Pester Lloyd - Abendblatt, März 1855 (Jahrgang 2, nr. 51-78)

1855-03-28 / nr. 75

1AbendblattdesPestet Fr: Mittwoch), 28. März, Niro. 75. IN ) z — - Pest , 1855. Lloyd. Tel. Depefchen des „Weiter Lloyd.” Paris, 27. März. Der heutige „Meonstein“ bringt einen Artikel, in welchem an die Persönlichkeit Alexanders II. Friedenswünsche und Friedenshoffnungen geknüpft werden. Wien, 28. März Man sieht hier stündlich dem Ein­­treffen einer französischen Depesche entgegen, in welcher Kai­­ser Napoleon seine Einwilligung zu dem Abschlusse­ eines M Waffenstillstandes mit zehntägiger Auffündigungsfrist er­­teilt. Wien, 28. März. Das Fieber Ihrer Tatferlichen Hoheit der Frau Erzherzogin Marta Dorothea, welches gestern den ganzen Tag hindurch mäßig anhielt, steigerte sich in der Abendrunde und verursachte eine etwas unruhige Nacht, Des More­gens Nachlag des Ziehers, Dr. Sanfovits , Professor Dr. Oppolzer, Professor Dr. Skoda, Dr. Krocsát, Leibarzt. * Meit, 28. März Der Westen hegt friedliche Hoffnun­­gen: bies Thema varirren seit einigen Tagen sämmtliche Stimmen in den ver­­schiedensten Tonarten. „Independance”, „Debatd", „Pays“, „Konstitutionnel", sie ‘behaupten in gleicher Weise, waß die Zerstörung von Sebastopol auf­gegeben worden; der gestrige „Moniteur", so berichtet und der Telegraph heute, theilt diese Srievenshoffnungen ; in Wien, fährt der Telegraph fort, sieht man einem Waffenstillstande entgegen.­­ Unsere Wiener Korrespon­denz, die wir unten folgen lassen, ergänzt diese Berichte wurde einige Mittheilungen über die bevorstehende Ankunft des Kaisers der Franzosen in der Österreichischen Hauptstadt. Die Wiener R-Korrespondenz wird man trogdem mit nicht gerin­­gem Interesse seien ; sie gibt den besten Kommentar zu unserer gestrigen Behaup­­tung : Die Zerstörung Sebastopols ist bag Ziel der Krimm­­armee, aber nicht bag des Friedensfangreffes. Si vis pacem, para bellum. € Wien, 27. März, Aus der fiderillen Duelle geht mir die Mittheilung zu, dag Kaiser Napoleon zum Besuche nach Wien kommen wird. Am Hofe werden zu seinem würdigen Empfange bereits die nöthigen Vorbereitungen gemacht, da er schon binnen wenigen Tagen hier eintreffen sol. Die Musikkapellen der Hier statio­­nirten Regimenter haben Befehl erhalten, zur Feier des bevorstiehenden Besuches die beiden französischen Nationalmelodien : „‚Partons pour la Syrie" und „Reine Hortense‘ mit größter Beschleunigung einzustudiren. Der Besuch des Kaisers der Franzosen wird, wie sich leicht voraussehen läßt, überall eine außerordentliche Sensation machen und hier ganz Wien auf die Beine bringen. Ungeachtet die großen Kriege in Ö­sterreich sehen in Vergessenheit zu gerathen beginnen, so Hat sich der Name „Napoleon“ noch immer in dem Andenken des Volkes bewahrt. Wie lange der Aufenthalt des kalter­­lichen Gastes hier dauern sol, darüber vernimmt man noch nichts; so viel wird aber fest schon als gewiß versichert, daß Napoleon von hier nicht in die Krimm gehen, son­­dern brieft wieder die Radreise nach Paris antreten wird. — Wie man hört, fehreitet das Reglement für den Bahnbetrieb, bag von dem Verwaltungsrathe der österreichischen Staatseisenbahngesellschaft berathen wurde , seiner Voll­endung entgegen und wird dem Ministerium des Innern zur Genehmigung nächstens vorgelegt werden. — Herr von Bruch soll gestern mit einem der angesehensten hiesigen Banquiers eine längere Unterredung gehabt haben, was man mit bevorstehenden Sinarzprojekten in Verbindung bringen will. R. Wien, 27. März. Der französische Gesandte, Herr von Bourqueney, hatte gestern eine Separatbesprechung in dem Ministerium des Neu­eren und lieferte bei die­­ser Gelegenheit auf Grundlage offizieller Berichte, die ihm t­eils aus der Krimm, theils aus Paris zugegangen , eine ausführliche Darstellung der gegenwärtig im Lager vor Sebastopol flohenden französischen Streitkräfte, die noch immer verstärkt werden, und gegenwärtig mit allem Nöthigen auf das Beste verfolgt sind. Die Operatio­­nen werden zu gieier Zeit von zwei Seiten beginnen, nä­me­li direkt gegen Sebastopol, so wie von Eupatoria