Pester Lloyd - Abendblatt, September 1855 (Jahrgang 2, nr. 203-226)

1855-09-19 / nr. 217

Eine­ fernere Bürgschaft haben wir in der aufrichtiger­ Gesinnung dee Kaiser ebee Fran­­­zosen,welcher mit gan­zem Herzen und ganzer Seele bei dem Kampfe ist.Auch das Bündniß mit SatdlUken gewährt uns eine Bürgschaft.Jenes Königreich ist in Bezug auf Gebietsausdehnung nicht so groß,i­ie Frankreich oder England.Doch lehrt uns die Geschichte,daß kleine Staaten oft eine große Rolle in der Welt gespielt und­ keinen unbedeutenden Einfluß auf ihre Geschicke ausgeübt haben.Ich brauchen uns an Holland, Venedig und Genua zu erinnern­,an Staaten von geringerem Umfange,als dasting­­reich Sardinien.Wir wollen die Lehren der Geschichte nicht verachten-sondern uns dieses sardinische Bündniß,welches zugleich sehr ehrenvoll für Sardinien ist,zur Er­­muthigung dienen­ lassen.Mit dieseni Aussc­hten­ in die Zukunft,vor Allem aber auf die Gerechtigkeit unserer Sache bau­end,können wir es glauben, daß der Krieg ein anderes Ende haben werde, als ein solches, das Europa Sicherheit gegen zukünftige Angriffe Ruslands bietet, ein anderes, als einen Frieden, welcher nicht nur ehrennnll und befriedigend für die Verbündeten ist, sondern auch der Ehre und den Sinttreffen Englands entspricht und die großen Opfer rechtfertigt, daru welche er erreicht worden is.’ Die Negierung hat dem General Simpson das Oberstenpatent des 87. Fregiments verliehen, eine Sineeure , welche jährlich 1300 8. einbringt. Der „Sun macht es der Regierung zum Vorwurf, daß sie dem General nicht die Marschallswürde verliehen habe. , Der General Simpson”, sagt das erwähnte Blatt, „hat diese Auszeichnung eben so gut verdient, wie Lord Raglan, welchem sie zu Theil wurde, weil er Sebastopol nicht genommen, oder vielmehr, weil er einer Schlacht beigewohnt hatte, welche man mit so viel Recht die Schlacht der Soldaten genannt hat. Wir beflagen uns nicht über Die­ford Naglan bemilligte Belohnung. Allein warum verweigert man dem General Simpson, welcher Dazu beigetragen hat, das von seinem Vorgänger unternommene Werf zu vollen­­den, das gleiche Zeugniß der Zufriedenheit . — Der , Gun" berichtet außerdem, die Verbündeten hätten in dem fürlichen Theile von Sebastopol 1200 Kanonen von schwerem Kaliber gefunden, — eine Angabe, welche auch die „Times“ enthält. — Dem Bernehmen nach fliehen in nächster Zeit Modifikationen im Generalstabe des englischen Krimmheeres bevor. Der Metallvorrath ver Banf von England hat in der verfloffenen Woche um 721.748 8. ab» und ihr Notenumlauf um 37,425 8. zugenommen. Schwarzes Meer. In den englischen Blättern erhebt sich bereits ein lebhafter Streit Über die Tragweite des Sieges“. 8. September. „Simes’ Schreibt: Die Nordforts liegen auf einer dreieckigen Hochebene zi­ischen der Belbeg- Mündung und dem großen Hafen, einem Raume, von weniger als drei (engl.) Meilen, den die See auf zwei Seiten bespült, und jede erfolgreiche Bewegung der Verbündeten auf der Westküste der Krimm würde die Russen vermut­lich nöthigen, sie aufzugeben, um nicht durch eine Blofade zur Unterwerfung genöthigt zu werden. Die große strate­­gische Frage des Augenblicks ist ohne Zweifel die, ob die Verbündeten sich zu einem großen Angriffe auf die starr verschanzte Stellung entschliefen werden, welche die Ruf­ Ten noch immer von den Höhen bei Snferman an längs dem Madenzie-Bergrüden ein­­nehmen, oder ob sie versuchen werden, den Feind dadurch zum Nachzuge zu nöthigen, daß sie ihm an irgend einem Punkte der Küste einen starfen Truppenkörper in den Soden werfen und so seine Operationsbasis zu Simpheropol bedrohen. Dagegen ziti­t der „Advertiser‘‘ unter der Mederschrift „Sebastopol ist nicht genommen” folgende Stelle aus Danby Seymour’s Buche „Rußland am schwarzen und asow’schen Meere‘: „Die Nordseite Sebastopol’s ist viel höher gelegen al Die Südseite, und in Folge davon beherrscht Das achteclige Nordfort Stevoria die ganze Stadt und Bat rammt den Dods. Als der mächtigste Punkt sowohl zum Angriff wie zur Vertheidigung der Stadt ist es in festen Jahren bedeutend verstärkt worden. Ein Angriff auf das Fort feh­ft kann nur von der Landseite unternommen werden, da seine Höhe über dem Was­­serspiegel das Feuer von Kriegsschiffen unwirksam, und die steilen Ufer sowohl in der Bar als am offenen Meere eine Truppenlandung sehr schmwierig machen würden. Dies it die Rettung, welche Sir Howard Douglas den Schlüssel von Sebastopol nennt.