Pester Lloyd, März 1854 (Jahrgang 1, nr. 50-76)

1854-03-28 / nr. 73

Der Entwurf des Handels-un­d Gewerbegesetzes. TIT, Wir haben von die Gewerbe regelnden Theil des Entwurfes zuerst besprochen, weil sich das Licht Des neuen Gefeges an ven dunsteren Par­­teien der Gewerbenormen schärfer bricht und darum erfenntlicher hervor­­tritt als in den Bestimmungen, welche von Handel betreffen. Die trüben Konsequenzen der bisherigen Zunfteinrichtungen liegen meist in der Erzeug­gung eines gewerblichen Proletariates durch jene, die die materiellen Schran­­ken des Meisterstiches nicht zu überwinden vermochten. Im Handel ist man seit langer Zeit freieren Grundlagen gefolgt, ohne den Besug­ner nöthigen Fonds war die Ausübung eines selbststän­digen Handelsgeschäftes unmög­­lich, und mit ihnen war sowohl die Befugniß zu konzessionirten Geschäften, wie der Ausweg zum freien Handel mit Kandelprodukten erreichbar. Nichts­destoweniger betrachten wir die Bestimmungen des Gefesentwurfes wie eine soziale Wohlthat, weil sie eine feste Ordnung in unser bisher ziemlich wirrem Handelswesen bringen, und Grundlage feststellen, welche in ihrer Tragweite und den daran geknüpften Erleichterungen für die freie Handelsbe­wegung, für jede Staatsgesellschaft ein Gewinn sind. Die Prinzipien der freien Konkurrenz und der Berechtigung durch Befähigung, deren Anwendung wir bei den Gewerben hervor­­gehoben, sind in Bezug auf den Handel noch mit festerer Konfenien­z beibe­­halten, in­soferne hier jener eingeengte Kreis nicht vorkommt, der bei den Gewerben unter dem Namen „beschränkter Gewerbe“ festgestellt ist. Aller­­dings bestehen für Buch-, Antiquars, Kunst- und Mustralienhan­dlungen be­­­ondere Bestimmungen, aber sie beschränken nicht ihre Meinung, sondern verz­­ehren nur die zur Erlangung von Han­delsbefugnissen nöthigen Bedin­­gungen Durch den geforderten Nachweis entsprechender literar­ischer oder ar­­tistischer Bildung , die Eine beschränkende Regel ist für Die genannten Han­­delsgestäfte festgelegt, daß ihre Errichtung nur in den Hauptstädten der Kronländer und der Verwaltungsgebiete, dann in den Kreisstädten gestattet ist. — Doch künnen auch Ausnahmen zugestanden werden. Der Gefegentwurf theilt den Handel in den kaufmännischen (Groß- und Detail)-Handel, in den konzessionirten, nicht kaufmännischen Klein­=Handel und in den freien Handel. Zur Erlangung eines Grof: oder Details Han­delsrech­­tes ist jeder österreichische Staatsbürger befähigt, wenn er im V­ollgenusse der bürgerlichen Rechte ist, einen unbescholtenen Lebenswandel führt, und die praktische Befähigung zum Handel nachweist. Der Nachweis dieser Be­fähigung besteht in Zeugnissen über die Erlernung und Ausübung des Handels durch fünf Servirjahre. Wie bei den Gewerben ist auch hier, für Personen mit besonderer Befähigung und Ausbildung von Behörden gestat­­tet, Ausnahmen zu machen, und son. der gesetlichen Anzahl der Lehr und Servirjahre zu dispensiren. Die Berechtigung zum freien Handel ist an die bloße Anmel­­dung bei der Behörde, und Erfüllung der polizeilichen Aufenthaltsbeding­­nisse geknüpft Gegenstände des freien Handels sind: Garten- und Wiesen­­gewächse, Hanf, Slachis, Knoppeln, Sämereien, Holz, Mehl, Leinwand und Baummollleinwand im