Pester Lloyd - Abendblatt, November 1855 (Jahrgang 2, nr. 254-278)

1855-11-09 / nr. 260

kt Die ik einzelne 6 j Nummer ve Abendblatt des Pester Alap Freitag, 9. November. Kro. 260, Kuno ATNRAUN ZT, VA ER & mezét) TÁR elt, 1855. Der Unglücksfall des Erzherzogs Ferdinand Mar. Man schreibt uns aus Wien: Am 7. November gegen 9 Uhr Morgens war der Erzherzog Ferdinand Mar, Marine-Oberkommandant, in Triest in­­ Begleitung seines Adjutanten in einem leichten Wagen eine Anhöhe hinabgefahren, als plöglich ohne bekannte Ur­­sache ein Pferd federn wurde und der Wagen augenscheinlich Gefahr lief. Der Erz­­herzog sprang in diesem Fritischen Augenblicke­ aus dem Wagen, fiel aber leider so unglückich, daß er mit dem Hinterhaupte starf aufschlug. Die Herbeieilenden Leute trugen den bewußtlosen Prinzen in ein nahes Haus, wo sogleich und mit dem glüc­­lichsten Erfolge eine Blutentziehung angewendet wurde. Aber bis 11 Uhr Vormit­­tags war noch nicht alle Gefahr verschwunden und die einlaufenden Depeschen be­­wogen den seinen erlauchten Bruder zärtlich lebenden Monarchen, im Laufe des Nachmittags Die Neffe nach Triest anzutreten. In der Begleitung des Kaisers befanden sich außer dem ersten Generaladjutanten Grafen Grünn­e und dem Flü­­geladjutanten Grafen Königsed auch der Leibarzt des Kaisers Hofrath 9. Watt­­mann. Am­­ Vormittags traf Se. Majestät bereits in Triest ein, und traf den Zustand des Prinzen sehr beruhigend. Der Erzherzog hatte verhältnismäßig ruhig geschlafen. Die im ersten Aurgenbliche Besorgniß erregenden Symptome einer Gehirnerschütterung hatten bedeutend nachgelassen , und es waren feine Erscheinungen eines Gehirnbruckes vorhanden. Eine, am 8. Vormittags hier eingelangte Depesche aus Triest lautete wörtlich : „Symptome so, daß nichts zu be­­fürchten steht.” — Die T­eilnahme, welche dieser Unfall des ebenso Kiebens unwirdigen als geistreichen Prinzen in allen Schichten der Bevölkerung erregt, ist ebenso allge­­mein als wahrhaft empfunden. Seit dem Abende des 7., wo der Vorfall zuerst in den Theatern lauter besprochen wurde, gibt es keinen anderen Gesprächsstoff in Wien als Diesen. % West, 9. November. Um den Gerüchten zu entsprechen, müssen wir auch heute vor Friedensverhandlungen Erwähnung thun. So erfährt die , B. B. 3." bezüglich verselben aus Paris: „Siri Chimay, der Freund des belgischen Königs und dessen Herrünfischer Repräasentant bei Louis Napoleon im Gegensage zu Herrn Nogier, dem Repräsentanten der belgischen Regierung, gilt in der diplomatischen Welt von Paris so ausgemacht für den Friedensvermittler, daß man ihn seit längerer Zeit nicht anders als ’Evange­­liste bezeichnen hört, L’Evangeliste est parti, — l’Evangeliste est arrive, — das ist die typische Meldung, welche sich die jungen Sekretäre in aperiodischem Wechsel wöchentlich einige Male zurufen. Und in der That ist der Evangelist, wie ich Sie ser­­filtern kann, mit Erklärungen Louis Napoleon’s vertraulich ausgerüstet, vor menigen Tagen an den belgischen Hof gegangen, mit Erklärungen, welche die Situation als eine dem Frieden zuneigende charakterisiren,. Ob Fürst Chimay mit einer zweiten Mis­­sion ausgerüstet sei, ob es­ wahr sei, daß er ein Bermählungsprojekt negoziere mit dem präsumtisen Thronerben von Frankreich) und der Prinzessin Charlotte von Belgien laffe ic dahin gestellt, weil ich nur das Gerücht kenne, nicht aber die Thatsachen.” Wenn es wahr wäre, was französische halboffizielle Blätter berichten, daß: die Anwesenheit der beiden deutschen Ministerpräsidenten, von Beust und von der Pfordten, von einer Hinneigung der deutschen SKleinstaaten zur österreichischen und somit weitmächtlichen Politik Zeugniß abgelegt, dann liege sich allerdings ein günstiges Resultat der Frievdensunterhandlungen er­­warten. Ganz Mitteleuropa gegen sic­h müßte der Car Konzessionen machen. Leider mwiderspricht jedoch die „N. Pr. 