Pester Lloyd - Abendblatt, November 1855 (Jahrgang 2, nr. 254-278)

1855-11-02 / nr. 254

eine Note an das Wiener Kabinet gerichtet,worin sie Desterreich, als die in Deutschland domm­erende Macht, um seine Vermitt­­lung in dieser Frage zwischen Dänemark und den deutschen Staaten ersucht. Sir Hamilton Seymour, der ehemalige englische Gesandte in Petersburg, k­­am. Stelle Lord Westmoreland’s zum Gesandten am Wiener Hofe ernannt worden­. mu Nachrichten aus Warschau zufolge waren die Vorbereitungen zum Empfange reg Kaisers daselbst wieder aufgenommen, und zwar in einer Ausdehnung, das man daraus schließt, der Monarch werde einen Theil des Winters in der polnischen Hauptstadt zu bringen. In Belgien hat die von der Regierung berufene Kommission Die Trage, ob für Belgien eine Kriegsmarine nothwendig sei, mit 8 gegen 2 Stimmen bejaht. In Kurhessen hat man sich den ehemaligen Chefrevakteur der „Kreuzzettung”, Mieffor Wagener in Berlin, zum Nachfolger Haffen­­pflug v­ersehen, 8 handelt sich nur noch um Sicherung des Gehal­­tes und der eventuellen Pension. Ein vorsichtiger General wenft beim Borpringen schon an den Nachzug! Herr von Brentano is von Berlin nach Hamburg abgereist, in Wien sol im nächten Samtal wieder ein Müngfongreß eröffnet werden. Ueber den „österreichischen Kredit Mobilier" schreibt man der "R. 3." aus Paris: „Herr Peretre hatte in Wien die Sache abgeschlossen, mit dem Vorbehalte, daß der Kaiser der Franzosen seine Genehmigung dazu gebe. Diese ist nicht erfolgt und die Gesellschaft des Credit Mobilier hat die Unterhandlungen ganz abgebrochen, wie dies­ eine von Baron Esseles hiehergelangte Depesche anzeigt. Sereire stellte seine Bedingungen so, daß es ihm leicht wurde, sich zurück zu ziehen. Die von der österreichi­­schen Negierung angenommenen waren auch über alle Erwartung plagend. Die Majo­­rität der Administrationsmitglieder sollten Franzosen sein und wurde der zu gründenden Anstalt gestattet, ihre Kapitalien­ auch in ausländischen (nicht österreichischen) Unter­­nehmungen zu plac­­en. Nothfchild, der nun an die Stelle tritt, hat sich mit geringeren D­ortheiten begnügt. Er verlangte blos, daß der vierte Theil Branzofen sei und verpflichtete sich überdies, blos österreichische Unternehmungen zu berücsichtigen. Er wird also die Sache durchführen , da es ihm aber nicht gestattet wird, die Aktien des neuen Unternehmens­ auf der hiesigen Börse Botiren zu waffen, so muß er auf Schwierigkeiten für den Abfall gefaßt sein. Der Kaiser ist sehr unzufrieden darüber, daß der Banquier Die Gründung der genannten Anstalt übernommen hat. Schwarzes Meer. Ueber den Plänen Peliffiers in der Krimm ruht noch immer das tiefste Dunkel, weshalb wir auch aus den unten folgenden Lagerkorrespondenzen immer nur das Thatfäachliche mit­­theilen, und selbst die Details der Truppenevplutionen streichen, im denen tagtäglich Anordnungen vor sich gehen, ohne mag selbst Die an Ort und Stelle Anmwefenden Deren­tweg irgendwie zu durchschauen vermögen.­­ In Konstantinopel glaubte man am 18. an das Bevorstehen eines ernsten Zusammenstoßes, weil alle transportablen Kranken aus der Krimm, an die Hospitäler am Bosporus geschafft wurden. Mit ihnen langten auch die ent­­lassenen Dienstpflichtigen vom Jahre 1847 an, von denen aber ein Drittel vorgezogen hat, bei dem Heere zu verbleiben. Englische Lagek­orrespondenzen aus der Krimm reichen bis zum 16. Oktober. „Daily News‘ schreibt man: Leftern Abend wurde in einem Tagesbefehl der gesammten Armee die Orpre mit­­erteilt, bis auf Weiteres an jedem der folgenden Morgen um 5 Uhr unter Waffen zu ei und in Bereitschaft zu bleiben, bis die Divisionskommandanten den Befehl zum Nachmarsch in die Zelte zu geben für gut finden. Man 308 daraus den Chluß, das ein neuer Angriff der Nuffen auf die Trehernajalinie in Aussicht stehe, obwohl es in der That nicht abzusehen ist, was sie dabei zu gewinnen