Großen, Handern, verschiedene Gattungen aus in­­ländischen Stoffen erzeugter Dele, Wein, Bier und Branntwein im Großen, Vier und Pferde, rohe Häute und Zelle, Salze, Kali, Gips, Steine, Zier­gel, Kohlen und viele andere geringere Gegenstände. Getreide und andere landwirthschaftliche Rohprodukte sind nicht darunter genannt. Die Berechtigung zum konzersionirten (Klein) Handel wird erlangt unter den weiter unten zur Erlangung von Handelsbefugnissen genannten Bedingungen, mit Ausnahme der Lern- und Servirjahre. Zur Ausübung dieser Handelsbefugnisse ist die Nachweisung des Fonds und Protofollirung der Firma unbedingt nothwendig, und dieser Fond ist für Detailhändler in Orten bis 10,000 Einwohner auf 2000 fl., in Orten bis 20,000 Einwohner auf 4000 fl., in noch stärker bevölkerten Orten, wann in den Hauptstädten der Kronländer und der Verwaltungsgebiete in Un­garn, sowie in den Vorstädten Wiens auf 6000 fl., in der inneren Stadt Wien auf 12,000 fl. festgelest. Es ist diese ganze Klassifikation der Fonds auf einer so breiten Basis entworfen, daß sie gewiß ven Grundlägen einer möglichst starren Betheiligung entspricht. Von den Fondsbemessungen für den Großhandel kennen wir nicht vasselbe fngen. Diese sind für die ganze Monarchie auf 60,000 fl. bestimmt, und zur Errichtung jeder einzelnen Kommandite ist ein abermaliger Ausweis von 30,000 fl. nöthig. Die größte Aufmerksamkeit unserer Zefer möchten wir auf jene Bes­timmungen des Gefegentwurfes leiten, welcher alle Waarenklassifikation aufhebt. Das Handels­befugniß fließt das Redbt­ zum Handel mit allen erlaubten Waaren in sich, und es werden — außer für Bude, Antiquar, Kunf- und Mus­­i­alienhandlungen — die Handelsbefugnisse nicht mehr für einzelne Waarenkflaffen lauten. Die Beschrän­­kung der Detailhändler auf bestimmte Han­delsflaffen wird aufhören, sobald dieses Gefeg ins Leben treten wird. Der Hauptinhalt dieses wichtigen Gefeges wird durch Die Begutach­­tung der Handeld- und Gewerbekammern nicht modifizirt werden können, und darf daher al definitiv angesehen werden, was durch die praktischen Bemerkungen der Kammern an einzelnen Bestimmungen geändert werden dürfte, wird seiner Anwendbarkeit gewiß einen erhöhten Werth geben. |­ano am Memorandum. (Adnexum an Nr. 7.) 21. Zeber 1853. Der Kaiser hat mit dem lebhaftesten Interesse und mit einer wahren Ge­nugthuung von der geheimen und Tonfidentiellen, ihm von Sir 9. Seymour mitgetheilten Depetche Kenntnig genommen. Den Freimuth, der sie vifiirt hat, weiß er geziemend zu schären. Er hat darin einen neuen Beweis der freundschaft­­lichen Gefühle gefunden, welche Ihre Majestät die Königin für ihn hegt. Als er sich freundschaftlich mit dem britischen Gesandten über die Gründe unterhielt, welche von einem Tage zum andern den Sturz des otrumanischen Rei­­ches herbeiführen künnen, lag es nicht entfernt in seinem Gedanken, für diese Eventualität einen Plan vorzuschlagen, nach welchem Rußland und England im Voraus über die vom Sultan regierten Provinzen Disponiren würden, ein völlig fertiges System und noch weniger einen förmlichen Transaktionsentwurf für die beiden S Kabinete vorzulegen. Im Sinne des Kaisers hat es sich ganz schlicht und einfach) Darum gehandelt, sich von beiden Seiten im Vertrauen zu sa­gen, weniger, was