Oedenburger Zeitung, 1891. November (Jahrgang 24, nr. 250-274)

1891-11-08 / nr. 256

ı Sonntag, 8. November 1891. xxlv.3alsrgang, edenburger Beitung, Administration, Dering und Inseratenaufnahme: Buhtenheri E, Romtvalter , Sohn, Grabenrunde 121, Az. 256. Das Blatt erscheint täglich, mit Ausnahme de auf einen Sonn- oder Feiertag folgenden Tages. Pränumerations-Preise: Für Loco: Ganzjährig 10 fl., Halbjährig 5 fl., Vierteljährig · » 2fl.50kr.,·s).!Monatlich 1sl. fürAu­swärts:Ganzjährig 14fl.,Halbjährig 7fl.,Viertel­­jährig 3fl.5okr. Alle für das Blatt bestimm­ten Sendun­gen­,m­it Ausnahm­e Iponseraten,Präiiu­merations-und In­sertion­sgebü­hren,sind an­ die Redaktion portofrei einzusenden. Inserate vermitteln­ in Wien: Hafenstein , Vogler, Wale­fischgasse 10, U. Oppelis, I., Stubenbastei 2, Heinrich Schaler, I., Wollzeile 12, R. Moffe, Beilerstätte 2, M. Dufes, I., Riemer­­gate 12. An Budapest: Paulus GYy., Dorotheagafse 11, Leep. Lang, Gisellaplan 3, X. B. Goldberger, Servitenplag 8. 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Er be­­hauptete im Oedenburger Komitate geboren worden zu sein, da er aber seine Eltern schon al Kind verlor, so habe er weder Papiere, noch sonst Aln­­haltspunkte, um seine Zuständigkeit genau feststellen zu können. Al halbwüchsiger Junge stand er in einem Dorfe des Naaber Komitates bei einem Land­­manne im Dienste, diesem, der ihn Hart behandelt und schlecht verpflegt hat, sei er endlich entlaufen und dann bald da, bald Dort theils als Hirte, theils als Adelknecht, beim Schnitt zur Erntezeit, als Tag­­löhner in Arbeit gestanden. Seit einiger Zeit aber wäre es ihm unmöglich gewesen, dauernde Beschäf­­tigung zu finden und somit sei ihm nichts anderes übrig geblieben, al im Lande herum zu streifen, um durch kleine Verrichtungen, eventuell als Bettler sein Leben zu fristen. Die Gemeindevorstehung von Engelhartäzell, in deren Gemarkung er Horvath zulegt umher trieb, nahm ihn fest und behandelte denselben im Sinne d8 Bagabundengeseb es als Land­­streicher, indem es ihm zu einigen Monaten Ge­­fängnißhaft verurtheilte. Wo wird aber geschehen, wenn Horváth seine Strafe abgebüßt haben wird, denn ewig kann man ihn doch nicht eingesperrt hab­en ? Er wird eben anderswo arbeitslos ,durchs Land ziehen, wieder eingefangen, wieder eingesperrt werden u. a. f. Wir fragen, ist da Die so vielgepriesene Humanität unsers kulturell so weit fortgeschrittenen Beitalters ? ist das eine Geießgebung, die auf Ge­­rechtigkeit und klarer Vernunft aufgebaut sein soll? Spiegelt sich nicht vielmehr in der Behandlung des armen Z­eufels, der sein Brod so gerne sich ver­­dienen möchte, aber leider seine Arbeit bekommen kann, der ganze, frajse Egoismus unserer Zeit, die Miserabilität gewisser Einrichtungen wieder, die angeblich zum Schuge der Gesellschaft geschaffen worden sind. Das Schidjal der Armen ist an sich schon Hart genug, allein unsere superfluge Amts­­weisheit macht er noch drühender, noch unerträg­­licher für Denjenigen, der ehrlich bleiben möchte, aber sie mit dem besten Willen nicht aus Noth und Elend herauszuwidern vermag. Wird mit dem Verbrecher nicht viel schonen­­der, viel rücksichtsvoller umgegangen, als mit dem armen Arbeitslosen, der durch das Land zieht, um da oder dort sein Bischen Erwerb zusammenzu­­tauchen? Der Verbrecher, dem nachgewiesen wird, er habe gestohlen, betrogen, befraudirt aber sich sonst an dem Eigenthume Anderer vergriffen, der wird mit aller Humanität behandelt. Oft darf er nicht einmal im Untersuchungshaft genommen wer­­den, sondern spaziert frei herum, bis nach Jahren sein Strafprügen in Segter­ Instanz erledigt