3." aus „Sicherer und ver= läßlicher“ Duelle von Angaben über die politische Wandelung der deutschen Kleinstaaten. So erzählt sie vom fähflichen Premier: Mit einer Offenheit und einer Loyalität, wie sie­ eines deutschen Ministers wür­­dig, setze der edle Freiherr dem französischen Kaiser semwohl wie dessen auswärtigem Minister, dem Grafen Walewski, auseinander, daß die Politik der deutschen Mittel­­staaten weder eine zaffenfreundliche noch eine frankreichfeindliche, sondern eine deutsche Hoftzif­fet, daß ferner nur die feste Neberzeugung, die Neutralität sei allein im wahren Interesse Deutschlands, Sachsen und andere deutsche Staaten veranlasse, sich der preußischen Politik auf das Festeste anzuschließen. Berner machte der sächsische Mi­­nister den französischen Kaiser darauf aufmerksam, daß die Politik der preußischen Ne­gierung in vollkommener Harmonie mit den Ansichten des preußischen Volkes sei, denn bei den Yegten Wahlen habe auch nicht ein Oppositionsmitglied die auswärtige Politik der N­egierung in seinem Programme bekämpft; dieser Umstand aber kanne die deut­­schen Staaten nur bewegen, sich no­ fester an Preußen anzuschließen. Natürlich kann Niemand behaupten, daß es dem sächsischen Staatsmanne wirklich gelungen, den Kaiser der Franzosen zu überzeugen; jedenfalls konnte die royale Art, wie sich der Sretherr v. Beust gab, ihres Eindrucks nicht ganz verfehlen, und der Kaiser zeigte sich sehr mohl­­wollend und fast freundschaftlich. Auf das Bestimmteste aber können fir versichern, daß der Königlich sächsische Minister der Französischen Regierung auch nicht den kleinsten Grund zur Hoffnung auf eine Annäherung der deutschen Staaten an die westmächt­­liche Politik gegeben hat, und den Illusionen gegenüber, welche so häufig von den fran­­zösischen Agenten im Auslande auf Grund einzeln stehender und unwesentlicher Vor­­gänge oder Anzeichen erweckt werden, muß die offene und rare Sprache des Freiherrn 9. Beust von gutem Erfolg sein. Mit gleicher „‚Zuversicht‘ will die „„Kreuszeitung” von der baltischen Regierung wissen, daß sie ihre bisherige politische Haltung auch­ fernerhin bewahrt. Um so gewichtiger erscheint es, daß die Sendung Canrobert’s nach der schwerischen Hauptstadt des besten Erfolges sicher scheint. Trauen wir auch nicht ganz den fanguinischen Hoffnungen ver fehnerischen Militärs; so sind sie doch jedenfalls ein erfreuliches Zeichen Der daselbst herrschenden Stimmung. Die "D. A. 3." enthält nämlich, folgende Korrespondenz aus Stodholm, 51. Oktober: Glauben Sie mir, wenn ich Ihnen versichere, daß einige unserer Offiziere durch­ einen General, der dem König nahe stößt, bereits wissen wollen, daß sie im Fünfzigen Frühjahr im Verein mit den Franzosen geradewegs nach Petersburg marschiren werden. Tag und Nacht siegen nun unsere jungen Helden über den Karren, entwerfen und verwerfen Feldzugspläne, halten bald auf diesem, bald auf jenem Punkte die Nuffen in Schach, schlagen und verfolgen sie, und mit einem Male sehen sie sich in Petersburg. Es ist für jeden Fremden Höchst auffallend und charakteristisch zu sehen, wie sehr sich fett vor gestern, wo die erste telegraphische Nachricht einlief, daß General Canrobert , der frü­­here Oberfeldherr der Ha­mmarmee, welcher den Angriff gegen Rußland organisirt hat, nun hierher kommt, die Militärs , vom Gemeinen angefangen bis zum General hinauf, so,total ändern konnten ! Mit einem Mal sind die Gesichter kriegerischer, der Gang des Soldaten höher, stolzer und fester geworden. Aber nicht nur das Militär, auch das Zistl, und zwar vom gemeinsten Handiwerfer bis zum höchsten Beamten, mit Ausnahme ; q t­ei einiger alten Burenusiaten, sind ob Dieser eleftrischen Botschaft eleftrisirt, und die Matrosen jubeln. Weder einen Punkt sind unsere Strategifer bereits einig, nämlich die Festungen Kronstadt­­ oder Liwenborg Iints oder rechts legen zu lassen