Pannonia, 1896 (Jahrgang 25, nr. 1-104)

1896-01-01 / nr. 1

77 En öt € bá 8 d: s 4 = 7 71 8 78 rar hr > ara an er ae Be Tara SIEGE SSL HRG er a E25 A . | KIE TEKERT verette RT 4 $ v Kopto nach Kaschau, Mittwoch den 1. Jänner. 2 CH en ae er , PETER BEE Te A 27 Er PRE­­SS Te era BEE, Pi B een Imfenten INN& 38332 a ehrzane. s­t Pränumerationspreise für Kasc­hau : Ganzjährig — — — fl. 5— Halbjährig = — =“ — = „ 250 Vierteljährig — — — = „ 1.25. Einzelne Nummern Si Erschein „le Sonntag und Donnerstag. Redaction und Administration: Kofiuth Lajos-Gasse Nr. 26. Manuscripte werden nicht retournitt, u at ba = Prännmerationspreise : mit Postversendung : a: a DE a jährig jeden Sept u : , AE - Bierteljábrig = = = — , 1.50 Eh en: „A. “H. I. Danneberg, " d. DB. Fischer. Wien: Rudolf Mosse, Hacfenstein und Vogler, M. Dukes, I. Danneberg, Heinrich Schaller, A. Oppelik,­­ Hamburg : Rudolf Mosse, Kärolyi und Liebmann. Berlin: Rudolf Mosse, Haasenstein entgegengenommen. und Vogler, 1896. SERER TREE 7zz dE Das neue Jahr. Die Zukunft ist nit immer in undurch­dringliche Schleier gehült, nicht immer ein dunkles und beklemmendes Räthsel. Manchmal liegt sie vor uns, klar, genau, deutlich erkennbar -- ein Uhrwerk, dessen bergenden Mantel wir­­ entfernt haben. Zahn greift in Zahn, Rad in Rad, die Zeit läuft ab nach ewigen Gesetzen und wir sehen mit unseren leiblichen Augen, wie alles ist und werden wird. Wer die vorstehenden Zeilen mit begreiflichem Erstaunen gelesen, wer hinter ihnen vielleicht gar einen spiritistischen Ednndsc­hnad ver­­muthet, der täuscht sie. Mit um hirnverbrannte Hypothesen handelt es sich, und nicht um den modernen Geisterschwindel unseres „aufgeklärten“ Jahrhunderts, sondern um den neuen Kalender, der eben jetzt seine alljährliche Reise in die Lande angetreten hat. Ja, da ist er wieder, der fleißige Geselle, er spätet sich, uns seine Aufwartung zu als ob er's nicht erwarten könnte, uns­­ machen, zu rathen und uns dienlich zu sein. Der neue Kalender! Wem ist er nicht will­­kommen und wer­ nimmt ihn nicht gerne zur­ Hand, um­ der Gegenwart hastig vorauszueilen und der Zukunft ins Auge zu bliken. Da grüßet ihn. Groß oder klein, plump oder Fgraziös, bescheiden oder proßig, sowarz oder roth leuchtet uns vom Buchdie>el die neue, „noch nigt „dagewesene“ Jahreszahl entgegen: 1896! Und blank und rein, unschuldig wie ein neuge­­borenes­ Kind, präsentirt sich der neue Kalender Ssit's, uns dor­ ranschreitender Zeiten als ob­ mit dem Vorboten auch der laue Hauch kom­­mender schönerer und besserer Tage ins Zimmer der Zukunft fahren, was zu blättern. Wohl können wir nicht diese Zukunft uns an Freude oder S<merz bescheert ; aber wie sie sich gestalten wird, je Tag um Tag sich an­­ die“Kette der Ewigkeit ‚nie, als ob es und nun gestattet sei, im Buche reiht, das ist uns deutlich vorgezeichnet und vermag , Neugierde und Interesse genugsam anzuregen, . So beginnen wir denn zu blättern. Wir fennen schen die anheimelnd unbeholfenen Holz­­­­schnitte, die jeden Monat so carakteristisch illu­­striren ; wir lächeln über den biederen „Hundert­­jährigen Kalender“, der so ernsthaft verkündet, daß­ es im Februar „Schnee und Thauwetter“ und im August „große Hitze,­­ Gewitter, dann Ab­­kühlung“ geben werde; wir sind gefaßt auf rüh­rende Novellen, gut gemeinte, ältliche Scherze, neueste Kochrezepte und Tarife für Fahrpostsen­­dungen, aber Dennoch gribbelt es uns in den Fingern und wir beeilen uns nachzuforschen, wie denn das nächste Jahr sich äußerlich präsentieren und wann es uns seine Festtage bieten wird. Kaum haben wir erfahren, daß das Jahr 1896 ein Schaltjahr von 366 Tagen sein wird, so stehen wir sc­hon ‚vor der ung ewig rätselhaften „Zeit und Festrechnung. Tausende mit uns — wenn sie ehrlich sind, werden sie es freimüthig eingestehen . —, haben­ sie nie begriffen, und ver­­zichteten wie wir endgültig darauf, ihr Geheimniß zu ergründen, aber dennoch lesen wir mit abhnungs­­vollem Schauer von der „goldenen Zahl 16“, der „Epakte XV," dem Sonnenzirkel 1“, der „Römer­­zinszahl 9", und der „Sonntags­bucstaben E, D." eilen über die „beweglichen Feste der Katholiken" und die Planeten“ „vier Quatember““zur „Sonne­ nebst den betrachten theilnahmsvoll die krausen Zeichen des „Thierkreises“,­ überspringen die „vier astronomischen Jahreszeiten“ und stehen Me body aufathmend vor dem Jahresregenten, um ihn derart zu begrüßen. Diesmal ist's der Jupiter, der leichtlebige Chef des olympischen Göttergesin­­del. Mit dem Wunsche, daß er auch den Erden­­bewohnern etwas von der beneide­n werthen, ope­­rettenhaften Lustigkeit seines Milieus bescheeren möge, eilen wir weiter. Die Finsternisse interes­­siren uns nur wenig; wir lieben sie auch nicht, weder am Himmel 38gewölbe nocH —, anderswo. Und nun nor einen raschen Blick auf die „Norma­­tage“ und­ „Gerichtsferien“ und die Ouverture des Kalenders ist zu Ende — das eigentliche Scauspiel beginnt. Der Vorhang hebt sich­­ und wir sehen das neue Jahr vor uns, gleichmäßig und gleichmüthig, eingetheilt in Monate und Wochen, und so frein­­lich und harmlos d­reinsehend, als ob es nur Gutes und Erfreuliches zu bringen vermöchte. Wie freundlich und heiter ha’ die rothen Sonne und Feiertage heranslahen aus dem Gewimmel der Schwarzen, nüchternen Werktage, und wie sich Fest an ff, morgen Fest reiht, heute katholisch und­­ evange­­griechisch oder israelitisch ! Man möchte es gar nicht glauben, sähe man es nicht vor sich daß unsere rastlose Menschheit so­­ viel Zeit ver­­wenden kann, um — nitts zu­­ thun ! Es winken uns zweiundfünfzig Sonn- und „mur“ Dreizehn Feiertage, denn eine Unzahl der Tegteren fällt gewiß zum Mißvergnügen Bieler, auf Sonntage. Aber troß dieser ärgerlichen Kumu­­lirung­­ restirt do< genug freie Zeit. Weit "mehr als ein Sechstel des Jahres ist offiziell der Er­­holung geweiht. Wie viel, wenn man nur alle sonstigen Pausen abrechnet, bleibt va der Arbeit vorbehalten? . . . Hor< ! Lustiges Geklingel ! Die heiligen drei Könige stehen frierend vor uns und hinter ihnen lugt schelmisch, ein zappelnder Bursche hervor, in phantastische Gewänder gehüllt, die Scellenkappe auf dem Haupte — „Prinz Carneval“! Na, nur