Pester Lloyd - Abendblatt, Januar 1860 (Jahrgang 7, nr. 2-24)
1860-01-16 / nr. 12
7 (Die einzelne Kammer Eostet 3 Fr. 6. 33.) des & Pr Montag, 16. Jänner. Nr. 12. Beft, 1860. — Die neue Gewerbewordnung hat soeben einen sehr. erfreulichen Nachtrag bezüglich, der Sernertiten erhalten; die gestrige „Wiener Jg.“ berichtet nämlich : Sicherem Vernehmen nach ist eine Alerhöchste Verfügung ertroffen, vermöge Deren ale Gefebe aufgehoben wurden, ‚welche die, Sarmeliten, von gewissen Gemerden...insbesondere von Apothekergewerbe, dann in einigen Kronländern vom Schanf-,„ Brau- und Müllergewerbe auscloffen und denselben den Aufenthalt auf dem flachen Lande in Salizien, Krakau und der Butomwina, sowie in den Bergorten Ungarns, Böhmens, Kroatiens und Slavoniens, Der serbischen Woiwodschaft und des Temescher Banats, endlich Siebenbürgens verwehrten.. Die Israeliten werben daher überall, ‚wo, sie. zum Aufenthalte und. zur, Anfälligmachung berechtigt ‘sind, alle erlaubten Gewerbe betreiben dürfen und bterin. nur. ‚an die allgemeinen gefeglichen Borfehriften gebunden sein. „Diese neuesten Allerhöchsten Verfügungen sind ein neuer Beleg , daß die Staatsverwaltung ernstlich bemiht ist, opfe, mit dem Sortschritte der Zeit ‚unvereinbarlichen Beschränkungen, an der Entwicklung der bürgerlichen Epistenz der Seraeliten zu beseitigen. Eine Pester Korrespondenz berichtet dem „Wanderer" unterm 13. 5. : Es wurde bereits wiederholt das neue ungarische Journal „Idök tanuja" erwähnt, welches seit dem Anfange des 19. in Heft, erscheint, und wie man berichtet, unter der Strmia einer „katholischen, politischen Zeitung“ zur, Repräsentirung der päpstlichen, solche diverser anderer Streffen exiflirt, und durch den Bischof von Szathmár, Michael Haas, Subsidien erhält. Ebenso ist auch die Polemik bekannt, welche sich in der übrigen ungarischen Presse über das im oberwähnten Sinne gefärbte Programm dieses Blattes entwickelte, und bag gleich die erste Nummer nach. Verlefung eines gegen die Lagueronniere’sche Brochüre gerichteten Artikels in mehreren (Hier) Kaffeehäusern der Hauptstadt mit großer Ostentation verbrannt wurde. Die Untersuchung von Seite der f. E. Polizeiinrektion ist sogleich den anderen Tag eingeleitet und fest sind gegen die Hauptteilnehmer an der Demonstration folgende Urtheile gefällt worden: Karl Zdahy, Journalist, ist zu dreitägigen, Koloman Esapo, Student der hiesigen Universität, zu ster und zwanzigstündigem Arrest, beide mitAuswertung aus dem Gebiete der Pest-Ofner Poliizeidvtrefften; Koloman Thalt, Schriftteller, zu sterundzwanzigstündigem, Emilian Bentdy, gleichfalls zu ster undzwanzigfündigem, Stephan Eseremyes (Studenten) zu fedestündigem Urrest. Gegen dieses Urtheil ist, wie man hört, durch die Betreffenden der Nefurs an die E. E. Statthalterei, ergriffen worden. Politische Nundschan, 16. Jänner. Die Abreise des Fürsten Metternich von Dar 2.4.8 wurde am 11. de von allen Korrespondenzen aus der französischen Hauptstadt übereinstimmend berichtet ; jegt erfahren wir jedoch, dag der österreichische Botschafter,noch ‚am 11. 9. Abends dem, Tuilerienball, beigewohnt, Paris, somit nicht verlassen hat. Ueber, den Anlas jenes Gerüchtes schreibt man der „Indep." unterm 12. d.: FE Metternic hatte seinem seiner Kollegen bont diplomatischen Korps gesagt, daß er sich unwahrscheinlich an un wenigen Tagen nach Wien begeben werde, dann wußte man, daß die Österreichische Gesandtschaft gestern im Namen des dürften Metternich bei der Ostbahr einen Waggon nach Wien befeilt hat. Natürlich wurde Daraus der Schluß gezogen, daß der Fürst abgereift sei. Aber sei es, daß die Gesandt Schaft ihre Absicht geändert, oder auch der Chef der Gesandtschaft niemals den Willen hatte sich zu entfernen, genug es war nur Der erste Sekretär, Graf Ludolf, der nach der Hauptstadt der österreichischen Monarchie abgereist ist. Die