hoffen, nachdem die Franzosen sämmtliche Positionen, und auch die Sardinier die ihrigen bei Ifc­orgun aufs Stärkste befestiget haben. Der prachtvolle Sommerpalast des Fürsteen Woronzoff, etwa vier Meilen von­ Phorospaste am Meeresufer gelegen, ist in der rechten Zeit von französischen Soldaten ausgeplündert worden. Von demselben Datum wird der , Times" gemeldet: Man scheint es nicht für un­wahrscheinlich zu halten, daß die Nuffen die Nor­d­­keite zu räumen beabsichtigen. Gestern zündeten sie Inis vom Fort Katharina ein großes Feuer an, wir vermuthen, daß sie V­orräthe verbrannt haben. — Die Expedition nach Eupatoria ist abbestellt worden, in Folge einer telegraphischen Botschaft Lord Pan­­mure’S, laut welcher die Nuffen einen Angriff beabsichtigten. Man scheint denselben bei Sinferman zu erwarten. Was die Nuffen Dadurch zu gewinnen Hoffen könnten, st schwer zu sagen. — Die Straßenbauten nähern sich ihrem Ende. Alles h­ämmert, gräbt, mauert für den Winter. Die Arbeiten sind solid und großartig: auf dem sonst so­zablen Lager- Plateau entsteht eine türmliche Stadt — theilweise sogar aus Stein gebaut — die An­­lage der Straßen und Abzugsgräben ist solider selbst, als es das Bedürfnis der Armee erheifcht, und Die Ruffen, sollten sie jemals wieder Herren dieser Gegend werden, dürften alle Ursache haben, mit den Veränderungen zufrieden zu sein. Die Witterung ist pracht­­voll; sie und die tüchtige Arbeit im Freien haben der englischen Armee so wohl gethan, daß sie sich besser befindet, als zu irgend­einer Zeit seit ihrer Landung in der Krimm. Aber das Gute hat auch sein Schlimmes im Gefolge. Das ruhige Leben und die neue Zulage son 6­d, täglich thut der Trunfenhett und Insubordination furcht­­bar Borschub. Wo man hingeht, begegnet man Besoffenen, und es ist höchste Zeit, paß Der „Moniteur“ hört aus Konstantinopel, „daß der Befehl nach Smyrna gesandt worden ist, die beiden Griechen, welche vor Kurzem einen Matrosen der französischen Drigg , Olivier­ ermordeten, sofort hinzurichten. E. C. London, 29. Oktober. Generalmajor Williams, der eng­­lische Kommissarius bei der türkischen Armee in Asien, der bei der Verthei­digung von Kars eine so hervorragende Role spielt, wird — wie der „Ob­­­­diesem Unfug Schranken gefeßt werden. Endlich Hört der „Constitutionnel” aus der Krimm vom 15. Oktober: Die Rufen, welche sich anfangs über Die Truppenvermehrungen in Encipatoria zu beunruhigen schienen, schelnen plöslich eine andere Taktik befolgen zu wollen, indem sie ihre Kolonnen ins Innere der Halbinsel zurü­ckgezogen haben. Die Wege werden wegen der vorgerűhten Jahreszeit für eine Ar­­mee mit Artillerie und Kriegsmaterial bald unbrauchbar werden; dies ist der einzige Grund, weshalb die vufsische Armee nicht zur Annahme einer Schlacht gezwungen wurde. Man glaubt, daß sich fortan Alles darauf beschränken werde, während der schlechten Jahreszeit die Nuffen in den Bordfortg mit Nach­­druck anzugreifen. Der Xlogodampfer verlieh Konstantinopel am 22. Okt.­­ Das englisch-türfiige Kontingent war zum großen Theile in G­ala­cz gelandet, wo der Stab or der Hand bleibt. Die Cholera machte am Bosporus Fort­­schritte. Aus der Krimm hörte man, daß alle erforderlichen Vorbereitungen zur Ueberwinterung in Sebastopol getroffen wurden; britische Kontin­­genttruppen hielten die Berschanzungen von Sentkale belegt, dort befanden sich die Generale Bisian, Cunningham, Holmes. Aus Damaskus wird vom 11 b. M. gemeldet, daß aus Anlaß der Nachricht vom Falle Sebastoupol’s ärgerliche, ge­­waltthätige Konflikte zwischen den Griechen und Katholiken vorfielen; es gab einige Verwundete. Aus Trapezunt wird vom 12. Oktober berichtet, daß die­­ Neffen einen neuen Sturm gegen Kars vorbereiteten; die Festung im Übrigens besser verproviantert, als ‚man früher glaubte, Nachrichten aus Athen vom 26. Oktober zu­folge wurden energische Maßnahmen gegen das lephtenimmwesen