Pester Lloyd - Abendblatt, September 1860 (Jahrgang 7, nr. 201-224)

1860-09-21 / nr. 217

Freitag, 21. Septemb. Nr. 217: (Die einzelne Nummer Foftet 3 Er. 5. W.) seft, 1860. Abendblatt a Pester Lloyd, Wolitische Nundfehau, 21. September. Es hat in den letten Wochen an unglaublichen Nachriiten aus Italien wahrlich nicht­ gefehlt und wir Hätten uns shon daran gewöhnen sollen, an vom Unglaublichsten nicht überrascht zu werden. Dennoch müssen wir gestehen, hat Die Niederlage der Lamvricidie- Then Armee und die Art, wie sie slattgefunden, und nit ganz vorbereitet gefunden. — Nachden aus Turin vom 20., — tie bereits im Morgenblatte mitgetheilt worden, — die Kapitulation Des größten Theiles der päpstlichen Armee und die Rückkehr der fremden Truppen in ihre Heimat gemeldet wird, haben die Älteren Deype- Then eigentlich nur mehr ein untergeordnetes Interesse; gleichwohl tragen wir hier folgendes Telegramm aus Heft vom 18. b. nag : tamorictere hat die besten Sofittonen Gial­­pini’s bei Castel-Fidard­o angegriffen. Das Ergebnis des heftigen Kampfes war, daß die Bereinigung La­­mortietsre­s mit Ancona verhindert wurde. Die Zahl­ der Gefangenen beträgt 600. Die OBerluste La­­morictere’s sind bedeutend. Eine Kolonne von 4000 Mann, welche aus Ancona ausgefallen war, wurde zurückgeworfen. Die Flotte hat das Feuer auf Ancona er­öffnet. Der im geringen Mbenp­latt erwähnte Tages­­befehl Lamorictere’s, Durch welchen er Stadt und Provinz­ Perugia in Belage­­rungsrusend erklärte, wird auch jechr noch mit Interesse gelesen werden, das Aftenstil lautet : Mir fommandirender Oberbefehlshaber der päpstlichen Armee, Großkreuz des Ordens Pius’ IX. und der Ehrenlegion, Kommandeur des belgischen Leopoldordens, Traft der Bollmads­­ten, die uns durch das ministerielle Schreiben vom­ 22. Mai 1869, Nr. 38, im Augenblicke der­­ Invasion in das Gebiet des Kirchenstaates, bei vollem Frieden, übertragen worden, haben wir befohlen und befohlen, wie folgt : 1. Die Stadt und Provinz Perugia sind in Belage­­rungszustand erklärt. 2. Die Zivilverwaltung und die Polizei sind der Mili­­tärbehörde übertragen worden. 3. Es sol ein besonderes außerordentliches Kriegsge­­richt eingefegt werden, dessen Mitglieder General Schmid , der Befehshaber der Division Perugia, ernennt. Der Hauptmann Sageffer versieht das Amt des Auditeurs bei besagtem Gerichte und­ ist mit allen in einem solchen Falle den Divisionsaudi­­teuren zustehenden Rechten und Prärogativen versehen. 4. Das besondere außerordentlie Kriegsgericht wird die Bergihen der Majestätsbeleidigung, der öffentlichen Gewalt­­thätigkeiten, der Verhehlungen und des Vertriebs von Waffen und Kriegsmunition, der Militäranwerbungen und Befrutt­­zungen, der Buch Art 2, 3, §..6 des II. Buches des Ebdittes vom 20. September 1832 über Vergehen und Strafen vorge­­sehenen Verbrechen und im Allgemeinen über die in der­ Or­­donnanz vom 1. April 1842 über die Kriminalrechtspflege und Disziplin der Armee aufgeführten Vergehen richten. 5. &8 sollen in allen Fällen die dur oben erwähnte gefegliche Bestimmungen vorgeschriebenen Strafen ernannt wer­­den; außerdem sollen andere Bestimm­ungen aufgestellt wer­­den, die mit Dem Tode und e­iner Geldbuße »von 100051830,000 Thalern, welche das Gericht je nach der Wichtigkeit des Tales feizulegen hat — wilde Geldbuße stets bei Kontumartialurtheilen verdoppelt werden sol — bestrafen: 1. diejenigen , welche gegen den Souverain zu den Waffen greifen und die revolutionäre Fahne aufpflan­­zen; 2, diejenigen , welche Aufruhr oder Aufstand gegen den Souverain und die Regierung­­ mittelst Leute , die zu diesem Bewede eingereiht­ werden, anzetteln und unterflüßen 5 welche Kriegswaffen und Munition einsammeln und melde, abgesehen von diesen Waffen- und Munt­tionsvorräthen , durch Verthei­­lung aufrührerischer Schriften oder anderer Mittel zu Rebellion oder Insurrektion aufreizen , gleichni­s, ob es Erfolg hatte ,oder nicht. 