Pester Lloyd - Abendblatt, September 1860 (Jahrgang 7, nr. 201-224)

1860-09-26 / nr. 221

Mittwoch, 26. Septemb. Nr. 221. Pest, 1860. (Die einzelne Kammer Eoftet 3 Er, 6. 8.) endblatt a Pester Lloyd. Politische Nundichan, 26. September. Bek­­anntlich war Garibaldi am 17. 9. in Palermo; die Rede, welche er dort an Das Bott gehalten, siegt uns rebt solftändig vor und gewährt einen Eid in die Mi­­fadje des Gegenfaches, der zw­ischen ihm und Cavour ob­­waltet. Der Diktator sagte : „Ich­ danke euch für diese Lebebochrufe und versichere euch , daß ich zufrieden , sehr zufrieden bin, mich wieder in eurer Mitte zu befinden. Ich banfe euch , das ihr mir ver­­traut und Senen nicht geglaubt habt, die euch auf einen irrigen Weg verleiten wollten. Ihr habt wohl daran ge­­than, eine Annexion zurückzumessen ‚die ich für unzeitig er­­kläre­n; dadurch habt ihr bewiesen, daß ihr italienischen Sinn bef ist. Diese Annexion würde uns der Diplomatie unter­werfen und somit neuerdings in geffeln geschlagen "haben. In diesen Tagen haben sie mi in Neapel abermals für die Annerion zu gewinnen gesucht. Aber ich sage eu, hinter dem Volturno haben wir noch andere Brüder , welche Ketten tragen ; und ig) erfläre euch, so lange es no solche Brüder gibt, Die zu befreien sind, werden wir für sie kämpfen ! Bolt von Palermo, Bolt der Barrifaden, ich baufe bir noch ein­­mal , hat du jenen nicht geglaubt , bie dir gesagt , Daß ich Nebenabsichten habe: Der beste Freund Staltens und Riktor Emanuels bin ich, Glaubt an Riktor Emanuel, welcher der einzige Vertreter der italienischen: Sadje ft.‘ Ueber den Eindruck, den diese Worte hervorgebracht, treibt man aus der sizilischen Hauptstadt : Diese Worte Garibaldi’s wurden zwar mit Lebedocs erwiebert , scheinen aber doc auf die Bevölkerung nicht den besten Eindruck gemacht zu haben. Eine halbe Stunde nach der Ankunft des Diktators war das Ministerium auf­­gelöst und wurde folg­edermaßen neu zusammengelebt : Prodiktator Mordtmt Ceinit Kollege Guerrazsis) und in dessen Abwesenheit Calvino, Piraino Auswärtiges, Finan­­sen Peranni, Suneres Parisi, Öffentliche Sicherheit T­amajio, öff­entliche Arbeiten Orlandi, Krieg und Marine Fabrizt, Gnade und Sufli; Biola , der seine Demission gab, Kultus Can. Ugbulena, Piraino und Tamajo sind übrigens An­ezionisten. Die Uebereinstimmung, mit welcher von allen Sei­­ten dem Diktator zur Nachgiebigkeit gerathen wird, läßt voraussehen, daß es, obfehen manche glauben gemacht, Cavour habe ss verpflichtet, im Halo der Annexion Neapel Ligurien, Elba und Sardinien an Frankreich abzutreten, zu einem Einverständnisse kommten werde . So wird aus Turin berichtet: „„Es heißt, der König werde sich Direkt nach Neap­el begeben, um den Zwist aus­­zugleichen, und die Am­ek­ongfrage ins Klare zu bringen. Bei der großen Ergebenheit, die Garibaldt so vielfach für die Person des Königs Tundgethan, wäre dies vielleicht das wirksamste Mittel. Doch stellen sich einem solchen Säritte bis jegt noch allerlei B.denken, namentlich mit Rücksicht auf die diplomatische Stellung zu den anderen Mächten entge­­gen.’ — Der englische Admira zu Neapel ist gleich­­falls im Sinne der Ausgleichung thätig, ebenso wird Gari­­baldi von Splden zur Nachgiebigkeit gemahnt, welche die feindselige Gesinnung Garibaldi’s gegen den Kaiser Napoleon als unheilvoll für ihre Pläne ansehen.­­ Der Pariser Korrespondent der „Deutsch. Allg. Ze.