ist; der arme Mensch aber, der nicht gestohlen, nicht be­­trogen hat, sondern nur an dem Fehler , der aber nicht feiner, sondern der der Behörden ist — laborirt, daß er seine SK Heimathögemeinde anzut geben nicht weiß, der wird ins Gefängniß gesteclt und kann Jahre darin zubringen, bi endlich der Amtsschimmel seine Zuständigkeit Festgestellt hat. Wo bleibt die Logis? Wo die Billigkeit ? ! Ja, wird der Amtsschimmel jagen, der aus­­weislose Mensch ist stets auch arbeitsfchen. Dies ist wieder ein Z­ugschluß der problematischen Re­­gierungsweiheit. Arbeitslos ja, aber deshalb nicht nothge= drungen arbeitöfchen, wird der Aus­weislose blei­­ben. Weil dies der Amtsschimmel ja selbst ja an­­geordnet hat. Ohne Legitimationspapiere, Arbeitsbuch, darf Niemand in Arbeit genommen werden. Arbeits­­buch, Legitimation aber erhält nur Derjenige, dessen Heimathägemeinde Hiezu die Bewilligung aufstellt. Und hier fängt der circulus vitiosus an: Arbeiten sol der Mann, fant ist er Bagabund und wird eingesperrt; in Arbeit darf ihn Niemand bei sonstiger­­ Strafe nehmen, weil der Arme seinen Ausweis hat; Ausweis aber gibt man ihm nicht, weil seine Gemeinde seine Zuständigkeit an­ erkennen will. Aus diesem Wirrsal gibt es sein Entrinnen, also wird und bleibt der Ausweislose für immer Bagabund und wird nach Belieben eingesperrt. Und unsere Gefeßgeber, die Die Gejege zentner>­weise produziren, haben sich noch nie veranlaßt gefunden, die kleinste Verfügung zu treffen, daß­ auch der Sohn der Elende, der arme Ausweislose in die Zage komme, bis zur Feststelung der Zu­­ständigkeit dem V Vagabundenlose zu entgehen. Groß im Kleinen sind die Herren dort oben­ in der Negierungsstube. Al im Jahre 1875 an Stelle des alten M­aßes und Gewichtes das Metermaß eingeführt wurde, beeilte sich zum Beispiel der Finanzminister unter Zahl 42.357, dito 4. September 1875, an­­zuordnen, daß in Folge Einführung des Meter­­maßes der den Mendilanten-Orden zu V­orzugs­­preisen zu liefernde Schnupftaleat fünfzighin für 500 Gramm mit 42 Kreuzer zu berechnen sein wird, und daß ein Mönch monatlich auf 500 Feuilleton. Die Damen und die Stenografie. Nach einem humoristischen­ Vortrage der ®. 8. Samel von Ferdinand Maurer. Ueber den Werth der Stenografie für Herren ist wohl nichts mehr zu sagen, aber die Frage über den Werth der­­ Stenografie für Damen ist noch nicht genügsam erörtert worden. Um Mißverständ­­nissen vorzubeugen, erlaube ich mir zu bemerken, daß es für Damen seine besondere Stenografie gibt, obzwar die Damen immer gerne etwas­­ Be­­sonderes haben wollen; es soll nur ausgedrückt werden, daß auch den Damen Stenografie gelehrt wird. Diese Damen werden denn Steno-Gräfinnen, wie man sieht, adelt die Wissenschaft. Welchem Sport auch immer die Damen Huldigen, was sie auch immer in christlicher Demuth beginnen. Alles Toftet den Männern ein Heidengeld. z. B. das Kleider» nähen, Sklavierspielen, Tanzen und Eislaufen. Das Erlernen der Stenografie macht allein eine Aus­­nahme: „Alles für 300 Kreuzer!" Ein altes, grie­­chisches Sprichwort sagt: „Was nichts Toftet bringt Segen*, folglich bringt auch das Erlernen der Stenografie, das beinahe nicht? Toftet, Segen. Man bekommt öfters zu hören, nur Blaustrümpfe lernen Stenografie. Ach, da muß ich bitten, ich selbst bin gegen die Blaustrümpfe, obzwar mir ein blauer Strumpf auch ganz gut gefällt, besonder wenn ein schöner Damenfuß darin­tet. Nein, nit nur Blau­­strümpfe, alle Damen, die Strümpfe tragen, sollten­­—­_ die Stenografie erlernen, ich werde Ihnen zeigen, wie praktisch dieselbe für Damen ist, da muß ich Ihnen bemerken, daß die Dame meines Herzens nicht ausschließlich