Oedenburger Zeitung, 1890. Februar (Jahrgang 23, nr. 26-49)

1890-02-14 / nr. 37

der Wahrheit fonstatiren, daß alle unsere Verhand­­lungen mit dem Sabinete Zaaffe glatter abgelaufen sind, aß Sene mit dem Ministerium Auers- ’perg-Lasser! . «Ehrlosigkeit­swalten. Der Prozeßt Kokan. In dem P­rozesse, dessen Schlußverhandlung vorgestern vor dem Buddapester Strafgerichte be­­gann, haben wir es mit einem jener betrübenden Fälle zu thun, deren Interesse weit über die Räum­­lichkeiten des Gerichtshofes hinausgeht, in­ welchem sie durchgeführt werden. Alle Verbrechen sind Krank­­heiten am Körper der Gesellschaft, und die unaus­­geregte Arbeit der Justiz ist nichts Anderes als das Bemühen, dieselben in den einzelnen Schäden, in welchen sie auftreten, zur Heilung zu bringen. Nun gibt es aber Verbrechen, welche nicht als Einzel­­fälle, sondern gewissermaßen als Epidemien be­­trachtet werden müssen, und die daher ein weit intensiveres Interesse erregen müssen als jene, deren Auftreten ein beschränkteres ist. Der Fall Kofan ist ein solches Symptom einer schleichenden Krankheit in unserem Verwaltungsorganismus, umd er verdient daher eine eingehendere Behandlung als die große Masse der vor Gericht durchgeführten Strafprozesse. Wir sahen bei dieser Gelegenheit mit­­ Be­­trübniß wie ein fast überwiesener Mitjelhäter in seiner Sucht, Andere mit sich in den Abgrund der zu reißen, Männer verunglimpfen konnte, deren in rastloser und fruchtbringender Arbeit verbrachte Leben fürwahr ein besseres Los verdient hätte. Unter solchen Umständen hätte man meinen sollen, daß die vorgestern begonnene Schlupf­verhandlung kaum mehr Interessanten zu bieten Haben werde, daß so ziemlich Alles erschöpft sei, wes derselben einen sensationellen Anstrich bieten konnte, allein, wie die Thatsachen zeigten, war das feineswegs der Fall und es gab Heute noch genug der Dinge, welche jedem, der ein Interesse an den öffentlichen Angelegenheiten nimmt, zu denken geben müssen. Es ist eine stehende Klage, has­ das­ Kontroll­­­system zahlreicher öffentlicher Raten bei und ein solches ist, wie dasselbe nicht einmal dem primi­­tivrten Begriffe einer europäischen Verwaltung ent­­spricht, und wenn der Angeklagte, der jet seinen U­rtheilsspruch erwartet, etwa als Milderungs­­grund für seine That anzuführen vermochte, so war es in der That diese Kontrolle, die irgend­ein Spisbube auszuspielen vermag, kann doch im Ernste nicht als eine solche betrachtet werden. Gegen den einfachen­ Diebstahl, gegen Einbruch und Raub kann sein System jwingen, da Hilft nur die aktuelle Wachsamkeit, wo man aber durch Jahre eine Reihe von Karten durch allerlei raffinirte Manipulationen systematisch bestehen kann, dort fißt das Nebel tiefer und es ist da eine weit gefährlichere­ Er­­scheinung, als ein, wenn auch, noch so vermögen in Szene gejeßter momentaner Eingriff in die öffentlichen Gelder. Er ist geradezu unbegreiflich, wie ein solcher Mensch so lange unentdeckt sein Umrriejen treiben konnte. Bei der heutigen Verhandlung stellte er si heraus, daß derselbe ein Jahreseinkommen von 1500 &ıulden, in welchem Betrage das Quartier­­geld mitinbegriffen war, habe. Ein Beamter mit dieser Gage Hatte nicht weniger als fünf Karten zu ver­ , sei ferne von uns, vorausjegen zu wollen, daß ein schlechtbezahlter Beamter nicht ehr­­lich sein künne, daß Armut und Verbrechen als Ursache und Folge betrachtet werden müssen. Es gibt, dem Himmel sei Dan, eine Unmasse sehr armer Leute, deren