Oedenburger Zeitung, 1884. September (Jahrgang 17, nr. 202-225)
1884-09-18 / nr. 215
a WWMWWLMÆWÆEÆ«.— —Donnerstag,18.September 1884. XVH. Jahrgang. Mr. Sedenburger Zeitung, (vormals „Bedenburger Nachrichten“.) Organ für Politik, Landel, Industrie und Landwirthschaft, dann für soziale Interessen überhaupt. Motto: „Dem Fortigritt zur Ehe! — Bebrühten zur Wehr? — Der Wahrheit eine Gaffe.” Was Blatt ersceint täglich, mit Ausnahme des auf einen onn= oder Feiertag folgenden Tages. Pränumerations:Preise: Für Loco: Ganzjährig 9 fl., Halbjährig 5 fl., Vierteljährig 2 fl. 50 fl., Monatlich 1 fl. « Rettuovärthenanzjährig 12 n.,Halbjähig 7n.,Viekte1 ·är3si.50- jahrig « Alle für das Blatt bestimmte Sendungen, mit Ausnahme von Inseraten, Prämumerations- und Insertionsgebühren, sind an die Redaktion portofrei einzusenden. — LETTER Administration, Meriog und Inseratenaufnahme: Buhhtrukerei, Romtvalter & Sohn, Grabenrunde 121. KS> Einzelne Nummern Roften 5 KArewyer. uU D Inserate vermitteln: In Wien: Hafenstein & Bogler, Wall- Rianasse 10, A. 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Andere Damen wieder, sonst ebenfalls tadel 108 in Sitten und Bildung, Huldigen der Modefrankheit der Soireegebend und an der Bifiten- Abstattungsmaniere fühlen si unter Fremden behaglicher als in der eigenen traulichen Häuslichkeit, sie bilden allzu gerne in einem glänzenden Zirkel den Brennpunkt der Unterhaltung und opfern dafür das schöne Beinwußtsein einzig und allein ihrem Gatten und ihrer Familie gelebt, für sie gewirkt und gesorgt zu haben, die „Hausehre“ und der Hort des „Ewigweibligen“ am Herde der Hungen zu sein. Auch diese Ieitere Kategorie von rauen führte die Familie ihrer Zerbrödelung, ihrem Beifalle zu. Ebenso wie die Krauen, welche ihre Lebensaufgabe entweder mißverstehen oder moralisch zu Thwad, geistig zu unfähig sind, diefelden zu Lösen, ebenso können selbst die solidesten Männer im öffentligen Leben furchtbare D Verheerungen anrichten, daferne sie politischen Modetranfheiten Huldigen, falsche Schlagworte als echte Weisheitslehren aufgreifen und an Andere mit in den tollen Modestrudel reißen — wie wir dies leider bei und in legter Zeit mehr, al ung lieb und dienst ist, erfahren müssen. Unsere Frauen richten sich mit ihren Toiletten nach den neuesten Bariser Modejournalen, mit ihrer Sucht die Geschlechtegenossmen an gesellschaftligem „chic" zu übertrefffen, und unsere Männer richten si mit ihren Modeschlagworten nach den Beispielen. Seien wir nit ungerecht. Wir wollen willig zugeben, daß unsere Damen von Paris viel Örazie, Reinheit und Anmuth in Kleidung und Haltung gelernt haben. Wir wollen nicht minder gerne Ton» statiren, daß wir Deutschland vieles zu danken haben, denn deutsche Wissenschaft hat auch unserm Lande auf dem Wege der Aufklärung und des Fortberittes unfrägbare Dienste geleistet. Folgt aber daraus, daß wir alle Damen-Modethorheiten blos deshalb, weil sie aus Paris kommen, und alle politischen Modethorheiten, gerade weil sie aus Berlin kommen, auch mitmachen müssen ? Wir können und dürfen uns einen so theuren, unsinnisgen und schädlichen Lurus nicht gestatten. Ya, aber es geschieht dennoch. Und darüber wollen wir heute sprechen. Natürlich braucht eine Mode, bevor sie ihren Weg von Paris oder Berlin bs zu uns macht, Zeit. Daher kommt es gewöhnlich, daß bei uns Modeartikel erst dann in Schwung kommen, wenn sie in Paris oder Berlin bereits überholt, d. h. dur andere erregt worden sind. Die fcheußlichsten Verunstaltungen des lieblihhen