Pester Lloyd - Abendblatt, Februar 1859 (Jahrgang 6, nr. 25-47)

1859-02-23 / nr. 43

Schnellpressendruck von Emil Müller,Dorotheugasse Nr.12.—Betrag der Pester Lloiydgesellschaft große Anzahl unserer Mitbürger Von einer ungerechten Maß­­regeltreffen sahen.Dieser Antagonismus-—das ist die reine Wahrheit-ist der­ Hauptgrund des diplomatischen»Bruches zwischen Oesterreich und Épiemont gewesen,und ich möchte dem ehrenwerthen Senator Brignole Trotz bieten,es zu versuchen­­ein anderes Motiv dafür anzuführen. Denn wenn Herr Brignole sich die Argumente aneignen wollte,deren Graf Buol sich in seinen bei dieser Gelegen­­heit an die Repräsentanten Oesterreichs gerichteten Zerikulaten bediente,­wenn er behauptete­ unsere Presse sei»damals der Grund des diplomatischen Bruches gewesen:so würde ich ihm antworten,daß Oesterreich sehr wohl im besten Einvernehmen mit England zu leben versteht,dessen Presse nicht weniger leb­­haft und gegen Oesterreich selber nicht weniger feindsellig waks würde ihm antworten,daß es eine Familien-,eine politische Allianz mit Belgien abgeschlossen hat, wo heute eine Presse einfu­rt, die der unserigen weder an Lebhaftigkeit noch art Einfluß nachsteht. Aber, meine Herren, es ist nicht die Zügel» Iofigkeit der Presse, wenn sie gleich verdrießlich sein mag, was Oesterreich dazu getrieben hat, die politischen Beziehun­­gen mit Piemont abzubrechen: es ist der Gegenfall der beiden politischen Systeme; es sind die Schwierigkeiten, die sich für zwei hart aneinandergrenzende Staaten daraus ergeben, wenn man der Politik zwei diametral entgegengefegte Wege ein­­igen. Der ehrenunwerthe Senator Brignole hat gesagt, daß in der Thronrede, mit welcher diese Session eröffnet wurde, und bei anderen feierlichen‘ Gelegenheiten Seitens der, Repräsen­­tanten der mächtigsten Regierungen Europas ste­­htung vor den Verträgen proklamiirt’worden war. Allein meine Herren, ich nehme: Feinen Anstand es auszusprechen, von Seiten Oesterreich’8: sind die Verträge In Italien zu wieder»­holten Malen verlegt worden und werden es noch heute. Wenn die Verträge von 1815 Oesterreich das Land zwischen dem Po und dem Ticino gesichert haben, so haben diese­sel­­ben Verträge seinen Einfluß auf dem rechten Ufer jenes Truffes auf, die Belegung zweier­­ Zitadellen beschränkt. Nun aber, meine­n Herren, hat Oesterreich heute, fetzes durch diplo­­matische Mittel, sei es­ durch militärisc­he Decupationen, feine Befitungen bis weit über die Apenninen hinaus, bis an die Gestade des adriatischen Meeres hin ausgedehnt. Das, meine Herren, steht im direktem Widerspruche, mit den Bestimmun­­gen des Vertrages von 1815. Und hier wende mir. Niemand ein, daß diese Uebergriffe mit der Zustimmung der italieni­­schen Fürsten stattgefunden haben : denn ich halte seinen Augendik mit der Behauptung zurükk, waß die fetta- Lientischen Fürsten nicht das Recht hatten, ihre Unabhängigkeit zu Gunsten, ‚Oesterreich’s, zu verpfänden, und daß sie durch einen solchen Schritt ganz augenscheinlich nicht nur den Geist, sondern auch den Buchstaben der Verträge verlegt haben. (Bravos­­ Beifall der Galerien.) Ich erkläre es für ein Prinzip des modernen Staatsrechtes, für Einen der größ­­ten Sortschritte, welche die Zistluration gemacht, daß den Herr­­schern nicht mehr das Recht zuerkannt wird, ihre Völker oder ihre eigene Unabhängigkeit zu veräußern. (Erneuter Beifall der Galerien.) Demzufolge fanden das Recht und die Billigkeit, stand selbst der Wortlaut der Traktate auf unserer Seite und nicht auf d­er unserer Gegner, als wir vor aller Welt gegen diese Ausdehnung des österreichischen Einflusses unsere Stimme erhoben, obwohl jenes Umsichgreifen auf der jedesmaligen Ein­­willigung des betreffenden Fürsten beruft. Und ü­berdies, meine Herren, weshalb protestirer wird. Ich mache mein Hehl daraus, wir thun es in Folge der sehr lebhaften Sympathien, welche das übrige Stalten­ung einflößt. Allein das ist nicht das einzige Motiv, das ung ber­­egt, die Aufmerksamkeit Europas auf diese Lage der­ Dinge zu lenken: die Ausdehnung des öfterreigiigen Einflusses ist für uns eine Frage voll von Gefahren. Sollte der