Pannonia, 1895 (Jahrgang 24, nr. 26-103)

1895-10-10 / nr. 81

Pe 3% ALK „DEN uw Er 14? SEITEN Gun nn nenn nn nn nn > „2020 Le a ' | Pränumerationspreise “ für Kaschau: * Halbjährig — — — —. — „ 250 Vierteljährig “ — — — „ 1.25 . : Einzelne Nummern 5 kr. Erscheint Sonntag und Donnerstag. Redaction und Administration: Rofiutp Lajos-Gasse Nr. 26. Manuscripte werden niht retournirt, "Kaschau, Donnerstag den 10. Oktober. Nr. 81. ( | | Ser : Prännmerationspreise : - mit „Postversendung­: | Ganzjährig .= = = =- fl. 6— Halbjährig = -- == = . Z,=­­Bierteljährig = = =- — „150­­, Inserate » werden bei der Administration des Blat­­tes, ferner Budapest : Paulus und Go. Bernhardt Epstein, A. B. Goldberger,­­ Danneberg, I. D. Fischer, Wienz Rudolf Mosse, Haasenstein und Vogler, M. Dittes, I. Danneberg, Heinrich Schaller, A. Oppelik Hamburg: Rudolf“­offe, Körolyi und Liebmann. Berlin: Adolf Mosse, Haasenstein und Vogler,­ entgegengenommen. N 189. . Eine ersprießliche Reform. Während auf dem Gebiete des Bodenkredits ein gewisser Fortscritt nicht in­ Abrede gestellt werden kann, ist leider das Gewerbe betreffend ein Fortschritt, nicht zu konstatiren. Wer gewährt dem Handwerker, der keinen Grund und kein Haus besigt und der nur das von der Boden, Exe­­kution ausgeschlossene Werkzeug und ein wenig Einrichtung sein Eigen nennen kann, Kredit ? Man pflegt wohl zu sagen, daß der Handwerker auf dem Gelde s<läft, auf demselben erwacht, was so viel bedeutet, daß die Ausübung des Gewerbes kein Betriebskapital beansprucht, weil das Produkt sofort in Geld umgelegt werden kann. Dies ist aber unter den heute herrschenden Verhältnissen eine falsche Vorauslegung, denn in erster Linie erhebt das konsumirende Publikum heute ebenso große Ansprüche auf Creditgewährung, wie der Handel. Der Handwerker, der also kein Kapital besitzt, und nur in der Lage ist seinen Kunden im beanspruch­ten Maße Kredit einzuräu­­men, gerät­ langsam in Verfall. Der Kleingewer­­­­betreibende, der über kein Betriebskapital verfügt, muß von den größeren Lieferungen und Arbeiten absehen, weil dieselben Kautionserlag und Investi­­tionen von längerer Dauer bedingen, schließlich kommt der arme Handwerker auch bei der Be­­schaffung der Rohmaterialien zu kurz, weil er diese nicht im Großen beschaffen kann. Der Handwerker kann in Ermanglung von Betriebskapital eine Konkurrenz mit der Fabriks­­industrie nicht aufnehmen. Bei Kreirung des neuen Gewerbegesezes wurden die Gewerbeverbände als Institutionen in Betracht gezogen, welche unter andern auf die Eignung zur Organisation des gewerblichen Kredites befigen sollten, doch bewahr­­­­heitete sich diese­ Hoffnung nicht. Die wenigen Kleingewerbetreibenden, welche über entsprechendes Kapital verfügen, sind in dieser Angelegenheit nicht engagirt, die große Mehrzahl aber, welche gegen die Konkurrenz des Auslandes und der Fabriken um das tägliche Brod kämpft, ist ohne Hilfe von Außen unfähig, jene Organisation ins Leben zu rufen, welche den Anforderungen des Kleingewerbes entsprechen würde. Wenn aber das darauf gerichtete Bestreben ein ernstes ist, so kann das Ziel nur in dem Falle erreicht werden, wenn die Entwickklung des Kleingewerbes mit der Organisation des Kredits in Verbindung gebracht und die letztere als con­­ditio sine qua von der Hebung des Kleingewer­­bes in Betracht gezogen wird. In Doesterreich ist diese ein Gegenstand der Berathung der Legis­­lative und wurde unlängst im niederöster. Land­­tage folgender Antrag eingebracht : Die Landtags­­kommission wird beauftragt eine Vorlage betreffend die Organisation des kleingewerblichen Credites durc entsprechende Darlehenskassen auszuarbeiten. Die Commission ging nun bei Ausarbeitung der Vorlage von der Thatsache aus, daß der Kleingewerbetreibende bemüssiget ist seinen Kunden Kredit einzuräumen und stellte die Commission daher folgende Grundzüge auf: Der betreffende Kleingewerbetreibende über­­trägt sofort nach Ablieferung seines Erzeugnisses auf Grund der Rechnungen seine später seitens der Kunden zu begleichenden Forderungen, während die Kassa ihm hiefür entsprechenden Kredit auf laufende Rechnung in der Weise einräumt, indem sie dessen