getroffen ; die Cholera herrschte noch auf den meisten Punkten des Königreichs. Jerser” meldet­e zum Commandeur des Bathordens ernannt werden, und die an seiner Seite dienenden englischen Offiziere werden ebenfalls dur­ Avanrements oder andere Auszeichnungen belohnt werden. General Sir Will, Codprington, dessen Ernennung zum Ober­­befehlshaber in der Krimm als öffentliches Geheimniß besprochen wird, trat anno 1821 in die Reihen der Armee und soll noch nicht 50 Jahre alt sein. Er begann mit einem Sähnerichspatent in der Coldstream-Garde, wurde 1846 Oberst, und im Juni 1854 Generalmajor. Alle Kriminichlachten hat er mit Auszeichnung mitgeschlagen, und wenn sein Benehmen beim Sturm auf das große Sägewerk bedarf Fritifirt worden is­t sagt die „Times“, welche selbst zu den schärfsten Mritifern gehört hat — m­ ft 68 „auch ande­­rerseite in befriedigender Weise erklärt worden, jedenfalls habe er den Vorzug, ein Mann der heutigen und nicht per vergangenen Generation zu sein. Der Handelsausweig des legten Monats bis 30. Sept.­ zeigt ein günstigeres Resultat, als man der gegenwärtigen Verhältnisse wes­gen vermuthet hatte. Allerdings zeigt sich in den vorgelegten Tabellen gegen die entsprechende Periode des voligen Jahres ein Ausfall im Detrage von 180,906 £., Cody Art verfehle nur sehe­nbar, da der Disginalige Ausweis, statt wie Damald 35, biw$ 30 Tage umfaßt, somit­ der Ausfall in den Ausweisen auf Nednung der abgefürzten Periode zu sehen ist. Bringt man Lestere gebührend­en Anschlag, so ergibt sich statt eines Ausfalls ein Ueber­­schuß im Betrage von gegen 1,300.000 £. Dieser Umstand muß­ bei der Bergleichung mit vorigem Sabre sowohl bei der Ein- wie Ausfuhr, berück­­sichtiget werden. Das allgemeine Interesse an der am Sonnabend erfolgten Berurz­theilung der betrüglichen Bankiers Strahban, Paul und Komp. ist sehr groß. Da ein charakteristischerer Beitrag zu einem Gemälde englischer Sit­­ten fehwer zu dienfen, lege ich die Urtheilsrede des Richters im Zentral- Kriminalgerichtshofe, Baron Alderson, in wörtlicher­ Mederlesung bei. Die Geschworenen gaben ihr „Schuldig” sehen nach 20 Minuten Berathung ab. — Nic­­ter Baron Alderson nach einer kurzen Pause, während­ welcher tiefes Stillschweigen herrschte: „Eriem Strahan, Sir Sohn Dean Paul und Robert Madin Bales — die Geschworenen haben Euch­ der That, welcher Ihr in dieser Anklage beschuldigt werdet, für schuldig befunden — des Verbrechens, Werthpapiere,, die Euch von Euren Kunden als Bankiers anvertraut waren, um sie für ihre Verfügung aufzubewahren, verkauft und Euch­ selbst den Erlös angeeignet zu haben. Ein größeres und in seinen Folgen ernsthafteres Verbrechen ist in einer Handelsstadt wie Diese Faum zu denfen. Es bahnt eine Erschütterung des Vertrauens in alle Männer, in Ähn­­licher Stellung wie die Eurige, an, und hat das öffentliche Vertrauen in Geschäfte, wie dasjenige, dem Shr so Lange mit Ehren vorgestanden, schon erfehüttert, Sehr, sehr, bedaure ich, daß es mein Loos geworden ist, Urtheil über fente in Eurer Stellung fällen zu müssen; aber das öffentliche Interesse und die öffentliche Gerechtigkeit, for­­dern es, und ich darf vor der Erfüllung einer Pflicht nicht zurü­ckschredten, melde eine Pflicht meines Amtes ist, wenn sie auch noch fo­­ peinlich wäre.­­ „Ich würde sehr glücklich sein, wenn es Gott gefallen hätte, daß irgend ein An­­derer diese Pflicht heute zu erfüllen hätte.” — ‚Einen von Euch m wenigstens‘ — fuhr der Nichter mit bewegter Stimme fort — „habe ich unter sehr verschiedenen Umständen, mit einem hohen Amt bekleidet, zu meiner Seite fiben sehen, während er jecht dort vor mir steht, und Faum wäre es mir damals möglich gewesen, es mir auch nur vorzu­­stelen, daß ich in die Lage kommen künnte, über Euch ein Urtheil fällen zu müssen, der so kam es, und es ist deswegen ein Beweis, daß wir Alle darum zu beten haben, nicht in Versuchung