Frauenkörpers, durch Anbringung von Kameelbudeln, dort wo sich das Nahgrad an die Hüften anschlieft, und welche Höder dann die Franzosen, als ob sie sifelder persifsiren wollten: „Zourure(l)* heißen; die ohrzerreißenden Krikris Instrumente Haben wir mit heiligem Ernste importirt, als ob es wer weiß wie nügliche, schöne und prastische Dinge gewesen wären. Die Pariser Fabrikanten wifsfen wenigstens, warum sie den Unsinn in die Welt fegen. Sie gewinnen Millionen an den nichtsangigsten Mode-Erfindungen und laden die närrischen Ausländer aus, welche so leicht und enthusiastisch auf den Leim gehen. Ebenso wissen die deutschen Staatslenfer, warum sie die neuesten deutschen politische Mode, die BVerhegung des freien Manneswortes in den Zeitungen, die Verherrlichungen des mittelalterlichen Juniertums und nebenbei den gleißwertigen Staatssozialismus in die Mode brachten. Aber was haben wir davon ? Gibt es bei uns auch solche B Verhältnisse, wie in Deutschland ? Und da finden die erwähnten politischen Modeartikel, welche aus Deutschland importtert wurden, bei gewissen(!) Leuten in Ungarn Anklang und begeisterte Anbeter. Daß Gott erbarm ! In Deutschland ist das „Neue” dieser reaktionären Mode son so weit gediehen, daß für sich ein Nebalteur verbannt wurde, weil ..... so hieß es in der Polizeiordre...er „unbequem“(!) geworden ist. Bei uns aber beginnt die Mode erst, welche sich in Deutschland bereits als überlebt zeigt und eine mächtige Gegenaktion zu Stande gebracht hat. Wir Hinten eben nach, im Guten wie im Schlimmen. Wo will denn Herr v. TZipa mit den „außerordentlichen Maßregeln“ ? Es ist einfach ein Symptom der auch bei und ausgebrochenen Modekrankheit der Westmächte: der Nihilisten- Niederei. Der Ministerpräsident behauptet die Breife begünstige die Agitation gegen die staatliche Ordnung, sie dringe in das Heiligtum der Familie und profanive dasselbe und endlich sei sie der Hebel für antisemittige Wühler, um das Fundament des Neides: „Sleiches Neht für Alle“ zu lodern und zu zerflüften. Es liegt aber heute in seiner der drei Richtungen, welche die beiden Brüder Tipa unisono als den Grund der ausgekündigten M Ausnahmsmaßregeln angaben, eine besondere Veranlassung vor, strenger vorzugehen, als man bisher nöthig hatte, oder zu befürchten, daß die gefeglichen Mittel nit ausreichen, um die Ruhe im Lande zu erhalten. Weder zeigt sich in nationaler Beziehung eine erhöhte, oder überhaupt gefährliche Agitation, no ist unsere Breite so ffandalsüchtig wie die Frankreichg, Englands und vollends die von Amerika, wo liegen endli Daten vor, welche es wahrscheinlich masten, daß anarhistische Umtriebe in Ungarn Wurzel gefaßt FE TERT BEEN al Seuilleton. Die faligen Schlaraffen zu fernzeicnen, bedarf es nicht vieler Worte. Der falsche Schlaraffe geht in’S Reich, wie man in ein Zingel-Tangel geht, er betrachtet seinen Pla in der Burg als einen Sperrfig, von dem aus er unterhalten sein will, und noch dazu in bequemster und Bleilfigster Weise. Kommen an einem Abende wenig Vorträge oder gar Geschäftsverhandlungen vor, so kann man ihn sagen hören: „Heut war’s faul! Wenn’s so wo ein paar Mal fortgeht, wird’s bald aus sein." Außerdem liebt er mit Leidenschaft Kritik, und if böst ungnädig, wenn ein Vortrag in einer Yahrung zweimal kommt. Der falsche Schlaraffe mat der Leitung immer Schwierigkeiten, denn er ist ein Nergler. It diese Sorte in der Mehrzahl, dann „gute Naht" Schlaraffentendenz! Einem solchen Bruder ein Amt geben, bieße den Bad zum Gärtner machen. — Nun der gleichgiltige Schlaraffe: Vor allen Dingen wird er Mitglied, um einmal die Sache durchzumachen, überhaupt dabei zu sein, namentlich wenn er der Vereinsmeierei verfallen ist. Diese Schlaraffen sind überhaupt nur am Sippungsabende von 9 bis 12 Uhr Schlaraffen, außer dieser Zeit wissen sie absolut nichts von unserem Bund, falls weder ein Rei zu gründen, zu fertigen, no [papinfliegenden Wasser, dem Strome des Schmerzes, zu erhalten.