Pester Lloyd, November 1856 (Jahrgang 3, nr. 255-279)

1856-11-26 / nr. 275

Die Fusionisten in Spanien. Pest, 25. November. Die Freude Napoleon’s III. über den Staatsstreich des Grafen von Lucena ist nicht von langer Dauer gewesen. Ging ion mit dem Sturze D’Donnell s der größte Theil des Einflusses wieder verloren, den Brant­­reich jenseits der Pprenden durch die Vulitage errungen , so steht der Hai­fer jecht in Gefahr, sich auch den legten Rest desselben uwegfaßern zu sehen. Und zwar ist das, was Diesmal das französische Medergewicht in seinen Grundgeften zu erschüttern droht, nicht blos ein Minister­, auf nicht ein bloßer System­, sondern etwas, das einem Dyonastienwechsel so ähnlich sieht, wie ein Ei dem andern. Im Laufe weniger Wochen haben die schon öfter erwähnten F­usionsproje­kte sich aus dem­­ embryo­­nischen Zustande politischer Chimären und Bisionen zu präcisitten und De­taillrten Plänen erhoben, für deren praktische Verwirklichung so zahlreiche und so mächtige Hebel in Bewegung gereht werden, bag selbst die „De hate" Angst bekommen, , Isabella II, kenne in einem Augenblicke der Abge­­spanntheit unversehens der moralischen Gewalt, die man ihr von allen Getz­ten anthue, erliegen." Wenn sogar Herr de Sacy, d­ieser unverwüstliche Schönfärber alles heffen, mas­selt der Sulikrisis in Madrid geschehen, die der Erkenntniß nicht mehr zu verschliegen vermag, „daß Über dem Lande ein großes Unglüff, das ganze Leidwesen einer nochmaligen Minorea­­nität und Regentschaft, die Spanien lediglich um gemwiffer Parteikombi­­nationen willen oftepyirt werden sol, und über der Königin ein so grö­­ßeres schmebt", dann ist ein Zweifel daran wohl nicht mehr möglich. Daß es sich Hier um ernstere Dinge handelt, als um Sthrngespinnste einiger quiesch­ter Garlisten, die Unmuth und Unthätigkeit zu Phantasten gemacht. Die Fee die spanischen Legitimisten mit der gegenwärtigen Dynastie dur­cVerscmwägerung der beiden Zweige auszuführen, die sich sieben Jahre lang bekämpft, tauchte schon 1846, furg vor der Verheirathung Isabellen’s auf. Man hatte ihr damals den Grafen Montemolin, ältesten Sohn des Don Carlos, zum Gatten bestimmt , das Arrangement scheiterte aber an den Prätentionen des Grafen, der seiner Cousine nur dann die Hand reichen wollte, wenn sie ihn vorher als regierenden König anerkannt — eine Ber­dingung, die selbst der Absolutist Biluma vor Entrüstung zurückwies. Das­­selbe Hinderniß vereitelte im vergangenen Jahre die Verhandlungen, die, zu dem Briede eine D Verschelzung der beiden Familien herbeizuführen, in Madrid aufgenommen wurden, als Isabella eben ihre Gewissen durch die von ihr verlangte Sanktion des Desamortisationsgefäßes hart bedrängt fand. Stößt hat man den Plan auf's neue vorgesucht, insbesondere­­auf Andringen Rußlands, das in der Unterflügung der Fusionisten ein treffliches Mittel erblickt, im Westen Europa’s aufs neue festen Fuß zu fassen , zu­­gleich aber hat man der Combination eine Gestalt gegeben, die es thunlic macht, die bisher vergeblich nachgesuchte Beistimmung des auf seinem vollen Erbrechte beharrenden Montemolin zu umgehen. Da­ das Protest in seiner veränderten Form nicht blos die Ruhe des Landes, sondern auch die Krone LIsabellen’s gefährdet , ist natürlich nieder für die Garlisten, noch für die Petersburger Staatsmänner ein Stein des Anstoßes. Die russische Diplo­­matie verleugnet sich auch hier F­einen Moment. „Sie hat — so fejreibt man einem o­fficiösen Madrider Blatte — die