geführt zu werden. Ihr murdet gut erzogen und hattet hohen Rang im Leben und werdet darum die Strafe, die auf Euch fallen muß, um so schwerer und ernsthafter fühlen, wie sie zugleich Eure Freunde fehwer trifft, welche die Schande Eurer Lage tief empfinden. Alles, was ich zu sagen habe, ist, Daß ich mir feinen schlimmeren Fall denken kann unter der Parlamentsarte, welche auf Euer Vergehen Anwendung hat. Deswegen, da ich mir feinen schlimmeren Fall unter der Akte vorstellen kann, kann ich nichts weiter thun, als Euch mit der darin für den sehlimmsten Fall festgefeßten Strafe heimzusuchen, welche Darin besteht, daß Ihr Seder für vierzehn Jahr transportirt­t werdet." Die Gefangenen gaben Zeichen des Erstaunens über das Urtheil von fi. Der Kläger, der Dr. Griffith, brach in Thränen aus. Paris, 29. Oktober. Wir seien im heutigen „Moniteur“ : „Die Aufnahme, welche der Kaiser und die Schaiferin dem Herzog und Der Here­zogin von Brabant widerfahren liefen, ist ein Beweis für die zenischen Ihren Majer­itäten und Shren £. Hoheiten gegenseitig ausgesprochenen Sympathien. Diese Sympathien sind der getreue Ausdruc der Gesinnungen­, von denen Die beiden Staaten beseelt sind. Trankreich und Belgien sind dur­ Abstammung, Sprache, Sitten und Interessen Schwesterstaaten. Die beiden Nationen begreifen dies eben­so sehr, wie ihre Souveräne. Die Einigung der beiden Länder konnte jedoch durch nichts Inniger gestaltet. Die gegenseitigen Beziehungen konnten durch nichts mehr erleichtert werden, als Durch Diese herzlichen Beziehungen zwischen den regierenden Familien,‘ Das lette Nundschreiben­ des Ministers des Innern, Das Die Departemental­­verwaltung zum höchsten Eifer anspornt, um die Leiden der Bevölkerung zu mil­­dern, hat seine Wirkung nicht verfehlt. Die Noth ist freilich in manchen Gegenden übergroß. Zu Chateaurour allein gibt es an 7000 Unterftüsungsbedürftige, was etwa Das Drittel der Bevölkerung ausmacht. Die Sabritanten suchen möglichst Den Lohn der Arbeiter zu steigern und an vielen Orten bilden sich Gesellschaften, welche Lebensmittel aus erster Hand auflaufen und sie den Arbeitern zum Fostenden Preise überlassen. Zu Lyon geschieht in dieser Beziehung Bedeutendes. Die Gemeinderäthe wetteifern an Bereitwilligkeit, nach Kräften die dürftigen Einwohner zu unters fttigen ; eben­so hat Rouen 150,000 grs., Elbeuf 80,000 grs., Amiens 300,000 drs., Abbeville 140,000 Fr3. für fole Ziwerfe vor Ort. Zu Hapre werden Sortifikations- und Hafenarbeiten ausgeführt, welche über 10.000 Arbeiter beschäftigen. In der Bretagne herrscht unter dem Landgotte wirk­­licher Mangel, so daß die Leute Haferbrod effen, was schon viele Strankheiten erzeugt. Die Regierung gibt sich alle Mühe, Der Bevölkerung jener Gegend gefundes Brod zu haften. — In einigen Departements Herrscht fortwährend­ große Aufregung. Aus der Normandie meldet man, Daß dort jede Nacht Banden, 50-60 Mann fillt, Das platte Land durchziehen und die Bauern zwingen, ihnen Lebensmittel zu verabfolgen. Wiener Börse vom 31. Oktober. Für Effekten zeigte fi eine günstigere Stimmung, ohne daß eine bedeutendere Koursänderung stattfand, Gelb war abondant. Nordbahnaktien bewegten sich in steigender Tendenz, Bankaktien 1000 bis 1005. Nationalansehen blieb mit 7815/,, begehrt. Grundentlastungsobliga­­tionen von anderen Kronländern waren gesucht, und wurden Höher bezahlt. Devi­­sen und Metalle, reichlich angeboten, wichen im Preise. Gold 19­5 Silber 15. Berlin, 31. Oktober. Die Börse gestaltete sie im Vergleich zur gestri­­gen Gedrücktheit heute etwas günstiger. Zondon, 31. Oktober. _Konfols auf 87 °%/,%, gewichen. Paris, 51. Oktober. _ Kourse rüstgängig ; 3%­, 64.105,41, %, 90. Berantiportlicher Redakteur: Marl Weisskircher, 2. 1: „.. Schnellpfeifenprud von Emil Müller, Servitenplag Nr. 4. — Verlag der Pe­ter Vopp-Gesellschaft.

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