ehrenvolle Senator Brignole es wohl glauben ? Oder meint er, es sei uns bhöcst gleichgiltig, daß Oesterreich sich die Autorisation hat ertheilen Waffen, die Herzogthümer Parma und Modena nac Belieben zu­ begeben? daß es seine Truppen auf die Gipfel der Apenninen fehlen, daß es unger­straft. Herrn. Brignoles Geburtsstadt Genua bedrohen darf? Darin Iegt eine Gefahr, eine sehr reelle Gefahr für uns, gegen die es unsere Pflicht war, nicht blos Einsprache zu t­un, son­­dern auch uns zu fügen. Ich weiß nicht, welche Lfung die schwebende Trage­ erhalten wird , aber s­ch bege das feste Vertrauen, heute, wo ganz Europa anerkannt hat , daß Die Tage Italien’s den übrigen Staaten gegenü­ber eine unbe­­streitbare Anomalie bildet, heute, wo es für Alle aus­­gemachte Sache ist, daß­ ein Hilfsmittel für diese Situa­­tion gefunden werden muß — ich bege, sage ich, die unerschütterliche Ueberzeugung,d­aß man die Trage nicht an d­en Nagel bangen wird, ee das Los per Degastrierung Italiens früh gebessert hat. Ich vermag nicht zu bestimmen, auf welchem Wege dies Ziel erreicht werden wird, aber in welcher Weise immer man dort anfangen mag, wir haben das Bemuftsein, den Erfolg durch alle, in unserer Gewalt stehenden Mittel vorbereitet zu haben, indem mir für die Kriegsrüstungen sorgten, indem mir alle Anstrengungen machten, um die Aktion der Diplomatie zu­­ demselben Zweckk mitwirfen zu lassen , und ich hoffe, der’ Senat wird sich uns beigesellen, und wird nicht zögern, diesem Borschlage, dessen Ergebnisse, wie ich wohl sagen darf, das Sn- wie das Aus­­land mit so gespannter Erwartung entgegensehen, ein günsti­­ges Botum zu ertheilen. (lebhafter Beifal). Bekanntlich hat eine große Majorität des Senats das Ansehen votirt. Weitere Berichte aus Sta­­ten melden heute: Der in Turin unter Cavour’s Inspiration erschienene Kommentar zu der Schrift : Napoléon III. et Vitalie stimmt dem Herrn de Lagueronniere überall bei, geht aber von der An­­sicht aus, daß der Krieg eine Nothwendigkeit sei, und prüft nur, ob Sardinien ihn prosnoziren solle oder nicht. Ersteres hält der „Kommentar“ für­ das Zwecmäßigste. Er zitirt zu diesem Zwece Stellen aus Machhtagell, — Piemontesi­­schen Blättern zufolge soi dagegen Herr Thiers in einem Briefe an eine angesehene Person in Turin sich sehr entschieden ge­­gen die französisch-piemontesische Alianz und­ einen italieni­­schen Krieg ausgesprochen haben. — In der Schweiz finden große Pferdeanläufe für Sardinien statt. In Genua trifft­­ die Artillerie Anstalten zur­­ Vertheidigung der verschiedenen Positionen der Stadt und Küste. In Li­­vorno wurden am 9..d.. ein Dutend Bürger verhaftet, welche einer Anzahl junger Leute die Mittel gegeben­­ haben sollen, um nach Genua zu gehen und sich in die ‚piemonte­­sische Armee anwerben zu lassen. » Aus Sarzano wird gemeldet,ester­sische Dragoner hatten einen gewissen­ Andreani,sardinischen Unterthan, auf sardinischem Gebiete verhaftet.Den Anlaß dazu soll ge­­boten haben,daß Fähnchen,welche die Fußsteige bezeichnen­­die vom estensischen zum fardknischen Gebiete hinüberführen, abgerissen wurden. Andreani sollte von der zusammengerot­­teten Bevölkerung befreit­ werden; dies­ wurde verhindert. Als er jedoch der Behörde zu Carrara vorgestellt­ wurde, erfolgte seine Entlassung ohne­ Anstand, und dieser son. den piemon­­tesischen Blättern ungebührlich vergrößerte Zwischenfall­ kann als ausgeglichen angesehen werden. Wir schliegen hieran » folgende Meldungen aus Stanstreich: Ein französischer Liniendampfer soll im adria­­tischen Meere gesehen worden sein, französische Schiffe follen dasselbe fondiren und prüfen. Dem General Kamorid­ere soll bereits ein Kommando zugedacht, 35 Millionen Kilogramme Pulver nach Eivitavechi­a versendet worden, die jüngst aus Afrika zurückerufene fünfte Division nach Rom bestimmt sein. Die Kriegstüchtigen hoffen, daß England aus der Erhaltung des Status quo und der österreichischen Herrschaft in Oberitalien seinen­ casus belli machen werde. „La Piesfe“ sucht zu beweisen,­ daß Großbritannien im­­ Interesse seines Handels und seiner. Industrie immer damit anfange, gegen jede Beilegung