man ja als was man nicht will, was von englischen, was den russischen Interessen widerstreben würde, damit, wenn einst der Fall einträte, es jener Theil vermeide, si Durch seine Handlungs­weise in­­ Widerspruch mit dem Andern zu geben. Es gibt da weder Theilungsproteste, noch eine den andern Höfen als obli­­gatorisch vorzulegende Konvention. Es ist ein einfacher Meinungstausch, und der Kaiser sieht die Nothmendigkeit nicht ein, vor der Zeit über jene Gegenstände zu sprechen. Gerade aber Deshalb hat er sich wohl gehütet, Daraus das Thema einer offi­­ziellen Mittheilung eines Kabinetts an das andere zu machen. Inden er sich Darauf beschränkte, jenen Gegenstand in Form einer familiären Konversation mit dem Ver­treter der Königin zu besprechen, hat er den intimsten und vertraulichsten Modus gemahrt, sich ihrer britischen Majestät zu eröffnen, indem er mwünschte, daß Das Vertrauliche, russisch,englische Korrespondenz, VII. Sir 6. 9. Seymour an den Grafen Elarendon.­­Ge­heim und Konferentiell. — Auszug.) St. Petersburg, 9. März 1853. Als ich am 7.9. M. den Grafen Neffelrode besuchte, sagte mir der Kanzler, daß er, „ven Befehlen des Kaisers gemäß mir ein höchst konfidentiell gehaltenes Memorandum zu übergeben habe, welches Se. Faif. Majestät hatte religiven lasfen, und welches die Bestimmung habe, als Antwort oder Kommentar auf die Mittheilung zu die­­nen, welche ich von 21. Deber Gr. fatf. Majestät gemacht hatte.“ Der Graf Nef­­felrode bat mich vorerst, das Dokument zu lesen, dann fügte er Hinzu, Daß, wenn ich es so vorziehert würde, Das Dokument, anstatt es sogleich zu sefen, mit mir nehmen könnte, dd.er fich mich bestimmt sei. Bei dieser­ Gelegenheit k­ann zwischen dem Kanzler und mir eine sehr kurze Konversation statt. Er gab­ mir zu verstehen, daß ich in dem Memorandum einen Wink über den Wunsch des Kaisers finden würde, näher über Die Ansichten der Regierung der Königin unterrichtet zu sein, Die sie Darüber hegte, was in dem Halle einer Katastrophe in der Türkei nicht stattfinden solle ; ich meinerseits be­­merkte, daß es mir, mit Rücksicht auf die Gefahr, brennende Kohlen zu berühren, wünschensmerth fihiene, Daß Die Mittheilungen über einen so velifaten Gegen­­stand sich nicht verlängerten. 34 habe die Ehre, Em, Herrlichkeit die Kopie eines Dokumentes zu übers fenden, welches mit NRüdsicht auf die Umstände, unter denen eg redigirt und mir mitgetheilt worden ist, nicht­ verfehlen Tann, als eines der merkwürdigsten Do­­kumente betrachtet zu werden, welche je, ich sage nicht aus der russischen Stanze­ Tanzlei, sondern aus dem Geheimkabinet des Kaisers ertroffen sind. E83 wäre mir nicht schwer, sowohl einige der in dem Memorandum als be­­stehend angeführten Thatsachen zu bestreiten, als auch nachzumeisen, Daß der Ein­­pruch, unter dessen Einfluß eg redigirt worden, ein vollkommen falscher gemesen ; der Eindruch nämlich, daß bei den zwischen Rußland und Srankreich vorgenom­­menen Differenzen die Regierung der Königin sich auf Die Seite Dieser legteren Macht geneigt hätte. Drei Punkte scheinen mir durch das kaiserliche Memorandum vollkommen festgestellt. Die Existenz eines positiven Einverständnisses der beiden Faif. Höfe in Bezug auf Die Türkei. Die vom Kaiser Nikolaus übernommenen