. — Ein ähnliches Arkanım liegt auch in dem Worte — Freiheit. — Freiheit, hört man, und Alles fühlt sich freit Alles plaudert, schwirbelt und wirbelt durcheinander, so wie es der natür­­lde Drang beicht, und Viele, die bisher bedächtig und verschloffen einherschritten, sieht man ihre ver­­borgensten Gedanken, ihre verborgensten Neigungen in Wort und That gekleidet, ausframen. Man hört das Wort Freiheit kaum auss Sprechen, und schon fühlt man sich selbst auch frei. —­rei und berechtigt zu Allem in der Welt, was er nur immer sein wolle. — Man fehl­t si an, alle und jed­wede Verbindlichkeiten abzuschütteln. Dan fängt an, die Gefege und gefeglichen Vorl­ee ee RR -—"

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