Pester Lloyd - Abendblatt, Januar 1855 (Jahrgang 2, nr. 1-27)

1855-01-02 / nr. 1

EN . " ei Neo. 1. Ge) melt, 1855. Abendblatt des Peiter Eoyb. Dienftag, 2. Jänner. >‘ erleg N " Bett, 2. Jänner. Die Stellung Preußens zum Dezembervertrage erwartet auch heute noch immer vor Aufklärung ; indessen wollen wir doch nicht unermwähnt lassen, daß die sehen in unserem Morgenblatte aus der „D. Allg. 3." mitgetheilte Nachricht heute noch durch folgende telegraphische Depetche der „Damb. Nadır." — aus Berlin vom 29. Dez. — bestätigt wird: „Die nach Paris und London abgegangene preußische Depetche vom 19. d. M. Fonstatirt die Leberein­­stimmung mit der westlichen Auffassung und erklärt, daß Preußen zu einem beson­­deren, seiner Stellung angemessenen Arrangement bereit sei." Worin dies „beson­­dere Arrangement" liegen sor, wenn nicht in einer Wahrung der norddeutschen Interessen durch neue, von vier Punkten hinzuzufügende Klauseln — muß abge­wartet werden. Paris,28. Dezember. Die Bivats für die Armee, welche in der heutigen Sigung des gefeßgebenden Körper bei Bek­ündigung der einmüthigen Genehmigung des Anleihegefeges neben den aus allen Theilen des Saales erschal­­lenden Kaiservivate laut wurden, gingen nur von zwei oder drei Stimmen aus und fanden seinen weiteren Widerhall. Die Beh­anmtung fehten in diesem Augenblicke ‚ nur von dem Wunsche befeelt zu sein, dem Kaiser von Hof zu machen; deshalb erbat sie sich auch dringend die Erlaubniß, heute Abends von D Vorstand nach den Tuilerien zu begleiten, und zwar in Uniform, wie man sofort von allen­­ Seiten rief. Hr. v. Morny erhob sie sogleich, um der Kammer anzufließigen, wag­s der Kaiser ihrem Wunsche zuvorgekommen sei und viefen Abend um 9 Uhr die Herren Deputirten in Uniform empfangen werde. Nach der Situng empfingen die Redakteure des Protokolles, denen die Abfassung des für die Veröffentlichung bestimmten Berichtes obliegt, den Befehl, darin zu sagen, Daß die Vivats für die Armee auf die Bivats für den Kaiser gefolgt seien. — Der „Konstitution­­nel“ hat si ein Bieden gegen die Regierung aufgelehnt. Der Hauptredakteur, Euchesar­ de Blarigny, der seine Eintrittpsarte zur Eröffnungsfigung erhalten hatte, ließ die kaiserliche Rede abwrucken, ohne der Kundgebungen von Beifall, des Ap­plaudireng Je­ irgend zu erwähnen. Hr. Soul beschwerte sich varü­ber und Cucheval antwortete : „Ich konnte nicht anders. Em. Erzelsenz haben mich Feiner Einladung gewürdigt, und ich spreche nie von etwas, das ich nicht gesehen habe." Der „Konstitu­tionnel" enthält folgende Betrachtungen über den Wie­­ner Bertrag aus Cranier’s de Caffagnac Fever : Statt zu suchen, meine er, was Oesterreich thun werte, sei ee besser, fie­­echenschaft abzulegen, was es schon gethan habe. Ohne nur den Vorbehalt in Anschlag zu bringen, noch mehr als die vier Garantien zu verlangen, wenn die Umstände es mit sich bringen, sei schon mit diesen allein ungeheuer viel gegen Rußland geschehen. Die Aufhe­­bung des russischen Protektorates über die Donaufürstenthümer vere nichte mit Einem ederstricy die in einem ganzen Jahrhundert errungenen Erfolge von acht Ezaren und Gzarinen und das Ergebniß von 20 Schlachten und drei Invasionen. Die zweite Garantie, die freie Donauschifffahrt, die ohne diplomatische Euphemismen soviel heißen wolle, daß Rußland materiell in die Unmöglichkeit verlegt werden muß, sie irgendwie zu behindern, raube ihm ebenfalls das im Frieden von Adrianopel