Nedlichkeit über jeder Verju­­hung erhaben ist. Aber Hier war der Fall doc­h einigermaßen anders. Johann Kofan führte nämlich eine Lebens­­weise, welche er mit seinen Vermögensverhält­­nissen in schreiendstem Widerspruche befand; er war ein notorischer Berichwender; an den theuersten Unterhaltungsorten war er zu finden; er fuhr in Yinfernt umher, gab und besuchte Gesellschaften und führte ein Haus, zu dessen Erhaltung nicht das Fünffache seiner Bezüge genügt hätte. Welcher Grad von Unachtsamk­eit von Seite der Kollegen und Borgeseßten ded Angeklagten gehörte mun dazu, daß sie einem Kaffier gegenüber, der eine unter seinen­­­erhältnissen so auffällige Lebensweise führte, nicht scharf auf die Finger sahen, daß in ihnen so gar sein Argwohn bezüglich der P­rove­­nienz der Mittel auftauchte, deren er zur Bestrei­­tung seiner­­ fururiösen Lebensweise bedurfte und daß sie ihn so weiter mit seinen fünf Karsen wirth­­schaften Liegen, bis er endlich den bekannten Knalleffekt mit den verlorenen 42.692 Gulden in Szene legte, durch welchen er die Spuren­­ jahrelang begangenen Verbrechen verdeden wollte, . Das ist das traurigste Kapitel an dieser trau­­rigen Geschichte,weil es sich hier nicht um die Unm­at eines Einzelnen, sondern um eine Krank­­heitserscheinung handelt, welche eine ziemlich allge­mein verbreitete bei uns ist. In anderen Ländern, namentlich in Deutschland, erregt ein Mensch, der eine über seine Verhältnisse­ gehende, also eine ver­­schwenderische Lebensweise führt, das gerechte Be­­denken bei allen Ehrlichgesinnten; man wird ihn, wenn auch sonst nichts Nachtheiliges über ihn be­­kannt ist, meiden und ihm den Grad jener Achtung verjagen, den man dem armen, aber redlichen Men­­schen in vollem Maße zutheil werden läßt. Bei ung aber genügt es, daß Jemand als Kavallier auftrete, daß er viel Geld ausgebe, daß er sich an eleganten Orten sehen TYaffe, damit Jeder vor ihm den Hut zieht und er sich zur Ehre macht, wenn ihn der Verdächtige seiner Gesellschaft würdigt. Bei uns fehlt die Kontrole nicht nur im Amte, sondern auch in der Gesellschaft, und deshalb kommen die Fälle so Häufig vor, daß unlautere Elemente eine Zeit lang eine hervorragende Rolle in der Gesell­­schaft spielen und daß die Kofan’3 so zahlreich zu finden sind. Das sind die Reflexionen, welche sich anläßlich der gegenwärtigen Prozesses jedem auf­­drängen müssen, und wenn man die "Mittelhäter dieser Art noch so strenge verurtheilt, die verbre­­cherischen Eingriffe in öffentliche Gelder werden nicht weniger werden, so lange eben diese Duzellen des Uebels nicht verstopft sind und eine gesundere allgemeine Moral die rare Auffassung verdrängt haben wird, mit welcher man heute­ über gewisse Erscheinungen Hinwegsieht, die anderswo­ die schärfste Berurtheilung erfahren würden. Wenn die Zeit bei uns genommen sein wird, wo ein Mensch nach seinem inneren Werthe und nit nach dem Auf­­wande geschäßt werden wird, denn er macht, wenn die Gesellschaft sowohl als auch die Aemter eine genaue Kontrole über ihre Mitglieder führen wer­­den, dann werden auch die Kofan’s eine so seltene Erscheinung werden wie das heute in Deutschland der Fall ist, während bei ung­edieses Unfraut leider täglich mehr in die Halme zu schießen scheint. PD... der Einführung der Justizreform gewartet werden Die reformirte Steueradministration aber werde wenn sie einmal über das UWebergangsstadium Hin­aus sein wird, allen gerechten Anforderungen ent­sprechen. Was die Schanfsteuer