Frage über die Aus­führung der königlichen Familie als eine rein Häusliche Angele­­genheit aufs Tapet gebracht" : wieder müssen Sentimentalität und wűs­terlige Fürsorge der haute-politique als unwillige, aber durchsichtige Maske dienen ! Auf Rußlands Antrieb nun Hat die Pariser Carlistenjunta, im Ein­­verständnisse mit ihren Parteigenossen in Neapel und London, den Infane­ten Don Juan, den Bruder Montemolin’s, bewogen, sich zur Unerken­­nung Isabellen’s bereit zu erklären, von der man ab­ dann erkvartet, sie werde bei den Cortes die Aufhebung der gegen Don Carlos’ Nachkommen­­haft erlassenen Verbannungsgefrete beantragen. Zu diesen Nachrichten nimmt die Behauptung eines sehr wohl unterrichteten spanischen Journales fortrefflich, „es sei binnen Kurzem eine Amnestie ohne jedbwede Ausnahme zu erwarten, Die mit den jüngsten Bestre­­bungen der russischen Diplomatie in engem Zu­sammenhange fände." Damit nun hätte man das zukünftige Haupt der Carlisten gewonnen , denn Montemolin’s sechsjährige Ehe ist kinderlos geblieben — und der scheinbare Zwed der ganzen Opera­tion, die Beriehmelzung beider Zweige, wäre erreicht, sobald die Verlobung des neunjährigen Infanten Carl, ältesten Sohnes Don Huan, mit der fünf­­jährigen Erbin und Tochter Isabellens, der Prinzessin von Asturien, statt­­gefunden. Einmal erst fest im Sattel, wird es al­dann den Earlisten ein Reichtoil sein, die Königin von der Nothunwendigkeit einer Abdanzung zu Gun­sten ihrer Tochter zu Überzeugen. Der dreilöpige Regentschafte­­rath für diese Eventualität ist schon fertig: Don Juan und Don Fran­­cisco de Affis, der Gemahl Ysabellen’s, würden in ihm figen und ein volles Decennium hindurch freie Hand haben, Spanien im Sinne Rußland’s, des Aveld und des Klerus umzumo­deln. Der Plan ist flat ersonnen , und es ist wenigstens möglich, Daß Rußland und die Carlisten die Rechnung nicht ohne den Wirth gemacht — wenn die Westmächte es so in aller Seitenruhe mit ansehen sollten, wie der mostomwitische Einfluß am Manzanares auf den Thron erhoben wird. Die völkerrechtliche Handhabe zur Einmischung fehlt ihnen keineswegs. Sie liegt in der Duapropelalliianz, welche am 18. August 1834 zu London zwischen Trankreich, England, Spanien und Portugal zur Vertreibung des Don Carlos und Dom Miguel abgeschlossen ward, und melde die beiden Seemächte, unter deren aktiver Cooperation somit die Sertallirung des Konstitutionalismus auf der pyrenäischen Halb­­insel erfolgte, gewiß auch noch heute berechtigt, sich als Garanten desselben zu betrachten. Die jede Artikel dieser Duadrupelallianz verpflichteten nun aber Spanien und Portugal, sich in Vertreibung der beiden Prätendenten gegenseitig beizustehen, zu welchem Behufe Großbritannien ihnen sofort ein Hilfsgeschwader zur Verfügung stellte, während Louis Philippe seine Mit­­wirkung für den Fall zusagte, daß sie nothwendig werden sollte. Gleich­­zeitig war d­­urch gemeinsame­­ Verabredung aller vier Staaten die Route festgelest, die den beiden Infanten „anzuweisen“ sei, sobald sie die Halbin­­sel geräumt haben würden. Man sollte also meinen, die Westmächte und selbst Portugal hätten ein Wort mit darein zu reden, wenn eine seine von Rußland unterstüßte Staltion fest Eine der der gemeinsamen Beschluß verbannten Familien in Spanien einseitig restauriren will. Ein Exil, das auf internationaler Grundlage ruht, Hat aufgehört eine innere Angelegenheit zu sein und kann durch ein Botum der Cortes allein nicht widerrufen werden: so