Bedarf an Rohmaterial bei den Produ­­zenten und Fabrikanten baar ausbezahlt und diese Rohstoffe bis zur Begleichung der Schuld Eigen­­thum der Kassa bilden. Die Cassa zieht sodann die ihr cedirten Forderungen ein und schreibt sie den Gewerbetreibenden zu Gute, durch welches Verfahren man das Kleingewerbe von der riesigen Last der Creditgewährung zu befreien denkt, unter welcher das Kleingewerbe seit jeher seufzt. Die rechtliche Form der Kassen wäre die genossen­­schaftliche. Die Commission beruft sich in ihrem Elaborat auf die Linzer „Vorschußgenossenschaft der Gewerbetreibenden,“ deren Statuten folgende Norm enthalten : „Kredit wird in der Weise gewährt, daß der Verband bis zu einem gewissen Betrage bei den Einkäufern der Kreditwerber an deren Stelle Baarzahlungen leistet, wogegen die ausgezahlten­­ Summen von denselben mit gleichwert­igen For­­derungen gedecht werden,­ welche die Kreditwerber dem­ Verband weh­ren und außerdem der Uneinbringbarkeit der Forderungen im Falle­ zur Leistung der vollen Rückzahlung der Schuld sich verpflichten. Der Direktion steht es frei, die­ Annahme der­­ ausständigen Forderungen ohne Motivirung zu refusiren, welches Rest ihr besonders zusteht, wenn es bekannt ist, daß die betreffenden Schulde­ner schlechte Zahler, überhaupt insolvent sind.“ | | Die Civilehe. (Schuß.) VL Trennung von Tisc und Bett. Jeder der Ehegefährten kann die Scheidung von Tisch und Bett bis zur Beendigung des Prozesses bere­langen. Auch kann der Ehegefährte in allen Fällen, wo die Ehe nach dem Gesche geschieden werden kann, anstatt vollständiger Scheidung die Trennung vom Tisch und Bett verlangen, im Laufe des Prozesses aber die auf Trennung gerichtete Klage in eine Schei­­dungsklage umändern. Die von Tisch und Bett gericht­­l­ getrennten Ehegefährten können die eheliche Ges­­einschaft wann immer wieder aufnehmen. VIE. Im Auslande gesc­hlossene Ehen und­ Ehen der Au­sländer. Die Geistigkeit der im Auslande geschlossenen Ehen wird im Allgemeinen nach den Gelegen des Auslandes beurtheilt. Wenn ein ungarischer Staats­­bürger­ mit einer Ausländerin entweder im Inlande oder im Auslande eine Ehe schließt, ist die Giltigkeit der Ehe nach dem ungarischen Gesete zu beurtheilen. Die Giltigkeit der Ehe ist hinsichtlich der Formalitäten nag den zur Zeit und am Orte der Eheschließung bei stehend­en Gesetzen zu beurtheilen. Die im Auslande zu schließende Ehe des ungarischen Staatsbürger muß­ aug im Inlande aufgeboten werden. Bezüglich der Ehe jenes Ausländers, dessen Staatbürgerschaft nicht festgestellt werden kann, müssen in allen jenen Fällen, in welchen im Sinne des Gefeges die Gesetze seines Vaterlandes maßgebend wären, die Gesetze seines Wohnortes angewendet werden.­­ VIII. Strafbestimmungen. Der Geistliche, welcher bei einer kirchlichen Trau­­ung fungirt, bevor die Partei nachgewiesen hätte, daß sie die Ehe vor dem Zivilbeamten ist mit einer Geldbuße bis zu tausend Kronen, im­­ Wiederbealungsfalle mit Gefängniß bis zu zwei Monat geschlossen hat.­ ­ Feuilleton. Ehescheidungen. Da und dort macht sich eine Strömung geltend, welche das „Sich-scheiden-lassen“ der Eheleute möglichst eindämmen will, besonders in Frankreich, wo die Sta­­tistik neuestens eine so hohe Ziffer nennt, daß Einem angst und bange der Ehescheidungen wird; auch in Deutschland sucht man auf den Staat eine Beeinflus­­sung auszuüben, zu dem Zweckk, daß er eine Beschrän­­­kung der Scheidung einführe und die Schwierigkeiten dieses unfeierlichen Aktes vermehre. Nur der Ehebruch soll in Deutschland künftig die Trennung einer Ehe — mit der Konzession , daß ein oder, der andern Theil sich “wieder verheiraten kann — möglich machen, unter anderen Umständen werden die Getrennten gejeglich verhindert sein, eine neue Ehe einzugehen. Die Frage, ob durch Erschwerungen der Schei­­dung — wie man es wohl wünscht , die Sittlich­­keit gefördert, die Begründung illegaler Bündnisse beschränkt wird — oder die erzwungene Jung einer morschen Ehe nicht unsittlicher Aufrechtbar­­ist, ja sogar Verbrechen begünstigt, denn im Leben des kleinen Mannes bedeuten die Gemeinschaft mit einer Lebens­­gefährtin, mit der er nicht harmonirt, nicht