wichtigste Nachricht, melde Die lebten Telegramme uns gebracht, betrifft eine zwischen Frankreich und England abgeschlossene Allianz im Interesse Italiens ; ein hierauf bezügliches Londoner Telegramm im "Nord" lautet : „Morning Bolt" versichert, daß zwischen England und Franfreich eine Allianz in Kraft sei, um die Unabhängigkeit von Nord- und Mittelitalien anzuerkennen und zu befluten. Doch gebe es feinen Spezialvertrag. Wenn indeß der Krieg zwischen Branfreid, und Oesterreichh ausbräche, so würden die Interessen Englands dessen sehnefle Beendigung erheirschen. Es wäre dann das Net und die Pflicht Englands, sein moralisches und, wenn es Moth thut, auch im Norden sein militärisches und maritimes Gewicht in die Wagschale zu werfen, um das Ende des Krieges herbeizuführen. Ein gegen Mittelitalien gerichteter Angriff würde demnach, den ernsten Widerstand Englands zu bekämpfen haben. Weitere einschlägige Berichte melden : In Pariser wohlunterrichteten Kreisen will man wissen, daß England das Nichtinterventionsprinzip ab auf noch erstehende Nationalitätsbestrebungen in Italien, wozu dann auch die Frage wegen Sapoyen gehören würde, auszudehnen bereit sei. Als Gegenzugeständniß verlange es nur die vorläufige D Vertagung der Suezangelegenheit . Die „Zimes’ erwähnt eines Gerüchtes, doonach England ss zu einer Anfrage veranlaßt gefunden haben soll, auf welche Oesterreich geantwortet hätte, es" wolle seinen neuen italienischen Verteg unternehmen, werde aber Rechtsverwartung einlegen, falls die (in Billafranca und Zürich) zugesicherte Restauration Der Herzoge nicht stattfinde. — Der Pariser Korrespondent der ,‚Morn: Hof‘ schreibt: Aus Wien erfahre ich, das die österreichissche Regierung Depeshen nach Petersburg und Berlin abgehen leß, um Rußland und Preußen zur Bildung’ einer Allianz ' zur Vertheidigung , der legitimen Rechte von Souveränen‘ einzuladen. Der Papst, meint die ‚‚Armonia‘‘, wird nicht unterlassen,, auf das Schreiben Napoleon’s vom 31. 9. M. zu antworten; auch durfte Se. Heiligbrett mit den in der Allofation angedrohten Schriftfunden bald hervortretten. Als der Papst nämlich im November gegen die Romagnolen mit Waffengewalt einschreiten t wollte, wobei er auf die Unterfrügung Nedepels rechnete, dartete Grammont zu friedlichen Berhalten, bändigte eine schriftliche Gewährleistung der Integrität des Kirchenstaats dem Kardinal Antonelli ein, während Graf Walewssi in einer mit dem Nuntius gepflogenen Konferenz , zu welcher auch der neapolitanische Gesandte Marchefe Antonini gezogen wurde, Namens: des Kaisers das Versprechen wiederholte: Frankreich werde auf dem nächsten Kongreß seinen ganzen Einfluß anwenden, um den ungeschmälerten Befug des Kirchenstaats zu verwirklichen. Nachträglich erfährt man, daß General G.0.90.n, entfrohen über den Eindruch, welchen die, Bronze, „der, Papst und der Kongreß” in Rom machte, dieselbe, Fonfisziren sieß. Als er sich später durch seine Negierung desavouirt sah, verlangte er seine Abberufung. « Die französische und englisge Treffe besgäftigt sich in fast ausschließlicher Weise mit der römischen Frage; in Paris isbt es vorzugem weit er der offizielle „Konstitutionnel”, der Beachtung verdient, Grandguiliott macht sich den Kampf, gegen die papstliche ALsolution'Teiht;, er sucht zu entwickeln: ,, Der Papst:st nicht frei. Stheri ist es nicht das erste Mal, Daß die religiösen Gefühle eines Papstes zu weltlichen 3weden dur f einen Staatssekretär " mißbraucht wurden.” Der’ Constitutionnel‘’ weißt namentlich auf eine Federzeichnung Chateabriand’s sem: Oktober: 1828, als. Derselbe französischer Gesandter in Rom war, bin, worin der berühmte Staatsmann und Schriftsteller den Kardinal Bernetti zeichnet, wie ,,dieser Mann der Geschäfte und des Bergnagens‘ den päpstlichen Stuhl Blofire und beherrsche, obgleich er wohl wisse, wohin dieses Treiben führen müsse. Derselbe