Oedenburger Zeitung, 1884. September (Jahrgang 17, nr. 202-225)

1884-09-18 / nr. 215

a WWMWWLMÆWÆEÆ«.—­­ —­­Donnerstag,18.September 1884. XVH. Jahrgang. Mr. Sedenburger Zeitung, (vormals „Bedenburger Nachrichten“.) Organ für Politik, Landel, I­ndustrie und Landwirthschaft, dann für soziale Interessen überhaupt. Motto: „Dem Fortigritt zur Ehe! — Bebrühten zur Wehr? — Der Wahrheit eine Gaffe.” Was Blatt ersceint täglich, mit Ausnahme des auf einen onn= oder Feiertag folgenden Tages. Pränumerations:Preise: Für Loco: Ganzjährig 9 fl., Halbjährig 5 fl., Vierteljährig 2 fl. 50 fl., Monatlich 1 fl. « Rettuovärthenanzjährig 12 n.,Halbjäh­ig 7n.,Viekte1­ ·är3si.50- jahrig « Alle für das Blatt bestimmte Sendungen, mit Ausnahme von Inseraten, Prämumerations­- und Insertionsgebühren, sind an die Redaktion portofrei einzusenden. — LETTER Administration, Meriog und Inseratenaufnahme: Buhhtrukerei­­, Romtvalter & Sohn, Grabenrunde 121. KS> Einzelne Nummern Roften 5 KArewyer. uU­ D Inserate vermitteln: In Wien: Hafenstein & Bogler, Wall- Rianasse 10, A. Oppelis, ı., Stubenbastei 2, Heinrich Schalek, 1., Wollzeile 12, R. Moffe, Seilerstätte 2, M. Dufes, 1., Nies­mergasse 12. In Budapest: Saulus Gy. Dorotheagafse 11, Jepp Lang, Gisellaplag 3, A. Ü. Goldberger, Servitenplaß 3. SInfertions:Gebühren: 5 fr. für die eins, 10 Tr. für die zweis, 15 Tr. fü­r die dreis, 20 fr. für die vierspaltige und 25 Er. für die durchlaufende Bet­tzeile evclusive der Stempelgebühr von 30 fr. Bei me­hrmaliger Cinshaltung bedeuten der Rabatt Modekrankheiten. Dedenburg, 17. September. Züchtige und in ihrem sonstigen Wandel hoch­­ehrbare Frauen können, unbeschadet ihrer Nespes­­tabilität, ihre Männer dennoch ruiniren, sobald sie sinnlos der Modekrankheit fröhnen, reiche Ro­­ben, bunte Hüte, krostbaren Schmuch und anderen Zand anstreben, ohne selbst die Fähigkeit zu be­­figen, sich durch eigener Hände Arbeit stets nett und geschmachvoll zu Fleiden. Andere Damen wieder, sonst ebenfalls tadel­ 108 in Sitten und Bildung, Huldigen der Mode­­frankheit der Soireegebend und an der Bifiten- Abstattungsmanie­­re fühlen si unter Fremden behaglicher als in der eigenen traulichen Häuslich­­keit, sie bilden allzu gerne in einem glänzenden Zirkel den Brennpunkt der Unterhaltung und opfern dafür das schöne Beinwußtsein einzig und allein ihrem Gatten und ihrer Familie gelebt, für sie gewirkt und gesorgt zu haben, die „Hausehre“ und der Hort des „Ewigweibligen“ am Herde der Hungen zu sein. Auch diese Ieitere Kategorie von rauen führte die Familie ihrer Zerbrödelung, ihrem Beifalle zu. Ebenso wie die K­rauen, welche ihre Lebens­­aufgabe entweder mißverstehen oder moralisch zu Thwad, geistig zu unfähig sind, diefelden zu Lösen, ebenso k­önnen selbst die solidesten Männer im öffentligen Leben furchtbare D Verheerungen anrichten, daferne sie politischen Modetranf­­heiten Huldigen, falsche Schlagworte als echte Weis­­heitslehren aufgreifen und an Andere mit in den tollen Modestrudel reißen — wie wir dies leider bei und in legter Zeit mehr, al ung lieb und dienst ist, erfahren müssen. Unsere Frauen richten sich mit ihren Toiletten nach den neuesten Bariser Modejournalen, mit ihrer Sucht die Geschlechte­­genossm­en an gesellschaftligem „chic" zu übertreff­fen, und unsere Männer richten si mit ihren Modeschlagworten nach den Beispielen. Seien wir nit ungerecht. Wir wollen willig zugeben, daß unsere Damen von Paris viel Örazie, Reinheit und Anmuth in Kleidung und Haltung gelernt haben. Wir wollen nicht minder gerne Ton» statiren, daß wir Deutschland vieles zu danken haben, denn deutsche Wissenschaft hat auch unserm Lande auf dem Wege der Aufklärung und des Fortberittes unfrägbare Dienste geleistet. Folgt aber daraus, daß wir alle Damen-Modethorheiten blos deshalb, weil sie aus Paris kommen, und alle politischen Modethorheiten, gerade