Pester Lloyd - Abendblatt, Juli 1858 (Jahrgang 5, nr. 147-173)

1858-07-01 / nr. 147

— N EN Peft, 1858. Abendblatt des Pefter Lloyd. Donnerftag, 1. Juli. Nr. 117. Politifhde Rundfhau, 1. Zul. An der Tie ner­ Börse mar gestern Das Gerücht verbreitet, Der deutsche Bund werde mit aller Energie gegen D­anemark einschreiten, als Ergänzung sie zu füh­­ren wir an, Daß man uns heute aus beilunterrichteter Duelle schreibt : „In Der, Dänisch-Deutschen Brage sind Oesterreich und Preußen d’accord, das ist positiv." — Gleich ernst gestaltet sich’s mit den Pariser Kon­ferenzen, denn wie ein glaubwürdiges Gerücht wissen will, sollen Dieselben neuerdings vertagt worden sein, Beweis genug, daß eine Verständigung kaum zu erwarten. — Sin der gestrigen Unterhausfisung interpet­­ierte Duff, ob die englische Regierung unwisse oder glaube, Daß Oesterreich mündlich oder schriftlich fi verpflichtet habe, der Pforte bei etwaigen Aufständen in der europäischen Türkei beizustehen. Sidgerald protestirte gegen Derartige vage Interpellationen und erwiderte, er habe seine offizielle Information Darüber und seine L­uft, seine Diesfältigen Privatansichten mitzu­­theilen. — Wie ernst die Situation im Ganzen, erficht man auc insbesondere aus einer Pariser Korre­­spondenz der „Deutsch. Allg. 3tg." welche sich über die Stimmung des Kaisers folgendermaßen ausspricht : Der Kaiser hat die Absicht, Krieg zu führen, ob er sich aber waghalsig in denselben stürzen wird, ohne um sich zu schauen, ob er va banque spielen wird, bevor die­­ Verluste so groß geworden sind, daß es kein anderes Mittel mehr gibt zu erregen,, das iut jedenfalls eine Trage. Man erzählt sich in den eingemweihtesten­ Kreisen von zwei Aeußerungen, die der Kai­­ser gethan baben soll und die einen Kommentar der Ereignisse liefern. Nach dem Sturze Lord Palmerston’s und der von ihm eingebrachten Flüchtlingsbill sol der Kaiser zu einem seiner Verwandten das Wort gesagt haben : „Il ne reste que la guerre avec V Angleterre" ; und als von der Konferenz, welche in Paris ihre Stuungen hält, die Rede war, sagte der Kaiser zu demselben Verwandten : „Je ny attache aucune importance." Auch die liberalere oder wenigstens mildere Form, merde der kaiserlichen Regierung gegeben, so wie die Ernennung des Prinzen Napoleon zum Minister der Kolonien, werden in der diplomatischen Welt als kriegerische Symptome angesehen. Die Ernennung des Prinzen M­­ar­poleon zum Minister der Kolonien gibt dem Pariser Korrespondenten der "N. Pr. 3." zu folgenden interes­­santen Bemerkungen Anlaß : Vermuthlich wird man sich im Auslande etwas wundern, daß der nächste Vetter des Kaisers zum Minister ernannt worden is. Man hat in Deutschland wohl nicht viele Fälle, daß ein Prinz der regierenden Familie förmlich die Verwaltung eines Departements der Regierung übernommen hätte; in Stanfred­o ist das indessen so selten nicht. Unter Ludwig XV. war der Herzog von Orleans, nachdem er nicht mehr Re­gent war, längere Zeit Premierminister und nachher bekleidete auch der Herzog von Bourbon (vorzugsweise " Monsieur le Duc" genannt) diese Stelle. Sie waren nun beide zwar nicht gerade Prinzen der Herrscherfamilie, aber dec Prinzen vom Königlichen Geblüt (du sang) und Prinz Napoleon steht doch eigentlich zu seinem regierenden Retter in seinem andern Verwandtschafts­­grade, als die Orleans und die Condé zu dem küniglichen Hause Bourbon fiehen und fanden. Man wundert sich also Hier nicht sowohl, daß Prinz Napoleon überhaupt Minister geworden ist, als daß er die Verwaltung von Algier gerade unter diesem vergleichs­weise doch bescheidenen Titel angenommen hats jeden­­falls haben gemichtige Gründe mitgewirkt, biese so eigenthümlic­ efteilte und, das müssen die Feinde und Gegner selbst zu geben, n den meisten Beziehungen selbstständige und unabhängige Per­­sönlichkeit zu