aus gegen des Innere der Krimm. Der 25. März is, wie General Canı­­bert dem Herren v. Bourqueney meldet, als der Tag bestimmt,an welchem sämmtliche Batterien der Alliirten das Geuer gegen die Gesang eröffnen werden. Die nächsten Tage dürften demnach entschei­­dende Nachrichten sicher die Ereignisse in der Krimm bringen, und es ist begreiflich, daß man dieselben Hier mit beinahe fieberlicher Spannung erwartet, da man sich darüber nicht taufen kann, daß sie von entscheidendem Einflusse auf den Gang der Wiener Konferenzen sein werden. S Kriegsschauplan: Schwarzes Meer. Nun General Foren, wie der „Moniteur“ berichtet, wirflich aus der Krimmarmee scheidet, wird man folgende Korrespondenz der „Mat. 3." aus Konstantinopel, 8. März mit Interesse lesen. Sie lautet : „Der General Borey war in vergangener Woche der Gegenstand der verschie­­densten hier in Umlauf befindlichen Gerüchte. Die Einen ließen ihn mit den Ruffen in Verbindung gerweten und auf Grund einer mit Dem Fürsten Menzikoff geführten Korre­­spondenz , nie man entdeckt hätte, arretirt sein. Andere behaupteten, er habe im Kriegs- Tonteil ein Wortwechsel zwischen ihm und Canrobert stattgefunden , in Folge dessen G­­reg suspendirt worden sei. Die Sache ist bisher nicht aufgeklärt,, da sie aber trob des E­rdbebens , des Thurmes Malakoff und des Sturmangriffs auf Eupatoria hier mehrere Tage fast den Mittelpunkt des Interesses bildete, so will ich nicht unterlassen, u bernch­­ten, was man hier darüber wissen will. Zunächst : wer ist General Forey? In verschiedenen Kisten der höchsten Offiziere der französischen Armee, welche mir vom Jahre 1548 bis 1854 vorliegen, vermag ich seinen Namen nicht aufzufinden, was nicht Dafür spricht, daß er sich schon seit langer Zeit in hoher Stellung befindet. Wenn indessen das Gerücht behauptet, er sei im Dienste älter als General Canrobert , so will ich Dies darum nicht bestreiten. Zu Betreff seines politischen Charakters hieß es Anfangs, er sei Legitimist,, doch war dies eine Erfindung; man weiß jecht, daß er Republikaner ist, und zu der Partei gehört, die ihren Reprä­­sentanten in General Cavaignac hat. Sie werden sich erinnern, Daß Forey’s Name zu Anfang der Krimm - Unterneh­­mung und bei Gelegenheit der Einleitung des Sappen-Angriffs gegen Sebastopol in den Rapporten des französischen Generalissimus Häufig erwähnt wurde. Damals scheint das Einvernehmen zwischen Canrobert und ihm noch ein gutes gewesen zu sein. Indeg­s war im weiteren Verlauf der Belagerung Manches gegen das ruhig abwägende und scharfe Urtheil Torey’s geschehen, und derselbe hatte Gelegenheit genommen, im Schopfe des Kriegsrathes sich Darüber gegen den Höchstkommandirenden in bestimmter Form auszu­­sprechen. Es versteht­ sich von selbst, daß Die Angaben hierüber unverbürgte sind, da die Verhandlungen des Kriegsrathes Geheimniß bleiben. Wie dem auch sei, Canrobert an werte nunmehr nach und nach sein Betragen gegen Zorey­­ in den Berichten wurde feiner weniger und fehlieglich gar nicht mehr Erwähnung geb­ant endlich erschien die General­ordre Über eine neue Armee Eintheilung, und Sorey, der bis dahin über drei Divisionen den Oberbefehl geführt, und mit Bosquet eine höhere Stellung den anderen Chefs ge­­genüber eingenommen hatte, wurde damit wiederum auf das Kommando seiner eigenen Division beschränkt, indem er unter den Befehl des zum Korps - Chef (von vier Divisio­­nen) ernannten Generals Peliffier trat. Wann seine Entrüstung über diese Zurückgebung zum Ausbruch gekommen ist, s­chie­sen die hiesigen Gerüchte nicht. Sie sagen jedoch, daß er sich zum General Canrobert begeben, demselben vorgehalten, wie er seither umfangreiche und ersprießliche Dienste ger­­eistet habe, und nichtö pertomeniger denselben neuerdings die gebührende Anerkennung versagt werde. Der Generaliffnungs scheine ihn wegen seiner republikanischen Desinnun­­gen zurückzufegen, und er befenne, daß er in der Krimm allerdings nur der Ehre der französischen Waffen diene. General Canrobert sol hierauf die Absicht geäußert haben, einer Bersammlung aller Generale Die