weil sie aus Berlin kommen, auch mitmachen müssen ? Wir können und dürfen uns einen so theuren, unsinnis­gen und schädlichen Lurus nicht gestatten. Ya, aber es geschieht dennoch. Und darüber wollen wir heute sprechen. Natürlich braucht eine Mode, bevor sie ihren Weg von Paris oder Berlin bs zu uns macht, Zeit. Daher kommt es gewöhnlich, daß bei uns Modeartikel erst dann in Schwung kommen, wenn sie in Paris oder Berlin bereits überholt, d. h. dur andere erregt worden sind. Die fcheußlichsten Verunstaltungen des lieb­­lihhen Frauenkörpers, durch Anbringung von Ka­­meelbudeln, dort wo sich das Nahgrad an die Hüften anschlieft, und welche Höder dann die Franzosen, als ob sie si­felder persifsiren wollten: „Zour­ure(l)* heißen; die ohrzerreißenden Krikris Instrumente Haben wir mit heiligem Ernste importirt, als ob es wer weiß wie nügliche, schöne und prastische Dinge gewesen wären. Die Pariser Fabrikanten wifsfen wenigstens, warum sie den Un­­sinn in die Welt fegen. Sie gewinnen Millionen an den nichtsangigsten Mode-Erfindungen und la­den die närrischen Ausländer aus, welche so leicht und enthusiastisch auf den Leim gehen. Ebenso wis­­sen die d­eutschen Staatslenfer, warum sie die neuesten deutschen politische Mode, die BVerhegung des freien Manneswortes in den Zeitungen, die Ver­­herrlichungen des mittelalterlichen Juniert­ums und nebenbei den gleißwertigen Staatssozialismus in die Mode brachten. Aber was haben wir davon ? Gibt es bei uns auch solche B Verhältnisse, wie in Deutschland ? Und da finden die erwähnten poli­­tischen Modeartikel, welche aus Deutschland import­tert wurden, bei gewissen(!) Leuten in Un­­garn Anklang und begeisterte Anbeter. Daß Gott erbarm ! In Deutschland ist das „Neue” dieser reaktionären Mode son so weit gediehen, daß für sich ein Nebalteur verbannt wurde, weil ..... so hieß es in der Polizeiordre...er „unbequem“(!) geworden ist. Bei uns aber beginnt die Mode erst, welche sich in Deutschland bereits als überlebt zeigt und eine mächtige Gegenaktion zu Stande gebracht hat. Wir Hinten eben nach, im Guten wie im Schlimmen. Wo will denn Herr v. TZipa mit den „außerordentlichen Maßregeln“ ?­ Es ist ein­­fach ein Symptom der auch bei und ausgebrochenen Modekrankheit der Westmächte: der Nihilisten- Niederei. Der Ministerpräsident behauptet die Breife begünstige die Agitation gegen die staatliche Ordnung, sie dringe in das Heiligt­um der Fa­­milie und profanive dasselbe und endlich sei sie der Hebel für antisemittige Wühler, um das Fun­­dament des Neides: „Sleiches Neht für Alle“ zu lodern und zu zerflüften. Es liegt aber heute in seiner der drei Richtungen, welche die beiden Brüder Tipa unisono als den Grund der aus­gekündigten M Ausnahmsmaßregeln angaben, eine beson­­dere Veranlassung vor, strenger vorzugehen, als man bisher nöthig hatte, oder zu befürchten, daß die gefeglichen Mittel nit ausreichen, um die Ruhe im Lande zu erhalten. Weder zeigt sich in nationaler Beziehung eine erhöhte, oder überhaupt gefährliche Agitation, no ist unsere Breite so ffandalsüchtig wie die Frankreichg, Englands und vollends die von Amerika, wo liegen endli Daten vor, welche es wahrscheinlich masten, daß anar­histische Umtriebe in Ungarn Wurzel gefaßt FE TE­RT BE­EN al Seuilleton. Die faligen Schlaraffen zu fernzeicnen, be­darf es nicht vieler Worte. Der falsche Schlaraffe geht in’S Reich, wie man in ein Zingel-Tangel geht, er betrachtet seinen Pla in der Burg als einen Sperrfig, von dem aus er unterhalten sein will, und noch dazu in bequemster und Bleilfigster Weise. Kommen an einem Abende wenig Vorträge oder gar Geschäftsverhandlungen vor, so kann man ihn sagen hören: „Heut war’s faul! Wenn’s so wo ein paar Mal fortgeht, wird’s bald aus sein." Außerdem liebt er mit Leidenschaft Kritik, und if bö­st ungnädig, wenn ein Vortrag in einer Yahrung zweimal kommt. Der