bewegen, in die Verwaltung einzutreten. So wird denn also in dem alten S Palast, den der Kar­­dinal Richelieu für fi und Frankreich baute, im Palais Royal, das Bureau des­ Ministeriums für Algier aufgeschla­­gen werden. Das Palais Royal scheint in einer eigenthimlic­hen Beziehung zu Algier zu stehen ; auf einem Felle, das Her­ 309 Louis Philippe von Orleans seinem Könige und Herrn gab, erhielt Karl X. die erste Depesche von seiner algierischen Flotte, auf der sein flegreicher­e Marschall Graf Bourmont zur Erobe­­rung von Algier schwamm, und kurze Zeit nach den Stichtagen sah man auf den Galerieen des Palais Royal einen Mann spazieren, der mit dem ersten Bild eines Mittelmannes alle Ver­­derbtheit und allen Rurus von Paris, die sich im Palais Royal die Hand reichten, betrachtete und gewiß im Stillen m wenig­­stens oftmals wiederholte:: Allah U Allah! Allah akhbar ! (Gott ist Gott und Gott ist groß!) Dieser Mann war der gefangene Dey von Algier , der „allerchristlichste König“ aber, der seiner seeräuberischen Hoheit ein Ende zu machen befohlen, der war inzwischen von Thron und Reich vertrieben, und der Marschall, der, seines Königs Befehle ausführend, Algier er­­obert hatte, der war seinem vertriebenen Herrn ins Erd­ gefolgt. Go fand der entthronte und gefangene Muttelmann, als er ans fam zu Paris, nicht seine Sieger mehr, nicht die Männer, die seiner Herrschaft den Untergang bereitet hatten, sondern er war ein geehrter Gast in dem Erbhause der Orleans. Aus diesem Erbhause, dem Palais Royal, zogen auch die vier jungen Prinzen aus, die nacheinander sich ihre Nittersporen in Algier verdienten, die Erstürmer der Smalah Abd­ el Kaders, und als der große mohamedanische Häuptling endlich nach einem fünfzehnjährigen Kampfe erlag und dem Herzog von Aumale sein festes Pferd ü­bergeben, zum Zeichen, daß er sich besiegt erkläre, da wiederholte sich in etwas anderer Form die ernste Szene von 18305 der Feind Abd-el-Kader erfichten im Palais Royal als geehrter Gast der Bonaparten, der Herz­­seher, gegen den er 15 Jahre den Kampf gekämpft, der war im Ort gestorben 5 seine ritterlichen Söhne, die ihre Schwadronen gegen die Wolken seiner gespenstlichen Retter geführt, sie waren vertrieben und­ mußten ihre Jugendkraft im Erd­ versümmern lassen. Und wie 1830 Hussein Pascha, sprach nun Abd-el-Ka­­der: Allah II Allan ! Das neue Kaiserttum macht einen seiner Prinzen, den Einzigen, über den es verfü­gen kann,­­denn zarte Kindheit und hohes Greifenalter halten die beiden Anderen fern) zum Mini­­ster für Mitter, und in dem Palais Royal, wo Karl X. die erste Nachricht von der Flotte empfing, wo Husein Pascha und Abd-el-Kader als Besiegte und Gefangene erschienen, aber ihre Sieger nicht mehr fanden, ist der Stp. der Algierischen Ver­­mwaltung ! Nach dem „Moniteur" hat Freiherr v. Hübner am 28. 9. M. dem Naifer den Herzog von Melzi vorge­­stellt, welcher ein Schreiben Sr. F. Hoheit des Herrn Erzherzog Ferdinand Mar übergeben hat. Aus Mostar wird der „Tem. 3." unterm 20. 9. M. geschrieben : Ktani Yafdarim Kemal Efenbolt sind am 16. b. nach Stolacz abgereist, um daselbst mit dem jüngst an­­gelangten Ferif Hak­im Pafd­a zusammenzutreffen und ih mit ihm über die unter den gegenwärtigen Umständen zu treffenden Mafregeln zu berathen. Am selben Tage ist auch die Approvisiontrungskommission mit der­ Kriegswaffe eben da­­hin abgegangen ; sie sol­gestern lin Trebinje angelangt sein, woselbst auch Aziz Pascha und Kemal Efendi sich bereits leer finden. Trebinje dürfte sonach zum Mittelpunkt für die mili­­tärischen Operationen oder aber für Friedensverhandlungen ausersehen sein. — In den regten Tagen ließ Kiani Pajcha die aus Wien zurücgekehzte bosnische Deputation, bestehend aus fünfzehn Christen aus der Poslavina, von Sara-

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