i micht zu lustig, Bürschlein ! Diesmal ziehst Du uns nicht allzu lang am Narrenseil herum. Schon am achtzehnten Februar dämmert der trübselige Ascher­­mittwer aus der Naht Deines Untergangs hervor. Du sceidest ziemlich früh. Aber eben deshalb, wie viele Lungen und Herzen mehr werden gesund bleiben, wie viele Schwüre, Sitzengebliebene, „ver­­silberte“ Uhren, und erheirathete — Swieger­­mütter weniger wird es geben ? Das wäre eine interessante Arbeit für einen Statistiker, der nichts vernünftigeres zu thun Merkwürdig ! Da hat, ist die langweilige Fasten- — ein Stüc rastrirter Zukunft. 1896! - ; | -| | | | * ; ; En ii ISS SLI IN­S FF FTG RES DERE ee ee Feuilleton - Sylvester. (Familienskizze.) Seit vierundzwanzig Stunden , treiben große, federartige Schneegebilde in der Luft und deren weich das Straßenpflaster, auf welchem augenblicklich bei bes­­innender Dämmerstunde ein erhöhtes Verkehrsleben dahinfluthet. Umso stiller ist's in unserem nach dem Hofe gelegenen Familienzimmer, in welches ich mich geflüchtet habe, um ganz ungestört zu sein. Seit zwei Stunden sitze ich eifrig an der Arbeit — ganz gegen meine Gewohnheit. Das Ballkleid, das ich am Morgen aus den Händen meiner Schneiderin empfing, genügt mir nun einmal nicht. Was versteht auch eine Kleider­­malerin, selbst die geschi>ieste, vom feinsten Geschmac, besonders von Kunstgeschmack, und da ist ohne Ent­­faltung eines solchen eine Wirkung in der Toilette nicht zu erzielen. Mir ist auch bei der Arbeit die Zeit durchaus nicht lang geworden. Meine Gedanken waren außer­­ordentlich angenehm beschäftigt. Ic träume mich schon in den Ballsaal hinein, inmiten eines anregenden, gewählten Kreises, mit dem Fächer spielend und den G­oldreif am Arm hin-­ und herschiebend, wie einen Rosenkranz der Weltfreude. Dazu plauderte ich­m­ Ges­danken schon lustig und lebhaft. Jedermann hörte mir mit Vergnügen zu, ich las die Bewunderung in aller Augen. Manchmal erscheinen mir meine dreißig Jahre als der Höhepunkt des Lebus! Ich weiß, daß es Männer genug gibt, welche besonders schätzen. Gewöhnlich die Frauen meines Alters sind es junge, liebens­­würdige, ritterliche Männer, die in unklarem Drange ihres empfänglichen Herzens sogleich den vollen Duft der Rose suchen, dessen die Knospe noch entbehrt ! Nur eins bedrückt mein Herz! Mein Gatten vermag der Geselligkeit nicht viel­l schmal abzugewinnen, troßdem sie gerade in diesem Jahre sehr belebt ist, wie niemals zuvor. Seine Praxis ist gestiegen ; der Professor, dessen Assistent außerordentlich er war als wir uns verheirateten, hat de& Recht gehabt, als er meinem Manne eine bedeutende Zukunft in Aussicht stellte. Aber­­ kann es anders sein? Wenn sich die Brille verschiebt und ich in die guten klaren Augen bli>e, wundere ich mich gar nicht, das die Leute sol­­ches Vertrauen zu ihm haben. Habe ich es niet auch gleich selbst empfunden ? Wenn er nur nicht so müde und abgespannt wäre, wenn er aus der Praxis­ nac Hause kommt. Dazu verläßt ihn die Sorge um seine Kranken nie­­mals, ich weiß es bestimmt . . . Manchmal bedauerte