errungene Resultat 100jähriger Anstrengungen und die legte Etappe seines Marsches auf Konstantinopel. Die zweite Garantie mit der dritten Kombinirt wird nach Granier de Caffagnac der uffischen Herrschaft im schwarzen Meere ein Ende machen. Die „Patrie" zeigt an, daß die Marschallin Magnan alle Gaben für die Armee des Orientes an Deden, Flanellfaden, Soden, Handschu­­sen, Zigarren, Branntwein und Geld annimmt; für das Geld wird sie Tabak, Meta und andere Bewürfnisse der Truppen anschaffen. — Demselben Blatte zu­­folge wäre der Direktion der „Augsb. Allg. Ztg." vor einigen Tagen von Berlin aus angezeigt worden, daß der Befehl, welcher ihre Zulassung und Ver­­abfolgung in Preußen untersage, unterzeichnet, die Regierung jedoch auf Unter­handlungen einzugehen geneigt sei. Die angedrohte Maßregel gründe sich darauf, daß die Allg. Big. fremde Regierungen zu auffallenn begünstigte. Die für ihre Nicht­­ar yollziehung gestellten Bedingungen seien Entfernung geriisser, namentlich bezeich­­­n­eter Personen von der Mitarbeiterschaft und eine unparteiischere Redaktion. Der Eigenthh­mer der Zeitung, Hr. v. Cotta, sei nach Berlin gereist,­ um Aufschlüsfe zu begehren. Die „Patrie" meint daß die Augsb. Allg. Ztg., die weit entfernt sei, sehr warme Sympathien für Frankreich und England zu zeigen, dad Mitfallen der preußischen Regierung sich wohl nur durch die Stellung, die sie in der orien­­talischen Frage eingenommen habe, und durch ihre entschiedene Vorliebe für die österreichische Politik zugezogen haben künne. Paris, 29. Dezember. Das „Journal de ’Empire" besarit die Rene des Kaisers in einem Artikel, worin es unter Anderem sagt : Unserer Regierung wird es nie an Mitteln fehlen, wenn sie an die Begeisterung der Nation appellirt. Wenn der Frieden nicht bald hergestellt wird, wenn die Hartnächtigkeit des Garen die Dauer des Krieges verlängern soll, so wird Srantreid­ sein Opfer sehenen, um die Politik des Ter fteng durchzugehen. Unsere Nation ist noch immer dieselbe, welche 25 Jahre lang den heldenmüthigen stets flegreichen Kampf gegen alle möglichen Koalitionen bestand. Unser Baterland hat nicht vergessen, Daß es zu einer Zeit, wo es im Innern von Fak­ionen zer­riffen, wo sein Kredit vernichtet, wo es von ganz Europa bedroht war, 14 Armeen dem­ Feinde entgegenstellen und den Sieg überall organisiren konnte. Und nach 20jährigen Kämpfen war es noch so stark, so gefürchtet, so siegreich als diesem. Auf die Anleihe übergehend sagt dasselbe Blatt : Indem die Regierung des Kaisers eine Anleihe Der ?reii­te, wollte sie wieder einmal die glänzende Solidarität zwischen gr und den Öl fühlen der Nation bemweifen. Jede Substription wird eine neue Manifestation gegen Rußland sein; jeder in den Staatsstab getroffene Thaler wird eine Waffe mehr zur Beilegung und Bändigung der Macht in den Händen ver Alici­ten sein, welche von St. Petersburg aus die konservativen Interessen Europa’s periodisch erschüttert und geproht. Zugleich ist er ein neuer Beweis des Vertrauens des Landes in die Regie­rung. Wir zweifeln nicht, daß die Summe der Anleihe, obgleich viel größer als die ver ersten sehr fehner gebecht werden wird. Was sind fünfhundert Millionen für eine Nation wie die französische ? Einfache Eisenbahnunternehmungen bringen binnen wenigen Tagen ebenso große Summen zusammen. Was die Industrie so leicht zu Stande bringt, wird es sich nicht viel leichter verwirklichen lassen, wenn es sich