Verpflichtung, nicht von Konstantinopel Besis zu ergreifen, die Verpflichtung es nicht zu begeben und überhaupt ohne vorausgegangene Medereinkunft mit der Regierung ihrer Majestät nicht in die Arrangements einzutreten, welche sie mit Rücksicht auf den Sturz des ottomanischen Reiches zu ergreifenden Maßregeln betreffen. Die Haltung dieses Dokumentes, zusammengehalten mit der Unterredung, die ich mit Sr. Majestät zu führen Die Ehre hatte, legt in meinem Geist den Ein­­druf zurück, daß Sr. Majestät, obschon sonst zur Hebennahme der Verpflichtung bereit, sich nicht auf permanente Weise Konstantinopels zu bemächtigen, sich Doch absichtlich enthält, über die temporäre Ossupation dieser Hauptstadt eine­­ bestimmte Erklärung abzugeben. Gibt man es als ein feststehendes und anerkanntes Jaftum zu, Daß z­wi­­schen den beiden Kaisern eine Hebereinkuift oder ein Part bücsichtlich der türki­­schen Angelegenheiten besteht, so wird es dadurch, von der höchten Wichtigkeit zu erfahren, wie weit Die von ihnen wechselseitig übernommenen Verpflichtungen sich erstreden. Was die Art anlangt, in welcher jenes Arrangement abgeschlossen wor­­den sein kann, scheint sie mir kaum den Gegenstand eines Zweifels bilden zu können. Ihre Basis dürfte in eine jener Zusammenfünfte gelegt worden sein, die zwischen den beiden Katsern im verfloffenen Herbie stattfanden, und­ später dürfte Baron Meyendorff, der Gesandte Ruslands in Wien, der den Winter zu St. Petersburg zugebracht hat und si in diesem Augenblickk noch dort befindet, das Wort vervollständigt haben, wie immer geartete Resultat dieser Umnterrenungen bleiben solle. Was es auch wirflich ist, ein Geheimniß zwischen den beiden Souveränen. Damit fallen alle Einwürfe, welche Lord John Ruffell gegen jedes, den anderen Mächten gegenüber, im Falle einer förmlichen Transaktion zu beobach­­tende Schweigen erhebt, da in diesem Augenblicke von einer solchen Transaktion in seinem Sinn die Rede ist; und damit verschrfinden auch die Inkonvenienzen, die er als möglicherweise das Ereigniß selbst beschleunigend bezeichnet , welchem zuvor zusammen Rußland und England so sehr wünschen, wenn nämlich die Exi­­stenz eines solchen Vertrages vor der Zeit Europa und des Sultans Unterthanen befannt werden sollte. — Was nun den Gegenstand Dieses Höchst intimen Mei­­nungsaustausches — den möglichen Sturz des ottomanischen Reiches anlangt, so ist dies ohne Zweifel nur noch eine ungezwiffe und noch ferne Tiegende Even­­tualität ; man kann ihre Epoche nicht mit Sicherheit bestimmen, und seine wirk­­liche Krisis ist bis jet eingetreten, die deren Realisirung als unmittelbar dro­­hend erscheinen ließe; bei alledem jedoch kann sie nichtspeftomeniger eintreten und selbst unerwartet eintreten. Ohne von den stets machtenden Auflösungs­­gründen zu sprechen, die der moralische, finanzielle und administrative Zustand der Pforte Darbietet, kann sie nach und nach m wenigstens aus einer der beiden von dem englischen Ministerium in seiner geheimen Depesche erwähnten Tragen hin­­ausgelangen. Es sieht Dasselbe in der That in jenen Fragen nur einfache Streit­­punkte, mit welchen Die Diplomatie sich gewöhnlich zu beschäftigen hat. Allein diese Art von Streitpunkten kann nichts Destoweniger den Krieg und