“ Herrligkeit Baron Baculus, der Pfotenbauer, Oberschlaraffe der „Revalia“ (Redafteur Erwin Bauer, Reval in Rußland), schildert das Wesen Allfschlaraffing und der Menscen, die würdig sind, Mitglieder derselben zu sein, in feinem reizvollen, von entzückender Poesie gart angehauchten Märchen: „Die Wunderblume, wie folgt: „gern im Osten — weit, weit von hier, an den Ufern eines mächtigen Stromes, lag einst ein herrlicher Zaubergarten, darin viele Tausend der schönsten und wunderlieblichten Blumen wuchsen. Farbenprächtig glänzte der Blüthenflor in den Strahlen der ewig scheinenden Sonne und strömte sinnverwirrenden Duft aus. Unter allen aber befanden si drei kleine, unscheinbare Blumen, tief verborgen unter dem Blüthen- und Blätterdach des unermeßlichen Gartens; sie waren sein größter Schag und ihr Besit verhieß die höchste Glücseligkeit dem Menschentinde, das von den Göttern dazu auserlesen war, sie zu brechen. Die Sage von diesem Wundergarten war überall belaunt, wo nur Menschen weilten und Dieanden trieb es hinaus mit mächtigem Sehnen , gen Osten, zu sehauen des Gartens Pracht und zuzusehen, ob es ihm nicht gelänge, die drei Zauberblumen zu brechen. Aber schwer und weit war der Weg dahin und gefährlig dem Wanderer : er führte ihn mitten dur alle Fährnisse des Lebens bis auf eine schmale Wiese, die links und rechts von zwei Wild denselben im Reiche nicht hofirt, so verkriegt| Strömen bespült war — einem wilden reißenden, Sorte ist ‚ebeneldem GStrome, der Kreude, und einem tränen, sanft sie e8 aemwaltia. Mit dieser lebten Und welchem e8 au gelang, sich wader durch das Ungemach des Weges zu kämpfen und müde und matt am Saume der Wiese anzufangen, der war gewiß, daß er einem der Ströme zum Opfer fiel. Denn so, wie er si herabbeugte, um seinen Durst an einem derselben zu füllen, erfaßten ihn unsichtebare Gewalten und risfen ihn mit fi fort in den wilden Strudel der Freude oder versenkten ihn hinab in die unergrändligen Tiefen des Schmerzes. Und mit fi fort spülten die Ströme den Wanderer und Tiefen ihn forten ihre Wasfer, bis er überfatt war und sie, feiner überdrüßig, ihn hinaushleuderten an das sandige Gestade, wo die Alltäglichkeit zu Hause ist und die Mittelmäßigkeit Schlaraffische Enthülungen (Fortlegung ) der Welt ihre mächtige Herrsgaft übt. Die Herrlichkeit des Gartens war ihm auf immer verloren, und nie mehr fand er den Weg, der ihn zu ihm führen sollte, wieder. So waren Viele dahingegangen, das Höchste zu suchen und waren doch nur ract und elend, der Freuden des Lebens, überdrüßig, oder zerstört der unbändigen Schmerz und tiefes Weh, dort angeslangt, wo der große Strom der Menschheit flach und träge an sandigen, traurigen, poesie- und allen geistigen Schmudes leeren Ufern dahinfließt, um si in’ Nichts der Ewigkeit zu ergießen. Die Wunderblumen im Zaubergarten aber blühten und dufteten weiter und harrten sehnsüchtig des Menschenfindes, deß hoher und reiner Sinn den Weg zu ihnen finden würde! — — Einst machte sich auf ein Jüngling auf, die Wunderblumen zu suchen, denn mächtig drängte ihm sein Geist, das Höchte und Herrlichste auf 3