um die größten Interessen unseres Jahrhunderts handelt? Nedrigens erinnert man sich wohl, daß die Substribenten nicht blos patriotisch gehandelt, sondern auch ein sehr gutes Ge­schäft gemacht haben. Welche auch die besonderen Bedingungen der neuen Anleihe sind, wir zweifeln nicht, daß die Privatinteressen ihre Rechnung dabei finden werden. Die Zukunft wird nug zeigen, ob später neue Opfer nothunwendig sein werden, damit die Sache des Rechtes und die nationale Fahne fliege. Aber Frankreich ist stets bereit dem Rufe seines Kaisers, dem er vertraut, zu folgen, und ihm die ungeheueren Hilfsquellen zur Verfügung zu stellen, die er begicht. Die Nachricht, das zwischen dem Fürsten Gottscharoff und den Gesandten der Weltmächte und dem Grafen Buol eine Konferenz stattgefunden, verlieh den Sonde einige Seftigkeit. Man begann wieder Friedenshoffnungen zu fassen und die Rente stieg. Es erscheinen in Paris 10 große politische Blätter, melde nach der Anzahl der täglichen Abzü­ge, die sie machen, also Haffifizier werden Tonnen z „La Presse” 41,000 Abzüge, „Le Siècle" 36,000, "Le Konstitutionnel" 26,000, "Le Pays," „Jour­­nal de ’Empire" 16,000, "La Patrie" 15,000, "Le Fournal des Debatz" 9000, "Ulint« vers" 6000, „’Afsemblde nationale" 5000, "W’Union" A000, "La Gazette de France" 3000, Im Ganzen also 161,000 Exemplare, „La Preffe“ druckt ihre 41,000 Exem­­plare binnen 2 Stunden mittelst 4 Maschinenpreffen, was daher einen vierfachen Sat erheirscht. Die meisten Geschäftsleute von Paris haben betroffen, einen großen Theil ihrer jährlichen Etiennes den Wohlthätigkeitäbureaur zu überlassen. Die Bäder von Paris werden der Verwaltung des Armenunwesens zur Vertheilung unter die Armen 550.000 Pfund feines Brod bei Gelegenheit des Neujahrs übermachen. Die eingelaufenen Anmeldungen zur Industrieausstellung sind so zahl­­reich, daß es an Raum zur Unterbringung aller Gegenstän­de fehlen wird. Außer dem beschlossenen Anbau einer Gallerie­ auf dem Dunt, die eine Fläche von 18­ bis 20.000 Metres einnehmen wird, dürfte daher die Verwaltung genöthigt sein, den Industriepa­­last noch dur Aufführung eines zweiten Gebäudes auf dem Duni D’Orsay zu vergrößern, Kriegsschauplan. Schwarzes Meer. Ebenso wie bei und Wind und Wetter sehr ungünstig wirken,—fast simmtliche Blätter sind heute bei fchechten Wege halber ausgeblieben — so wirken diese beiden Faktoren auch auf den Fortgang der Operationen vor Ser­bastopol in erschwerender Weise, ja machen ein ernstliches Vorgehen über den Be­­lagerungsrayon hinaus, fast zu den Unmöglichkeiten. Das einzige Gute, was der laue Winter bisher für die verbündeten Armeen brachte, ist, daß die Verbindung zwischen Konstantinopel und den taurischen Golfen nicht gestört war, es konnten alle möglichen Kriegsbedürfnisse in so bedeutenden Duantitäten hinüber geführt werden , daß die in der Umgebung ver­geftung Fantom­irenden Truppen nunmehr mit allen nothwendigen Lebensbedürfnissen auf längere Zeit hin­­reichend versehen sein mürden, wenn nicht der Transport ver Eifthalten von den Schiffen in die einige Meilen entfernten Dislorationen so schwer wäre. Um dies zu erleichtern hat man außer andern Transportmitteln aus Algier auch eine Menge Kamerle und Lager gebracht, welche recht gute Dienste leisten. Eine über Marseille 28. Dezember ung zugenommene Depesche aus Konstan­­tinopel meldet : Der Herzog von Cambridge befand sich wohl, Prinz Napoleon war noch leivend. Die dur­ den Sturm beschädigten Dampfer sind ausgebessert worden und nach der Krimm zurückgekührt. General Dulac war in Konstantinopel angekommen. Die Allierten beabsichtigten binnen kurzer Zeit im Berein mit den Slotten einen Schlag gegen Sebastopol auszuführen. Großer Enthusiasmus herrschte im Lager. Eine neue unterseeische Sprengmaschine war in Konstantinopel angekommen. Dieselbe Depesche schreibt an, daß das Paderboot von Trapezunt in Konstantinopel angekommen und Nachrichten bis zum 18. Dezember brachte. Um diese Zeit rückten die Russen gegen Erzerum und Reputiale vor. Ein Angriff gegen die Tscherfeffen wurde von den Türken kräftig zurückgeriefen, die von englis­chen Offizieren befehligt wurden. Die Armee in Asien ist dem ungeachtet nicht genügend und es werden Verstärkungen verlangt. “Der Sultan fchidt Offiziere zur Reorganisirung der Armee, welche sich in Begleitung von englischen und fran­­zösischen Offizieren an Ort und Stelle begeben werden. In Konstantinopel ges­cliebene ägyptische Offiziere werden nach der Krimm abgehen. Seit einem Monat sind 14.000 Mann nach der Krimm abgegangen. Man spricht von der Bildung einer englischen und französischen Polizei in Konstantinopel. Die Verstärkungen der Alterten Fongen triren sich bei Eupatoria, wo ein Operationslager gebildet wird. Die Truppen Dmer Pascha’s luden gegen Verefop vor, —­m Metersburg, 23. Dezember. Zu den zahlreichen Aufmunterungen an die Slottenmannschaften und Lanztruppen vor und in Sebastopol, dieses Auge Rußlands, womit es den Orient drohend überwacht, zu vertheidigen, ist eine neue gekommen. Der Kaiser hat durch einen uter dem 18. 9. M. an den Kriegsminister gerichteten Ufas, in Anerkennung der beispiellosen Tapferkeit, des Eifers und der Strapazen sämmtlicher Truppen, welche seit dem 25. September die Garnison von Sebastopol bilden, den Befehl ertheilt, bat den Chargen Dieser Truppen jeder Monat, den sie als integrirender Theil in der besagten Garnison zugebracht haben, als ein Dienstjahe sammt allen hier­­mit verbundenen Rechten und Privilegien angerechnet m werde. Es wird in Rußland das Dienstjahr jedes Militärs, in welchem er einen Feldzug mitgemacht, sonst nur für ziet in Anfa gebracht. Die Zahl der Dienstjahre ist für Berechnung der Pensionen, Beloh­­nungen, Beförderungen, Donationen, Orden und dergleichen nach gewissen Vorschriften maßgebend. — Der Krieg macht immer neue finanzielle Maßregeln nöthig. Die Regie­­rung hat heute einen Utas veröffentlichen lassen, als dessen Motiv sie selbst das Bedürf­­niß, die Staatseinkünfte dur Erhöhung der Trabalsverlaufsach­se zu Vers beffern, bezeichnet. Der Finanzminister hatte am 6. dv. M., von allen Seiten um neue Fiwangmittel angegangen, sich endlich bewogen gesehen, einen entsprechenden Entwurf dem­­ Reichsrathe vorzulegen, welcher des Kaisers Bestätigung erhalten hat. In dem neuen Gefeh ist es besonders auf Einschränkung der sogenannten "Hausfabrikation" und Erhöhung der Abgaben der eigentlichen "Tabak­fabriken" abgesehen, welche legtere von Neujahr 1855 für nicht weniger als 500 Silberrubel jährlich Tabakgetiquetten Töten müssen. Die Hausfabrikation wird nur noch bis Ende 1857 gebildet, jedoch nur, wenn auch sie jährlich für 3—400 Silberrubel Tabadsetiquetten Töft. Nach Verlauf der zwei Seiftjahre müssen die Hausfabriken entweder geschlossen werden oder ein Attest als „Sa« bafsfabrik" Töfen,

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