ich selbst, daß er sich nit im Familienzimmer, im Kreise unserer Kleinen ausruhen kann. Aber gewöhnlich ist's dann schon hohe Zeit, Gesellschaftstoilette zu machen. Wofür hat er aber eine hübsche, kleine Frau, die sich mit feinsten Geschmack zu kleiden weiß? .. hites . So, noc, die legte Schleife! Natürlich ein wenig kokett — nur ganz wenig. Die Arbeit ist gethan — o, ich hoffe schön zu sein diesen Abend. In anbrechender Dämmerung sitze ich noch ein Weil­en ausruhend und sinnend auf meiner breiten bequemen Ofenbank nieder, die ein glüklicher­ Gedanke neben manchem unnüßen und unschönen Hausrath in Das Feuer im Ofen ist erloschen, das taktmäßige Pochen und Klirren der kleinen, eisernen Thüre hat aufgehört, nur ab und zu knistert es nor, als ob das Metall die glühende Hipe in einzelnen Funken entlade. Rings im Zimmer sind eine Menge seiner Rest­­e bemüht, das scheidende Tageslicht zu erregen, bis die Dämmerung, allmählich zunehmend, alles in milden grauen Schleier hüllt. Und dabei­ gelangt ihren der Geist unwillkürlich zu jenem genußreichen innern An­­schauer, bei welchem die Seele das Unsichtbare als Inhalt des Sichtbaren erkennt, um heimlich und wonnevoll zu lauschen­ seinen­ Mahnungen . . Da umschlin­­gen mir plöglich zwei Arme, so fest, daß es mir Schmerz machen würde, wenn es nicht die Arme der Liebe wären. Die unerwartete Bewegung unterbricht die Träumereien, für welche bei einer Hausfrau und Mutter, die nebenbei auch ein wenig Weltdame, nun einmal keine Zeit mehr vorhanden ist. Unbemerkt, als trüge es eine Tarnkappe anstatt des dunklen Lo­­&engeriesels auf dem Köpfchen, terchen aus dem Kinderzimmer ist mein ältestes Töd­­­herübergetreten, und bald folgen ihm seine vier jüngeren Geschwister, zwei Knaben und zwei Mädchen. Fünf Stüd, vernahe von jedem Jahrgange meiner Ehe ein neues, immer liebe­­res Andenken. Nicht aus wirklicher Verabredung finden sie sich hier in der Dämmerstunde um e­ine Ofenbank versammelt, und doch fehlt bei Beginn des selten eines von ihnen­ beim Stelldichein. Winters Das zufällige Spiel wird rechtzeitig eingestellt, die Puppe etwas früher in den­­ Schlaf gesungen, manchmal bleiben Felix<ens Rappen in der Kinderstube sogar auf der Landstraße stehen — alles, um die sonnige Stunde auf der Ofenbank nicht zu versäumen ! Dämmer­­Auch ich liebe sie von Herzen und entbehre sie höchst ungern. Zwischen Licht und Schatten schütten die Kleinen ihre unschuldigen Herzen aus. Das aufs­merksame Mutterohr vernimmt dann den Pulsschlag der jungen Seele, und das wachsame Mutterauge schaut bis in die tiefsten Falten der Kinderherzen hinein. Aber heute ? I< bedarf dringend ein­e Erholung nach der ungewohnten übereifrigen Arbeit. Die Ballrobe hat mich wirklich angegriffen. Meine Fünfe, die Handvoll, wie Papa sagt, kommen wir augenblickig doch sehr ungelegen. Dennoch wage ich nicht, sie gleich wieder ins Kinderzimmer hinüberzuschi&en. Und es sollte mir auc­h schwer werden, sie wieder loszuwerden. Denn wei­ l der Gegenwart wieder erstehen ließ. | - ,

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