Pester Lloyd - Abendblatt, Oktober 1860 (Jahrgang 7, nr. 226-252)

1860-10-23 / nr. 245

dennanzosen ist ein am­isitionstribunal von Nom in Viterbo eingezogen,welches vom Kardinal Antonelli­­ beauftragt wurde,einen politischen Monstrepro­­zeß einzuleiten. Zu den Rüstungen Piemonts schreibt man aus Mailand vom 17.d.M.:Die vier sardini­­schen Armeekorps,welche am Mincio und Po stehen,schicken sich an,an diesen Flüssen ihre Winter­­quartiere zu beziehen.In Mailand,sowie in den Städten im Innern der Lombardei gibt es fast kein Militär,und die öffentliche Sicherheit ist der National­­garde anvertraut.Auch die Bataillone der Natio­­nalgarde zu Pavia und Alessandria haben die Aufforderung erhalten,ihre Dienstleistung noch für einige Zeit zu verlängern.Sonst haben wir aus Oberitalien noch nachzutragen: In Turin ist das Parlament am 19.ver­­tagt worden,nachdem es eine Dank-und Huldigungsadresse votirt hat,die eine Deputation der Kammer dem Könige über­­bringen soll.Indei­»Nationalités«lesen wir den wesentli­­che Inhalt der bei der Annexionsdebatte im Se­­nate vom Marquis Brigatd­e und vom Grafen Cavour gehaltenen Neden. Ersterer sagte, er wolle nicht von der An­­nexion Mittelitaliens sprechen, die Piemont mit dem Verhafte der ältesten und heiligsten Befisungen der Dynastie Savoyen erfauft habe, mit dem Verluste Nizzas, Das unzweifelhaft ita­­lienisch, und mit dem­­ Verluste Savoyens, das Piemonts ein­­zige Vertheidigung gegen eine kriegerische Nation gewesen sei. Für die Annexion der Marken, Umbriens und Neapels finke sich das Ministerium auf das Votum der Völker. Womit wolle es aber sein Verfahren in den römischen Staaten rechtfertigen . Der König von Neapel habe in denselben nicht interveniren sollen , und der König von Piemont thue es, ja, er sei einge­­riet, noch bevor die römische Regierung sein Ultimatum em­­pfangen. Am 12. sei die Note Cavour dem Kardinal Anto­­nelli zugestellt worden, und schon am 11. Morgens hätten die Piemontesen Pesaro befest. Ferner habe auch die Landarmee vor Ancona sich gröblich vergangen, da sie, obschon Lamoriciere die weiße Sahne aufgezogen, Abends S Uhr pröslich, ohne pro­­vozirt worden zu sein, die Kanonade wieder begonnen und bis Morgens 6 Uhr fortgefegt habe. Das Benehmen der Negierung gegen Neapel sei auch schwer tabelnswerth ; statt die dargebotene Hand des Königs Tranz anzunehmen, habe sie die Revolution unterstüßt, die allen Grund unterwichle und niemals zur wage­ren Freiheit führe.­­ Graf Cavour antwortete zunächst auf diese letztere Anklage-Wenn die Regierung mit der Revolution logblte, würde sie gerade hier im Senate, dem natürlichen Wächter der konfergativen Prinzipien, auf entschiedenen Widerstand stoßen. Der Senat billigt aber ihre Politik, da dieselbe durchaus fonferpatis is. Die wirklich revolutionären Ideen von 1848 haben wenig Boden mehr in Italien, das seht ein bewundernswhürdiges Beispiel von Ordnung, Gesittung und Mafhaltung liefert, 5108 weil die einzige unabhängige Re­­gierung des Landes die nationale Bewegung unter ihre Lei­­tung genommen hat. Das Boll selbst hat die Seft­rer und Revolutionäre aus dem Lande gejagt. Das, Was gegen Rom und Neapel geschehen ist, darf nit nach den Ner­gern beurtheilt werden, welche in der Diplomatie giltig waren, als der ehrenwerthe Senator (Brignole) Piemont in Paris repräsentirte. Wenn man das Recht der Völker nicht anerkennt, gegen schlechte Negierungen zu reagiren, fo ist das in Süditalien Borgefallene nicht zu rechtfertigen. Aber der Zustand des Südens war, fest im Norden die Freiheit herrschtet, unerträglich geworden, und das konnte der Regie­­rung nicht greigistig sein. Der Papst und der König Franz haben unsere sehr gemäßigten V­orfchläge,­ die einer Katar­strophe hätten vorbeugen können, zurüchgewiesen. So ward die Revolution unvermeidlich. Wie shhwan das Regiment in Neapel war, beweist, daß eine Handvoll Freif­ärler in wenigen Wochen das von 100.000 Bajonnetten geflüßte Staatsgebäude hat umstürzen können. Der König verließ ohne Kampf seine Hauptstadt, seine Regierung war moralisc todt. Solten wir nun jenes Land in seiner prekären Lage ein