wenig wie die jubelnde Aufnahme, die Napoleon 1. bei seiner Rückkehr von Elba in Frankreich fand, den Wiener Congreß in der Aufrechthaltung des gegen ihn erlassenen Rechtungedekrets beirrte. Daß aber der Westen, von seinem Nechte eintretenden Falles auf Gebrauch machen wird, das zu erwar­­ten, dazu haben wir um so gegründetere Hoffnung, als Napoleon sich doch mittlerweile bereits überzeugt haben muß, wie die Niederlage, Die er durch den Sturz Eepartero’s England zugefügt, nicht Stanfreich sondern auss­chließlich Rußland zu Gute gekommen is. Das Taltum , daß gleich der erste Ri,­den mißverstandene Rivalität in ein durch gemeinsame Anstren­­gung der Seemächte gegründetes Werk gemacht, zum Schaden Beider und nur zu des Grafen Bartheis ausschlug, enthält in der That eine Lehre, deren Beherzigung den Machthabern in den Tuilerien nicht warm genug empfohlen werden kann ! | Die Marmaros. 7. Wien, 23. November. Die „Wiener Zeitung“ brachte zuerst die amtliche Mittheilung, daß Se, E, Tf. Majestät beschlossen habe, dag statt der bisherigen Kameraladministration zu Sigeth in der Marmaros eine dem Finanzministerium unmittelbar unterste­hende Berg-, Salinen-, Fort- und Güterdi­rektion errichtet werde. Diese Mairegel ist für einen großen, reichen Theil Ungarns von der größten Wichtigkeit. Die neue, das ganze Berg-, Salinen- und Forstwesen und die gesammten Domänenangelegenheiten in der Marmaros umfassende Direktion ist mit der Oberleitung aller in diese Gebiete einschlagenden Angelegenheiten in jenem Mindestheil betraut und es ist dadurch ihr Wirkungstreis hinlänglich bezeichnet. Die früher bestandene Kameraladministration war der b. f. ft. Finanzlandesdirektion zu Kaskau untergeben, und alle Geschäftsangelegenheiten, als Berichte, Vorschläge zu B Verbesserungen oder anderen Mafregeln u. f. h­. mußten, insoferne sie den selb­ständigen Wirkungskreis der Kameraladministration überschritten, vor die genannte Mittelbehörde gebracht werden, melde sie hinwieder, wenn sie nicht in die selbstständige Sphäre dieser Behörde zählte, dem hohen Finanzmini­­sterium unterbreiten mußte. Die Leitung war daher eine mehr getheilte. Der der Kameraladministration in Szigeth vorstehende k. f. Beamte war nicht mit jener Machtvelkommenheit ausgerüstet, weldhe eine eingreifende Wirksamkeit möglich hat, es mußten erst Berichte an die Finanzlandesdi­­rek­ton und von dieser an das hohe Ministerium erstattet werden,­­wodurch der Geschäftsgang schleppend und die Uebersicht des Nothwendigen erschwert wurde. Dieses Alles wird nun anders werden. Die neue Direktion steht­­ unmittelbar unter dem hohen Finanzministerium und der Verkehr mit dem­­selben ist ein unmittelbarer, der zukünftige Direktor hat demgemäß auch einen viel größeren, umfassenderen Wirkungskreis und Diese zentrale Leitung wird, überall wo sie besteht, durch übersichtliche, umfassende Maßregeln vie­züglichsten Resultate hervorbringen. Landestheile, deren mirthlschaftlichen Zuständen, so weit sie sich in Arab­ischen Betriebs- und Withfcaffeetablise­­ments und Gütern konzentriren, von Seite der hohen Regierung eine beson­­dere Aufmerksamkeit geschenzt wurde, haben bereits seit Langem solche Di­­rektionen, wie zu Schemnich in Ungarn, zu Salzburg für Oberösterreich und Salzburg, zu Grab für Steiermark, Kärnthen und Kain, zu Hal für Zyros u. s. m. Dadurch, Das nun auf für die Marmaros eine Berge, Salinen-, Forst- und Güterdirektion Treb­ti,wurde, gibt­­ Th bie Abt Derc­hohen Staatsverwaltung