Oedenburger Zeitung, 1887. Oktober (Jahrgang 20, nr. 223-248)

1887-10-18 / nr. 237

J X m­een TREE IRRE AR ® IE RESTE TITTE = Dienstag, 18. Oktober 1887. ——— ee mean XX. Jahrgang. (Vormals Bobhein ee Hapristen“) Motto: „Dem Fortgeritt zur Ehre! — Behrüdten zur, Wehr’ — Der Wahrheit eine e Sof“ — m braah für Politik, Kandel, Industrie und landwirtäfchaft, dann für soziale Interessen überhaupt. ns Blatt erscheint täglich, mit­ Ausnahme des auf einen Sonn- oder Feiertag folgenden Tages. Fräanumeration­s­­reife: @ür Loco: Langjährig 9f., ugetbjtbeig 5­5 fl, Bierteljährig 2 fl. 50 fl, Monatlich 1 Bir Uudwärts: Gemziäkc % fl., „gerbiägrig TfL., Biertel« jährig 3 Alle für das Blatt bestimmte­na, mit Ausnahme vom Inferaten, Prämumerations- und Infertionsgebühren, sind an Die Redaktion kortofrei einzusenden, « »Es­t Ins­»New N­­r. 237. - - Adminisration, Verlag und Inseratenaufnahme: Yahtrstrei­t, Nomtvalter , Sohn, Grabenrande 121, wu Einzelne Am­mern Roflen 5. K­reuser. Just­ine ermitteln In Wien: Lofenstein , Bogler, Bai­­u­fie 10, 9. Bibel, ı., Etubenbastei 2, Heinrich Sale, ollzeile 12,­R. Moffe, "Beilerstätte 2, M. Dules, ı., Ries­mergaffe 18; In Budapest: Saulus &. Dorothragaffe 11, zeop: Rang, Gisellaplag 3, U. VB. Goldberger, Servitenplag 8. . Infersions:Sebüßren: 5 fr.,für die­ ein=, 10 tr. für die weis, 15 x. für die freis, "20 Tr. für die vierschaltige und 25 Tr. für Die durchlaufende Betitzeile evclusive der Stempelgebühr von 30 fr. Bei mehrmaliger Einschaltung bedeutender Ze Der unbezwingliche Drache. Dedenburg, 17. Oktober. Ein Wiener Wigblatt zeichnet in seiner legten Nummer einen gräuligen Lindwurm, der so gleich, kaum als die Pforten des jenseitigen Parlamentes geöffnet sind, in das Abgeordnetenhaus wälzt, dam­it das Defizit, jenes Ungethüm, welches sein gehörnter Siegfried besiegt, das immer größer wird und sich unabläßig von dem Marie und dem Schweike der Nation nährt. Dieser Drachen bannt sein Zauberspeu­e, seine Gewalt überwindet ihn und man könnte ihm nur allmählig den Lebenssall entziehen, wenn man nach jeder Richtung hin die größte Sparsamkeit walten ließe ; allein­­ die angebliche Nothwendigkeit stets bis an die Zähr­e gerüstet bleiben zu müssen einer­, die Großmannsjuht in Ungarn andererseits, machen alle löblichen Beträge endlich haushälterischer zu Werke gehen zu wollen, zu Schanden. Dean Höre nur: Der Reichs Kriegsminister fordert diesmal für zehn Millionen für­ Gewehre, im nächsten Jahre wird er viellei­zt­ noch mehr ver­­langen. Dann kommt die Ausrüstung der Land­­wehr, mit dem neuen Demwenyre, für m welches je­ noch sein Kreuzer eingestellt ist unabweisliche­ Wünsche, und der vereinzelte Glücksfall, die fortgelegte Erhöhung der Steuern, alle Künfte der finanziellen Technik sind in ihrer Wirkung ver­­­windend neben den fundamentalen Gewalten, welche die Gestaltung­­ des Budgets bestimmen. egt wird das Defizit mit so und so viel Millionen beziffert, aber Niemand vermag zu sagen, wie groß Bin Wir­ligkeit sein werde .Als der Finanzminister im Jahre 1881 sein Expose hielt, bezifferte er den Abgang mit 34 Millionen. m Finanzgesete stand Die Ziffer von 535 W­illionen Gulden. So­ ging 28 fast immer. Nun dieses ewige Andauern der­ finanziellen Bedrängnisse, dieses Danaidentag Der Staatswirth­­schaft, welches er Finanzkünstler nigt füllen können, weil er eben bodenlos ist, schafft nachgerade einen unerträglichen Zustand. € 8 it also hohe Zeit, daß endlich eine ver­­nünftige, wüstern wohnende, finanzielle Diktatur sowohl haben wie drüben — plaßgreife, welche mei­nigstens gegen alle nicht ganz und gar unab­­weislichen Ausgaben unerbittlich ist und der nationalen Titelfeit gegenüber eine starre