mit ihm alle Konsequenzen herbeiführen, die der Kaiser von ihm befürchtet , wenn z. B. in der Angelegenheit der heiligen Stätten die Eigenliebe und die Drohungen Frankreich’s, die Pforte zu influenziren, fortfahren und diese zwin­­gen, um­ jede Genugthuung zu verweigern; und wenn von einer anderen Seite z. B. das religiöse Gefühl der orthodoxen Griechen, Durch die den Kateinern ge­machten Konzessionen beleidigt, gegen den Sultan die immense Majorität seiner Unterthanen empört. Was die Affaire Montenegro’s anlangt, so kann man sie glückicherweise nach den neuesten Berichten heute als völlig beigelegt ansehen ; allein in dem Augenblicke, wo der Kaiser mit Sir H. Seymour seine Unterredung hatte, konnte man fürchten, daß Die Trage eine höcht ernste Wendung nehmen könne, Jeder wir no­ Oesterreich hatten die länger anhaltende Verheerung oder die erzwun­­gene Unterwerfung Montenegro’s zugeben können, die Unterwerfung eines Lan­­des, das big jet in einer faktischen Unabhängigkeit von der Pforte gelebt hat, und dem mir schon seit einem Jahrhundert unfern Schuß angeweihen lassen. Die Gräuel, melde man dort verübt, Die Gräuel, welche Der türkische Fanatismus vor Kurzem über Bulgarien, Bosnien und die Herzegowina hat ergehen lassen, ließen die andern s chriftlichen Provinzen der Pforte nur allzusehr vorhersehen, daß Dasselbe Loos ihrer wartete. Diese Gräuel waren ganz dazu geeignet. Die allgemeine Erhebung der unter türkischem Szepter sehenden Christen hervorzuru­­fen, und dessen Sturz zu übereilen. Es fehlt also viel dazu, daß es eine müßige und phantastische Frage, eine allgemerne Eventualität wäre, auf welche der Kaiser die Aufmerksamkeit der Königin, seiner Verbündeten, gelenkt hat. Gegenüber der Unsicherheit und Morschheit des gegenwärtigen Zustandes der Dinge in der Türkei solle, nach den vom englischen Kabinett ausgedrü­ckten Wünschen, die höchste Yangmuth geübt werden. Der Kaiser hat das Bewußtsein, nie anders gehandelt zu haben. Das englische Kabinet selbst gesteht Dies zu. Es ertheilt dem Kaiser wegen der zahlreichen Beweise der von ihm bisher an den Tag gelegten Mäßigung Lobsprüce, die Se. Majestät nicht annimmt, weil sie dabei nur ihren gebieterischen Webterzeugungen gehorcht hat. Damit jedoch der Kaiser fortfahren künne, bei der Ausübung dieses Systemes der Langmuth mitzu­­wirken, ich aller Demonstrationen und jeder peremptorischen Sprache zu enthal­­ten, müßte dieses System von allen Mächten zugleich befolgt werden. Frankreich hat ein anderes System angenommen, Durch Drohung hat er gegen den Buch­­staben der Verträge die Zulassung eines Kriegsschiffes in die Dardanellen erlangt ; an der Mündung der Kanonen hat es zweimal seine Reflamationen und Entschä­­digungsforderungen, erst zu Tripolis, dann zu Konstantinopel präsentirt ; durch Einschüchterung endlich hat es auch bei dem Streite über Die heil. Stätten die Annullirung des Firmans und der feierlichen, dem Kaiser vom Sultan gemach­­ten Versprechungen herbeigeführt. Bei all’ Diesen Kundgebungen der Hebermacht hat England ein völliges Stillschweigen beobachtet, hat jeder der Pforte Unter­­sügungsanträge, nach Frankreich Vorstellungen gemacht. Die Konsequenz davon ist ganz Har. Die Pforte mußte daraus schließen, daß sie von Frankreich