“ schreibt: „Bart­­baldi hat Necht gehabt, bad Stzd­ten zu anneriten er st weigerte, bevor er Neapel den Bourbons entriffen; er hatte vor, die Annerten von Neapel zu verweigern, be­­vor die Marken und Umbrien von der Herrschaft des heili­­gen Stuhles befreit waren, so aber einmal der Thron des neapolitanischen Bourbon ganz gestürgt und die römischen Provinzen in der Gewalt Piemonts, so hätte Gariba­di un­­recht, die Annex­on des Königreichs beider Sizilien Länger aufzusteben ; denn der Kampf gegen Oesterreich kann un­­möglich mit der geringsten Aussicht auf Erfolg mit dem Häuflein. Freiwilliger, er muß von ganz Italien, Piemont an der Soige geführt werden. Wir hoffen immer noch, das Garibaldi seine Bezirrung einsehen und auf andere Gedan­­ken kommen wird, aber der Schaden seiner Kriegserklärung gegen Frankreich wird feierlich ganz zu heilen sein. Hier versieht man sie eines verwegenen Unternehmens gegen Rom von Seiten des Diktators, und wie ich höre, iut an den General Goyon der Befehl abgegangen, daß er im Fal eines An­­griffs nicht nur denselben mit aller Energie abwehre, sondern sogleich gegen den Angreifer offensiv vorgehe. Einer mächtigen Fürsprecherin des Ausgleics muß Schließlich so gedacht werden, der „T­imes“; das ECrtyblatt argumentirt : Die Italienische Revolution is­tein Werk des großen Enthusiasmus ge­wesen. D Vielfache Einflüsse haben zusammen gewirkt, um die Mofart von Fürstenthümern und Königreichen, die vor 20 Monaten so sicher gefügt fehlen, zu erschüttern. Dur­chuminationen und Ervinas vereinigen sich die Brude­rtüde von Bevölkerungen nicht zu Nationen, und werden Sklaven nicht zu freien Männern, Staatsmännliche­n­ und Politis that bag Shre ebenso, wie Muth und Tapferkeit. Und mit wunderbarer Einigkeit haben die verfehte denst­en Elemente sichh zu einem gemeinsamen Zweck verbunden und die Folge war, daß die Heere Trankreichs bewugt wurden, um die Mi­­litärmacht Oesterreichs zu brechen, daß die Sympathien des tentonischen Theils von Europa gegen die Anmafungen rant tels ins Feld geführt wurden, und daß der italienische Her­­kules in seinen Arbeiten dur F eine Unterbrechungen von außen gestört wurde, Leider ist diese Einigkeit gebrocen. Garthaldi dringt auf Cavour’s Entlassung. Garthaldi denkt, daß das Schwert die einzige Waffe ist, mit der ein Tapferer sein Vaterland zu befreien Hoffen darf. Die Gesinnung is h eroisch und anziehend ; sie gewinnt sie Ruhm und Anhänger ; sie hält den Enthusiasmus wach und zeigt von Redfisch fett — aber in biefer Frommen Welt kommt man mit ihr nicht ans Bier. Wollte Gott, wir Engländer hätten einen General, von dem wir, in der Stunde der Norb, eine militärische Lei­­tung hoffen könnten, die dem sizilischen Feldsuge an die Seite zu stellen wäre. Aber groß wie seine Erfolge und Waffen­­siege waren, so gehören sie zum leichtesten Theil seines Pro­­gramms, und jene gewundene Politik, die er fett von sich zu finden sucht, hatte ihnen den Weg gebahnt. Garibaldi hat sich bisher nicht als einen Mann gezeigt, welchen rein persönliche Einflüsse bestimmen. Daß er den Grafen Cavour nicht Leiden mag, ist wohl bekannt. Daß er ihn wegen seiner Diplomatie und wegen der Abtretung Nizza’s und möglicherweise auch wegen der unnwürdigen Behandlung, die er zum Teilen von ihm erfuhr,n­icht leiden kann, braucht man uns nicht erst zu sagen. Daß er Stilten und Neapel nicht zum Berfhacdhern zwischen Cavour und dem Kaiser der Fran­­osen hergeben will, it sehr natürlich. Es wird uns daher vieleicht möglich, das unbestreitbare Faktum, daß Garibaldi diese Forderung ausgesproc­hen hat, anzunehmen, ohne der Auslegung , die es in Turin erfährt, unbedingten Glauben zu forenten. In jeder Lesart jedoch bleibt es ein sehr unglüc­ Tcchwangeres Begebnis. Groß wie Garibaldi ist, so ist er doch zum Gelingen der Revolution, die seit ihrer Vollendung ent­­gegenstrebt, nicht nothwendiger als Cavour. Es ist noch manche amwetdeutige Arbeit zu verrichten, die Garibaldi nicht ver­­richten kann. Alle alten Anzeichen von Entschädigungs- und Annexionsplänen flohen wieder am Horizonte. Die französis­­sen Journale leugnen heftig jeden Anf­lag auf gewisse St feln, grade wie sie einst mit gleicher Heftigkeit jeden Anschlag auf Nizza in Abrede stellten; und Frankreich protestirt gleichzeitig

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