Hand mit eisernster Konsequenz auf jeden Gulden legte, daß er ja nit entschlüpfe. Wie heutzutage die Dinge stehen, gleicht das Bolf jenem armen Vogel, der angesichts eines armen Drachen, welcher ihn zu verschlingen droht, ganz willenlos wird und sich apatish in sein Schic­­sal ergibt, nur einmal den Berfuch machend, zu entschlüpfen, denn er weiß, der gewaltige Rachen schont ihn ja doch und. Petroleum, Kaffee, Prophese, Brandwein, alle die nothwendigen Vorausleg­ungen­­ des öffentlichen Haushaltes, werden auch, die finanzielle Chemie Oesterreich-Ungarns in Kugeln, Kanonen, slinten­­läufe verwandelt, und jeder Bilsen, durch welchen der nagende Hunger gestillt wird, erhöht die Wehr­­kraft­ der Monarchie. Ein Staat, welcher mehr als fünfzehn Millionen in­ einem Jahre für die Anschaffung neuer Gewehre ausgeben will, muß ein großes Defizit haben, und wer sich mit Dieser Thatrade nicht befreunden will, kämpft aussichts­ 108 mit einem unbezwinglichen Dra­­chen, folch’ ein Mensch gleicht einem in’d Meer geschleuderten Sciffbrüdigen : er­­cchwimmt gegen eine­ mächtige Strömung, welche den geistigen In­halt der Gegenwart bildet, unseren einstigen Woh­l­­stand längst erscüttert hat und die Abgeordneten nöthigt, im Austausche für Zölle, Gerwerbe-Novellen und arische Sittengefege die Kraft der ganzen Ge­neration für die Bewaffn­ung zu opfern. ‚Der Ber­griff der Ziffern ist den­ Menschen entschwunden, das Budget interessirt nur noch einige berufsmäßige Parlamentarier und P­ublizisten ; die große Menge trägt stumpf die auferlegte Luft, die Luft, zu bes­crücen, hat in vielen Herzen die Empfindung ges­tödtet, daß sie selbst bedrüht werden. Dadeh, ein Trost it uns doc geblieben, der nämlich, daß ein Staat, selbst wenn er, fallct werden sollte, nicht zu einer todten Konz­­ursmaffe werden kann ; eine Nation kann nir im­ Vizitationswege veräußert werden. Die Staatlichkeit­ Ungarns, die wir mit unserem Blute und unserem Geiste errungen haben, kan­n nicht an der­ Börse verspielt werden ; allein der fimany Stelle Ruin müßte unfehlbar schwere politische Kon­­­equenzen nach sich ziehen, ganz abgesehen davon, daß man in diesem allein Europa von Un­­garn so sprechen würde, wie man das von der Türkei thut. Daraus folgt, das­s­ die­ erste Pflicht jener Staatsmänner ist, die Ungarns Ge­­bide leiten, Mittel ausfindig­ zu machen und­ Maßregeln zu treffen, welche dem Defizit ein Ende machen. So lange­ dieses Ziel nicht erreicht­ ist, gibt es­ weder eine politische, mod­erne soziale, Entwicklung, noch auch einen wirklichen staatd=­ männischen Erfolg. Was uns also noch thut, ist eine gründliche Ref­ormirung unserer bisherigen Staaren­zunft. Wir drangen entschieden Reformen in der Politik, in der Wirtschaftspolitik und Reformen in der Gesellsschaft. Die ersteren sind ohne die­­ egteren unmöglich ; sie künnen ohne dieselben nit genügend wirksam sein, ja, sie müßten in den meisten Fällen vollständig erfolglos bleiben. Es it gewiß, daß bei uns eine ganze Menge von Institutionen ; dann kommen neue Seuilleton. Im Banne der Verhältnisse. Roman von Theodor Mugge. (Fortsehung) Das Ereigniß,dasko plötzlich grauenvoll hereingebrochen war,mußte natürlich jede Brust beklemmen.Manchel­ hnstände trugen ja noch mehr dazu bei,die bedrückten Gemüther nachdenklicher und verschlossener zu machen.Der Major konnte nicht ausrichtig sagen,was zwischen ihm und Wil­­kens bei ihrer letzten Unterredung vorgegangenzer überlegte heimlich brütend,ob er es Louisen mit­­theilen solle,denn ein unheimlicher Gedanke lief durch seinen Kopf-wenn Fragen an ihn gerichtet würden,die sich auf diesen Spaziergang bezogen. Er fühlte sein Blut plötzlich glühend heißt vor dem mit