der Bestimmungen des Wiener Kongresses Ein­­spruch zu erheben, gleichwohl aber, wenn der Bruch­­­ einmal geschehen sei, gegen den, der ihn veranlaßt habe, nicht zu den Waffen greife . England habe 1830 gegen die­ belgische Re­solution, 1846 gegen die Aufhebung des Freistaates Krakau protestirt, sich aber zulegt mit diesen Ereignissen, als sie zu spl­endeten Schatfahen geworden, ausgeführt. Ein Gleiches werde jet geschehen. Nebstvem hoffen sie auf einen Wechsel des englischen Ministeriums im Sinne der Neutralität Groß­­britanniens, in Deutschland? mit Genugthuung. Seien wir in einem Berliner Blatte , daß der Bund’ den Art. 47 der Wiener Schlußakte, mwonach in den Fällen, wo ein Bundesstaat, welcher zugleich außerhalb des Bundesgebietes Befkungn hat, in Et­lege teren bedroht oder angegriffen wird, für den Bund die Ber pflichtung­­ zu­­ gemeinschaftlichen Maßregeln oder zur Theil­­nahe und Hilfsleistung nur in­so ferne eintritt, als derselbe nach vorgängiger Berathung durch Stimmenmehrheit in der engeren Versammlung Gefahr für das Bundesge­biet erkennt, dann als maßgebend angesehen wird, wenn Staakreich im Bunde mit Sardinien in aggressiver Weise gegen Desterreich vorgehen wü­rde. Einem zwischen Desterreich und Sardinien ausgebrochenen Kriege gegenüber wirde sich der Bund neutral verhalten. Sei 1. Hoheit Erzherzog Ferdinand Marx ist dieser Lage in Venedig angekommen; seine An­­wesenheit maro gestern durch einen Hofball gefeiert. Aus Wien­ vom 22. wird uns geschrieben : General Don Narvaey, Herzog von Valencia, wird seine Reise bis nach Rom ausdehnen, und rilhfehrend wieder Wien berühren und Hier längeren Aufenthalt nehmen. — Bei der hiesigen Handels- und Ge­werbekammer wurden bis jegt 60 Handels- und Gewerbemarkten protofolirt. Schon das nächste Heft der „Austria“ wird ein Verzeichnis der sämmtlichen protofollirten Marken enthalten. — Den be­­treffenden Behörden ist neuerdings der Auftrag zugenommen, gegen die Agentien fremder, in Oesterreich nicht konzeffto­­nirter Affefuranzgesellschaften mit aller ge­weglichen Strenge vorzugehen. — Das Komite zur Gründung einer allgemeinen "Biehle-Affetsuranz in Wien hat be­­reits den Statutenentwurf zur Vorlage an die betreffenden Behörden ausgearbeitet. — Die neue füdische Eisen­­bahngesellschaft beabsiätigt nach dem Muster der belgischen Eisenbahnen monatliche, resp. Duartals- Abonnementsftarten für Fürgere bestimmte Streben auszugeben. * Wien, 22. Teber. Das Ausbleiben eines gro­­ßen Spekulanten, dessen Effekten an der­ heutigen Börse losgeschlagen wurden, verbreitete Anfangs wieder große Entmuthigung. Kredit gingen auf 179.70, Nordbahn auf 1635, Staatsbahn hielten sich sehr fest und hoben sich von 224.50 auf 225.80, Banfaftien sind abermals um 22 fl., Dampfschiffe um 3 fl. gewichen. Nachdem die Nothverläufe vorüber waren, trat eine festere Stimmung ein, die sich, einige Schwankungen abgerechnet, welche Kredit wieder, auf 181.80 brachten, bis zum Schluß der Börse behauptete, und­ sowohl die Notizungen der Fonds als der reitenden Industriepapiere Höher fchließen Sie. Meber eine der Veranlassungen zu der Panique der Yegten Tage schreibt ein Korrespondent der Berliner , B. u. 9. 3tg.", Daß­ dieselbe unwesentlich durch einen Zwiespalt im Schoße 98 Berwaltungsrathes Der Kreditanstalt hervorgerufen worden sei, der, wenn nicht übertrieben wird, "sic. s am Vorabend seiner Selbstauflösung befinde, Daß Mitglieder des Verwaltungsrathes schon während­ der­ ganzen Woche in Frankfurt und Berlin verlaufen. Tiefen. Das Verlangen nach einer Reform des verwaltenden Körpers, das längst laut­ geworden ist, Fan durch solche Vorgänge nur noch dringender werden, und es­ ist nicht unwahrscheinlich, das in der Generalversammlung dasselbe einen energischen Ausdruch annimmt: « Die heutigen Schlußkurse waren: Kredit 183.80, Nordbahn 1655, Staatsbahn 226.80, 5yCt, Metalliques 75, National­ 77, ungarische Grundentlastungen 74, Kredit­ose­ 95, Bantattien 865, Dampfssiffaktien 448, Wechsel sich liegen durchgängig höher. « Verantwortlicher Redakteur­ Karl Weisskikodek. - -

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