fund, aus diesem reihdo­­tirten, aber bisher z­iemlich vernachlässigten Zandestheile besondere Aufmerksamkeit zuzu­nennen, seine Kulturserh dal­niife zu geben, und denselben eine solche Entwickklung zu ge­ben, Daß die reichen Naturschäde erzähloffen und die größtmöglichste Verbreitung gewon­­nen werde. Der Reichr­um des Landes rechtfertigt auch die besondere Sorgfalt, welche die Regierung ihm angedeihen läßt. Denn es beficht neben den reichlichen Salzlagern, deren Ausbeutung in vier Gruben zu Nhonafter, Sughatagh, Slatina und Königsthal betrieben wird, au­ßerordentlich ums­fangreiche und reichhaltige Eisensteinlager, deren Bearbeitung rehr in einem mit dem Reichthum derselben in Feinem Verhältnis slehenden Umfang bet­­rieben wird, und melde auch größtentheils erst in jüngster Zeit genauer durchforiert und untersucht worden sind. Cs h besteht big jeßt ein ein­­ziges Eisenwerf in der Marmarod zu Kabologojana, welches jedoch bed­eutend vergrößert und Überhaupt der Eisengewinnung und Bearbeitung eine größere Entwickklung und Ausdehnung gegeben werden wird. Das dürfte eine der ersten Aufgaben der neu Frrek­ten Direk­­tion sein. Ueberhaupt kommt zu bemerken, daß in diesem Jahre von Seite der hohen Staatsverwaltung fon sehr viel für die Marmaros geschehen ist. Zu Anfang des Jahres hat­te. Majestät die Erbauung einer Eisen­­bahn auf Staatsfosten genehmigt, welche den Komitatshauptort Szigeth mit der Theig u. der betreffenden Dampfschifffahrt in­­ Verbindung seßen, ande­­rerseits Szigeth aus den unbenannten Salzgruben verbinden wird. Dann wurde ein höherer f. Tf. Ministerialbeamter einzig und allein zu dem Zwede in die Marmaros gesendet, um die Verhältnisse des Landes aus eige­­ner Anschauung kennen zu lernen und hiernac­h sein Gutachten über die vorzunehmenden Reformen und zur Entwickklung der Produktion zu ergreifenden Mairegeln zu erstatten. 9erbt endlich erfolgt eine neue Organisirung der leitenden Behörde, welche wohl zum Theil als ein Resul­­tat der gebachten Spezialmission anzusehen is. Die angeführten Momente zeigen deutlich, mit welcher Konsequenz die hohe Staatsverwaltung zu Werke geht und sie sehr ihr an dem Aufschwunge der Marmaros ge­­legen is. Die Erwerbung Neuscehatel’8 durch Preußen. $. Die Septemberereignisse und der noch abschmebende, durch jene Erhebung auf’3 neue aus feinem Schlummer erwedte, diplomatische Conflikt über die Stellung Neufchatel’ 8 zur Schweizer Bundesgenossen­­schaft einer», zum Hause Hohenzollern andrerseits , haben Allem was mit dem Heimfalle jenes Fürftenthumes an Preußen — und fel es and nur reinht­ftoich — zusammenhängt, ein erhöhtes Interesse verliehen. Mit Dant wird das Publik­um daher unzweifelhaft eine Reihe von Depes­chen preußischen Ursprunges begrüßen, welche der Pariser „Zimes“-Korre­­spondent, angeblich aus den Schweizer Staatsarchiven, veröffentlicht und die sämmtlich die, zehn bis zwölf Jahre vor Abfassung der nachfolgenden Noten vollzogene Personalunion de Schweizer Cantone“ mit Preußen betreffen. Wenn aus den Verträgen von 1815 gegenüber, selbstverständlich ohne prafltische Tragweite, sind diese Artenfuüde doch immer eine, im gegenwärtigen Augenblice doppelt friäßenswert­e geschichtliche Kuriosität. Im Jahre 1707 fard bekanntlich die direkte Linie der Neuenburger Souveraine mit der Herzogin von Nemours aus. Es melde­­ten ss mehrere Erben von französischer, deutscher und anderer Seite, unter ihnen auf Friedrich I. von Preußen, und der Spruch der Neuenburger Das Gastspiel der Nistori. (Medea—Pia de Tolomei­—Il pusillanime.) 