und nur geradewegs nach Petersburg zu marschiren. Die Flotten sollten an den verschiedenen Küstenstellen ope­­riren, die befestigten Punkte im Schachh halten, bald hier, bald dort mit einer Randung drohen, zur Kurzh­eit Sweaborg und Kronstadt bombardiren, und während dies Alles geschieht, sollen die Schweden, ein Theil über Tornea, ein anderer Theil im Wald Lehen und wieder ein anderer Theil mitten zwischen diesen Strichen über die bottnische Bucht übergefegt werden, in das russische Gebiet einfallen und selbstständig, wohlgemerkt, ihre Operationen beginnen. Die Franzosen aber sollten bei Mitau, Libau, Nepal oder an anderen Stellen in den Ostseeprovinzen landen und auch vordringend operiren. Wenn die Schweden über Torneo und die andern Punkte einbrechen und nur mit 50.000 Mann Kerntruppen Dies unternehmen, so ist bei der Stimmung, die in Finnland herrscht, es gar nicht unmöglich, daß ihr Heer stets sich vermehrt , fritt vermindert, eber Schritt vorwarte­t gewinnt ihre Mannschaft neuen Zuwachs und die Neffen mü­ssen ihnen­­ wenigstens eine Doppelt so große Macht entgegenstellen. Wenn die Franzosen eben­­falls 50.000 Mann Landtruppen senden, so muß Rußland, um sie gegen die Schweden, gegen die Flotte und gegen die französischen Landtruppen zu wehren, mehr als 200,000 Mann auf den Beinen haben, da ganz bestimmt, wenn die Flotte erst recht mit Feuer und Schwert zu operiren beginnt, sie allein auf 50,000 Mann zu fehagen ist. Die andern 50,000 Mann sind als Neserven zu betrachten, die Rußland haben muß; denn es ist mehr als wahrscheinlich, daß Rußland eben wegen Mangel an Kerntruppen mit dem zusammen«­gerafften „‚Reichswehrgesindel‘‘ in gleicher Zahl gar nichts unternehmen kann, und selbst diese 50.000 Mann sind gegen den Ruth unserer Soldaten. Die gewiß mit den Franzosen glei­­chen Schritt halten werden, gar nicht in Betracht zu ziehen. Wie man sic in noch vertrau­­tem­ Kreisen erzählt, sol der ganze Feldzugsplan Durch den hiesigen französischen Gesandten dem König vorgelegt worden sein und es sich nur noch um gewisse Punkte, ‚bis wieweit die Grenze des künftigen Schiweden nach Rußland zu reichen hätte, handeln, General Cam­pr­bert aber die Befugniß haben, den Allianzvertrag nach allen Richtungen abzuschließen. Daß Dänemark, obgleich es eigentlich wegen militärischer Hilfeleistung nicht in Betracht zu ziehen ist, doc mitgenommen wird und etwa 8—10.000 Mann zu stellen hätte, Dürfte darin seinen Grund haben, daß man danach fliebt, auch moralisch auf andere Staaten ein­­zumirten. Wir sind überzeugt, wenn das Dampfschiff „„Santhiod‘“, welches, mie uns die heute eingetroffene Depesche meldet, den General Canrobert von Lübec bringt, ankommt, so wird der ganze Hafendamm mit Tausenden von Menschen angefüllt sein. Während ív die Westmächte neue Verbündete­­ suchen, mehren sich Die Streitigkeiten der eigenen Vertreter an den verschiedenen Höfen. So schreibt man der „B. B. 3." an Paris: Man spricht heute von Differenzen zwischen dem englischen Gesandten und dem Vertreter Frankreichs in Madrid. Es ist ein Berhältnis, ähnlich wie das fattsam bek­­annte zwischen Stratford de Nebeliffe und Thouvenel in­ Konstantinopel. Lord Hoden will eine Schmälerung seines bisher üb­er­wiegenden Einflusses am spanischen Hofe nicht zulassen, und Herr von Turgot glaubt es sie und der Situation schuldig zu sein, wenn er Das Uebergewicht, das Frankreich in der Westall­anz einnimmt, für seine eigene Po­­sition ausbeutet. Man jagt Aehnliches von der unwertmächtlichen Diplomatie in Wien, und wir haben da das interessante Schauspiel, einer­ rührenden Freundschaft der Sou­­veräne Durch­ derem eigene Organe unwiderstreben zu sehen. Aus Wien erfahren wir, daß der „Kölnischen Zeitung“ in Oesterreich, der Postvebit entzogen worden ı ist. Die»Oesterreichische Korrespondenz«ist uns heute nicht zugekommen. Schwarzes Meer.An der