3. Diejenigen „ welche Proviant sammeln,, welche wisfentlich Geldfuimmen, die dazu bestimmt sind, den Aufstand in­ den Bevölkerungen oder­ Meuterei bei den Truppen zu unterflüchen oder­ zu verbreiten, einsenden oder sammeln, und endlich diejenigen, welche sich irgend seine Art von Umtrieben gegen die Regierung erlauben.­­ Besagte Geldsummen sollen von­ Rechts wegen zum Beflen des­ Staatsfehates Konfiszirt werden, wer auch der Hehler sei und wenn auch derselbe vor­­bringen sollte , daß er. Die Verwendung dieses Geldes nicht fenne und nicht wise, wofür es bestimmt sei s­o. Diejenigen, welche einen oder mehrere Militärs zum Defertiven auffor­­dern, gleich viel , ob sie Erfolg hatten oder nicht, und dieje­­nigen, welche baffelde begünstigt haben oder versuchten, es zu begünstigen; 5. diejenigen , welche der. Behörde: oder öffent­­lien. Gewalt auf­ schwere Weise. Widerstand reiften ‚oder Opposition machen, und diejenigen, welche Kiebe geführt, Wunden gemacht, einen Militär gemeuchelt oder zu mencheln versucht haben, auch außer seiner Dienstzeit z­u. Diejenigen, welches in­ Begleitung von einer oder­ mehreren­ Personen die öffentlie Ordnung zu slören versuchten oder eine Korrespon­­denz, gleichel, ob im In- oder Auslande,, zu dem Zweckk, um die Regierungsform zu verändern, unterhalten ; 7, die­­jenigen, welche die Telegraphendrähte und Werkzeuge zerfiö­­ren oder zu zerslören versuchen. 6). Es sol­l mit zeitweiligen und selbst lebenswierigen Zwangsarbeiten je nach den Umständen, und zu einer Geld­­bute von 100­ bis zu 1000 Thalern je nach Bedeutung der Sale, welche in Kontumazialfällen verdoppelt werden so, bestraft werden: 1) derjenige, welcher beunruhigende und falsche Nachrichten verbreitet und dur Reben, Drucfadhen und aufrührerische Rufe zum Aufruhr anreist ( 2) derjenige, welcher einem SIndividuum Zuflucht gönnt, das er als schuldig und eines der Vergeben, deren in Art. 6 Erwähnung ge­­schehen, angeklagt weiß, so wie derjenige, welcher einem De­­serteur Zuflucht gönnt oder die Defertion erleichtert, indem er: der Öffentlichen Gewalt, Die in Verfolgung der Ausreißer begriffen is, falsche Angaben macht; 3) derjenige, welcher heimlich aufrührerife Embleme und Zeichen, wie Fahnen, Bänder und Kokarden verfertigt und vertheilt ; 4) derjenige, welcher der Regierung angehörige Militäreffekten Faust; 5) jede Kollette oder Sammlung, die in einem der Regierung feindseligen Sinne gemacht wird, und die Sendung des Er­­löses solcher Sammlungen an den Feind ; 6) die Zusammen­­rottungen bei Tag und bei Nacht, welche auf Störung der öffentlichen Ruhe abzielen; 7) die Thatsache, dag­iemand einer geheimen Gesellschaft angehört, oder das Beiwohnen aufrührerischer Versammlungen in Privatwohnungen und in seschlosfenen Lokalen ; 8) derjenige, welcher verdächtigen oder notorif­als der Regierung feindselig bekannten Inptsiduen Zuflucht gibt und der Behörde keine Anzeige davon machte ; 9) derjenige, welcher öffentliche Erlasfe verlegt oder bejubelt und aus Haß oder Beratung die an öffentlichen Orten stehenden Wappen des Souveräns entstellt ; 10) derjenige, welcher die mit ihrer Uniform beflotteten Militärs, ohne pro­­vozirt worden zu sein, schwer und öffentlich beleidigt. 7. In allen Fällen, wo das­­ Kriegsgericht zu Gunsten des Schuldigen die M Wohlthat mildernder Umstände zuläßt,­ann es bei Anwendung der burg Art. 5 und 6 der gegen­­wärtigen Bekanntmachung fefgerechten Strafe die Geld- von der Reichesstrafe trennen ; aber sollte es die Geldstrafe allein anwenden, so muß er in einem solchen Fake das Maximum der in dem­ genannten Artikeln ausgesprocenen Geldsumme anwenden. 