2 Sonnabend trat Frau Ristori als Meden und Montag ale Pia de Tolomei vor das hiesige Publikum, welches das Gastspiel der ge­­nialen Tragddin mit einem an Bewunderung ftreifenden Interesse verfolgt. Der äußere Erfolg in diesen beiden Stüden übertraf wo­möglich noch den­­jenigen, welchen der gefeierte Gast in der Maria Stuart davongetragen, und sichtlich hatte der Enthusiasmus in der Pia seinen Höhepunkt erreicht, wo der Künstlerin nach einer Szene ein acht­maliger Hervorruf zu Theil ward. Wir sind jedoch der Ansicht, dass eine große Kraft sich aug an großen Werken messen möge, und halten so immer den Lorbeer für den serbientesten, welcher die unvergleichliche Leistung der Ristori­ale Maria Stuart belohnte; denn die Meden ist, abgesehen von einiger Gefei­theit in der Mode, ein werthloses Drama, und die Pin ist ein fast- und farbloses Gemälde im Vergleiche mit den tiefen Barben und der großen Kraft des Anspruchs, Die uns in der Hebbel’schen Magellana entgegentreten. Nichtsdestoweniger boten uns beide Grtnde weichlich Gelegenheit, das vielseitige Darstellungstalent der Ristori und Die grandiosen Vorzüge dieser Hochbegabten Fran zu bewundern. Welch’ eine Kluft des Abstandes liegt zwischen den Charakteren der Stuart und der Meden. Im ersteren gipfelt das Gefühl rittlicher Verführung, welches den Medanten der Radıt für die erlittene Kränkung nicht aufkommen läßt und aus legterer starrt uns eine barbarische Natur entgegen, die Fein anderes Geseh rennt, als Das, welches die Leidenschaft und Die augenblick­e Erregung diktiren. Die Unnatur und die Verirrungen der Meden sind nur unter den primitivsten gesellschaftlichen Verhältnissen denkbar, die lebende Wirklichkeit bietet mithin dem Darsteller keinen Halt und sein Vorbild, die Phantasie muß hier ihre schöpferische Kraft bewähren, und glücklich, wenn dort, wo sie zu überfluthen droht, angeborener Schönheitssinn vorhanden it, um ihr die Grenzen an­­zumelsen. Dies war bei der Nistori in hohem Grade der Fall. Von den verwegensten Intentionen geleitet, gelangte sie im Laufe ihrer Darstellung mehr als ein Mal an die Grenze des Schönen, ohne dieses gefährliche Niveau zu überschreiten. Wo man sich unbefriedigt fühlte, war es an dem Stace und nicht an der Darstellerin gelegen. Von einer mensälicheren Empfindungsweise eingegeben, und deshalb anderem Verständnisse näher gerüdt ist die Pin de Tolomet. Dieser Cha­­ulter verlangt auch meh­rere Linien in der Zeichnung und ein sentimenta­­leres Colorit. Es kann hier eine edle Weiblichkeit zum Durchbruch ges langen, während die Meden sich nur in wilden Ausbrüchen einer zügellos­­en Liebe und eines zügellosen Hafses bewegt. Wenn wir uns demnach von der Darstellung der Pia für noch befriedigter erklären, als von der Meden ber Ristori, so glauben wir der Natur ihres Talentes unsere Aner­­kennung ausgebracht zu haben. Das schöne Gemälde ver Pia, dieses spie­­gelblaufe Schild edler Weihligkeit hatte nur einen Gloden, wir meinen die­­­­­­ rüesichtslose unerbittlich strenge Kopie der Natur in der Sterbeszene des fünften Aktes. Es ist dies ein Fel, auf welcm sie Rachel große Trium­­phe gefeiert, aber nichtsdestoweniger hat eine wohlmeinende Kritik ihr Veto gegen ein solches Votgehen in der K­unst eingelegt. Abgesehen von diesem nun einmal ausgesprocenen Bedenken, waren Die Auferen Zeichen des Ster­­bens mit hoher Meisterschaft wiedergegeben, und ein