falsche Schlaraffe mat der Leitung immer Schwierigkeiten, denn er ist ein Nergler. It diese Sorte in der Mehrzahl, dann „gute Naht" Schlaraffentendenz! Einem solchen Bruder ein Amt geben, bieße den Bad zum Gärtner machen. — Nun der gleichgiltige Schlaraffe: Vor allen Dingen wird er Mitglied, um einmal die Sache durchzumachen, überhaupt dabei zu sein, namentlich wenn er der Vereinsmeierei verfallen ist. Diese Schlaraffen sind überhaupt nur am Sippungs­­abende von 9 bis 12 Uhr Schlaraffen, außer dieser Zeit wissen sie absolut nichts von unserem Bund, falls weder ein Rei zu gründen, zu fertigen, no [papinfliegenden Wasser, dem Strome des Schmerzes, zu erhalten.“ Herrligkeit Baron Baculus, der Pfoten­bauer, Oberschlaraffe der „Revalia“ (Redaf­­teur Erwin Bauer, Reval in Rußland), schildert das Wesen Allfschlaraffing und der Menscen, die würdig sind, Mitglieder derselben zu sein, in feinem reizvollen, von entzückender Poesie gart ange­hauchten Märchen: „Die Wunderblume, wie folgt: „gern im Osten — weit, weit von hier, an den Ufern eines mächtigen Stromes, lag einst ein herrlicher Zaubergarten, darin viele Tausend der schönsten und wunderlieblichten Blumen wuchsen. Farbenprächtig glänzte der Blüthenflor in den Strahlen der ewig scheinenden Sonne und strömte sinnverwirrenden Duft aus. Unter allen aber be­­fanden si drei kleine, unscheinbare Blumen, tief verborgen unter dem­­ Blüthen- und Blätterdach des unermeßlichen Gartens; sie waren sein größter Schag und ihr Besit verhieß die höchste Glücselig­­keit dem Menschentinde, das von den Göttern dazu auserlesen war, sie zu brechen. Die Sage von diesem Wundergarten war überall belaunt, wo nur Menschen weilten und Dieanden trieb es hinaus mit mächtigem Sehnen , gen Osten, zu sehauen des Gartens Pracht und zuzusehen, ob es ihm nicht gelänge, die drei Zauber­­blumen zu brechen. Aber schwer und weit war der Weg dahin und gefährlig dem Wanderer : er führte ihn mitten dur alle Fährnisse des Lebens bis auf eine schmale Wiese, die links und rechts von zwei Wild denselben im Reiche nicht hofirt, so verkriegt| Strömen bespült war — einem wilden reißenden, Sorte ist ‚ebeneldem GStrome, der Kreude, und einem tränen, sanft sie e8 aemwaltia. Mit dieser lebten Und welchem e8 au gelang, sich wader durch das Ungemach des Weges zu kämpfen und müde und matt am Saume der Wiese anzufangen, der war gewiß, daß er einem der Ströme zum Opfer fiel. Denn so, wie er si herabbeugte, um seinen Durst an einem derselben zu fü­llen, erfaßten ihn unsichte­bare Gewalten und risfen ihn mit fi fort in den wilden Strudel der Freude oder­­ versenkten ihn hinab in die unergrändligen Tiefen des Schmerzes. Und mit fi fort spülten die Ströme den Wan­­derer und Tiefen ihn forten ihre Wasfer, bis er überfatt war und sie, feiner überdrüßig, ihn hinaus­­hleuderten an das sandige Gestade, wo die All­­täglichkeit zu Hause ist und die Mittelmäßigkeit Schlaraffische Enthülungen­ (Fortlegung ) der Welt ihre mächtige Herrsgaft übt. Die Herr­­lichkeit des Gartens war ihm auf immer verloren, und nie mehr fand er den Weg, der ihn zu ihm führen sollte, wieder. So waren Viele dahingegangen, das Höchste zu suchen und waren doch nur ract und elend, der Freuden des Lebens, überdrüßig, oder zerstört der unbändigen Schmerz und tiefes Weh, dort anges­langt, wo der große Strom der Menschheit flach und träge an sandigen, traurigen, poesie- und allen geistigen Schmudes leeren Ufern dahinfließt, um si in’ Nichts der Ewigkeit zu ergießen. Die Wunder­­blumen im Zaubergarten aber blühten und dufteten weiter und harrten sehnsüchtig des Menschenfindes, deß hoher und reiner Sinn den Weg zu ihnen finden würde! — — Einst machte sich auf ein Jüngling auf, die Wunderblumen zu suchen, denn mächtig drängte ihm sein Geist, das Höchte und Herrlichste auf 3

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