Spiel der Revolutionäre von 1848 erden lassen? Es ist ein konservativer Alt, wenn wir nach Neapel geben und das Boli daselbst sein Stimmrecht ausüben haffen. Was die römischen Staaten anlangt, waren sie zwischen dem freien Oberitalien und dem revolutionirten Süditalien noch zu halten? Wurde Süditalien auch­ frei, so war das Schiefal der Marken auch mit entschieden. Wir haben recht gehan­­delt, daß wir aus Mittelitalien ein Land haben verschwin­­den lassen, das nur durch Schhöner gehalten ward. Unsere Handlungen waren ganz regulär, und nie in ein Krieg großherziger und edelsinniger geführt worden. Sind außer­­ordentliche Maßregeln ergriffen worden, so geschah es für das Nationalitäts-Prinzip , welches ein Prinzip des Konser­­virens ist. Die aufgeklärten Mächte Europa’s müssen unse­­rem Bemühen Beifall zollen. Andere Mächte machen es wie wir, und Preußen Hört nicht auf, konservativ zu sein, wenn es sich an die Spike der deutschen Bewegung stellt. Die öf­­fentlige Meinung Europa’3 wird sich hoffentlich für uns erk­lären. Da­ Rom die Hauptstadt Italiens werben sol , ist allerdings eine fwierige Sache; Ich würde Daran verzwei­­feln, wenn ich nicht auf eine Aenderung im Geiste der päpst­­den Regierung hoffte. Die Prinzipien der Gewissensfrei­­heit und der Theilung der geieiligen und weltlichen Macht sind neu; aber ich hoffe, daß sie das Oberhaupt des Kathol­lizismus mit der modernen Gesellschaft ausführen und ein Beieinanderwohnen des Papstes und des Königs von Italien in Rom mögli machen werden. Es ist das möglicher Treffe eine Situsion. Aber die Zeit kann Alles ins Gleiche bringen. Bestätigen Sie dur Ihre Abstimmung, daß diese Geiet- Vorlage nicht revolutionär,, sondern das Anerkenntnis eines heiligen Rechtes ft. (Bravo !) Der Sufiz-Minister antwortete auf Pri­­ono­e’3 Vorwurf wegen des Ultimatums, die Regierung hätte guten Grund gehabt, anzunehmen, frustlos geworben, so auf das die Rom gemachten bleiben würden, auch nur um einen Tag zu hemmen, und da die Ereignisse einen immer bedrohlicheren Charakter angenommen, set eg unmöglich; die militärischen Operationen Bet Ancona sei nichts geschehen, was gegen die Gefege des Krienführens verstieße ; allerdings habe man Unterhandlungen eingelassen, aber auch zugleich erklärt,, daß die Kanonade nicht aufhören würde. Für die Annerion sprach sich an Azeglio aus. Der Senator Gioja äußerte seine Zweifel, daß der Papst und der König von Italien je in Rom m würden bei­einander wohnen künnen. Die „Times" is mit den leifen Symptomen einer Annäherung Englan­s an die Warschauer Mächte durchaus nicht einverstanden : mitte — sagt sie im Hinblickk auf Lord Rufsells bekannte Note, worin er Sardinien vom Angriffe auf Bene­tten abmahnte — wäre Dieses Schreiben Alles, und wäre nichts weiter geschehen, als daß man einem so­­ wenig Gutes verheißenden Subjekte, wie Canpur, eine Predigt Über poli­­tische Moral gehalten hätte, so könnten wir uns wenigstens mit dem Gedanken trösten, daß, wenn die Mediein nichts taugte, der Patient sie zum Senfter hinausgeworfen hat. Adein es ist nur zu Mal, daß etwas mehr geschehen ist und da Lord Sohn Rufe nicht sowohl unangenehme Ratsh­läge ertheilt, als vielmehr einige sehr angenehme Verpflichtungen ausgetauscht hat. So zum wenigsten wird der offiziellen „preußischen Zeitung“ über die Zusammenk­unft zwischen Lord Sohn Ruffell und Herrn von Schlet­nis in Coblenz berichtet. Allerdings haben wir zu bemerken, und es iut dies eine erfreuliche Thatsache, daß diese beiden hervorragenden Staatsmänner alle ihre Ideen frei auslau­­fen, ein vollkommenes Einverständniß zwischen den beiden Ländern fund tyun, ihre Beziehungen kräftigen und ausdehnen und schließlich zu einer vollkommenen Gemeinsamkeit der An­­fichten gelangen konnten, oh­ne auf dem gefährlichen Punkte anzukommen, wo sich Die bestimmte Absicht find gibt, etwas Bestimmtes zu thun. Es is in der That am Ende immerhin ganz gut möglich, daß der britische und der preußische Minister nur so viel Einmüthigfett ausgedrückt haben, wie man in England an jedem Tishe hören kann, wo Alle darüber einig sind, daß Italien ein sehr gefährliches