neben ung­eigender Arzt konnte für die frappante Nachahmung und den naturgetreuen Aus­bruch der einzelnen Symptome des Todes nicht genug Worte der Bewunsc­herung finden. In beiden Rollen, in der Pin sowie in der Medien, brachte die Riftori­sfieber eine solche Bulle plastisch seltöner Stellungen und Bewegungen zur Anschauung, wie sie ein Bildner in einem langen Menschenalter nicht zu formen vermöchte. Welch’ einen reizenden Anblick gewährt ihr erstes Auf­­treten in der Medea. Warnenden Zrittes fommt sie den Hügel herab, das Heinere Kind am Arme, das größere an der Hand führend, die Spuren langer Entbehrung am Gesichte, auf dem eine Taste ernste Schönheit thront. Ein Bild imposanter Entrüstung und zürnender Frauenwürde gestaltet sich vor und in dem Sprung zum Senfter im dritten Akte der Pin. Der Ober­­leib ist über die Brüstung des Bensters hinausgebeugt, bereit den Sturz in die Tiefe zu wagen. Ein für die Darstellungsmeise der Nistori charakteristifes Merkmal sind die scharf und deutlich markirten Medergänge, die wir in den big fest gesehenen drei Vorstellngen wahrgenommen zu haben glauben. Das Ant­­lit, das kaum vor einem Augenblick die Symptome der geistigen Gedrückt­­heit an fi trug, leuchtet mit einem Male im Triumphe auf, eben­so rasch geht sie vom Schmerz zur Freude über, kleivet sich die rechr noch flehende Gebehrde in den Ausdruch des Erbietens,. So steht sie da im fünften Alte der Maria Stuart, umringt von ihren Inienden Frauen gleich einer Statue der Trauer, doch als sie so diese Zeichen treuer Anhänglichkeit wahrnimmt, überfliegt bei den Worten : „Ich bin viel gehaßt worden, aber all viel geliebt”, ein Strahl freudiger Verklärtheit das Antlis, in dem vor Kurzem noch die tiefen Züge des Schmerzes eingegraben waren. Säl­erlich wollen wir noch des Heinen Zuftspieles „Il Pusillanime" (der Kleinmüthige) erwähnen, welches wir gestern als eine kleine Zugabe zur Pin de Zolomei erhielten. Es geschieht Dies wegen der durchaus braven Aufführung. Sämmtliche darin Beschäftigten spielten mit Stimmung und Natürlichkeit. Here Bellotti, der Direktor der Truppe, erwies sich in der anspruchslosen Bluette als vortrefflicher Echaxspieler , so wie Herr Tersero und Frau Feliziani auch mit Nachsicht auf ihre früheren­ Leistungen weit über der Mittelmäßigkeit stehen. Erl, Rapazzi und Herr Buti waren gleich­­falls sehr verdienstlich * Den Ursprung der Zeitungs-Enten erzählt Bentelet in dem „Annuaire de l’Academie” folgendermaßen: Um den lächerlichen Neuigkeiten,­­ zu verfegen, berichtete der Schriftsteller Herbert Cornelissen ein Mal, daß ein inter­­essantes Experiment gemacht worden sei, um die Gefräßigkeit der Enten zu beweisen. Zwanzig dieser Thiere wurden zusammen an einen Ort gebracht und nachdem eins von ihnen getödtet und mit Federn und Allem in so seine Etüde geschnitten und den Übrigen Neunzehn vorgeworfen worden, wäre es in sehr kurzer Zeit gierig von denselben verschlungen worden. Dann hätte man ein anderes von den Neunzehn genommen, ebenso zerhbacht und den übrigen Achtzehn vorgeworfen, die es wie das Andere sogleich verzehrt haben. So hieß es, wäre es fortgegangen, bis das Legte auf diese Weise in die Lage verlegt gercssen sei, seine neunzehn Gefährten in erstaun­­lich kurzer Zeit aufgetreffen zu haben. Alles dieses errang, hübfe­ erzählt, einen Erfolg, den der Schreiber weit entfernt war, zu vermuthen, denn ‚die Geschichte machte die Runde durch alle Zeitungen Europas. Dann wurde sie während einer