anbelangt, so habe e­­si­ die größte Mühe gegeben, um dieselbe sicherzu­stellen, doch sei ihm dies nicht überall gelungen so daß wenig Aussicht sei, mehr zu erzielen, al unter diesem Zitel präliminirt ist. Auf die Anfrag Görgey’s­ bemerkte der Minister, daß man Ge­tränke zu eigenem­ Konsum auch aus einer anderer Gemeinde bringen künne. Was den Borschlag Gör­­ge­y’3 bezüglich der Abschaffung der Scharf­­steuer anbelangt, drückte der Minister seine Zwei­­fel über die Rentabilität der vorgeschlagenen Neue­­rung aus und antwortete schließlich Bujanovic, daß er bereits im vorigen Sommer die Iitiative ergriffen habe, um die österreichische Regierung zur Abänderung einiger­ Bestimmungen des Spiritus­­steuer-Gejeges zu bewegen. N­­­­ae. Rn a RER HRTRBEN EN EEE EIER a Kar Dom Tage. Aus dem ungarischen Reichstage. Da Abgeordnetenhaus erledigte in seiner Mittwoch Sigung, zunächst die Vorlage über die Errichtung eines justizärztlichen Fach­senats, welche von der Referententribüne Alexan­­der Kördfi begründete. Wahrscheinlich um Jesai Revanche zu geben, dem er vorgestern Unorientirt­­heit in Phyllogera-Sachen vorgeworfen, sprach zu­ diesem Gegenstande — Otto Herman, der für die Unabhängigkeit des Senats fürchten zu müssen glaubte. Nun, der Justizminister belehrte den großen Entomologen, wie unbegründet und unorien­­tirt seine bezüglichen Befürchtungen seien und so­­mit wurde, die Vorlage, von einem­ stylariischen Amendement Hödoffy’s abgesehen, ohne Bemerkung angenommen, und die zu diesem Behufe bestimmte Summe und Justizbudget eingestellt. Hierauf kam die Verhandlung des Budgets des Finanzministeriums an die Reihe, für welches als Referent Alexander Hegedüs fungirte, der die in diesem Ressort vorgenommenen Wende­­rungen ausführlich mittheilte. Seitens der Unab­­hängigkeits-partei erörterte Io. Molnär das Kapitel de Steuerwesens, worauf Görgey an den Finanzminister die Frage richtete, ob man aus einer andern Gemeinde zu seinem eigenen Gebrauch Getränke auch in kleineren Duantitäten steuer­­frei bringen lassen künne, worauf er sehr einge­­hend die Negalien-Angelegenheiten des Sároser Komitat besprach, um zu beweisen, wie ungerecht die wäre, da die Besteuerung in­ jeder Gemeinde auf den Lofakfonsum bafirt sei. Schließlich ent­­delte Redner den Plan der Abschaffung der Schanfsteuer und Belastung der Schanfgebühr allein, damit der Konsum ich abermals steigern künne, wodurch der Staat ein größeres Erträgnis erzielen würde. Sodann persifierte Emerich Szalay das bei der Steuereinhebung übliche System. — Buja­­novics urgirte eine Abänderung des Spiritus­­steuer-Gefeges im Interesse der landwirthschaftlichen Brennereien und die Beseitigung jeder überflüssigen Relation bei der Zentrale, und Anton Tröth rühmte die Stenge der gewesenen Finanzminister gegen die eigenen Organe, worauf Minister Dr. Wekerle das Wort ergriff. Derselbe erinnerte daran, daß er selbst schon oft die Reformbedürftig­­keit der direkten Steuern betonte. Vor Allem aber müßte die Reform der Steueradministration ein­­und durchgeführt werden, und man muß den neuen Gelegen­heit lassen, sich einzuleben, bis man sich an neue Reformen macht, was auch auf das Scaafsteuergejeg angewendet werden künne. Auch sehe er wohl die Nothwendigkeit der Reform des Gebührenwesens ein,’ allein hiemit müsse bi nach .. . Saifer-Zusammenkünfte in Sicht. Der Berliner Blättern zufolge verlautet jegt bestimmt, der Deutsche Kaiser werde im Spätsommer, einer Einladung des Czaren folgend, einem Theile der russisschen Heeresübungen bei­­wohnen. Zugleich heißt es, der deutsche Kaiser werde den österreichisch-ungarischen Herbstübungen beimwohnen.