Glubokajaspitze auf der Nord­­seite des Dnjeprlimans sind nur 6 Dampfer zurückgeblieben.4 an­­dere blokiren Odessa 7 weitere 36 kreuzen fortwährend zwischen den buli­garischen und pontischen Häfen. In einem Briefe aus Dodeffa wird zum Beweise, daß die Auffen an eine ernstliche Vertheinigung dieser Hafenstadt gar nicht gedacht haben, angeführt, daß eine ihrer vorzüglichsten Batterien nur mit einer einzigen Sanone à la Pairhans armirt war; alle andern Ge­­­ hnge waren nur von geringer Tragweite. Dieselbe Korrespondenz bestätigt aber zugleich, daß die Ruffen den Alliirten nur die Ruinen von Dpefja überlassen hätten. Nikolajeff wird in einem Umfreife von zwei Meilen befestigt: Schon stehen zwölf gemauerte Thürme fertig da; den Bug abwärts sind mehrere, durch zahlreiche Detachements gedeckte Brüdentöpfe angelegt. Noth, Theuerung und Stillstand aller Geschäfte sollen in der Stadt so um sich gegriffen haben, vas selbst sonst wohlhabende Leute jebt ihr Leben mit Schanzarbeiten fristen. B Vizeadmiral Metlin, der Nachfolger Berg’s, war bisher interimistischer Chef des Stabes der pontischen Flotte und Hä­fen. Da die Marineetablissements in Sebastopol nicht mehr ermiftiren, führt er nun den Titel „­Verwalter der Seeabtheilung in. und Kriegsgouverneur von Nikolajeff“ mit den Befugnissen eines Oberbefehlshabers des dor­­tigen Geschwaders. Der , Ruff. Sny.enthält aus Nikolajeff folgende weitere Depesche: 1­ 29. Oktober 9%, Uhr Abends : Die Schiffszahl der an der Kinburnlandzunge stehenden feindlichen Flotte hat noch mehr abgenommen ; heute sind nur noch 60 Wimpel geblieben. Die Schiffe, welche bei Otschakoff und etwas oberhalb standen haben sich an der Kinburn’schen Kiste konzentrirt, wo man fortfährt, sie zu beladen. Ein Linien­­­hf und zwei Transportschiffe sichteten , nachdem sie ihre Ladung eingenommen ,die Anker und gingen, an der Flotte vorbeipafftrend in See. Im Lager auf der Kinburn- Landzunge hat sich die Zahl der Zelte ebenfalls verringert. In der Mündung des Bug, gegenüber dem Borsprung Stanislaff, liegen zwei Dampfer und fünf Kanonenbote. Die Hauptflotte hat ihre Stellung nicht geändert. : 2) 30. Oktober 444 Uhr Abends: Sett gestern hat si die Zahl der feindlichen Schiffe bei der Kinburnlandzunge noch mehr vermindert; dieselbe besteht jet aus 53 MWimpeln. Die Beladung dieser Schiffe dauert fort, und in dem feindlichen Lager auf der Landzunge sind viel weniger Zelte zu bemerken. Aus diesen Anzeichen lat sich fehllegen, daß die V­erbü­ndeten in kurzer Frist von Hier abziehen werden, wenn auch nicht mit ihrer ganzen Streitmacht, so doch mit dem­ größten Theile derselben. Die beladenen Schiffe, so­wie die, welche die Flotte verlassen, nehmen den K­urs nach Westen, Der , Ruff. Ins.” enthält folgenden Auszug aus dem Kriegsjoure­nal Gortschafoffs vom 14. bis 20. Oktober : Das Feuer des Gegners b­at uns wenig Schaden, unter V­erlust vom 14. bis zum 20. Oktober bestand aus 2 getödteten Gemeinen, 14 vermutndeten und 8 durch Kontusionen verlegten Untermilitärs. — Auf unserer Linken Flanke ist der Feind, wahrscheinlich beunruhigt durch die Berstärkung unserer Truppen auf dem rechten Berbetufer , hinter das Defile zurückgegangen, wo er drei Divisionen Infanterie stehen hat; eine Division ist noch im Batvarthale; die übrigen Truppen sind hinter die Tschernaja zurückgegangen. Die Bewegung der feindlichen Fahrzeuge vor Eupatorim dauerte fort; am 15., 16. und 17. Oktober wurde dort Kavallerie und Infanterie ans Land gefest; die Zahl der ausge­­lösten Truppen war besonders beträchtlich am 18. Oktober. Am Abend Dieses Tages lagen 13 Linienschiffe, 8 Dampfer und 46 Transportschiffe auf der Nhede. Baron Wrangel berichtet, daß er, auf die Nachricht von der Ankunft von 10.000 Mann Fritcher Truppen in Kertsch eine Nesognoszerung vornahm. Bei ne | : ea ni

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