und Frankreich kein beson­­ders ehrenvolles Spiel spielt. Das tít jedoch nicht mehr, als was die Meisten unter uns über die Urheber und die Methode unserer , glorreichen Resolution’ von 1688 dennen dankbar für die Resolution und glauben völlig rei Rechte zu sein. Deshalb prüfen wir qua genau die Ehrenhaftigkeit unserer Staatsmännes ’ Motive ihres fremden Befreiers. Wenn wir bw Salt das Recht der Einheit und Unabhängigkeit zugestehen‘, müssen wir ihnen auch die wirklich zur Erreichung dieses Zie­­les nothwendigen Mittel zugeflehen. Wie, wenn sie ge­­nöthigt sein sollten, sich die Freiheit zu erfaufen und, um mit dem alten Ennius zu reden, eben so gut zu hefern, wie si zu schlagen? Wir haben schon einmal einem solchen Handel ruhig zusehen müssen, wenn wir auch böse genug drein sahen. Sest aber ist die Brage fir uns einfach genug. Sollen wir, die wir den Wiener Bertrag für sich selbst haben sorgen las­­sen, für die Berträge von Billafranca und Züri und für Oesterreich eintreten und zum Neufersten schreib­en? England wird sich seiner solchen Thorbeit und Sneonsequenz schuldig machen, und Lord Sohn Rufel macht die Rechnung ohne den Wirth, wenn er mit großen Worten den Einbruch hervor­­zubringen sucht,, als hege England derartige Absichten. In einem zweiten Artikel über Litalien verrät" Die „Times" Unruhe darüber, dad Bristor Emanuel so lange mit dem Einzuge in Neapel zu zaubern scheint, und daß die farbinische Armee und Flotte nicht Fürgern Prozef mit Gaeta machen. Es müsse dies irgend einen hochwichtigen Grund haben: Wenn Riktor Emanuel fo fdwad műre, fd dur ein eiimaiges französisches Veto zurückhalten zu lassen, 10 werde weder Warshau nnd Europa ihm dies als Verdienst anrechnen ; Warshau würde immer glauben, daß er aus re­­spektabeln Ge­wissenszweifeln stehen bleibe, — Italien und Europa aber würden ihn als einen seiner Bestmmung nicht gewachsenen Schwäcling zu des Todten werfen. Das Zusammenziehen starrer englischer Streit­­kräfte um und in Korfu geschieht Hauptsachlich in Folge der Aufregung, die in Griechenland Herrrät. Die französichen Blätter widerlegen Heute die Nachricht der "Independance Belge" , der zufolge General M­o­n­­tauban, französisher Oberkommandant der dhnerf­­feien Expedition, für den Fall, das Krieg­swijden Frank­­reich und England ausbricht . Die Instruktion Hat, je nach Indien zu werfen, um dort einen Aufstand her­­vorzurufen. * Mien, 22. Oktober, Die im gesirigen Privatver­­fehre in Folge der erschienenen hochwichtigen Erlässe gehobene Stimmung für die Tageseffekten erfuhr pur Realisirungen im heutigen Bürgerhäfte eine Abschwächung Die Spekula­­tion an der Mittagsbörse war von Kriegsbefürch­­tungen derartig beherrscct, bad unter der Wucht dieses Ge»­dankens seine Erregtheit freundlicher Art für die jüngste Fat­­serliche Entsohltefung zum Ausbruch gelangen konnte. Von diesem Gesichtepunkte aus ist es erslärlich , daß die Devisen und Komptanten ebenso Gegenstand der Nachfrage wurden, als in den Schranfenwerthen mehr oder weniger beträcht­­liche Kursherablegungen Play gegriffen haben. Die Teges­­spesulation, die sich art in der Haufe engagirt hatte, mußte die angefauften Rummen abgeben, wodurch eine starre Batffe in Kreditaktien und Nordbahn ersichtlich wurde, Schluß­­furfe ; Kreditaktien 169,40— 60, Nordbahn 1834— 1835, Staats­­bahn 257— 257,50, National 75— 75.25. Hamburg, 20. Oktober, Getreidbemarft, Weizen Iofo sehr fett, ab Auswärts fe. — Roggen Iofo un­­verändert, ab Königsberg BOpfb. pro Oktober 82, pro Früh­­jahr 80 Fäuflich. — DO el pro Oktober 26, pro Frühjahr_ 27. — Kaffee eft, 1788 Sad Santos [chwimmend, 2000 Sad Domingo Sofo zu 644 umgefegt, — 31 nt file, Liverpool, 20. Oktober. Baummolte : 10,000 Ballen Umfab, Preise gegen geslern unverändert. London, 20. Oktober. Nach dem neuesten Bank­­ausweis beträgt der Notenumlauf 21,784,525, der Me­­tallvorrath 14,585,136 £. Verantwortlicher Redakteur : Karl Weisskircher. Borstelungen doch Schnellreifendruch von Emil Müller, Dorotheagae Nr. 12, Het, 1860, — Berlag der Better Lloydaesellshaft. 9

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