­­ Spende des Primas. Fürstprimas Jo­­hann Simor hat dem Hilfsverein der Hörer der Philosophie an der Budapester Universität 100 Gulden gespendet. O­PDeputierten-Wahl. Am 12. d. wurde in Leutichau Graf Koloman Csáky einstimmig und unter großer Theilnahme der Wählerschaft zum Abgeordneten afflamirt. Mittags fand ihm zu Ehren ein Bankett statt.­­ Der Finanz-Ausschuß des Abgeord­­netenhauses hat am 11. d. Mittag unter dem­­ Präsidium Moriz Wahrmann’s eine Sagung gehalten, in welcher der Bericht des Finanzministers über die zu verlaufenden Schmöllinger Schwefel­­kiesgruben zur Kenntniß genommen und diese Gruben mit der Werthangabe von einer Million Gulden in­ die Liste der zum Verkaufe gelangenden Staats­­güter aufgenommen wurden. Am 15. d. wird der­­elbe Ausschuß über die Gelegentwürfe verhandeln, ‚betreff3 jener staatlichen Begünstigungen für Geld­­institute, welche zur Unterstügung der heimischen Industrie dienen ; ferner bezüglich der der heimischen Industrie zu gewährenden staatlichen Begünstigungen.­­ Das Arbeitsprogramm des Abgeord­­netenhauses. Wie aus Budapest gemeldet wird, beabsichtigt die Regierung sofort nach Schluß der Budgetdebatte einige wichtigere Gejeßvorlagen, so die Gejegvorlage betreffend der Bolfszählung und den­­ Gejegentwurf über die Fabriksbegünstigungen in Verhandlung zu ziehen. Nach der Appropriations­­debatte will die Regierung folgende Gegenstände auf die Tagesordnung stellen: Die Honvedvorlage ; den Geiegentwurf betreffs der Rechtsverhältnisse in den Nakoder Waldungen; die Revision des Hei­­mathgefeges und schließlich die Dezentralisation der königlichen Tafel.­­ Gewerbliche­s Sonntagsende. Ueber diese Trage hat Handelsminister Baross einen Geieg­­entwurf vollendet. Derselbe wird dieser Tage den Handels- und­ Gewerbekammern und den von der Verfügung betroffenen Fachkorporationen zur Be­­gutachtung zugesendet werden. Bei dieser Gelegen­­heit wird den betreffenden Korporationen auch der Entwurf der Verordnung mitgetheilt werden, worin der Minister jene Industriezweige bezeichnet, welche mit Rücksicht auf den Verkehr, die Interessen des Publikums und die Natur de Gewerbezweiges, ferner jene, zu deren erfolgreichem Betriebe die ununterbrochene Arbeit unumgänglich­ nothwendig ist, auf eine­ Exemption von den Bestimmungen des Gesees rechnen künnen.­­ Die neue Defrandations - Affaire von Preßburg. In der Angelegenheit der von dem Farrashidaer Notar Maghyari verübten De­­frandation wurde, da der Obergespan Graf Sosef Zichy mit der größten Strenge vorgeht, die Untersuchung sofort eingeleitet; es wurde fon­­statirt, daß die befraudirte Summe ungefähr 3000­­ Gulden betrage. Diese Summe wurde auf das Vermögen der Gemeinderichter sichergestellt.­­ Die englische Thronrede, welche gelegent­­lich der am 11. d. in London erfolgten Bar- _ lamento- Eröffnung gehalten wurde, fonsta­­tirt, daß die auswärtigen Beziehungen fortgelegt freundschaftliche sind und weist auf die Entsendung einer­ bewaffneten Macht unter einem portugiesischen Offizier nach Gebieten hin, wo britische Niederlas­­sungen sich befanden, und auf die mit Blutver­­gießen verbundene Kollision, sowie auf die Begehung­ von Handlungen, welche mit der, der britischen Flagge gebührenden Achtung unvereinbar sind, RE PEERS

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