‘ Sir 9. Douglas takelte bekanntlich, Die Belagerung vom Süden aus. Mit dem Fall des Sievornaforts, schloß­er, fiele Die ganze Südseite; im Ge­­gentheile wäre aber die Einnahme der legtern nußlos, so lange der Feind im Besis der Norpfort bliebe. Indeß scheinen und fest alle diese rein theore­­tischen Betrachtungen über die Lage der einzelnen Forts wenig zu beweisen, da sie die praktische Hauptsache ganz außer Acht laffen: der Zustand, in dem sich die Ruffen nach der Überstürzten Flucht aus der Süßseite befin­­den müssen.­­ Der „Moniteur” vom 16. September bringt ein Schreiben in Bezug auf die von den­­ Ruffen in der Schlacht an der Ischernaja am 16. August erlittenen Verluste. Demgemäß wären den Rufen vier Generäle getödtet wor­­den, nämlich die Generäle Read, Wrevfy, Bellegarde und Weimann. Fünf andere Generäle wären verwundet worden. Der Verlust des Feindes wird im Ganzen auf 7000 Mann angegeben. Mfsen. Aus Erzerum, 9., wird gemeldet: Bely Pascha rückte wieder auf Vorposten gegen Kapri Not, er meldet, daß er seit 12 Tagen ohne Nachrichten von Kars ist. General Myramieff soll neuerdings die Anhöhen bei Kara belegt haben. Die türkische Division unter DS­man Hafdja vor Sebastopol soll nun doch vollzählig an der Tschernaja ‚bleiben, dagegen sollen von den 11.000 Türken () in Kertsch und Zentfale zwei Brigaden nach Batum einge­­schifft werden. Ostsee.Aus Dan­zig,14.Sept.,wird der,,Times«telegraphis«t: Die französischen und englischen Kanonenbote»bereiten sich für die Heim­­­reise vor.Man­ glaubt,daß ihnen die Blockschiffe am nächsten Montag folgen werden. St.Petersburg,10.September.Ein Extrablatt des«Russ.Juv.«, welches gestern(Sonn­tag)Abend noch spät ausgegeben wurde,brachte die erschüt­­ternde Kunde vom Falle Sebastopols.Kurz vorher war schon eines ausgegeben worden,welch­es eine telegraphische Depesch­e des Fürsten Gortschakoff vom 7. 8 Uhr-Abends enthielt und keineswegs eine so plötzliche Entscheidung vermuthen ließ. Das zweite Bulletin(es ist da 6 305,in der Reihe UfVlger leitete dagegen schon durch seine Form das Außerordentliche ein,denn es ist als«Allerunterthü­nigster Bericht­»direkt an den­ Kaiser gerichtet.(Die Bulletins selber sind unsern Lesern­ längst bekann­t.A.d-R.)Russischerseits ist in­ der letzten Periode der Verthei­­digung manches in ein Dunkel gehü­llt,welches erst eine spätere Zeit enthüllen kann, aber dies kann als gewiß angenommen werden,daß der endliche Sieg des Bela­­gerers nicht sowohl seiner größern Tapferkeit — obgleich Diese über jedes Joch erhaben ist, sondern feinem ungeheuren Hebergewicht an feiwerent und namentlich Wurfge­­fdűt zuzuschreiben ist. Wir haben schon vor Monaten mit Besorgniß Darauf hinge­­wrefen, daß dieser Fall eintreten müsse, da die Westmächte durch­ ihre Fabriken weit schneller Material erzeugen und durch ihre gewaltigen Transportmittel es weit leichter heranschaffen konnten, als Rußland. Für dieseg müssen die materiellen Verluste sehr sehmerzlich sein ; sehmerz­­licher aber ist wohl der moralische Eindruck, den das Ereigniß auf alle Belfer des weiten Reiches machen wird. Das „heilige Rußland“, auf vielen Punkten von dem Feinde bedroht, war Hoch nur an diesem einzigen von ihm wirklich betreten. Dle Anstrengungen waren darauf gerichtet, ihn von Dort wieder zu vertreiben. Die » » » Nachrichten von der heldenmüthigen Vertheidigung gegen