allein Alles zu hoffen wie zu fürchten habe, und daß sie Die Reklamationen Oesterreichs und Rußlands ungestraft umgehen dürfe. So haben si Rußland und Österreich,­ um zu ihrem Nechte zu gelangen, ihrerseits gegen ihren eigenen Wunsch dazu gezwungen gesehen, durch die Ein­­schüchterung zu wirken, da sie es mit einer Regierung zu thun haben, welche nur einer peremptorischen Haltung gegenüber nachgibt, und so wird die Pforte Durch ihre eigene Schuld oder vielmehr durch Die Schuld Derjenigen, die sie im Voraus geschwächt haben, auf einem Wege vorwärts getrieben, der sie noch mehr schwä­­chen muß. Möge daher England sich bemühen, sie zur Besinnung zu bringen. Möge England, anstatt sich mit Frankreich gegen die gerechten­­ Reklama­­tionen Nußlands zu vereinigen, sich vielmehr hüten, den Widerstand der türftichen Regierung zu unterfragen, oder doch zu scheinen, dies zu thun. Möge England das erste sein, die ottomanische Regierung, wie es dies selbst für unwesentlich hält, aufzufordern, ihre s­chriftlichen Unterthanen mit mehr Billigkeit und Humanität zu behandeln. Es wird dies das sicherste Mittel sein, vom Kaiser die Nothwendigkeit zu ersparen, sich in ver­würfet seiner traditionellen Protestionsrechte, von denen er nur gegen seinen Munsch ERZETTE FREE PERSENEEBEETIENBGESUSERERIEKIEESEE e een en ee ee hee eza] Senilleton Shampyl. (Bortfekung.) Hm Jahre 1834 ward Schamyls Leben zum zweiten Male auf wunderbare Reise erhalten. Der Schauplan dieses Ereignisses war Chunfal, die Residenz des Khans ver Awaret. Die den ARuffen ergebene Khanum Paschubife hatte im Jahre 1830 Kafı Mullah­ zurückgewiesen. Später nahm Hanfad Bey, der dieses Propheten, Befit von Chunfat, aber erst, nachdem er vorher die beiden Söhne der Khanum, die, um mit ihm zu unterhandeln, in sein Zelt gekommen waren, auf treulose Weise hatte ermorden lassen, worauf er auch ihre Mutter h hinrichten ließ. Im dem Lande Dhagestan fehlt es nicht an Näh­ern, und der neue Häupt­­ling der Murtven sollte durch die Hand zweier seiner treuesten und ausgezeichnet­­sten Waffengefährte­n umkommen. Die beiden Brüder Osman und Hadschi Murad waren mit Omar Khan, dem ältesten Sohne der Khanım von Chunfat, erzogen worden. Durch ihren ei­genen Vater zur Rache aufgestachelt, stießen sie Hamfad Bey in der Moschee nie­­der. Osman selbst fiel unter den Streichen der Muriden, aber sein Bruder schürte die Empörung unter dem Bolfe. Eine große Anzahl Muriden wurden in dem Tempel niedergemebelt­ und die, welche entkamen, nahmen Zuflugptin Dem Thurme. Schamyl, welcher Hamfad Bey in die Moschee gefolgt war, befand sich mit unter ihnen. Sie m­ehrten sich mit Dem Muthe der Verzweiflung. Hadschid Muran gab Befehl, den Thurm in Brand zu stehen. Nur zwei Muriden entrannen den Stam­men. Der eine war der Verräther des Komplots, Der auf den Koran geschivm­en, es geheim zu halten und es dennoch Tapferkeit entfaltet wurden. An­an Hadschi Murad Er ward wieder eingeholt und lebendig verbrannt. Der andere war Schampf selbst, welcher abermals auf unbegreifliche Weise verschwand. Die steilen Seifenabhängen verrathen Hatte, dritte Rettung Schampl’s aus Drohen der Lebensgefahr war nicht mer niger außerordentlich. Sie erfolgte im Jahre 1839 bei der Einnahme der Sei ftung