bloß Sinn für die Stenografie, sondern auch Sinn für die Zubereitung von Zwetschkentnödeln haben müßte. Oh, Ihr jungen Männer, die Ihr im Begriffe steht, zu wählen unter­ den Zöchtern der Gläubigen oder Ungläu­­bigen, fraget nicht nachh Mitgift, Charakter, jedet nicht auf Schönheit, Jugend und Tugend , sondern fraget vor Allem: „Mein Fräulein“, oder respektive „Meine Tinberlose Wittwe“, find Sie Steiogräfin ?" Nur eine Stenografin ist im Stande, einen jeden Mann in der kürzesten Zeit glücklich zu machen, denn eine Stenografin braucht zu allem nicht viel Zeit, sie hat durch die Stenografie ge­­lernt zu sparen, zu fürzen, Zeit zu gewinnen und Zeit gewinnen Heißt Geld gewinnen, eine Steno­­grafin gewinnt daher immer Geld und wenn die Geschäfte des Herrn Chegemals noch so schlecht gehen. Das Loftungswort einer richtigen Steno­­grafin­­ wird immer sein: „Kürzen, Sparen, Zeit gewinnen!“ Wird eine Stenografin eine lange Schleppe tragen? DO nein! Die Schleppe wird ge­­fürzt. Wird eine Stenografin lange Besuche ab­­statten, viele unnüße Worte machen? Nein, eine Stenografin weiß, wie schwierig es ist, nur 120 Worte in der Minute niederzuschreiben, sie wird sie daher im Acht nehmen, deren noch mehr zu reden. Wird sich eine Stenografin die Zeit nehmen, jeden Morgen drei falsche Zöpfe anzubinden ? Nein, sie wird sich höchstens einen zulegen. Wird etwas Herrlicheres geben, als eine stenografische Haus­­wirthschaft? Alles wird auf stenografische Art ge­­fürzt, die Butter wird nur zur Hälfte auf das Brot gestrichen, die Knödel werden kleiner gemacht, statt vier Stüdchen Zuder in den Kaffee werden nur zwei genommen, statt fünfmal die Tages zu effen, wird in einer stenografischen Hausmirtelschaft Hiezu ein halber Bogen Beilage nur einmal gepeift. Statt 100 Kaffeebohnen nimmt­ eine Stenografin nur einige Bohnen, in der Steno­­­grafie werden die zwei Nullen nicht geschrieben, folglich gibt eine praktische Stenografin auch die zwei Nullen nicht in den Kaffee. Eine Steno­­grafin wird auch nicht den zehnten Theil der Hands­chuhe brauchen, die eine Nichtstenografin ruinirt, denn in Handschuhen stenografirt man nit. Wie viel Geld auf diese Art in einer Hauswirthschaft erspart wird, kann ihnen jeder Familienvater, auch wenn er bis8 12 Kinder hat, leicht nachrechnen. Aber auch sonst wird das Leben mit einer Steno­­grafin sehr angenehm sein. Sie hat seine Zeit­ung mit Eifersucht zu plagen, denn alle ihre freie Zeit wird sie dazu benügen, um sich in der Stenografie zu üben, denn ohne Hebung bleibt man nicht Steno­­graf, als nicht Stenogräfin. Wird man daher einmal eine Strafpredigt halten müssen, so ergreift die Frau diese Gelegenheit mit Vergnügen, nimmt die Strafpredigt sofort stenografisch auf. Bei anderen rauen helfen die Strafpredigten nichts, da geht alles in ein Ohr Hinein, durc d’S andere hinaus, nichts wird aufgenommen. Während Sie mit einer Stenografin taufen, ist diese mit dem Stenografiren so beschäftigt, daß sie selbst gar nicht zum Worte kommt, bei Nicht­­stensgräfinen muß man bei solchen Anlässen auf die heftigsten Gegenreden, zumeilen begleitet von handlichen Auseinanderlegungen in die gegenseitige Physiognomie, gefaßt sein; einer Stenografin sind die Hände gebunden. Ich will ganz davon absehen, daß man si durch die Stenografie Geld verdienen kann, unsere Stenografinen sollen nicht nöthig ha­­­ben, ihren Männern Geld zu verdienen, aber wie herrlich ist der Gedanke, daß eine Stenografin im die Lage kommen kann, durch das Stensgrafiken für Abonnenten liegt Heute Ar. 45 des „Luftrirten­sonntagsblattes“ bei.

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