8. von dem Augendliche an,alwo ein Individuum vor ein Kriegsgericht gestellt wird, sollen, in Folge dieser That­­sache selbst schon, alle­ seine beweglichen und unbeweglichen Güter, gleichnter in welchem Theile des Kirchenstaates diesel­­ben sich) befinden mögen, Tonfiszirt, einer allgemeinen Hypo­­thet zum Bortheil des­ Fissus unterworfen und provisorisch unter Sequefliirung gestellt­ werden, als Bürgschaft für die dur­ Art. 5 und 6 der gegenwärtigen Bekanntmachung ver­­hängten Geldbußen. Der Fiskus­ kann nach Umständen alle Maßregeln treffen, die er als nöthig erachtet, um zu verhin­­dern,­daß seine Rechte im Ganzen oder zum Theil beeinträch­­tigt­ werden. Auch sollen den vollständigen Vorschriften die­ses Artikels diejenigen verfallen, welche sich der gegen je von der Militärbehör­de vangeordneten Verhaftung entziehen, um nicht vor dem Kriegsgerichte­ erscheinen zu müsen.­n. Die Prozesse sollen­ bei dem Kriegsgericht er entweder dur den Befehlshaber, der militärischen­­ Streitkräfte oder durch den Auditeur anhängig gemacht werden. Die Instrus­­ion des Prozesses. soll durch den­ Militär-Auditeur, unter Beihilfe seines Gerichtsschreibers in summariscer und­ rascher Weise bewirkt werden. Die Urtheilssprü­che des N Kriegsge­­richtes sind ohne Berufung, und Alles erfolgt dem oben er­­­wähnten Editte vom 1. April 1842, gemäß, Spoleto, 7. September 1860." —­­Der Oberbefehlshaber v.Lampriciore. "Mits der Cerniningi von Ancona,—bemerkt’die »Pr.««richtig,—ist der Feldzug im Kirchenstaate bei­­nahe beendigt,und die weltliche herrschaft desspapstes "beschränkt sich auf Rom",die Comarca-Viterbo und Ci­­­vitavecchia.Bon umso größerer Bedeutung wird von nun ab die Haltung Frankreichs einer­ und Garibaldi’s andererseits gegenü­ber von Piemont.1ieber beide gehen uns heute interessante Details zu.So liegen über die Haltung Frankreichs folgende Mittheilungen vor: Vom 7.bis zum 12.b.,—schreibr einspartser -.Korrespondent,—hat herr Thouvenel sowohl durch­­ Herrn v.Talleyrand in Turin,wie durch Ritter Nigra in Paris die energischesten Vorstellungen gegen das Projekt eines Interventionspiemonts im Kirchenstaate machen lassen.Als Ungeachtet dieses offiziellen Wirkens,neben dem man,mit Recht oder unrecht,ein anderes vorausseht,die Interven­­tion dennoch stattfand­ verlangte Herr Thouvenel die Abbes­tufung des Gesandten.Ich glaube,daß,wenn der Kaiser sie nicht bewilligt hätte,Thouvenel auf verhniste­­rimn getreten wäre.Man ist hier einigermaßen verwundert darüber-waßherr Thouvenel in einem so wichtigen Augen­­blicke schon seit einigen Tagen von Paris abwesend ist.Er kehrt morgen erst wieder hierher zurück.—Gleichzeitig lesen rwir in einer anderen Korrespondenz:,,Farini und Cialdini haben dem Kaiser in Chambery den ganzennsvasionss­plan mitgetheilt.Der Kaiser hat ihn im Wesentlichen ge­­billigt,spiemont jedoch gemahnt,jede Annäherung an Rom s­elbst zu vermeiden,weil dies notwendigerweise einen Kons­­flikt mit der­ französischen Besatzung hervorrufen müßte.Ebenso hätte der Kaiser in Bezug auf die venetianische Ange­­legenheit Piemont zwar feste handgelassen,aber jede Ber­­­antwortlichkeit sür die Folgen abgelehnt-da im Fall einer Niederlage Piemontz die Offensive von Seiten Oesterreichs eine Folge die Kriegsrechts wäre.Graf Cavour war,als herr v.Talleyrand ihm am 11.seine Anberufung anzeigte, scheinbar oder wirklich sehr­ überrascht-soll sich aber bald daruf in Folge erhaltener Aufklärungen sehr beruhigt ges ·zeigt haben.«­·Nicht ohne Bedeutung ist,daß die jüngste Numm­er der osfiziösen,,Revueeuropeenne««die mildernden Umstände für Victor Emanuel in einer Weise plaidirt,die der wärmsten Vertheibigung des ganzen piemontesischen unters ’nehmen-nschtun«a­hnlich ist. War das Fürgehen Frankreich­ gegenüber dem Papst bezirksshsv schreibt man aus Paris:Die Beschleunigung der Abreise des Generals Govon­ erfolgte auf eine Depesche hin,die der Herzog von Grammont aus Rom hierher tele­­ravhirt hat.In dieser Depesche zeigt der französische Ge­­n AUdria einer Regier­ung an,daß PiussI.beschlossen habe, Rom und Italien zu verlassen,ja daß die

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