Ad­ulto, wo abermals von beiden Seiten beispiellose Todesverachtung und standen die Weiber der Zichetschenzen in flatternden Gewändern und stürzten gewaltige Steinmassen herab oder handhabten Das Gemehr wie Männer und feuerten die Männer selbst durch Geheul zum Kampfe an. Die Testung ward genommen, aber Schampyl selbst, dem alle diese Anstrengungen gegolten hatten, befand sich weder unter den Todten, noch unter den ©rfangenen. Oben in den Gelsenklüften hingen allerdings noch einige Tschetschenzen, und nach einiger Zeit meldeten einige Ueberläufer, der Prophet sei nach oben, werde sich aber in der Nacht an Stunden herablaffen. Zuverlässige­­ Soldaten bewachten Die bezeichnete Stelle. Um Mitternacht vernahmen sie ein weifes Geräusch. Ein Leighier ward herabgelasfen, unterfuichte dann das Terrain, gab dann ein Zeichen, worauf ein zweiter Kaufafier leicht und behende, wie eine Rabe herabschlüpfte. Ein Dritter folgte, nach Schamyl’s Brauch in einen weißen Mantel gehüllt. Die Russen brachen rasch hervor, und schleppten den angeblichen Propheten und seine zweit Genossen in das Zelt ihres Generals. Mittler­­weile glitt der wirkliche Schamyl an derselben, nunmehr verlassenenen Stelle her­ab, und erreichte glücklich, wenn auch unter einem Kugelregen, an das jenseitige Ufer der Koiffu. Schamyl selbst offenbarte niemals, auf melche Weise er ent­­kommen, lag ihm Doch viel daran, den geheimnißvollen Nimbus seiner Persöns­lichkeit zu erhöhen, und das Belt glauben zu machen, es sei stets ein Munder bei der Hand, um sein Leben und seine Freiheit zu beschicken. Bei der Erstürmung Adulfo’s wohnte Schampl in dieser Heinen Festung in einem zweislöckigen Hause, das er sich von russischen Kriegsgefangenen und Ueberläufern nach europäischer Bauart aufführen ließ. Hier kaufte er anfänglich­ so arm, daß seine Soldaten ihm die nöthigen Nahrungsmittel verschaffen muß­­ten, und dennoch machte ihn Die Gewalt der religiösen Begeisterung so mächtig, als wenn er über Tonnen Goldes zu verfügen hätte. Er braucht nur zu winfen, so sind seine Muriaden bereit, in den Tod zu gehen. Keiner der daghestanischen Häuptlinge vor ihm hat ein so großes Ansehen besofsen. Selbst Scheit Mansur, der die Fahne des Aufruhres dur­ ganz Kaufasfen trug, ver­starte Held, der be­­geisterte Ehemann auf dem fruchtbaren Ader des Glaubens, war nur ein be­­rü­hmter und gefürchteter Krieger. Schamyl dagegen ist nicht blog Feldherr und Sultan der Tschetschenzen, sondern auch ihr Prophet und fett 1834 ist Daghestans Feldruf: „Muhamen ist Allahs erster Prophet, Schamyl der zweite.” Gerade damals, als General Grabbe durch die Erstürmung von Ad­ulfo Schamyls Ansehen und ihn selbst vernichtet zu haben glaubte, flieg Die Macht des fühnen Häuptlings am höchsten. Man denke sich das Erscheinen des Propheten unter den Wölkerstämmen, welche eben erst Die Kunde von Der gänzlichen Zer­­störung Adhultos erhalten hatten! Schon hatte man geglaubt, er sei unter den Trümmern begraben und auf einmal fand er da, wie von den Todten erwedt! Nun war seine göttliche Sendung nicht mehr zu bezweifeln und kaum hätte ein Sieg sein Ansehen höher steigern können, als seine heldenmüthige Niederlage. " May dem Berluste von Adulfo faßte Schamyl den Entschluß, den Tseher­­teffen den