Trage vorzulegen, ob Borey unter solchen Unte fänden eine katserliche Division Tommandiren Tünne, worauf Lebterer freiwillig seine Entlassung anbot. Eine Zeitlang hieß es nun sogar, daß Horey in Folge dieses Auf­­trittes arretirt, und auf einem französischen Kriegsschiffe berei­t Hier angelangt sei, wo er bis zum Eintreffen der Entscheidung aus Paris werde in Haft gehalten werden. In­­dessen war dies eine Verwechselung mit General Monet, der nach seiner Verwundung bei der Affaire am Malakoffthurme auf dem „Montebello“ Hier eintraf. General Horey befindet sich noch in der Krimm, und er ist selbst fraglich, ob ihm in der That sein Kom­­mando abgenommen wurde. Wenigstens will man jecht hier wissen, daß sich unter den Truppen starre Sympathien für ihn geäußert, und so Die ganze Angelegenheit bis auf weiteren Befehl von Paris vertagt sei," Jedenfalls scheidet mit dem General Forey einer ver beften Generale, um — man der­­ Moniteur hinzufügt — das Kommando einer Division in Dran zu über­­nehmen. Die "Milit. 3." bringt folgende Schilderung aus Ddeffa über vieruf­­fische Kavallerie: „Bei dem unermeßlichen Umfange des Reiches ist es bes­treiflich, daß diese Waffe für Rußland sowohl in Kriege­ als in Friedenszeiten eine sehr wichtige bleibt. Die östliche Grenze gegen Chiwa, Turfestan und die freie Kirgisensteppe wird gegen die Anfälle der räuberischen Nomadenwölfer ausschließ­­lich durch irreguläre leichte Kavallerie Chofaken) gefhügt. Das gleiche gilt von der sibirisch-chinesischen, so wie der persischen Grenze. Im Allgemeinen ist Fein Land vor Verwendung von Kavalleriemassen güns­­tiger als eben Rußland. Seine unendlichen Flächen sind fett jeher­ter Tummelplag wilder Reiterhorren gewesen, und aus diesen Steppen kamen jene entfeßlichen Plagen, welche die Geißel Europa’s wurden. Bei den geringen Kosten, welche dem Staatsfhage durch die Unterhaltung vieler Reiterheere aufgelegt werden , ist es nicht leicht einzusehen, weßhalb die Zahl seit Kaiser Alexanders Ableben nicht um das Doppelte vermehrt wurde. Zwar sind vor einigen Jahren mehrere Kojafen­­regimenter neu errichtet worden, und eben jegt wird im asiatischen Departement des Kriegsministeriums an der Organisirung anderer 16 Regimenter, welche von Grenzdienst zwischen Nertschindt und Kijachta zu versehen hätten, gearbeitet; dies dürfte aber nicht genügen, dem Bedürfnisse abzuhelfen. Obwohl die Stufe der Bil­­dung, auf welcher die russischen Kavallerieoffiziere stehen, bei weitem nicht verjeni­­gen anderer Heere gleicht, so ist Doch nicht zu leugnen, daß es auch mitunter tüchtige und intelligente Männer gibt. In dieser Beziehung ist die Kavallerie sogar der Infanterie weit überlegen und obwohl mit Leib und Seele wie die Infanterie patriotisch, so sind in der Kavallerie moderne Ideen stark verbreitet und finden einen günstigeren Boden. Bei näherer Betrachtung der Verhältnisse läßt sich über Hal­­tung und Gesinnung sagen : Die Infanterie ist eine eherne Murter, nur von einem Gedanken beseelt, dem der Unterwürfigkeit und des Gehorsams, während die Kavallerie zwar für Rußland ANes, aber nicht in dem Sinne wie die In­­fanterie zu opfern bereit ist, denn hier haben die Ideen des Auslandes in be­­merkbarem Grave Eingang gefunden und das Wollen ist­ schon ein berechnendes ; was endlich die Faujasische Armee anbelangt, so ist sie unstreitig die abgehärtetste und tapferste, aber dem Baterlande fast entfremdet. Moskau ist im Gegensuge zu St. Petersburg unch Elvorado weg russischen Soldaten. Würde man dem Nepotis­­mus in der Kavallerie Schranken fegen dünnen, so wäre es nicht fehler, manche für die Waffe verderbliche Mißbräuce auszurotten, deren Aufzählung ich mir bei einer anderen Gelegenheit vorbehalte. Zu den tüchtigsten Reitergeneralen werden Osten-Saden, Grotenhjelm, Oftenberg und Fürst Argutinsky-Dolgoruft gezählt. Die Sagen bei der Kavallerie sind nur um ein Geringes höher gestellt als die ver SIinfanterie, naher es Unbemittelten ganz unmöglich wird bei ver Reiterei zu dienen, | OTTTNITTELER

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