Gesandte des allershristlichsten Königs rede auch in einem Briefe an Den Grafen Portalis davon, daß er ‚‚elende und verderbliche Umtriebe‘‘ entdeckt habe und nicht misse, was er anfangen solle, da der Papst , in ein Gefängniß, dessen Zugänge, streng bewacht werden, eingesöhloffen ei‘ und er, Chateaubriand, weder über Geld noch Stellen zu verfügen habe , ich habe," jest er hinzu, ‚‚die Dummheit in den Einen, die Unwifsenheit über das Jahrhundert in Andern, den Fanatismus in Diesen, die Doppelzüngigkeit in jenen, Ehrgeiz fast in Allen, und Spntereffen, wie politische D Verbiffenheit überall zu bekämpfen.‘“ Der , Constitutionnel‘‘ führt noch andere Stellen aus Chataubriand's' Briefen an, die wir jedoch. [eber unerwähnt haffen. Grandguillot will darauf beweisen, daß die Uebel, gegen welche die französische Flugschrift Abhilfe suche, schon alt sind und die fest maßgebenden Ansichten mit’ bernen des Derfaffers des , Geistes des Christenthums’’ vollkommen übereinstimmen. Er zieht aus dieser Parallele die Schlaffolgerung: , €rog ihrer unweltbekannten Gefühle Hat die Restauration die päpstliche Regierung streng beurtheilt,, ja, sie ist beinahe an der weltlichen Macht derselbert verzweifelt. Lesterer Umstand unterscheidet sie von der Rez gierung des Kaisers, die nicht daran verzweifelt, sondern sich im Gegentheil bestrebt, endlich ein Heilmittel gegen so viele Uebel zu finden. Das kaiserliche Frankreich hat es unternommen zu heilen, was dem königlichen Frankreich unheilbar: fchien, zwischen dem so ehrfurchtsvollen und würdigen Briefe des Kaisers und den bitteren und zornigen Neden, melde die römische Regierung auf die Zunge des heiligen Vaters gelegt hat und die sie schon bedauert, mir sind dason überzeugt, wird die Zukunft richten oder vielmehr hat die öffentliche Meinung schon gerichtet. Sie wird sagen, auf welcher Seite ungerechtes Mißtrauen und systematischer Eigensinn, auf welcher Seite wahre Uneigennügigkette und einsichtsvolle Ergebenheit waren.‘‘ Die»Patrie«enthält folgende Mittheilung:»Die voms papste bei dem Empfange am 1.Januar gesprochenen Worte haben auf alle Klassen der Gesellschaft in Frankreich einen peinlichen Eindruck gemacht.Die ergebnisten Katholiken beklagen diesen ungewöhnlichen Ausfall,und wir schätzen unsglücklich,Unvernehmen,daß am Tage nach der Aufnahme dieser Worte im»Giornale di Roma«der heilichater ein Bedauern ausgedrückt hat,welches misim Gebstigen mit seiner unaussprechlichen Güte und seinen vortreffs lichen Absichten ganz im Einklangen stehen scheint.««— Die»Opinion nationale«hofft,daß die Abtrennung der Nomagna nur der erste Schritt sei,um der weltlichen Herrschaftdchapstes überhaupt ein Ende zu machen und sind«tn dem Anerbieten,dem Papst den Restzug amm- Umleixt übertriebenes Zugeständniß.Die.Gazette de France«dagegen führt aus,daß diese Garantie für den Rest zuletzt ebenso wenig Kraft haben werde,als die von 1815 für das Ganze. Das ‚„Univers’ und das ‚„‚Spurnal des Debats‘’ enthalten sich heute jeder weiteren Besprechung. Ersteres brachte gestern ein Schreiben des Papstes an den Bischof von St. Jean de Maurienne, dessen wichtigste Stelle lautet: .Demnach künnen die Rechte der weltlichen Macht des apostolischen Stuhles nicht verlegt und mit Füßen getreten werden, ohne daß die Fatholische Kirche darunter zu leiden haben würde Und Wir, die Wir treu Unserer Pflicht und Unserem Eide sind, der Uns verpflichtet, diese Rechte vor jeder Schmälerung zu bewahren, Wir haben mehrfach Unsere Gegenerklärungen unummwunden und öffentlich Fund gegeben, und aufgemuntert durch das Beispiel Unserer Vorgänger, die, in den nämlichen äußersten Bedrängnissen, ‚deshalb ‚doch nicht aufgehört haben, die Befugungen und Rechte des heiligen Stuhles zu vertheidigen, sind Wir stets vollonnen bereit, jede Art von Drangsalen und Roth zur Stügung derselben Sache zu erdulden,‘“ ,