die Heere und Stotten Des Westens waren im Z­uge bis an Die entferntesten Küsten und in die einsamste Hütte gedrungen. Invaliden. Die weniger unglücklichen Opfer der sehr erlichen Kämpfe, schleppten ihre Wunden und ihre verstümmelten Gliedmafen in die heimischen Dörfer und erzählten die mährchenhaft singenden Heldenthaten Dieses neuen trojanischen Krieges. In Neval und Riga an den Küsten der Ostsee wie in Kindita und Nartshingi an den Grenzen China’s, in Archangel wie in Tiflis sammelte man milde Gaben zum Besten der tapfern Vertheidiger der taurischen Weste,, auf dem Markte in Abo und in dem Lager Muramieff’s wurden den versammelten Truppen die glorreichen Thaten ihrer Kameraden verfündet. Jede eigene Gefahr war vergessen über dieser einen drohendsten,, und der Lohn so vieler Anstrengungen konnte — so feiern es lange — fein anderer sein, als ein ruhmloser Abzug des Feinde. Die Beziehung hat es anders gefügt. Der uk des Feindes tritt auf die Gräber unserer Helden, eines Lasareff, Korniloff, Istomin und des bem­eintesten von Allen — Nachimoff; aber, wenn auch ihr Werk zerstört, ihr Tod vergeblich scheinen mag, so wird die Erinne­­rung an sie doch nicht untergehen, und ihre heldenmüthige Aufopferung bleibt auch, im Unglück eine Bürgschaft besserer Zeiten. (SH, Jg.) Bufureft, 11. September. Die außerordentliche Nachricht aus der Krimm, melche sorgestern hier eintraf, war für die große Masse der Bevölkerung eine so unerwartete, daß, trogdem der Sturm seit einigen Tagen erwartet wurde, und man hier den Beginn des neuen Bombardements schon Fannte, im ersten Augenselie doch auch­ starre Ameisel sid Fundgaben. Die erste Depesche war hier an den franzö­­sischen Konsul angelangt, gleich darauf erhielten auch der österreichische Generalfonsul und Graf Boronini dieselben Meldungen aus Barna. Die Depesche an den französis­­sen Agenten lautet : „So­eben ziehen unsere Truppen da ein, wo einst Sebastopol fand.‘ Das Nähere, das man bisher, Freilich ebenfalls auf telegraphische Nachrichten gesrüßt, erfährt, besteht in Folgenden, Donnerfing, den 6. September . Abends begann die allgemeine Befehligung aus den Gefolgen vom größten Kaliber, die sich so wirksam bewies, daß General Peliifier am 8. gegen den Malakoff und Redan Sturm laufen lies. Nach mehreren Stunden des fürchterlichsten Geniegeld waren die Franzosen im Befige des Malakoff. Der Rückzug der Ruffen wurde jegt zur Flucht, sie nahmen si nicht Zeit, das außerordentlich zahlreiche und kostbare Gef­llig aus den mit Kanonen gespielten Or­­fen der Sü­dseste zu bergen, sondern sprengten alle diese Fortifikationen in die Luft, brannten das vorräthige, nicht transportable Pulver ab, stechen mit eigener Sand die noch stehen gebliebenen Häuser in Brand, und zündeten endlich auch den Nest der Slotte an.­­ Auf der Süßseite Sebastopols ist sein Ruffe mehr, aber auch sein Haus”, mit diesen Worten fehlteßt eine der hier eingelaufenen Depeschen. Die Meldung dieses großen Steges ist sogleich dem Fürsten, welcher sich rebt auf einer Rundreise, vom Kloster Bistrisa aus, in der Fleinen M­alachei befindet, ge­­macht worden, und dürfte ihn vielleicht in Krajova oder in Turn-Ceverin, welche Orte er in diesen Tagen besucht, antreffen. — Von der unteren Donau ist politisch nichts Wichtiges zu melden. Die Türken arbeiten eifrig an der Aus­eiferung ihrer Donaufestungen und ererzi­en, tote man aus Gilistria und Schumla hört, fleißig die neuangekommenen Refruten. Die in Mumelien versuchten Werbungen der Engländer An der unteren Donau nimmt der Getreidehandel einen großen Aufschwung. Die Arbeiten der Österreichischen Dampfer an der Sulina und die Regengafte in der besten Zeit haben den Wasserstand günstig gehoben. Auch beim eisernen Thore ist der Wafferstand ein so günstiger, daß selbst die kaiserlichen Kriegs­­dampfer dasselbe ohne Anstand paffiren. Dagegen hat dieser hohe Wafserstand bisher den­ Beginn der Sprengungsarbeiten im Flußbett verhindert. P­aris, 15. September. Man stellt die verschiedensten V­ermuthungen über die Folgen der großen Ereignisse an. Nicht ohne Grund wird als eine derselben der Umstand betrachtet, daß Oesterreich der Königin Amelie und dem Prinzen von Soinville einen Wag verweigerte, um Die Neffe zum Grafen von Chambord zu machen. Auch der Herzog von Montvensier, der seine Frau von seinen Gütern in Oesterreich abholen wollte, erhielt die Befugniß hierzu nit. Ein Adjutant des Grafen von Chambord begab sich hin. Gegen den belgischen Gesandten ist man hier, wie mir gesagt wird, sehr aufgebracht, weil derselbe beim ehegestrigen Tedeum fehlte. An der Börse beschäftigte man sich nicht mit der Krimm, sondern einzig mit Abrechnungen und Uebertragungen. Der gestrige Säreden war volständig gewesen: was sollte man heute anfangen? Man hat einen Mittelweg aufgefunden. Die Ge­­sellgaft des Credit Mobilier und das Syedifat der Börsenagenten sind Tiber­­eingenommen, daß die Zeichnung auf die Obligationen vom 25. Sept., dem bis jecht angegebenen Schlußtage, auf den 8. Oktober verlängert und der Koupon von 200 Fr. nur für die Oktoberlinguidirung abgelöst werden sol. Die vollständige Um­­stimmung der Regierung bezüglich des Credit Mobilier und die Mairegel des Staats­­rathes haben allgemein überrascht. Der Kaiser sol persönlich sehr aufgebracht über die von ihm selbst geschaffene Gesellschaft sein. Was man von Nachsuchungen der Justiz in den Bureaus der Gesellschaft aussprengt, ist eine Zabel. Es ist möglich, daß während oder nach der Berathung des Staatsrathes ein Polizeikommissär dort erschien, um zu befehlen, daß die Unterzeichnung m­it eröffnet werden solle. Die Sache des Credit Mobilier ist somit ausgeglichen: nur wird die Emission der 120.000 Obligationen im Interesse des Ressorts bis zum 8. Okto­­ber hinausgeschoben werden. Seltsam ist es allerdings, Das der „Mobiliarkredit,“ welcher nur eine gegebliche Existenz von dreißig Jahren hat, Obligationen ausges­ehen kann, die erst in neunzig Jahren eingelöst werden müssen. Gleich hier, die viel­­besprochenen Operation ist ganz einfach. Diese: der Mobiliarkredit schuldet den Astiond­­ren 200 Fre. Dividende, es macht das eine Totalsumme von 24 Millionen. Statt sie zu zahlen, gibt er Obligationen von 500 gre. zu­dem Preise von 280 Stanfen und 15 p3t. Zinsen aus, und spricht zu seinen Aktionäiren . Ihr habt vor allen Anz­dern Anrecht auf diese Obligationen, deren wir zwei für jede Ak­te zur Verfügung steh­en. Statt uns 280 Fr. zu zahlen, zahlt ihr und nur 80 fr. baar und den Ak­­tienfoupon von 200 Fr. Das Fallen aller Werthpapiere dauerte heute fort. Die Iproz. Rente flog 35 Ets. tiefer, als gestern, und der Credit Mobilier fant um 25 Sr. mad Briefen aus Rom vom 10. d. sind dort vor Kurzem zwei russische Generäle auf ihrer Durchreise nach Neapel angekommen. Dieselben wurden von dem Papste und dem Kardinal Antonelli in Privataudienzen empfangen, Graf Esterhazy, ein Bruder des österreichischen Gesandten in Main , war von Paris in Rom eingetroffen. Derselbe hat mit den römischen Staatsmännern mehrere Kof­ferenzen gehabt und sich dann nach Neapel begeben. Wiener Börse vom 18. September. Das stark verbreitete Gerücht von sehr nahe bevorstehenden neuen Finanzmaßregeln, welche aber die Kontrahirung einer Geldanleihe ausschließen sollen, hob die Stimmung der Börse und war Kaffa­­mangel heute weniger fühlbar. Nichtsveftoweniger blieb der Verkehr im Allgemei­­nen flau, mit Ausnahme der Staatseisenbahnaktien, welche beliebt scloffen, Devisen und Metalle mehr angeboten, inländische Wechsel hingegen nur mit Opfern unter­­zubringen. Gold 1979; Silber 15. Verantwortlicher Redakteur: Karl Weiskircher, sind total mißlungen, Schnellpfeifenplus son Emil Müller, Servitenplag Nr. 1: — Berlag der Pester Lloyp-Gefelshhaft.

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