heiligen Krieg zu predigen und sie zum Zuzuge aufzufordern. Bei den Amaren, dieser schon seit mehreren Jahren von Rußland solständig unterworfe­­­­nen Bölferschaft Daghestans, war ihm ein ähnlicher Versuch, den er im Jahre­­ 1836 machte, nicht gelungen. Er hatte gehofft, eine Bereinigung der Kaufasser des sch­warzen Meeres mit denen Des fagpischen zu Stande zu bringen, denn fegtere hatten si­e mit alleiniger Ausnahme der Awaren — eine nach der andern um feine Fahne geschaart und bildeten jegt fast eine einzige Nation. Allerdings, wenn es ihm gelang, die Zfckerkeffen zu besvegen, mit den Tibetschenzen zugleich den Kampf wieder aufzunehmen, so konnte ein furchtbarer Schlag gegen die­ russische Streitmacht geführt werden. Schamyl begab sich zu den Ubichen und Adigen und ward bei ihnen ehrenvoll aufgenommen, aber es kam zu seinem entscheidenden Resultate. Der Haß gegen die Nuffen ist, wie nicht zu leugnen, ein mächtiges Band zwischen den Belferstämmen auf beiden Seiten des Kaufasus, aber jahrhundertlange Eifersucht zwischen den einzelnen Stämmen hat dies Band gelodert, und lodert es immer noch mehr. Ueberbies lag noch ein bedeutendes Hinderniß in Dem Unterfehien der Sprache, Schamyl wurde nur von den Häuptlingen und Mullahs verstanden, weil er nur in türkischer Sprache zu beschwören, zu donnern vermochte. Nach der Niederlage der Russen bei Dargo erhoben si wohl die Tscherfeffen des schwarzen Meeres, und Durchbrachen Die Bedettenlinie der Kosaken; ja sie nahmen sogar vier Rettungen, begnügten sich aber sie zu plündern, statt dieselben mit einer Befasung zu versehen. So gelang es den Ruffen, Mnd drei bis vier energische Streifzüge die Tscherrieffen abermals auf den passiven Widerstand zu beschränken. Dem ungeachtet war Schamyl’s Macht, als Fürst M­oronzoff den Oberbefehl im Kaukasus übernahm, zu furcht­­barer Bedeutung herange­wachsen. Die Awaren, die Kisten, die Kumaren und noch andere Völkerstämme vergaßen, von der Berensamkeit des Propheten über­wältigt, ihren alten Groll, um sich mit den Leightern und Tschetschenzen zu ver­bünden. Anfänglich Herr einer verhältnigmäßig seinen Anzahl Männer, war er jecht Gebieter eines ganzen Volkes geworden. So herrscht er noch recht, vielleicht hat er gegenwärtig nur mehr eine kleine Strede zurückzulegen, um das Binden- Diadem des Morgenlandes, dies Abzeichen eines Papischal, um seine Stirn zu schlingen. Shampyf ist aber auch nicht blos tapferer Krieger, er­st auch wei­­ser Gesebgeber, und er mußte dies sein, denn es galt hier die Stammfür­­sten zu unterwerfen, mitten unter der Barbarei eines halben Strafenthumes eine theo­ratische Monarchie zu gründen, feinpielige V­ölkerschaften zu verführen, allen einen Glauben zu geben, wilde Reiter an eine geregelte Taktik zu gewöhnen, und dauernde Einrichtungen zu gründen. Das Alles leistete er auch wirklich. Die neue Glaubenslehre, welche er verkündete, verfühnte Die Sekten Omars und Alis, seine Siege blendeten Die Söhne des Gebirges und demüthigten Den Stolz ihrer Fürsten. Die Stämme, die sich einmal zu einem und vemselben Mel­ligionskriege verbündet hatten, wurden von ihm auch unter einem und demselben bürgerlichen Gesebe vereinigt und die alten Gebietsnamen versicmanden. (Schlug folgt.) Nachfolger | 5

Next