Reise von Jahren fast vergessen, bis sie mit einer VBllständigkeit, die sie Anfangs nicht besaß und mit einem wissenschaftlichen Zertifikat der Untersuchung des üiber­­lebenden Thieres, dessen Speiseröhren man bedeutend verlegt gefunden haben wollte, aus Amerika zurückkehrte. Jeder Eingeweihte lachte darüber, daß die Geschichte der Ente wieder aufgefrifgt wurde, aber nur damit erlangte das Wort die Bedeutung für die Pfeife, die es noch heute besigt und mit dem bewußten „ZTartar vor Seba­­stopol‘ theilt. "Sophie Brupvelli, jegige Baronin Bigier, kann das S Privatleben nicht länger aushalten, sie hat den Entschluß gefaßt, sich ihren vielen­­ Verehrern nicht länger zu entziehen und in diesem Winter in ven aristokratischen Salons von Paris nicht nur als Baronin, sondern auch als Sängerin aufzutreten.­­ Der ehemalige Diktator von Toscana, Oberazzi, lebt gegenwärtig zu Sasona in Piemont und ist mit Durchfigt der Korrekturbogen seiner Denkwürdig­­keiten bespäftigt, welche er mit bitterer Verspottung seiner politischen Laufbahn „Memorie di un Asino’” (Dentwürdigkeiten eines Ejı18) betitelt hat. « Das Hotel des Fräul. Rachel in Paris — heißt es ín einer I. €. — W­elches die Künstlerin verkaufen läßt, siegt in der Rue Trüvdon. Von Außen hat es durchaus nichts in die Auge Fallendes. Die Fagade ist einfach elegant. Rechts in der Einfahrt, welche in einen Hof führt, der umgeben ist von Mauern, die ganz mit Epheu bekleidet sind, befindet sich die Treppe, eins der Wunder des Hotels. Das Funstrale eiserne Geländer W windet sich von Bogen zu Bogen, von Säulen zu Säulen hinan, bis zu einer mit farbigen Gläsern be­decten Kuppel . Statuetten gothischer Krieger schmüden die Nischen und vervollständigen den strengen Anblick dieses mysterischen Eintritts. Die erste Etage eröffnet ein Vorzimmer von hellem Eichenholze, mit Orlin und Gold verziert; zwei Gemälde, Tragödie und Ko­­möodie, hängen an den Wänden. Links führt eine Thüre in den Speisesaal. Fast mannshof sind in diesem antiken Saale die Wände mit schwerem Eichenholz beflei­­det, oberhalb flieht man Gemälde nach pompeianisschen Fresken, wertbvolle etruskische Basen zieren den Kamin. Rechts gelangt man in den Heinen Salon, der mit Pers’ tapezirt und mit Tausenden von ausgezeichneten und frivolen Kleinigkeiten, mit Kunstwerken aller Formen und Zeiten angefüh­­rt. Eine Tapetent­i­re führt in die Bibliothek, deren strenger Charakter mit der lachenden Gaprice des anstoßenden Sa­­lons mächtig Kontrast ist. 5000 Bände, von denen nicht Einer einen frivolen Titel zeigt, füllen die prächtigen Schränke von gefhnigtem Eichenholz. Ein venetianischer Spiegel, eine Trophäe orientalischer Waffen, mit dem Dolche Rorane’s, sind der einzige Schmuc. Der zweite Stod beginnt mit einem reichen Barzimmer. Links ist der große Salon. Ein Salon im Style Ludwigs XIV., weiß und Gold, haben Plafond, Spiegel, Skulpturen, Möbel von vergoldetem Helge mit Roth, Gemälde von Karl Müller, reizende S Kindergruppen. Rechts führt eine Heine schmale Thüre in ein inesisches Boudoir. Man ist plöslich von Bersailles nach Peking verlegt. Vom Boudoir gelangt man in das Echlafgemahle , welches dem Salon an­gurus nicht nachsieht. Aber Frl. Rachel liebte dieses Paradezimmer nicht. Ein Heines mit Perl ausgeschlagenes, einfaches Kämmerchen war ihr Lieblingsaufenthalt. Kot­zem Welche die Zeitungen jeden Morgen zu veröffentlichen pflegten, einen seichten Sieb­­en

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