selten den Ruin, die Frage ist ohne lange Ueberlegung mit Nein zu beantworten. Reiche Leute können selbst in einer Wohnung leben, ohne sich zu begegnen ; er geht rechts und sie geht links ; es gibt zahllose Ehen, in denen das Webereinkommen getroffen wurde, auf­einander zu verzichten und sich gegenseitig nicht zu slören. Mann sieht die Frau fret ohne den­ Mann und ihn Reis ohne die Frau, wenigstens ohne die eigene. Das­­ Langweile, sondern des Mannes Verbündete bei geht in den höheren Schichten, vor Allem in den Kreisen der Resigenden — aber die Frau des Hand­­werkers, Taglöhners u. s. w. ist nicht, wie bei den vornehmen Leuten, die Genossin seiner Launen­­ und der Arbeit, beim Erwerb. Der Zwang, noch dazu, wenn man Leute die Wohnungs- und Lebensverhältnisse der kleinen in Betracht zieht, befördert gewiß viel eher das, was das Geieg und der Staat verhindern wollen, die Unmoralität. In einem lesenswerthen Artikel der Revue „Nord und Süd“, Heft 221, wird behauptet, daß die Beschrän­­­kung der Scheidung das Conkubinat befördert, die une ehelichen Geburten vermehrt und die Volkssittlichkeit schädigt. „Es kann wohl die Frage aufgeworfen wer­­den,“ heißt es weiter, „ob, denn der Mensch und Bür­­ger verpflichtet ist, um einer dogmatischen Anschauung willen auf das Glü> einer ihn befriedigenden Ehe zu verzichten ? Erscheint es in der That mit Rücksicht auf die überlegenen Interressen der­ Gesammtheit gerecht­­fertigt, das Individuum der Möglichkeit zu berauben, den einmal begangenen Irrthum wieder gutzumachen, erscheint es wirklich berechtigt, den Bürger im Hinblik auf die staatliche und gesellschaftliche Wohlfahrt zu zwingen, bei dem einmal gewählten Ehegenossen aus­­zuharren, bis — der Allüberwinder die bringt ? — Die Gesellschaft hat mit nichten Befreiung ein Inte­­resse daran, die einmal bestehende Ehe um jeden Preis, auch um den Preis eines Lebensgrackes, aufrecht­­zuerhalten, sie hat nur ein Interesse, daß die möglichst glücklich sind ;: gerade der Standpunkt Ehen der gesellschaftlichen Nüßlichkeit verlangt es, daß dem Individuum, das in einer­­ unglücklichen Ehe lebt, „die­ Lösung derselben nach Möglichkeit erleichtert­ werde; "ex berührt sich hiebei mit der auch vom individuellen Standpunkte geltend zu malenden­ Forderung, der Mensch ist Selbstzwec, nicht Mittel zum Zwei, den Selbstzwei verbannt aber die Gesetzgebung, die im Inte­resse dogmatischer Vorsindungen Opfer auferlegt, deren Größe außer jedem Verhältniß zu dem dadurch erfauften Ergebniß steht. Gerade die Scheinehen, diese formell ungelösten Ehen, die aber doch in der That gelöst sind und des sittlichen Fundaments vollständig entbehren, sind ein Krebsschaden des Volkslebens, der Todfeind wahrer Sittlichkeit, und tausendmal besser ist es, das eheliche Band zu lösen, als durch Zwang die Heuchelei großzuziehen und damit die solchen Ehe selbst zu entwürdigen. Welcher Art der „erzieherische und sittigende Einfluß sein kann, der in einer solchen Ehe auf die Kinder ausgeübt wird, bedarf wohl keiner­ Ausführung.“ der Verfasser jener Studie kommt zu dem Schluß, daß „der Staat verpflichtet ist, für ein weitreichendes Ehescheidungsrecht Sorge zu tragen, unter Abweisung hierarchischer und dogmatischer Anforderungen“.­­ Man könnte dagegen einwenden, das führe zur „Heirat auf Probe“. — Freilich, in einem gewissen Grad wäre der Einwurf berechtigt — aber muß denn: die Probe immer ungünstig ausfallen ? Vielleicht kommt ferner der Mann bei der zweiten Probe auf die Frau, die er braucht und wünscht, während er sich jegt mit­ der­ mißglühten Probe — bei der es sein Verbleiben hat — follegt und recht abfinden muß, meist mehr schlecht, als recht. Wenn man als „Unparteiischer“ der über die Dauer des Liebesrausches und gewisser seliger Illusionen seine etwas ausgereifteren Ansichten besigt — zusieht, wie und unter welchen Umständen Ehen geschloßen werden, muß man­ sich nur wundern, dag es überh­aupt wo so viele Ehen gibt, die wenigstens­­ äußerlich zusammenhalten.­­ RL ; Serthümer sind hier ebenso wie bei irgend­einem­­ menschlichen U­rheil und Unternehmen möglich, ver- . :

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