scheuen Augen saher umher und las in allen Gesichtern.Er wiederhollte dann,daß Wilkens sich von ihm­ getrennt habe,weil ergefunden,daß der Weg doch für ihn zu anstrengend werde,und dies sei an den drei Schwarztannen geschehen.Dort habe er Abschied genommen,umgesehen habe er sich nicht,auch nicht den geringsten Laut oder Rus gehört. „Es ist also kein Zweifel,“ erwiderte : Herr von Radan, „daß mein unglükk­er Freund seine Zeit behielt, einen Schrei auszustoffen. Bei allen” feinen Eigenheiten wird er mir doch unvergeßlich bleiben, und ich werde sein An­­denken treu bewahren. Wir werden und können ihn wohl alfe nicht vergessen, so an Sie,. mein LANE Herr von Brand. . Ihnen stand er nahe, und­ seine Doffeungen führten ihn hierher. Er achtete und schäßte Sie, ich hörte mie, daß er irgend einen Deenschen Höher actete.“ Unruhig rähte der alte Soldat auf seinem Stuhle, und seine Wahrheitsliebe konnte­ sich nicht enthalten, eine bedenkliche Antwort zu geben. „Ich weiß nit, wor Sie Net haben,“ sagte er ; „ich habe­­ wenigstens nicht viel davon gemerkt.“ „Drehen wir ab­ davon,“ antwortete Nadau sanft und Höflich ; „er hatte manche treffliche Eigen­­schaften, und i­hre Erinnerung an ihn wird um so nachhaltiger "sein, da Sie ‚ jedenfalls der ‚nächste Verwandte sind.“ Bei diesen bedeutungsvollen Worten stand Herr von Brand erregt auf und ging mit waschen Schritten durch das Zimmer. „Wollte Gott !* rief er’ aus, „ich hätte ihn nie gesehen, nie von ihm gehört ! X würde niemals das Geringste begehrt Haben. Und an Tegt nicht ! ud jeßt nit !“ Es entstand ein kurzes Schweigen, während der Major weiter ging, dann sagte Rahau : „Sein Vermögen­ muß bedeutend sein.“­­ „Lauffen wir, das !“ antwortete er ungestüm. „Geld ! das verfluchte Metall ! die Menschen ? Alle SchleHtigkeit­ steht darin.“ Der Rest des Abends verging in stummer, ernster Weise. Niemand wagte mehr, den Gegen­­stand zu erörtern, und doch gab es keinen anderen, welcher angeschlagen werden konnte. Der Major hätte zunächst beginnen müssen, sein düsteres Schwei­­gen verschloß alle Lippen. Stille an, was Anzuordnen war, und endlich ents­­ohin Bringt­e. Louise ordnete in der­ fernen sich Alle, um sich ihrem Nachdenken und dem B Vergeffen dringenden Schlafe zu überlasfen. Zulegt machte Toni noch einen Berfuch, ihren befümmerten Bater zu trösten. Sie fegte sich auf sein Knie, schlang Beide Arme um ihm und sprach unter ihren Küffen und Schmeicheleien : „Mein armer Papa, Du mußt­e8 Dir nicht so sehr­ zu Herzen nehmen. 'Es ist zwar jhrediid, daß er nun da oben todt in der Spufstube liegt, und ich habe es ihm wohl gesagt, daß er nit dort wohnen sollte, weil er Unglück dringt, aber er hat mich­ ausgelacht. Von nun an werde ich mich no weit mehr fürchten,­ an der Thür vorüber zu gehen, und mein Bert ‚bis über dem Kopf ziehen, wenn 8" draußen poltert ! Aber, Papa, er war doch ein häßlicher, fataler Mensc. Er sah oft so Höhnis aus, "als­o hätte er etwas wer Böses im Sinn, und im Grunde fanıı ig mich nicht so sehr betrüben. Denn nun braucht ihn Louise ganz gewiß nit zu heirathen, und er fann uns allen nits mehr zw Leide thun.* Der Major ließ sie nit enden, —Er Saß sie hastig von sich und sagte rauf : „&eh’ zu Bett und hüte Deine Findliche Zunge vor gr­alder= viren Worten. Fort mit Dir !* t Lange Zeit, waydem Toni, Thränen in den Augen, sich fortgef­lichen hatte, ging Herr ‘von Brand­no mit harten, jeeren Schritten umher. Zuweilen hielt er..ein, feste sich in den Lessel am Tische nieder, kreuzte seine Arme und blickte starr in das Licht, das langsam niederbrannte. Jet erst, wo er allein war, Hatte er Zeit, die ganzen Sorgen « .t

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